Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2008, Az. 4 StR 153/08

4. Strafsenat | REWIS RS 2008, 1640

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[X.]IM NAMEN DES VO[X.]ES URTEIL 4 StR 153/08 vom 2. Oktober 2008 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 2. Oktober 2008, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] Athing, [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] [X.], [X.], Oberstaatsanwalt beim [X.] als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der Strafkammer des [X.] bei dem [X.] vom 11. September 2007, soweit es den Angeklagten M. betrifft, im Ausspruch über den Verfall eines Geldbetra-ges mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]. Von Rechts wegen Gründe: [X.] Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaub-ter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einer Vielzahl von Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Zugleich hat es gegen ihn den Verfall eines Geldbetrages von 10.000 • angeordnet. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und wirksam (vgl. [X.], 270; [X.] StPO 51. Aufl. § 318 Rdn. 22) auf den Ausspruch über den Wertersatzverfall beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verlet-zung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist begründet. 1 - 4 - I[X.] 1. Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte im Zeitraum Juli 2004 bis April 2006 in insgesamt 39 Fällen in [X.] von diversen Liefe-ranten jeweils 300 g Kokain zu Grammpreisen von 35 oder 37 •, führte das Rauschgift sodann gemeinsam mit dem früheren Mitangeklagten [X.]in die [X.] ein und veräußerte die Betäubungsmittel schließ-lich zu einem Grammpreis von 50 bis 60 • an verschiedene Abnehmer. Mit [X.]war pro Fahrt eine Entlohnung von 450 • vereinbart, die er sich vom Angeklag-ten größtenteils in Kokain auszahlen ließ. 2 2. Das [X.] hat ungeachtet der missverständlichen Tenorierung ersichtlich - wie auch die Liste der angewendeten Vorschriften zeigt - gegen den Angeklagten in Anwendung der §§ 73, 73 a [X.] den Verfall von [X.] angeordnet. Dies lässt im Ansatz Rechtsfehler nicht erkennen, da die vom Angeklagten unmittelbar aus den Drogengeschäften erlangten Geldscheine (§ 73 Abs. 1 Satz 1 [X.]) sich nicht mehr in dessen Besitz befinden, so dass ihr Verfall aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich im Sinne von § 73 a Satz 1 [X.] ist. Zur Bemessung der Höhe des [X.] hat die [X.] ausgeführt: 3 Der Angeklagte habe das Kokain gewinnbringend an seine Endabneh-mer für einen Preis von zumindest 50 • je Gramm weiter veräußert, so dass er aus den Verkäufen der insgesamt 11,7 kg Kokain einen Gesamterlös von [X.] 585.000 • —erzielt haben dürftefi. Gleichwohl werde —unter Anwendung der Vorschrift der §§ 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt., 73 c Abs. 1 Satz 1 [X.]fi ledig-lich ein Geldbetrag von 10.000 • für verfallen erklärt. Der Angeklagte verfüge derzeit nur noch über einen Pkw im Wert von 8.814,57 •, eine [X.] - 5 - rung mit einem Rückkaufwert von 3.511,86 • und eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufwert von 8.341,31 •, mithin über Vermögen im Gesamtwert von 20.673,74 •. Weitere Geldmittel oder Vermögen besitze er nachweisbar nicht. Sie - die Strafkammer - erachte lediglich die Anordnung eines Wertersatzver-falls von 10.000 • —als darstellbarfi. [X.] sei 1994 abge-schlossen und ab November 2001 beitragsfrei gestellt worden. Damit stehe fest, dass dieser Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten erworben worden sei. Bezüglich des dem Ange-klagten darüber hinaus noch verbleibenden Restbetrages sei von den Voraus-setzungen des § 73 c Abs. 1 Satz 1 [X.] auszugehen. In Anbetracht des [X.] geringen Restvermögens sowie der Unterhaltsverpflichtungen des Ange-klagten gegenüber seinen beiden Kindern erscheine eine weiter gehende An-ordnung eines Wertersatzverfalls über den Betrag von 10.000 • hinaus als un-billige Härte. 3. