Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2007, Az. 4 StR 400/07

4. Strafsenat | REWIS RS 2007, 833

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[X.] vom 15. November 2007 in der Strafsache gegen Veröffentlichung: ja BGHSt: ja Nachschlagewerk: ja StGB §§ 248 a, 265 a [X.] § 121 Abs. 2 Es entscheidet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls, ob bei [X.] bis zu einer bestimmten Schadensgrenze die gesetzliche Mindeststrafe übersteigende Freiheitsstrafen nicht mehr schuldangemessen sind. Diese [X.] ist deshalb einer Vorlegung nach § 121 Abs. 2 [X.] nicht zugänglich. 4. Strafsenat, Beschluss vom 15. November 2007 Œ 4 StR 400/07 I. Amtsgericht [X.] [X.] I[X.] [X.] [X.] - 2 - wegen [X.] von Leistungen u.a. - 3 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin am [X.] [X.], [X.] am [X.] Maatz und [X.] sowie [X.]innen am [X.] [X.] und [X.] am 15. November 2007 beschlossen: Die Sache wird an das [X.] [X.] zurück-gegeben. Gründe: [X.] Das [X.] verurteilte den Angeklagten am 27. Juni 2006 wegen Hausfriedensbruchs, wegen Diebstahls geringwertiger Sachen sowie wegen [X.] geringwertiger Leistungen in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten. Nach den Feststellungen des Urteils hatte der Angeklagte in der [X.] vom 21. November 2005 bis zum 11. Februar 2006 in neun Fällen öffentliche Verkehrsmittel in [X.] benutzt, oh-ne im Besitz eines gültigen Fahrscheins zu sein; am 26. Januar 2006 hatte er ferner in einem Supermarkt zwei Flaschen Bier im Gesamtwert von 0,62 Euro entwendet und trotz eines Hausverbots, das gegen ihn wegen des Diebstahls der Bierflaschen ausgesprochen worden war, den Supermarkt wenige Stunden später erneut betreten. 1 Das Amtsgericht hielt gemäß § 47 Abs. 1 StGB die Verhängung von Freiheitsstrafen gegen den Angeklagten für unerlässlich und setzte für jeden 2 - 4 - Fall der Leistungserschleichung und für den Hausfriedensbruch Einzelfreiheits-strafen von zwei Monaten sowie für den Diebstahl eine Einsatzstrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe fest. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten verwarf das [X.] [X.] durch Urteil vom 22. Januar 2007 als unbegründet. Ergänzend stellte die [X.] fest, dass in den Fällen der Leistungserschleichung jeweils nur ein Kurzstreckentarif in Höhe von 1,10 Euro vom Angeklagten zu entrichten gewesen war. Ebenso wie das Amtsgericht hielt die Berufungskammer des [X.] die Verhängung von Freiheitsstrafen gemäß § 47 Abs. 1 StGB für unerlässlich und bestätigte deshalb die erstinstanzlich festgesetzten [X.] sowie die Ge-samtfreiheitsstrafe. Trotz des geringen Wertes der gestohlenen Bierflaschen und des jeweils zu entrichtenden Beförderungsentgeltes sah sich die [X.] hieran durch das Übermaßverbot nicht gehindert, weil der Angeklagte mehrfach, auch einschlägig, bestraft und Bewährungsversager sei. Gegen die-ses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die gegen ihn verhängten Freiheitsstrafen beanstandet. [X.] Das zur Entscheidung über die Revision berufene [X.] [X.] beabsichtigt, die Revision des Angeklagten entsprechend dem [X.] in [X.] nach § 349 Abs. 2 StPO als unbe-gründet zu verwerfen. Es erachtet die vom [X.] verhängten Freiheits-strafen wegen besonderer Umstände, die in der Persönlichkeit des Angeklagten liegen, zur Einwirkung auf ihn als unerlässlich im Sinne des § 47 Abs. 1 StGB. Die [X.] und die Gesamtfreiheitsstrafe seien in ihrer Höhe noch angemessen; das Übermaßverbot werde durch sie nicht verletzt. 