Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2008, Az. KVR 2/08

Kartellsenat | REWIS RS 2008, 300

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[X.]BESCHLUSS [X.] 2/08Verkündet am: 10. Dezember 2008 [X.] Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der [X.] Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

Stadtwerke Uelzen GWB § 19 Abs. 1 Der für die Beurteilung einer marktbeherrschenden Stellung eines Gasversor-gers sachlich maßgebliche Markt ist kein einheitlicher Wärmeenergiemarkt, sondern der Markt für die leitungsgebundene Versorgung von Endkunden mit Gas. In räumlicher Hinsicht wird dieser Markt [X.] solange keine Veränderung der bisherigen [X.] eintritt [X.] durch das Versorgungsgebiet des örtlichen Anbieters bestimmt (im [X.] an [X.] 151, 274 [X.] Fernwärme für [X.]; [X.] 176, 244 [X.] Erdgassondervertrag). [X.], Beschluss vom 10. Dezember 2008 [X.] [X.] 2/08 [X.] [X.] - 2 - Der [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 10. Dezember 2008 durch den Präsidenten des [X.] Prof. Dr. Tolksdorf, [X.] [X.] und die Rich-ter Prof. Dr. Meier-Beck, [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerden wird der Beschluss des Kartellsenats des [X.] vom 10. Januar 2008 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerde-gericht zurückverwiesen. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 447.500,- • festgesetzt. Gründe: [X.] Die Betrof[X.] ist ein Gasversorgungsunternehmen, das in seinem Versorgungsgebiet, der [X.], Endverbraucher mit Erdgas der weitge-hend in [X.] geförderten Kategorie [X.] beliefert. Die [X.] hat festgestellt, dass die Betrof[X.] in der [X.] vom 1. November 2005 bis zum 31. März 2006 von den [X.] bei den Abnahmemengen bis 20.000 kWh/a, bis 35.000 kWh/a und bis 90.000 kWh/a missbräuchlich über-höhte Jahresgesamtpreise gefordert habe, und hat angeordnet, dass die [X.] - 3 - [X.] ihren Kunden zuviel erhobene Gaspreise mit der Jahresabrechnung 2006 zurückzuerstatten habe. Auf die Beschwerde hat das Beschwerdegericht die Verfügung aufgeho-ben ([X.] [X.]/[X.] 2249). 2 Hiergegen richten sich die vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerden der Landeskartellbehörde und des [X.], de-nen die Betrof[X.] entgegentritt. 3 I[X.] [X.] sind begründet und führen zur Aufhe-bung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. 4 1. Das Beschwerdegericht hat die Verfügung als rechtswidrig ange-sehen, da die von der Landeskartellbehörde angeführten Tatsachen keine marktbeherrschende Stellung der Betrof[X.]n auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt belegten. Es hat unter Berufung auf das Urteil des VII[X.] Zivil-senats des [X.] vom 13. Juni 2007 ([X.] 172, 315) ange-nommen, die Betrof[X.] sei nicht auf einem auf ihr Versorgungsgebiet be-schränkten Markt für die Belieferung von Endkunden mit Erdgas, sondern auf einem räumlich zumindest auf den Bereich [X.]/[X.] zu erstrecken-den Markt für Wärmeenergie tätig. Eine marktbeherrschende Stellung der Be-trof[X.]n auf diesem Markt sei nicht ersichtlich und werde von der [X.] auch nicht geltend gemacht. 5 2. Diese Beurteilung des relevanten Marktes rügen die [X.] mit Erfolg als rechtsfehlerhaft. 6 a) Die sachliche Marktabgrenzung folgt nach ständiger Rechtspre-chung jedenfalls im Ausgangspunkt dem [X.]