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 5 a) Soweit das [X.] von der Anordnung des Verfalls des [X.]es nach § 73 c Abs. 1 Satz 1 [X.] abgesehen hat, fehlt es hierfür an einer tragfähigen Begründung. Zwar ist die Anwendung der Härtevorschrift des § 73 c [X.] in erster Linie Sache des Tatrichters. Die Gewichtung der für das Vorlie-gen einer unbilligen Härte maßgeblichen Umstände unterliegt daher grundsätz-lich nicht der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Mit der Revision kann jedoch beanstandet werden, dass das Tatbestandsmerkmal der —unbilligen [X.] rechtsfehlerhaft interpretiert worden ist (vgl. [X.], 424, 425). 6 aa) Die Annahme einer —unbilligen Härtefi im Sinne des § 73 c Abs. 1 Satz 1 [X.] setzt nach ständiger Rechtsprechung eine Situation voraus, nach 7 - 6 - der die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin —ungerechtfi wäre (vgl. [X.], 495; wistra 2003, 424, 425; [X.] 55. Aufl. § 73 c Rn. 3). Die Auswirkungen müssen im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme ange-strebten Zweck stehen; es müssen besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des [X.] zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Be-rücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann ([X.] in [X.]. § 73 c Rn. 7). [X.]) Derartige Umstände hat das [X.] nicht dargetan. Der Ge-sichtspunkt, dass dem Angeklagten nur ein —geringes Restvermögenfi verbleibe, stellt kein taugliches Kriterium dar. Aus § 73 c Abs. 1 Satz 2 [X.] folgt, dass die - auch vollständige - Entreicherung des [X.] als solche keine Härte dar-stellt, die (zwingend) zum Ausschluss der Verfallsanordnung nach § 73 c Abs. 1 Satz 1 [X.] führt (vgl. [X.], 589, 590; wistra 2003, 424, 425). Denn diese Bestimmung stellt die Anordnung des Verfalls auch in den Fällen in das Ermessen des Gerichts, in denen der Wert des [X.] zur Gänze nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, d.h. auch in Fällen vollständiger Vermögenslosigkeit. Erst recht kann nicht von einer unbilligen Härte gespro-chen werden, wenn dem Betroffenen - wie hier - ein Restvermögen von [X.] mehr als 10.000 • verbliebe. Ebenso wenig ist der nicht weiter spezifizierte Hinweis auf die Unterhaltsverpflichtungen des Angeklagten gegenüber seinen Kindern geeignet, die Annahme eines Härtefalls im Sinne des § 73 c Abs. 1 Satz 1 zu rechtfertigen (vgl. auch [X.] in [X.] aaO). Ansprüche von [X.] werden regelmäßig durch Verfallsanordnungen betroffen. Darüber hinaus gehende besondere Umstände, die insoweit eine unzumutbare Härte begründen könnten, sind nicht festgestellt. 8 - 7 - b) Auch die Voraussetzungen des § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. [X.] sind nicht rechtsfehlerfrei dargelegt. 9 aa) Allerdings beanstandet die Revision zu Unrecht, dass das [X.] den Wert der Lebensversicherung des Angeklagten bei der Berechnung des Wertes des ihm verbliebenen Vermögens außer Ansatz gelassen hat. 10 (1) Zwar kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob das vorhandene Vermögen einen konkreten oder unmittelbaren Bezug zu den Straftaten hat; ebenso wenig hängt die Anordnung des Verfalls davon ab, ob der Angeklagte die vorhandenen Vermögenswerte unmittelbar mit Drogengeldern erworben hat oder ob er mit Drogengeldern andere Aufwendungen bestritten und erst mit den so eingesparten Mitteln das noch vorhandene Vermögen gebildet hat (st. Rspr.; vgl. [X.]R [X.] § 73 c Wert 2 = wistra 2000, 298; [X.] 73 c Rn. 4 m.w.N.). Daher scheidet eine Ermessensentscheidung nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. [X.] regelmäßig aus, solange und soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem —verfallbarenfi Betrag zu-rückbleibt ([X.] aaO). 11 (2) Dies gilt indes nicht uneingeschränkt. Steht zweifelsfrei fest, dass der fragliche Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abge-urteilten Straftaten erworben wurde, ist eine Ermessensentscheidung nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. [X.] insoweit nicht ausgeschlossen (vgl. [X.] [X.]St 48, 40, 42 f. mit zust. [X.]. [X.], 367; [X.] NStZ-RR 2005, 104 [3. Strafsenat]; [X.] in Müko-[X.] § 73 c Rn. 17 f.; [X.]/[X.] in [X.] § 73 c Rn. 6; a.A. [nicht tragend] [X.]St 51, 65, 70 [X.]. 23 [1. Strafsenat] mit [X.]. [X.]