3 Mit Ausnahme der wegen Hausfriedensbruchs verhängten [X.] sieht sich das [X.] [X.] an der beabsichtigten [X.] - 5 [X.] durch die Beschlüsse des [X.] vom 25. Oktober 2001 - 1 Ss 52/01 - (NStZ-RR 2002, 75) und des [X.] vom 9. Februar 2006 - 1 Ss 575/05 - (NStZ 2007, 37) gehindert: Das [X.] habe es in der genannten Ent-scheidung als "schlechthin unangemessen" angesehen, den Diebstahl einer Kaufhausware im Wert von 5,00 DM mit einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten zu ahnden. Das [X.] habe den seine Entscheidung tra-genden Rechtssatz aufgestellt, die Verhängung einer zweimonatigen Freiheits-strafe zur Sühne für Tatschuld und [X.] sei bei einer Leistungserschlei-chung mit einem Schaden von 1,65 Euro - ohne Rücksicht auf die strafrechtli-che Vergangenheit eines Angeklagten - unverhältnismäßig und nicht mehr ver-tretbar, so dass wegen des zu beachtenden Übermaßverbotes eine tatrichterli-che Ermessensausübung ausscheide. Beide [X.]e hätten [X.] die vom Tatrichter verhängten Freiheitsstrafen von zwei Monaten auf die allein als angemessen angesehene gesetzliche Mindeststrafe von jeweils einem Monat zurückgeführt. 5 Das [X.] [X.] hat die Sache daher gemäß § 121 Abs. 2 [X.] dem [X.] über folgende Fragen vorgelegt: 6 "Stehen das Übermaßverbot und das Gebot schuldangemes-senen Strafens der Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Monat unabhängig von der strafrechtlichen Vergan-genheit des [X.] stets entgegen, wenn der Täter einer Er-schleichung der Beförderung durch ein Verkehrsmittel ein Entgelt von nicht mehr als 1,10 Euro nicht entrichten wollte?" - 6 - sowie "Stehen das Übermaßverbot und das Gebot schuldangemes-senen Strafens der Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Monat unabhängig von der strafrechtlichen Vergan-genheit des [X.] stets entgegen, wenn der Täter eines durch die Wegnahme zweier Bierflaschen aus einem Super-markt begangenen Diebstahls einen Schaden von nicht mehr als 0,62 Euro verursacht hat?" I[X.] Der [X.] hat beantragt, die Sache an das Oberlan-desgericht zurückzugeben; hilfsweise zu beschließen: 7 —1. Ob das Übermaßverbot und das [X.] der Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als ei-nem Monat entgegenstehen, wenn der Täter einer Erschleichung der Beförderung durch ein Verkehrsmittel ein Entgelt von nicht mehr als 1,10 Euro nicht entrichten wollte, kann nur nach Lage des [X.] unter Berücksichtigung aller für die Strafzumessung erheblicher Faktoren beurteilt werden. 8 2. Ob das Übermaßverbot und das [X.] der Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als ei-nem Monat entgegenstehen, wenn der Täter eines durch die Weg-nahme zweier Bierflaschen aus einem Supermarkt begangenen Diebstahls einen Schaden von nicht mehr als 0,62 Euro verursacht hat, kann nur nach Lage des Einzelfalles unter Berücksichtigung aller für die Strafzumessung erheblicher Faktoren beurteilt [X.] 9 - 7 - B. Die Sache ist an das [X.] zurückzugeben. Die Vorle-gungsvoraussetzungen des § 121 Abs. 2 [X.] sind nicht gegeben, weil sich die vom [X.] [X.] beabsichtigte Abweichung auf die Bewer-tung von Tatsachen, nicht aber auf eine Rechtsfrage bezieht. Durch die [X.] der [X.]e [X.] und [X.] ist das vorlegen-de [X.] daher nicht gehindert, in dem von ihm zu entscheidenden Fall ungeachtet einer Ähnlichkeit der zu beurteilenden Sachverhalte die [X.] des Angeklagten zu verwerfen. 