Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2006, Az. I ZR 272/03

I. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 4068

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 272/03 Verkündet am: 6. April 2006 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.] : nein [X.]R : ja

Zahnarztbriefbogen UWG § 8 Abs. 3 Nr. 2 Eine Kammer freier Berufe ist befugt, [X.]verstöße von Kammerange-hörigen oder deren Wettbewerbern im Zivilrechtsweg zu verfolgen. Gegen [X.] von [X.] kann sie in dieser Weise grundsätz-lich auch dann vorgehen, wenn sie berechtigt ist, zur Beseitigung berufswidriger Zustände belastende Verwaltungsakte zu erlassen. Vor ihrer Entscheidung hat die Kammer dann allerdings abzuwägen, ob das Vorgehen im Zivilrechtsweg angemessen erscheint und nicht unverhältnismäßig in die Berufsausübungs-freiheit des betroffenen [X.] eingreift.
[X.], [X.]. v. 6. April 2006 - I ZR 272/03 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 6. April 2006 durch [X.] Dr. [X.] und [X.] v. Ungern-Sternberg, [X.], Dr. Schaffert und Dr. Bergmann für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das [X.]eil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 25. November 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Kläge-rin zurückgewiesen worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: 1 Der Beklagte ist Zahnarzt und Kammerangehöriger der Klägerin, der Zahnärztekammer [X.] . Er gestaltet den Kopf seines [X.] wie nachstehend wiedergegeben: Die Klägerin hat diesen Briefkopf u.a. wegen der Verwendung des Be-griffs "Zahnärztliche Praxisgemeinschaft" als wettbewerbswidrig beanstandet. Dieser Begriff könne - gerade in seiner konkreten Verwendung im Briefkopf - mit der Bezeichnung "Gemeinschaftspraxis" verwechselt werden. Eine "Zahn-ärztliche Praxisgemeinschaft" beschränke sich jedoch auf die gemeinsame Be-nutzung von Räumen und/oder Geräten und den gemeinsamen Einsatz von Hilfspersonal. 2 Die Klägerin hat vor dem [X.] beantragt, den Beklagten unter Androhung von [X.] zu verurteilen, es zu unterlassen, 3 im geschäftlichen Verkehr zu [X.]zwecken in im [X.] mit seiner Berufsausübung bestimmten Briefbögen fol-gende Zusätze zu führen: - 4 - a) "Zahnärztliche Praxisgemeinschaft" b) folgendes [X.]

