Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2013, Az. 1 StR 526/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 648

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 526/13

vom
3.
Dezember
2013
in der Strafsache
gegen

wegen Untreue

-
2
-

Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 3.
Dezember
2013 beschlos-sen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird
das Urteil des Landge-richts
München I vom 24.
Juli 2013

a)
im Schuldspruch dahin gehend abgeändert, dass der [X.] in vier Fällen schuldig ist,

b)
im Strafausspruch mit den
Feststellungen aufgehoben.

2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über
die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurück-verwiesen.

3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Untreue (§
266 StGB) in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren verurteilt. Seine dagegen gerichtete Revision hat in dem
aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg (§
349 Abs.
4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet (§
349 Abs.
2 StPO).
1

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3
-

I.
Nach den Feststellungen des Tatgerichts war der als selbständiger [X.] tätige Angeklagte seit mehreren Jahren mit der Durchführung
von vier Versicherungsverträgen
zwischen der X.

(

) als Versicherer und der [X.]

(

) als Versi-
cherungsnehmerin betraut. Unter Inanspruchnahme einer ihm von der X.

eingeräumten Inkassovollmacht stellte der Angeklagte der [X.]

die jähr-
lichen Versicherungsbeiträge in Rechnung und leitete die auf Geschäftskonten seines Unternehmens eingehenden Zahlungen der Versicherungsnehmerin an die X.

weiter. Dabei war der Angeklagte berechtigt, die aus den vier
Versicherungsverträgen resultierenden [X.] gegenüber der [X.]

in jeweils mehrere Teilrechnungen aufzuspalten
und gegenüber der
[X.]

bzw. von dieser benannten Tochterunternehmen geltend zu machen.
Obwohl die Versicherungsprämien im Verhältnis zwischen Versicherer und Ver-sicherungsnehmer jeweils am 1.
Januar des entsprechenden Jahres fällig [X.]
(UA S.
17), räumte die X.

dem Angeklagten für die Weiterleitung
an sie später liegende und für die jeweiligen Versicherungsarten unterschiedli-che Fälligkeitstermine ein.
[X.] stellte der Angeklagte der [X.]

bzw.
deren Tochterunter-
nehmen in insgesamt 20 Einzelrechnungen eine Jahresversicherungsprämie aus allen vier Versicherungsverträgen in Höhe von 1.325.267,32 Euro in Rech-nung und erbat die Zahlung auf eines seiner allgemeinen Geschäftskonten. Der genannte Gesamtbetrag ging aufgrund zahlreicher Einzelüberweisungen auch auf diesem Konto ein. Zu einer Weiterleitung an die X.

kam es nicht.
Das fragliche Konto des Angeklagten wies -
wie auch die übrigen Konten -
im [X.] durchgängig ein [X.] auf.
2
3

-
4
-

II.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Untreue in sieben Fällen nicht.
1.
Das [X.] hat zwar angesichts der Art der Einbindung des [X.] in die Durchführung der Versicherungsverträge zutreffend eine ge-genüber dem Vermögen der X.

bestehende Betreuungspflicht ange-
nommen (zu den Anforderungen vgl. [X.], Beschluss vom 5.
März 2013
-
3 StR 438/12, [X.], 407 f. mwN). Die
rechtliche Würdigung, das straf-tatbestandsmäßige Verhalten des Angeklagten bestehe darin, dass er die für die X.

zu vereinnahmenden Versicherungsprämien auf ein allgemei-
nes Geschäftskonto seines Unternehmens statt auf ein Anderkonto durch die Versicherungsnehmerin hat zahlen lassen, findet in den Feststellungen
jedoch
keine Grundlage.
a)
Eine aus gesetzlichen Vorschriften resultierende Pflicht zur Zuführung anvertrauter Gelder auf ein
Anderkonto, wie sie etwa §
54b Abs.
1 BeurkG für Notare begründet
(vgl. zur Untreue durch
einen Notar etwa [X.], Urteil vom 6.
April 1982 -
5
StR 8/82,
NStZ 1982, 331 f.),
bestand für den Angeklagten nicht. Vertragliche Vereinbarungen zwischen der X.

und dem Ange-
klagten mit dem Inhalt einer Verwahrung der vereinnahmten Versicherungs-prämien auf einem Anderkonto hat das Tatgericht nicht ausdrücklich [X.]. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich eine derar-tige,
vertraglich begründete Pflicht ebenfalls nicht ableiten. Die mitgeteilten tat-sächlichen und rechtlichen Umstände der Vertragsbeziehungen zwischen dem Angeklagten und dem Versicherungsunternehmen deuten gerade nicht auf eine solche Pflicht zur Zuführung auf ein gesondertes Konto hin. Die erheblichen 4
5
6

-
5
-

Zeitspannen zwischen den für die [X.]