10 Der [X.] hat dazu u.a. ausgeführt: 11 "Die Entscheidung, unter welchen Umständen die Grenzen schuldangemessenen Strafens überschritten sind und dadurch das Übermaßverbot verletzt ist, gehört zur Strafzumessung und ist als tatrichterliche Wertung tatsächlicher Umstände eine Frage des Einzelfalls, die der Klärung im Wege eines [X.] nicht zugänglich ist (vgl. BGHSt 27, 212, 214ff; NStZ 1983, 261, 262; 1988, 270f; [X.] in Löwe/[X.] StPO 25. Aufl. § 121 [X.] [X.]. 59; KK-Hannich 5. Aufl. StPO § 121 [X.] [X.]. 36); darauf, dass das vorlegende Oberlan-desgericht die Frage als Rechtsfrage behandelt hat, kommt es nicht an (vgl. BGHSt 31, 314, 316; NStZ 1995, 409, 410). (–) Im Hinblick auf das Wesen der Strafzumessung, die zugleich tatrichterlicher Wertungsakt und Rechtsanwendung auf einen bestimmten Strafzumessungssachverhalt unter vom [X.] formulierte Strafzumessungskriterien und -leitlinien ist (vgl. [X.], Beschluss vom 14.06.2007 - 2 BvR 1447/05 und 2 [X.] [X.]. 78 [= NStZ 2007, 598ff.]), muss daher in - 8 - der Regel davon ausgegangen werden, dass sich die Rechtsausführungen der Obergerichte zu den Grenzen schuldangemessenen Strafens nur auf den der Entscheidung zugrunde liegenden Einzelfall beziehen (vgl. BGHSt 27, 212, 215f; 28, 318, 324f; [X.] Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. [X.]. 485), mögen sie auch so formuliert sein, dass sie als grundsätzliche Aussage aufgefasst werden könnten (vgl. BGHSt 18, 324, 325f; 28, 165, 166; NStZ 1988, 270f). Denn unterschiedliche Ergebnisse rechtsfehlerfrei angewendeten tatrichterlichen Ermessens bei der Strafzumessung haben mit abweichenden Entscheidungen in Rechtsfragen nichts ge-mein; die denkbaren Umstände des Einzelfalles sind zu viel-schichtig für generelle Aussagen (BGHSt 27, 212, 216; [X.] in Löwe/[X.] StPO 25. Aufl. § 121 [X.] [X.]. 59; KK-Hannich 5. Aufl. StPO § 121 [X.] [X.]. 36; [X.] Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. [X.]. 485). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nicht davon auszugehen, dass die [X.]e [X.] und [X.] die Verhängung von die Mindeststrafe übersteigen-den Freiheitsstrafen unabhängig von der strafrechtlichen Ver-gangenheit des [X.] in Fällen des Diebstahls sehr gering-wertiger Sachen aus Kaufhäusern und des [X.] sehr geringwertiger Leistungen stets als Verstöße gegen das Gebot schuldangemessenen Strafens und gegen das [X.] bewertet haben. Das [X.] hat in dem von ihm zu entscheidenden Fall die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe von zwei Monaten beanstandet, weil es das [X.] im doppelten Sinne als denkbar gering angesehen hat: Zum ei-nen wegen der wertmäßigen Geringfügigkeit der entwendeten Schachtel Zigaretten, zum anderen im Hinblick auf die bloß "abstrakte Warenwert-Entziehung" im Kaufhaus, ohne dass dadurch eine "konkret-personale Sphäre" betroffen gewesen sei. Bereits der letztgenannte Gesichtspunkt macht deutlich, dass das [X.] seine Entschei-dung nicht auf alle Fälle des Diebstahls von Waren im Wert von 5,00 DM oder weniger aus Supermärkten ausdehnen [X.]