Der Beklagte hat die Gestaltung seines [X.] als wettbewerbsge-mäß verteidigt. Die Klägerin sei zudem nicht befugt, wettbewerbsrechtliche [X.] gegen ihn geltend zu machen. 4 Das [X.] hat die Klage abgewiesen, soweit sie gegen die Benut-zung der Bezeichnung "Zahnärztliche Praxisgemeinschaft" gerichtet war, und ihr im Übrigen stattgegeben. 5 Gegen dieses [X.]eil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Kläge-rin hat dabei ihren Unterlassungsantrag nur noch beschränkt auf die Benutzung des konkret verwendeten [X.] weiterverfolgt. 6 Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin abgewiesen. Die Revision gegen sein [X.]eil hat das Berufungsgericht beschränkt auf die Entscheidung über den [X.] der Klägerin zugelassen. 7 Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Berufungsantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 - 5 - Entscheidungsgründe: 9 A. Das Berufungsgericht hat den Antrag der Klägerin abgewiesen, dem Beklagten zu verbieten, den konkret beanstandeten Briefkopf zu verwenden. Der Beklagte werbe zwar irreführend, wenn er auf seinem Briefbogen die Be-zeichnung "Zahnärztliche Praxisgemeinschaft" verwende. Die Klägerin sei aber nicht nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG (a.F.) befugt, aus diesem Grund gegen den Beklagten als ihr Mitglied einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch geltend zu machen. Es sei fraglich, ob der Klägerin nicht schon deshalb die Klagebefugnis abzusprechen sei, weil der [X.]esgesetzgeber nach der Zuständigkeitsord-nung des Grundgesetzes nicht befugt sei, die öffentlich-rechtlichen Beziehun-gen zwischen einer Zahnärztekammer und ihren Angehörigen zu regeln, soweit die allgemeinen Berufspflichten betroffen seien. Die Klägerin sei jedenfalls nicht klagebefugt, weil sie gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 6 HeilBerG [X.] [X.] Verhalten eines [X.] auch ohne Einschaltung der Gerichte durch eine Untersagungsverfügung begegnen könne. Dementsprechend fehle es ihr für ein Vorgehen vor den Zivilgerichten auch an einem Rechts-schutzbedürfnis; zumindest sei ein solches Vorgehen unverhältnismäßig. Der Erlass einer Untersagungsverfügung wäre einfacher gewesen und hätte den Beklagten weniger mit Kosten belastet. Die Entscheidung der Klägerin für das zivilrechtliche Vorgehen sei zudem ermessensfehlerhaft. - 6 - B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat [X.]. 10 11 [X.] Die Klägerin ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts für den geltend gemachten, auf §§ 3, 5 UWG (§ 3 UWG a.F.) gestützten wettbewerbs-rechtlichen Anspruch klagebefugt. 1. Die Klägerin war als berufsständische Vertretung der Zahnärzte (§§ 1, 6 HeilBerG [X.]) bei Klageerhebung gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. befugt, [X.]verstöße zu verfolgen, die von ihren [X.] oder deren Wettbewerbern begangen werden (vgl. [X.], [X.]. v. 9.10.2003 - I ZR 167/01, [X.], 164, 165 = [X.], 221 - Arztwerbung im [X.], m.w.[X.]). Seit dem Inkrafttreten des [X.] (UWG) vom 3. Juli 2004 ergibt sich ihre Klagebefugnis aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, der - wie zuvor § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. - auch die prozessuale Klagebefugnis regelt ([X.], [X.]. v. 27.1.2005 - I ZR 146/02, [X.], 689 f. = [X.], 1007 - Sammelmitgliedschaft III; [X.]. v. 23.2.2006 - I ZR 164/03, Umdruck S. 7 - Blutdruckmessungen, m.w.[X.]). Diese Neuregelung sollte nichts an der Befugnis der Kammern freier Berufe ändern, wettbewerbsrechtliche [X.] geltend zu machen. In § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG wurde dies durch die ausdrückliche Benennung von Verbänden zur Förderung "selbständiger berufli-cher Interessen" klargestellt (vgl. Begründung des [X.] eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, Stellungnahme des [X.]esrates und Gegenäußerung der [X.]esregierung, BT-Drucks. 15/1487 S. 23, 33 und 42; vgl. weiter [X.], [X.]. v. 30.9.2004 - I ZR 89/02, [X.], 436 = [X.], 602 - Steuerberater-Hotline; Harte/[X.], UWG, § 8 [X.]. 275; Fezer/Büscher, UWG, § 8 [X.]. 197; [X.] in Hefermehl/[X.]/ Bornkamm, [X.]recht, 24. Aufl., § 8 UWG [X.]. 3.33; [X.] in [X.], § 8 UWG [X.]. 103). 