Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2016, Az. I ZR 233/15

I. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 4686

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:290916BIZR233.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 233/15
vom
29. September 2016
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 29.
September 2016 durch [X.]
Dr.
Büscher, [X.]
Kirchhoff, Prof.
Dr.
[X.], Dr.
Löffler und Feddersen

beschlossen:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Re-vision in dem Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 22.
Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§
97
Abs.
1 ZPO).

Gründe:
[X.] Die Klägerin ist die [X.]. Die Beklagte befasst sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Lebensmitteln. In ihrem Internet-auftritt bewarb sie das Produkt "[X.]" mit Aussagen über eine Gewichtsreduktion und über verbesserte Blutzuckerwerte. Auf der Verpackung des Produkts fanden sich Angaben über die Aktivierung des Stoffwechsels und die Regulierung des Blutzuckerspiegels. Die Beklagte warb für ihr Produkt au-ßerdem mit einer Anzeige in der Fachzeitschrift "[X.]". Darin finden sich Angaben, mit denen dem Produkt "[X.]" Wirkungen in der Rheumatherapie zugeschrieben werden. Die Klägerin hat diese Angaben 1

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als Verstoß gegen § 21a Abs. 7 Satz 2 [X.] sowie Art. 10 Abs. 1 und Art. 12 Buchst.
b der Verordnung ([X.])
Nr.
1924/2006 über nährwert-
und gesundheits-bezogene Angaben über Lebensmittel
beanstandet und die Beklagte auf Unter-lassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.
Das [X.] hat die Beklagte mit der Maßgabe antragsgemäß verur-teilt, dass es der Beklagten im Hinblick auf die Verpackungsangaben eine [X.] eingeräumt hat. Das Berufungsgericht hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen
([X.], Urteil vom 22. Oktober 2015 -
13 [X.], [X.]). Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten. Mit der erstrebten Revision möchte sie ih-ren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiterverfolgen.
I[X.] Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern auch im Übrigen keine Entscheidung des Revisionsgerichts (§
543 Abs.
2 Satz
1 ZPO).
1. Eine Vorlage an den [X.] nach Art.
267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982

C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 -
C.[X.]L.F.[X.]T.). [X.] der Ansicht der Beschwerde stellt sich im Streitfall keine entscheidungs-erhebliche Frage zur
Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des [X.]s geklärt ist oder nicht zweifelsfrei zu beant-worten ist.
a)
Ohne Erfolg macht die Beschwerde geltend, dem [X.] der [X.] sei die Frage der Anwendbarkeit von Art.
12 Buchst. c [ge-meint ist Buchst. b] der Verordnung ([X.])
Nr.
1924/2006 auf "lediglich [X.] sowie einzelfallbezogene Angaben über Höhe und Zeitraum eines möglichen 2
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Gewichtsverlustes" zur Vorabentscheidung vorzulegen. Die von der Beschwer-de
formulierte Frage kann nicht abstrakt rechtsgrundsätzlich
geklärt werden, sondern hängt von der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall ab. Das Beru-fungsgericht hat
in den streitgegenständlichen Angaben
aufgrund rechtsfehler-freier tatrichterlicher Würdigung
zudem gerade
keine allgemeinen
oder einzel-fallbezogenen Angaben
gesehen.
b)
Entgegen der Ansicht der Beschwerde wirft der Streitfall auch nicht die grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage auf,
ob gesundheitsbezogene Angaben nach Art. 10 Verordnung ([X.])
Nr. 1924/
2006
nur für den jeweiligen Nährstoff, die Substanz oder das Lebensmittel ge-macht werden dürfen, für den, die oder das sie zugelassen sind, nicht jedoch für das [X.], das diese enthält.
Es fehlt bereits an der Entscheidungserheblichkeit dieser Frage. Das Be-rufungsgericht hat rechtsfehlerfrei
angenommen, dass der Verkehr die angegrif-fenen Werbeaussagen nicht als inhaltlich gleichbedeutend mit
den von der Be-schwerde angeführten, bereits
zugelassenen
Claims
für Fructose und Zink
an-sehen wird. Auf die von der Beschwerde
als grundsätzlich bedeutsam geltend gemachte Frage, ob sich die Beklagte außerdem auch deshalb nicht auf die beiden zugelassenen
Claims berufen könne, weil diese auf konkrete [X.] ("Fructose", "Zink") abstellten, während die Werbung der Beklagten allgemein
dem Produkt "[X.]" die beanstandeten Wirkungen beimisst, kommt es im Streitfall also nicht an.
Im Übrigen hat der
Senat bereits entschieden, dass die bloße Angabe einer bestimmten Wirkung ohne Benennung des Nährstoffs, der Substanz, des Lebensmittels oder der Lebensmittelkategorie, auf der diese Wirkung nach der Liste der zugelassenen Angaben beruht, mit der zugelassenen Angabe nicht inhaltsgleich und daher unzulässig ist ([X.], Urteil vom 7.
April 2016 6
7
8