. - 9 - (–) Schließlich ist in die Auslegung des Beschlusses des Ober-landesgerichts [X.] einzubeziehen, dass er nach dem Verständnis des vorlegenden [X.]s nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts stünde. Dies kann im Hinblick auf die Bedeutung von Entscheidungen des [X.] für die [X.] der [X.]e (vgl. BGHSt 44, 171, 173) nicht unberücksichtigt bleiben. Bereits 1979 hat das [X.] entschieden, dass die gesetzliche Re-gelung, die für den Diebstahl geringwertiger Sachen Freiheits-strafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe androht, mit dem Grundgesetz vereinbar ist ([X.]E 50, 205, 214 ff). Unter Berufung auf diese Senatsentscheidung hat das [X.] im Jahre 1994 festgestellt, dass die Verhängung einer die Mindeststrafe übersteigenden kurzen Freiheitsstrafe auch in Fällen des Diebstahls geringwertiger Sachen verfassungsgemäß sein kann, wenn der Täter mehr-fach und überwiegend einschlägig vorbestraft ist ([X.], [X.] vom 09.06.1994 - 2 BvR 710/94). (–) Das Bundesver-fassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 09.06.1994 klargestellt, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 StGB nicht erst ab einer bestimmten Schadens-höhe in Betracht kommt. Zugleich hat es die gegen den [X.] verhängten Freiheitsstrafen, also auch die Einzelfreiheitsstrafe von zwei Monaten wegen des Diebstahls von zwei Flaschen Bier im Wert von 1,40 DM aus einem Su-permarkt angesichts seiner vielfachen, überwiegend einschlä-gigen Vorstrafen als mit dem Gebot schuldangemessenen Strafens vereinbar angesehen. Auch das [X.] hat lediglich in einer Einzelfallentscheidung die Verhängung von zweimonatigen Freiheitsstrafen für Leistungserschleichungen mit einem Schaden von 1,65 Euro als nicht mehr schuldangemessen bewertet. Maßgeblich hierfür war ersichtlich eine einzelfallbe-zogene Abwägung der wesentlichen Strafzumessungsge-sichtspunkte. - 10 - (–) Der vom [X.] [X.] aus den Entschei-dungsgründen des [X.]es [X.] hervorgeho-bene Satz ("Die Verhängung einer zweimonatigen Freiheits-strafe zur Sühne für Tatschuld und [X.] ist bei einer Leistungserschleichung mit einem Schaden von 1,65 Euro - ohne Rücksicht auf die strafrechtliche Vergangenheit des [X.] - unverhältnismäßig und nicht mehr vertretbar.") ist bei verständiger Würdigung nur Ergebnis dieser [X.]. Er ist zwar allgemein formuliert, wird in dem ihm vom [X.] [X.] zugemessenen Bedeutungsge-halt vom [X.] jedoch nicht begründet. Da er zudem in auf den Einzelfall bezogene Erwägungen ein-gebettet ist, ist davon auszugehen, dass das Oberlandesge-richt [X.] die Verhängung von zweimonatiger Freiheits-strafe für Leistungserschleichungen mit einem Schaden von 1,65 Euro nicht allgemein, sondern nur in dem ihm vorliegen-den Verfahren als nicht mehr schuldangemessen erachtete.fi Dem stimmt der Senat zu. Es entscheidet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls, ob bei [X.] bis zu einer bestimmten Schadensgren-ze die gesetzliche Mindeststrafe übersteigende Freiheitsstrafen nicht mehr 12 - 11 - schuldangemessen sind. Diese Frage ist deshalb einer Vorlegung nach § 121 Abs. 2 [X.] nicht zugänglich. Tepperwien Maatz [X.] [X.] [X.]

Meta

4 StR 400/07

15.11.2007

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2007, Az. 4 StR 400/07 (REWIS RS 2007, 833)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 833

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