Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2020, Az. 5 StR 167/20

5. Strafsenat | REWIS RS 2020, 11547

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2020:090620B5STR167.20.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5 StR 167/20

vom
9. Juni 2020
in dem
Sicherungsverfahren
gegen

-
2
-
Der 5. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 9. Juni 2020 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 [X.] beschlossen:

Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 11. Dezember 2019 mit den Feststellungen aufgehoben; ausgenommen sind die Feststellungen zum objekti-ven Tatgeschehen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache
zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Beschuldigten im Sicherungsverfahren in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht (§ 63 StGB). Gegen dieses Urteil wendet sich der Beschuldigte mit seiner auf die Verletzung formellen und sach-lichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrens-rüge in dem aus der
Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

1
-
3
-
1. Die Verteidigung hatte hilfsweise für den Fall der Anordnung einer
Unterbringung gemäß § 63 StGB beantragt, ein weiteres Sachverständigengut-achten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass der Beschuldigte an einer drogeninduzierten Psychose erkrankt sei.
Diesen Antrag hat das [X.] im angefochtenen Urteil

ausdrück-lich gestützt auf den Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 4 Satz 2 [X.]

mit der Begründung zurückgewiesen, der Sachverständige

F.

habe nachvoll-ziehbar dargelegt, warum er nicht sicher habe feststellen können, ob den [X.] eine paranoide Schizophrenie oder aber jeweils eine drogeninduzierte Psychose zu Grunde
gelegen habe. Weder sei die Sachkunde des Sachver-ständigen zweifelhaft, noch sei er von unzutreffenden tatsächlichen Vorausset-zungen ausgegangen. Der bloße Umstand, dass er in seinem vorläufigen [X.] noch zu einer eindeutigen Diagnose gekommen sei, in seinem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten aber nicht, mache letzteres nicht mangelhaft.
2. Die Zurückweisung des Beweisantrags verstößt gegen § 244 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz [X.].
Nach dieser Vorschrift kann die Anhörung eines weiteren Sachverständi-gen abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist. Hier ist indes nicht schon durch das Gutachten des Sachverständigen

F.

das Gegenteil der behaupteten Tatsache

also die Nichterkrankung des Beschuldigten an einer [X.] Psychose

erwiesen gewesen. Vielmehr ist das [X.] im An-schluss an den Sachverständigen davon ausgegangen, dass der Beschuldigte statt unter einer paranoiden Schizophrenie auch unter einer drogeninduzierten Psychose gelitten haben könnte (vgl. [X.] ff., 30). Soweit das [X.] 2
3
4
5
-
4
-
gemeint haben sollte, das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache sei schon deshalb erwiesen, weil eine drogeniuzierte Psychose nicht sicher [X.] werden könne, hätte sie

worauf die Revision zutreffend hinweist

den Inhalt
des Beweisantrags nicht ausgeschöpft.
Damit kommt es nicht mehr darauf an, ob

angesichts der zahlreichen Beanstandungen, die gegen die Methodik des Gutachters von
der Verteidigung substantiiert erhoben worden sind

die knappen Erwägungen zur Sachkunde des Sachverständigen und Qualität seines Gutachtens den an die [X.] zu stellenden Anforderungen genü-gen (vgl. zum erforderlichen Begründungsumfang je nach Art und Gewicht der gegen das Erstgutachten vorgebrachten Einwände [X.], Beschlüsse vom 12.
November 2004

2 [X.], [X.]St 49, 347, 358; vom 22. Mai 2012

5 StR 15/12, [X.], 287, 288; vom 9. Juli 2013

3 StR
132/13,
[X.], 281; [X.]/[X.], 27. Aufl., § 244 Rn. 340 mwN; [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl., § 244 Rn. 75). Denn die Frage, ob der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen des früheren [X.] überlegen sind, ist nur von Bedeutung, wenn das Gericht das Gegenteil der behaupteten Tatsache a

bereits erwiesen ansehen und deshalb den Antrag auf Anhörung eines weiteren Sachverständi-gen ablehnen will ([X.], Beschlüsse vom 10. August 2004