maßgeblichen Zeitpunkten der Fällig-
keit (jeweils 1.
Januar 2011) der von ihnen zu zahlenden Versicherungsprämien einerseits und den Fälligkeitszeitpunkten der Abführungspflicht des Angeklag-ten (1.
Mai, 15.
Juli und 1.
August 2011) gegenüber der X.

anderer-
seits weisen eher in die gegenteilige Richtung.
b)
Angesichts dieser konkreten Verhältnisse lässt sich die Pflichtwidrig-keit auch nicht auf obergerichtliche
Rechtsprechung stützen, nach der ein Rechtsanwalt, der Gelder für einen Mandanten in Empfang nimmt und nicht einem Anderkonto
zuführt, sondern anderweitig verwendet, sich grundsätzlich wegen Untreue -
regelmäßig nach dem Treubruchtatbestand (§
266 Abs.
1 Var.
2 StGB) -
strafbar macht (siehe nur [X.], Beschluss vom 30.
Oktober 2003 -
3 [X.], [X.], 54 f.; [X.] 2007,
3366 f. jeweils mwN). In den Fallgestaltungen der Veruntreuung von zur [X.] an den Mandanten erhaltenen Geldern oder von diesem zur Ausführung des Mandats zur Verfü-gung gestellten Mitteln ([X.] aaO) wird
die Pflicht zur Zuführung auf ein Ander-konto aus dem Anwaltsvertrag
hergeleitet
(vgl. [X.] aaO). Eine entsprechende Pflicht begründet das hier bestehende
Vertragsverhältnis aus den genannten Gründen gerade nicht.

Fehlt es an einer gesetzlich oder vertraglich begründeten Pflicht einer Zuführung
vereinnahmter Gelder auf ein von den sonstigen Konten des Vermö-gensbetreuungspflichtigen getrenntes Konto, kann eine Pflichtwidrigkeit bereits des Einforderns solcher Gelder auf ein nicht separates Konto weder aus dem Umstand hergeleitet werden, dass es dort zu einer Verrechnung
(Kontokorrent)
mit Schulden des Treupflichtigen kommt,
noch daraus, dass dieser zum Zeit-punkt der Vereinnahmung nicht in der Lage war, die entsprechenden Beträge aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren (zu diesem Gesichts-7
8

-
6
-

punkt vgl. [X.] und [X.] jeweils aaO; siehe auch [X.], Urteil vom 19.
Mai 1953
-
2 [X.],
NJW 1953, 1600, 1601). Eine solche Begründung der Pflicht-widrigkeit, auf die das Tatgericht in der Sache abstellt, wäre bei fehlender sons-tiger Pflicht zur Zuführung auf ein Anderkonto mit dem
aus Art.
103 Abs.
2 GG folgenden sog. Verschleifungs-
oder Entgrenzungsverbot
([X.], 170, 198; [X.] NJW 2013, 365, 366) nicht zu vereinbaren. Dieses Verbot schließt es aus, Straftatbestandsmerkmale in einer Weise auszulegen, dass sie [X.] in einem anderen
Tatbestandsmerkmal aufgehen, also zwangsläufig mit diesem mitverwirklicht
werden ([X.] jeweils aaO). Vorliegend würde die Pflichtwidrigkeit des Einforderns der von der Versicherungsnehmerin geschul-deten Versicherungsprämien auf ein allgemeines Geschäftskonto allein aus dem Fehlen der Fähigkeit des Angeklagten resultieren, die vereinnahmten Gel-der aus eigenen flüssigen Mitteln an die X.

auszukehren. Die
Pflichtwidrigkeit ginge dann aber vollständig in dem Merkmal des Vermögens-nachteils auf.
c)
Von der im Urteil des 2.
Strafsenats vom 19.
Mai 1953 (2 [X.], NJW 1953, 1600, 1601) vertretenen Rechtsauffassung weicht der [X.] nicht ab. Dort wurde die Pflichtwidrigkeit mit der zweckwidrigen Verwendung verein-nahmter Gelder durch den [X.]. Es kann daher offenbleiben, ob
die in der genannten Entscheidung vertre-tene
Rechtsauffassung
mit den
nunmehr maßgeblichen verfassungsrechtlichen Anforderungen des [X.] in Gestalt des [X.] vereinbar wäre.
2.
Die vom Tatgericht zur Schuldfrage rechtsfehlerfrei getroffenen Fest-stellungen gestatten aber eine Änderung
des Schuldspruchs dahingehend, 9
10

-
7
-

dass der Angeklagte sich wegen Untreue (§
266 Abs.
1 Alt.
2 StGB) in vier Fäl-len durch das pflichtwidrige Unterbleiben der Abführung der vereinnahmten Versicherungsprämien an die X.