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5
-

I
ZR
81/15, [X.], 1200
Rn.
36
= [X.], 1359
-
Repair-Kapseln). Nach diesen Grundsätzen sind die streitgegenständlichen Angaben unzulässig, weil diese die [X.] zur Normalisierung des Blutzuckerwertes nicht mit Zink oder Fructose in Verbindung bringen. Der Senat hat das von ihm gefundene Auslegungsergebnis als zweifelsfrei angesehen und deshalb eine Vorlage an den [X.]
nicht für erforderlich gehal-ten ([X.], [X.], 1200
Rn.
41
-
Repair-Kapseln). Eine Zulassung der Revision zum Zwecke der Durchführung eines [X.] ist auch im Streitfall nicht erforderlich.
c)
Im Hinblick auf die Anzeige in der Fachzeitschrift "Ernährungsum-schau"
stellt sich ebenfalls keine klärungsbedürftige Rechtsfrage.
aa)
Die Beschwerde macht geltend, es stelle sich vorliegend die grund-sätzlich bedeutsame Rechtsfrage,
ob die Vorschriften der Verordnung
([X.])
Nr. 1924/2006 auch
auf Angaben An-wendung finden, die sich ausschließlich an Fachkreise und nicht direkt den Endverbraucher richten.
bb) Diese von der Beschwerde aufgeworfene Frage ist nicht (mehr) klä-rungsbedürftig. Der [X.] hat im Verlauf
des vor-liegenden Verfahrens entschieden,
dass nährwert-
oder gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, die -
wie im Streitfall -
als solche an den Endver-braucher abgegeben werden sollen, auch dann in den Anwendungsbereich der Verordnung
([X.])
Nr. 1924/2006 fallen, wenn sich die Angaben nicht an den Endverbraucher, sondern ausschließlich an medizinische Fachkreise richten ([X.], Urteil vom 14. Juli 2016 -
C-19/15, [X.], 1090 Rn. 54 -
Verband Sozialer Wettbewerb/Innova Vital). Der [X.] hat insoweit angenommen, dass sogar medizinische Fachkreise nicht immer in der Lage sind, jederzeit 9
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über alle speziellen und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu verfügen, die notwendig sind, um jedes einzelne Lebensmittel und die nährwert-
und ge-sundheitsbezogenen Angaben, die bei der Kennzeichnung und Aufmachung dieser Lebensmittel oder bei der Werbung für sie verwendet werden, zu [X.] ([X.], [X.], 1090
Rn. 43
-
Verband Sozialer Wettbewerb/Innova Vital). Da durch die im Streitfall maßgebliche Zeitschrift "[X.]" nicht nur -
wie im vom [X.] entschiedenen Fall
-
Ärzte und Apotheker, sondern auch andere Fachkreise im Lebensmittelbereich angesprochen werden, die erheblich geringere
Kenntnisse als medizinische Fachkreise haben dürften, sind
diese Grundsätze im Streitfall erst recht
anzu-wenden.
cc) Da das Berufungsgericht die Frage richtig entschieden hat, hat die beabsichtigte Revision der Beklagten unabhängig vom Zeitpunkt der Entschei-dung über die Nichtzulassungsbeschwerde keine Erfolgsaussichten
(vgl. [X.], Beschluss vom 6.
Mai 2004