3 [X.], [X.]R [X.] § 244 Abs. 4 Satz 2 Zweitgutachter 7; vom 3. November 2009

3 StR 355/09, [X.], 51).
3. Zwar kann das Revisionsgericht, wenn

wie hier

ein Hilfsbeweisan-trag in zulässiger Weise erst in den Urteilsgründen beschieden worden ist, die Ursächlichkeit des Verstoßes gegen § 244 Abs. 4 [X.] mit der Begründung
verneinen, dass das Tatgericht den Antrag mit einer anderen Begründung 6
7
-
5
-
rechtsfehlerfrei hätte ablehnen können (vgl. [X.], Beschlüsse vom 21. Oktober 1997

1 StR 578/97, [X.]R [X.] § 244 Abs. 6 Hilfsbeweisantrag 9; vom 10.
August
2004

3 [X.], [X.], 159; vom 24. August 2007

2 [X.], [X.], 116; [X.]/[X.], [X.] 63. Aufl., § 244 Rn. 107 mwN). Die dafür erforderliche Voraussetzung, dass ein solcher Ablehnungs-grund sich aus den Urteilsgründen ergeben oder sonst auf der Hand liegen muss, ist hier aber nicht erfüllt. Der vom [X.] in seiner An-tragsschrift angestellten Überlegung, die [X.] habe aufgrund des ihm durch den Sachverständigen vermittelten Wissens die für die Beurteilung der Störung
des Beschuldigten erforderliche eigene Sachkunde erlangt und hätte deswegen den Antrag nach §
244 Abs. 4 Satz 1 [X.] ablehnen können, steht schon entgegen, dass sie sich für die Frage einer Abgrenzung zwischen sub-stanzinduzierter Psychose einerseits und paranoider Schizophrenie anderer-seits ausdrücklich keine Sachkunde zugetraut hat. Sie hat hierzu ausgeführt, den Schluss des Sachverständigen, eine solche Abgrenzung sei nicht zu leis-ten
Maßstab angelegt habe; ihr erscheine die Begründung des Sachverständigen für die Änderung seiner
Diagnose

4. Trotz der von dem [X.] angestellten Alternativerwägungen ist nicht ausgeschlossen, dass die Einholung des beantragten Gutachtens auf die Prüfung der [X.], ob eine und gegebenenfalls welche Maßregel zu verhängen ist, Einfluss gehabt haben könnte.

8
-
6
-
5. Die Sache bedarf daher

naheliegend unter Hinzuziehung eines an-deren psychiatrischen Sachverständigen

neuer Verhandlung und Entschei-dung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den äußeren Abläufen der drei [X.] haben jedoch Bestand (§ 353 Abs. 2 [X.]). Das neue Tatgericht kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bishe-rigen nicht in Widerspruch stehen.
Cirener

Berger

Mosbacher

Köhler

von Häfen

Vorinstanz:
[X.], [X.], 11.12.2019 -
3501 [X.]/19 626 KLs 14/19 2 Ss 28/10
9

Meta

5 StR 167/20

09.06.2020

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2020, Az. 5 StR 167/20 (REWIS RS 2020, 11547)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11547

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 167/20 (Bundesgerichtshof)

Sicherungsverfahren auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus: Revisionsgrund fehlerhafter Ablehnung eines Hilfsbeweisantrages auf …


1 StR 574/00 (Bundesgerichtshof)


5 StR 123/10 (Bundesgerichtshof)

Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Anforderungen an die Begründung der Schuldunfähigkeit bei Begehung …


1 StR 63/17 (Bundesgerichtshof)


6 StR 331/20 (Bundesgerichtshof)

Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Anforderungen an die Darstellung in den Urteilsgründen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

5 StR 15/12

5 StR 167/20

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.