zu den genannten Fälligkeitszeit-
punkten strafbar gemacht hat. Aus dem mit dem Versicherungsunternehmen geschlossenen Vertrag war der Angeklagte verpflichtet, zum jeweils vereinbar-ten Termin
die auf die vier Versicherungsverträge mit der [X.]

entfallenden,
bereits von ihm vereinnahmten Versicherungsprämien an die X.

ab-
zuführen. Die Erfüllung dieser Pflicht hat er in Bezug auf sämtliche von der [X.]

bzw. deren Tochterunternehmen gezahlten Prämien für die vier Versiche-
rungsverträge
im [X.]
nicht erfüllt. Daraus ist der X.

ein Ver-
mögensnachteil entstanden. Da der Angeklagte eine Inkassovollmacht für den Versicherer hatte, hat die Versicherungsnehmerin durch die Überweisung der geschuldeten Prämien auf das vom Angeklagten genannte Konto mit befreien-der Wirkung geleistet.
Der Verwirklichung des Treubruchtatbestandes (§
266 Abs.
1 Alt.
2 StGB) durch Unterlassen in vier Fällen steht die festgestellte fehlende [X.] des Angeklagten zu den [X.] der vereinnahmten Prämien an die X.

nicht entgegen. Angesichts
der an den
Saldenständen der Konten des Angeklagten ablesbaren [X.] war dieser verpflichtet, für seine Leistungsfähigkeit zu den ver-schiedenen Abführungszeitpunkten Sorge zu tragen (Rechtsgedanke der omis-sio libera in causa; vgl. dazu im Kontext von §
266a StGB [X.], Beschluss vom 28.
Mai 2002 -
5 StR 16/02, [X.]St 47, 318, 320
ff.
sowie bei §
283 Abs. 1 Nr.
7b StGB [X.], Beschluss vom 30. August 2011 -
2 StR 652/10, NJW 2011, 3733, 3734).

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-
8
-

§
265 StPO hindert die Änderung des Schuldspruchs nicht. Der Ange-klagte hätte sich nicht anders verteidigen können.
III.
Im Hinblick auf die Änderung des Schuldspruchs und die damit einher-gehende Verringerung der Anzahl der [X.] bedarf der Strafausspruch insgesamt der Aufhebung.
Der [X.] hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf (§
353 Abs.
2 StPO). Das Tatgericht hat den [X.] nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Es ist von einem Vermögensnachteil in Höhe von 1.325.267,32 Euro ausge-gangen (UA S.
11). Dieser Betrag entsprach der Summe der von der [X.]

im
[X.] aus den vier Versicherungen der X.

geschuldeten Versi-
cherungsprämien (UA S.
9). Genau diese Summe hat der Angeklagte der [X.]

und ihren Tochtergesellschaften -
aufgeteilt in 20 Einzelrechnungen -
in Rech-nung gestellt. In den [X.] entsprechenden Einzelüberweisun-gen sind seitens dieser auch insgesamt 1.325.267,32 Euro auf das Geschäfts-konto des Angeklagten gelangt (Tabelle UA S.
10 und 11). Aus der Beweiswür-digung des Tatgerichts ergibt sich aber, dass der Angeklagte einen Anspruch auf Provision hatte und er verpflichtet war, die eingehenden Versicherungsprä-

16). In welcher Hö-he der Provisionsanspruch des Angeklagten bestand,
lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Es ist auch nicht zu erkennen, ob die Provision bei der [X.] berücksichtigt worden ist. Die im Urteil angenommene Übereinstimmung der Höhe der von der [X.]

gegenüber der
X.

geschuldeten Versicherungsprämien mit der des bei dem Versi-
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-
9
-

cherer eingetretenen Vermögensschadens deutet eher auf eine unterbliebene Berücksichtigung.
IV.
Der [X.] weist darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs §
13 Abs.
2 StGB auf die durch Unterlassen verwirklichte Untreue anwendbar ist ([X.], Urteil vom 21.
Juli 1989 -
2 [X.], [X.]St 36, 227-229; weiterer
Nachw. bei [X.], StGB, 60.
Aufl., §
266 Rn.
32 a.E.). Bei der danach gebotenen wertenden Gesamtwürdigung der wesentlichen unterlas-sungsbezogenen Gesichtspunkte (vgl. [X.], Beschluss vom 30.
Juni 2011
-
4 StR 241/11 mwN) wird der neue Tatrichter berücksichtigen können, dass [X.] des Unrechts der Untreue (§
266 StGB) in dem pflichtwidrigen Umgang mit dem Täter anvertrautem fremden Vermögen besteht.
Raum
Wahl
Cirener

Radtke
Mosbacher
15

Meta

1 StR 526/13

03.12.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2013, Az. 1 StR 526/13 (REWIS RS 2013, 648)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 648

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 526/13

3 StR 438/12

2 StR 652/10

4 StR 241/11

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