12 - 7 - 13 2. Die Anwendung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.) auf Kammern freier Berufe scheitert - entgegen den Bedenken des [X.] - nicht daran, dass der [X.]esgesetzgeber für das Recht der Heilberufe nur eine begrenzte Gesetzgebungszuständigkeit hat. Der [X.] hat nach Art. 73 Nr. 9 GG die ausschließliche Gesetzgebung über den gewerbli-chen Rechtsschutz, zu dem das Recht des unlauteren [X.] gehört, und gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG die konkurrierende Gesetzgebung für das ge-richtliche Verfahren. Diese Zuständigkeiten umfassen das Recht, die allgemei-nen Voraussetzungen der Klagebefugnis für wettbewerbsrechtliche Ansprüche zu regeln. Dieses Recht hat der [X.]esgesetzgeber u.a. dadurch ausgeübt, dass er in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG "rechtsfähigen Verbänden zur Förderung ge-werblicher oder selbständiger beruflicher Interessen" die Befugnis gegeben hat, wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend zu machen. Die Zuständigkeit, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass bestimmte Kammern [X.] Berufe in diesem Sinn rechtsfähige Verbände zur Förderung selbständiger beruflicher Interessen sind, steht dem Landesgesetzgeber zu. In diese Befugnis greift die allgemeine Regelung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht ein. Sie erwei-tert nicht die materielle Überwachungsbefugnis der Kammern gegenüber ihren [X.], sondern eröffnet nur den Weg einer Unterlassungsklage zur Durchsetzung der Berufspflichten (vgl. [X.] 111, 366, 375 = [X.], 83, 85). 3. Die Befugnis der Klägerin aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.), wettbewerbsrechtliche Ansprüche auch gegen ihre Kammerange-hörigen geltend zu machen, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerin nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 HeilBerG [X.] berechtigt ist, die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung berufswidriger Zustände zu treffen und hierzu auch belastende 14 - 8 - Verwaltungsakte zu erlassen (vgl. dazu [X.] DVBl. 2003, 729, 730). Die Möglichkeit, im Zivilrechtsweg gegen berufswidrige Werbung von Kammeran-gehörigen vorzugehen, steht grundsätzlich neben den Befugnissen, die der Klägerin als Kammer gegenüber ihren [X.] zustehen. Ein durchgreifender Grund, warum sich die Klägerin grundsätzlich vorrangig für den einen oder den anderen Weg entscheiden müsste, besteht nicht. Die Klägerin kann schon deshalb nicht ohne weiteres auf das Ergreifen berufsrechtlicher Maßnahmen verwiesen werden, weil ihr mit der Zuerkennung wettbewerbs-rechtlicher Unterlassungsansprüche, die kein Verschulden voraussetzen, ein vergleichsweise einfacher und schneller Weg zur Unterbindung berufswidrigen Verhaltens zur Verfügung gestellt ist. Vor ihrer Entscheidung hat die Klägerin allerdings abzuwägen, ob das Vorgehen im Zivilrechtsweg angemessen [X.] und nicht unverhältnismäßig in die Berufsausübungsfreiheit des betrof-fenen [X.] eingreift (vgl. [X.] 111, 366, 377 = [X.], 83, 86; [X.], [X.]. v. 25.10.2001 - I ZR 29/99, [X.], 717, 718 = [X.], 679 - Vertretung der [X.]). 4. Die Ausübung der Klagebefugnis einer Kammer freier Berufe aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist grundsätzlich nicht unverhältnismäßig, wenn sie darauf abzielt, eine nach Ansicht der Kammer unlautere Werbung eines Kammerange-hörigen zu unterbinden (vgl. [X.] 111, 366, 378 = [X.], 83, 86 f.). Dies gilt in besonderer Weise bei irreführenden Werbeangaben, da diese [X.] sind, den lauteren Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher zu beeinträchtigen (§§ 3, 5 UWG) und das Ansehen der [X.] zu schädigen, und deshalb möglichst rasch und wirksam unterbunden werden müssen. Nur unter besonderen Umständen könnte ein Vorgehen im Zivilrechtsweg wegen eines solchen [X.]verstoßes als unverhältnis-mäßig zu beurteilen und dementsprechend das Rechtsschutzbedürfnis zu ver-neinen sein. 15 - 9 - 16 I[X.] Der Senat ist an einer eigenen Sachentscheidung gehindert. Das Be-rufungsgericht hat der Sache nach ein Prozessurteil erlassen, weil es die [X.] der Klägerin und das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage verneint hat. Die zur Begründetheit der Klage gemachten Ausführungen gelten deshalb als nicht geschrieben und sind vom Revisionsgericht nicht zu beachten (vgl. [X.] 11, 222, 223 f.; 46, 281, 284 f.; [X.], [X.]. v. 29.9.1993 - VIII ZR 107/93, [X.], 76, 77; [X.]/[X.], ZPO, 25. Aufl., § 563 [X.]. 11, jeweils m.w.[X.]). - 10 - C. Auf die Revision der Klägerin war danach das Berufungsurteil im Kos-tenpunkt und insoweit aufzuheben, als die Berufung der Klägerin [X.] worden ist. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zur neuen Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungs-gericht zurückzuverweisen. 17 [X.] v. Ungern-Sternberg [X.]

[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 26.02.2003 - 12 O 262/02 - [X.], Entscheidung vom 25.11.2003 - 20 U 63/03 -

Meta

I ZR 272/03

06.04.2006

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2006, Az. I ZR 272/03 (REWIS RS 2006, 4068)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 4068

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