. Nach diesem 7 - 4 - sind dem relevanten ([X.] alle Produkte oder Dienstleistungen zu-zurechnen, die aus der Sicht der Nachfrager nach Eigenschaft, Verwendungs-zweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind ([X.], Urt. v. 9.11.1983 [X.] 322/81, Slg. 1983, 3461 [X.]. 37 = [X.]/E EWG/MUV 642 [X.] Michelin; [X.] 160, 67, 73 [X.] Standard-Spundfass; [X.] 170, 299 [X.]. 18 [X.] National Geographic II; [X.].Beschl. v. 4.3.2008, [X.] 21/07, [X.]/[X.] 2268 [X.]. 15 [X.] Soda Club II, für [X.] 176, 1 vorgesehen). Das von Energieversorgern wie der Betrof[X.]n gelieferte Erdgas wird von Endkunden nachgefragt, die Energie für eine Gasheizung (sowie gegebe-nenfalls andere mit Gas betriebene Geräte wie einen Gasherd) benötigen. Das für den Betrieb einer solchen Heizungsanlage erforderliche Gas kann nicht durch andere Energieträger ersetzt werden, denn für mehr als eine Energieart geeignete Anlagen sind, wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung ausdrücklich einräumt, so selten, dass sie für die Bewertung der Marktgegebenheiten außer Betracht bleiben können. Ein Austausch des Energieträgers Erdgas gegen ei-nen anderen kommt mithin nur dann in Frage, wenn der Endkunde zugleich eine Heizungsanlage beschafft, die für den anderen Energieträger geeignet ist. Die für die Marktdefinition entscheidende regelmäßig wiederkehrende Nachfra-ge ist dies offenkundig nicht. Die typische Nachfragekonstellation ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass für den Endkunden ein Austausch des Energie-trägers ausscheidet, sei es, weil er rechtlich überhaupt an der Installation einer anderen Heizungsanlage gehindert ist, sei es, weil die Umstellung auf eine an-dere Heizenergie nicht nur erhebliche Investitionen und/oder bestimmte sach-lich-räumliche Voraussetzungen (z.B. [X.] an ein Fernwärmesystem; Raum für einen Öltank) erforderte, sondern angesichts der Restnutzungsdauer der vorhandenen Anlage [X.] die Betrof[X.] geht von einer Lebensdauer von rund 15 Jahren aus [X.] auch unwirtschaftlich wäre. Mit dem [X.] ist es folglich nicht zu rechtfertigen, einen einheitlichen Wärmeenergiemarkt als sachlich relevanten Markt anzusehen. 8 - 5 - b) Auch der Gesichtspunkt der [X.] kann eine solche Marktdefinition nicht begründen. 9 Allerdings bedarf das allein auf das Nachfrageverhalten der Marktgegen-seite abstellende [X.] gegebenenfalls eines Korrektivs. Die Marktabgrenzung dient dem Ziel, die [X.] zu ermitteln, denen die beteiligten Unternehmen ausgesetzt sind ([X.] 156, 379, 384 [X.] Strom und [X.]; [X.] 166, 165 [X.]. 29 [X.] [X.]). Würde ausschließlich auf das vorgefasste, am konkreten Bedarf orientierte Kaufinteresse der [X.] abgestellt, müssten häufig extrem kleinteilige, auf konkrete Produkt-ausgestaltungen oder [X.]größen reduzierte Märkte gebildet werden, die die [X.] der Anbieter nicht zutreffend abbilden würden. Dem trägt das Konzept der [X.] mit der Erwägung Rechnung, dass ein die Verhaltensspielräume kontrollierender Wettbewerb auch von Anbietern ähnlicher Produkte ausgeht, die ihr Angebot kurzfristig umstellen können, um eine bestehende Nachfrage zu befriedigen ([X.] 170, 299 [X.]. 19 [X.] National Geographic II). 