I
ZR
197/03, [X.], 712
= [X.], 1051

PEE-WEE).
d)
Ohne Erfolg meint die Beschwerde, der Rechtsstreit werfe die klä-rungsbedürftige und grundsätzlich bedeutsame Frage auf,
ob die [X.] des Art.
28 Abs.
5 und Abs.
6
der
Verordnung ([X.]) Nr.
1924/2006 auch auf solche pflanzlichen Stoffe (sog. "Botanicals") An-wendung finden, die bereits Gegenstand einer Überprüfung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
waren.
aa) Die Beschwerde
legt bereits nicht dar, dass diese Frage umstritten oder sonst klärungsbedürftig ist. Sie ist vielmehr eindeutig zu verneinen. [X.] wird -
soweit ersichtlich -
weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur vertreten.
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14

-
7
-
Problematisch
ist allenfalls, wie Angaben zu "Botanicals" zu behandeln sind, die bislang von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
noch nicht
beschieden, sondern deren Prüfung zurückgestellt worden ist (vgl. Erwä-gungsgrund
5 der Verordnung

EU

Nr. 536/2013). Um diese Problematik geht es im Streitfall
jedoch nicht. Das Berufungsgericht hat angenommen, das hier in Rede stehende [X.], aus dem das Produkt "[X.]" nach den vom Berufungsgericht unterstellten Vortrag der Beklagten zu 50% besteht, sei kein "Botanical" im vorstehenden
Sinne. Vielmehr habe die [X.] sämtliche beantragte gesundheitsbezogene Angaben zu [X.], [X.] und [X.]-Inhaltsstoffen nicht etwa zurückgestellt, sondern nach Bewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit
um-fassend abgelehnt und als "[X.]" bezeichnet. Diese Feststellungen greift die Beschwerde
nicht an. Da es sich im Streitfall mithin nicht um Angaben in Bezug auf ein zurückgestelltes Produkt handelt, stellt sich auch die Proble-matik der Anwendbarkeit von [X.] nicht.
bb) Die von der Beschwerde
aufgeworfene Frage ist zudem deshalb nicht entscheidungserheblich, weil die konkret angegriffenen Aussagen nicht hinreichend wissenschaftlich gesichert und deshalb als irreführende Angaben
unzulässig sind
(vgl. [X.], Urteil vom 6.
Februar 2013

I
ZR
62/11, [X.], 649 Rn. 15 f. = WRP 2013, 772 -
Basisinsulin mit Gewichtsvorteil, mwN). Die Beschwerde
macht selbst geltend, dass wissenschaftliche Nachweise für Wirkungen pflanzlicher Stoffe nicht erbracht werden können, weil es technisch unmöglich sei, pflanzliche Lebensmittel derart zu standardisieren, dass an ihnen wissenschaftliche Versuche durchgeführt werden könnten. Die angegrif-fene Werbung lässt solche Vorbehalte jedoch nicht erkennen, sondern ver-spricht mehrere
gesundheitsfördernde Wirkungen ohne jede Einschränkung.
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2. Von einer näheren Begründung wird gemäß §
544 Abs.
4 Satz
2 Halb-satz
2 ZPO abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Büscher
Kirchhoff
[X.]

Löffler
Feddersen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.04.2015 -
7 [X.]/14 -

[X.], Entscheidung vom 22.10.2015 -
13 [X.] -

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Meta

I ZR 233/15

29.09.2016

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2016, Az. I ZR 233/15 (REWIS RS 2016, 4686)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4686

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I ZR 233/15

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