. [X.] NStZ 2006, 683). So liegt es hier. Das [X.] hat zutreffend einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Erwerb des durch 12 - 8 - die 1994 abgeschlossene und im November 2001 beitragsfrei gestellte Lebens-versicherung verkörperten Vermögenswerts und den vom Angeklagten Jahre später im Zeitraum Juli 2004 bis April 2006 erlangten [X.] ausge-schlossen. (3) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin wird dadurch eine effektive Vermögensabschöpfung über die [X.] nicht in Frage gestellt (vgl. bereits [X.]St 48, 40, 43). Denn vorhandenes Vermögen behält, auch wenn es in keiner denkbaren Beziehung zum - nicht mehr vorhandenen - Wert des [X.] steht und deshalb die Anwendbarkeit des § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. [X.] nicht hindert, seine Bedeutung im Rahmen der nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung. Bestehen etwa Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte bewusst unbemakeltes Vermögen geschont und seine [X.] und sonstige Ausgaben mit dem aus den Straftaten [X.] bestritten hat, wird dies regelmäßig dazu führen, dass von der Möglichkeit des § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. [X.] kein Gebrauch zu machen ist. 13 [X.]) Die [X.] lassen jedoch besorgen, dass das [X.] bei der Verfallsentscheidung nicht im Blick gehabt hat, dass es sich bei § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. [X.] um eine Ermessensvorschrift handelt. 14 Das [X.] hat, soweit es von einem Verfall des Wertersatzes nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. [X.] abgesehen hat, dies allein damit begründet, dass der durch die Lebensversicherung verkörperte Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten erworben worden ist. Dies betrifft jedoch lediglich die Eingangsvoraussetzung der Norm, nicht aber die in einem zweiten Schritt vorzunehmende Ermessensentscheidung. 15 - 9 - cc) Jedenfalls bilden die getroffenen Feststellungen keine tragfähige Grundlage für eine Ermessensentscheidung nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. [X.]. 16 Maßgebend für die Ermessensentscheidung nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. [X.] ist neben der Gesamthöhe des [X.] und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen insbesondere der Grund, aus welchem das [X.] bzw. dessen Wert sich nicht mehr im Vermögen des Angeklagten [X.] (vgl. [X.] NStZ 2005, 455; NStZ-RR 2005, 104, 105; [X.] in Müko-[X.] § 73 c Rn. 20 f.; [X.] in [X.] aaO § 73 c Rn. 12). Hierbei können etwa das —[X.] der erlangten Mittel oder ihre Verwendung für Luxus und zum Ver-gnügen gegen die Anwendung der Härtevorschrift sprechen; andererseits kann ihr Verbrauch in einer Notlage oder zum notwendigen Lebensunterhalt des Be-troffenen und seiner Familie als Argument für eine positive Ermessensentschei-dung dienen ([X.]St 38, 23, 25; [X.] NStZ-RR 2005, 104, 105). Hierzu verhält sich das Urteil indes nicht. Der [X.] vermag daher nicht zu überprüfen, ob das [X.] diesen Gesichtspunkt - wie geboten - berücksichtigt hat und ob es insoweit von einem rechtlich zutreffenden Maßstab ausgegangen ist. 17 4. Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung der [X.] mit den zugehörigen Feststellungen. Bei der Bemessung des Wertes des vom Angeklagten aus den Drogenverkäufen [X.] hat das [X.] im Übrigen nicht berücksichtigt, dass nach den getroffenen Feststellungen der frü-here Mitangeklagte [X.] sich seine Entlohnung von 450 • pro Fahrt vom [X.] in Kokain auszahlen ließ. Zwar hat der Angeklagte durch die Weitergabe des Kokains —an Zahlung [X.] Aufwendungen in Form ent-sprechender Geldzahlungen erspart und damit aus den Taten auch etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 [X.] erlangt (vgl. [X.] in [X.] aaO § 73 Rn. 18 - 10 - 22; [X.] 73 Rn. 9). Der Wert des dergestalt [X.] kann jedoch nicht ohne weiteres nach den von den Abnehmern des Angeklagten für das [X.] gezahlten Grammpreisen bemessen werden. Insoweit wird der neue [X.] gegebenenfalls im Wege der Schätzung (§ 73 b [X.]) neue [X.] zu treffen haben. Tepperwien Athing [X.] Ernemann Mutzbauer

Meta

4 StR 153/08

02.10.2008

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2008, Az. 4 StR 153/08 (REWIS RS 2008, 1640)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1640

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