10 Das Beschwerdegericht hat jedoch nichts dafür festgestellt, dass andere Anbieter von Wärmeenergie in der Lage wären, kurzfristig Gaslieferungen an-zubieten. Dies liegt auch schon deshalb fern, weil für den hier relevanten [X.]-raum nicht einmal ein funktionierender Durchleitungswettbewerb unter den vor-handenen Gasanbietern festgestellt worden ist. 11 c) Der [X.] hat demgemäß schon in seiner bisherigen Rechtsprechung den Gasversorgungsmarkt als den für die kartellrechtliche Be-urteilung sachlich relevanten Markt angesehen ([X.].Urt. v. 29.4.2008 [X.] KZR 2/07, [X.]/[X.] 2295 [X.]. 12 [X.] Erdgassondervertrag, für [X.] 176, 244 vorgesehen, im [X.] an [X.] 151, 274, 282 [X.] Fernwärme für [X.]). In Übereinstimmung damit geht jetzt auch der VII[X.] Zivilsenat des [X.] - 6 - gerichtshofs in seinem Urteil vom 19. November 2008 ([X.] ZR 138/07 [X.]. 18) von einer Monopolstellung des örtlichen Gasversorgers aus. d) In räumlicher Hinsicht wird der relevante Markt [X.] solange keine Veränderung der konkreten [X.] eintritt [X.] durch das Ver-sorgungsgebiet des einzigen örtlichen Anbieters leitungsgebundener Versor-gung mit Gas bestimmt (vgl. [X.] 156, 379, 384 ff. [X.] Strom und [X.]). 13 e) Der vom Beschwerdegericht im [X.] an die Entscheidung des VII[X.] Zivilsenats vom 13. Juni 2007 ([X.] 172, 315) herangezogene Ge-sichtspunkt, dass von den Märkten für andere Energieträger ein wettbewerbli-cher Einfluss auf den Gasversorgungsmarkt ausgehen kann, wird damit für die kartellrechtliche Beurteilung nicht ausgeblendet. [X.], die beim Nachfrager Zweifel an der Entscheidung für ein bestimmtes System [X.] wie hier den Betrieb einer Gasheizung [X.] wecken können, sind indessen nicht bei der Bestimmung des relevanten Marktes, sondern bei der Prüfung der Frage zu berücksichtigen, ob ein Anbieter auf dem relevanten Markt ohne Wettbewerber oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat (vgl. [X.] 82, 1, 5 [X.] [X.]ungsmarkt München; [X.] 170, 299 [X.]. 18 [X.] National Geographic II; [X.].Beschl. v. 4.3.2008 [X.] [X.] 21/07, [X.]/[X.] 2268 [X.]. 15 [X.] Soda Club II). Im Streitfall ist allerdings nichts dafür ersichtlich, dass dieser Gesichtspunkt die marktbeherrschende Stellung der Betrof[X.]n in Frage stellen könnte. 14 3. Da das Beschwerdegericht zu der Frage, ob die Betrof[X.] ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht hat, keine Feststellungen getroffen hat, ist die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. 15 16 4. Für den Fall, dass das Beschwerdegericht bei seiner erneuten Prüfung einen Missbrauch feststellen sollte, weist der [X.]at darauf hin, dass - 7 - nach § 32 Abs. 2 GWB keine grundsätzlichen Bedenken dagegen bestehen, im Rahmen einer Abstellungsverfügung auch Maßnahmen anzuordnen, die der Beseitigung einer geschehenen, aber noch gegenwärtigen Beeinträchtigung diene. Dazu gehört die Anordnung, durch das missbräuchliche Verhalten erwirt-schaftete Vorteile zurückzuerstatten (vgl. [X.] in [X.]/Bunte, Kartell-recht, 10. Aufl., § 32 GWB Rdn. 26). Tolksdorf [X.] Meier-Beck

Kirchhoff Grüneberg Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 10.01.2008 - 13 VA 1/07 (Kart) -

Meta

KVR 2/08

10.12.2008

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2008, Az. KVR 2/08 (REWIS RS 2008, 300)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 300

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