Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.02.2013, Az. I R 8/12

1. Senat | REWIS RS 2013, 8352

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Gegenstand

Rückstellung für öffentlich-rechtliche Anpassungsverpflichtung nach der TA Luft 2002


Leitsatz

Eine behördliche Anweisung, nach der Altanlagen einen festgelegten Emissionswert ab einem bestimmten Zeitpunkt einhalten sollen (hier: Nr. 5.4.1.2.1 TA Luft 2002), kann in der Regel nicht dahin verstanden werden, dass die Verpflichtung zur Wahrung des Grenzwerts im Sinne der Rechtsprechung zu Verbindlichkeitsrückstellungen rechtlich bereits vor Ablauf dieses Zeitpunkts entsteht (Anschluss an BFH-Urteil vom 13. Dezember 2007 IV R 85/05, BFHE 220, 117, BStBl II 2008, 516; Abweichung vom Senatsurteil vom 27. Juni 2001 I R 45/97, BFHE 196, 216, BStBl II 2003, 121).

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine A[X.], produziert Holzplatten und unterhielt hierzu in den Streitjahren (2005 und 2006) u.a. eine Feuerungsanlage, die mit Holzresten und mit Heizöl betrieben werden konnte.

2

Mit Verfügung vom 1. Juli 2005 ordnete die zuständige Umweltbehörde gemäß § 17 Abs. 1 des [X.]es (BImSch[X.]) an, dass beim Betrieb der Feuerungsanlage mit Holzwerkstoffen die nach der [X.] zum [X.] (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) vom 24. Juli 2002 ([X.] 2002, 511) --[X.] 2002-- zu beachtende Emissionsbegrenzung für den Abgasparameter staubförmige Emissionen (20 mg/cbm) "spätestens ab dem 01.10.2010 einzuhalten (ist)". Nach der Begründung des Bescheids wurde mit der [X.] berücksichtigt, dass "nach Nr. 5.4.1.2.1 (Altanlagen) der [X.] 2002 die festgelegten Anforderungen spätestens acht Jahre nach Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift" (vgl. dazu Nr. 8 [X.] 2002: 1. Oktober 2002) "eingehalten werden sollen"; damit werde [X.] die Begründung weiter-- "sowohl bei der Festsetzung von Emissionswerten wie auch bei der zur Umsetzung gewährte(n) Frist der [X.]rundsatz der Verhältnismäßigkeit ... gewahrt".

3

Für den Einbau der hiernach erforderlichen [X.] bildete die Klägerin entsprechend einem Angebot und unter Berücksichtigung des [X.] gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a [X.]. e des Einkommensteuergesetzes (ESt[X.] 2002) zum 31. Dezember 2005 eine Rückstellung in Höhe von 696.000 €. In der Steuerbilanz zum 31. Dezember 2006 ist die Rückstellung auf der [X.]rundlage einer weiteren Konzeptstudie auf 1.615.000 € erhöht worden. Im Jahre 2007 wurde sodann eine neue [X.] mit einem [X.]esamtwert von netto 1,8 Mio. € bestellt; sie ist im [X.] geliefert und in Betrieb genommen worden.

4

Im [X.] an eine Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) für die Streitjahre geänderte Bescheide zur Festsetzung der Körperschaftsteuer sowie des [X.]ewerbesteuermessbetrags, mit denen er die gebildeten Rückstellungen nicht (mehr) anerkannte.

5

Der dagegen erhobenen Klage hat das Finanzgericht (F[X.]) Münster stattgegeben (Urteil vom 14. Dezember 2011  10 K 1471/09 K,[X.], abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --EF[X.]-- 2012, 944). Die Verpflichtung zur Wahrung der neuen [X.]renzwerte sei bereits mit Inkrafttreten der [X.] 2002 entstanden; der Klägerin sei lediglich zur Erfüllung dieser Verpflichtung eine [X.] bis 1. Oktober 2010 eingeräumt worden. Für solche Verpflichtungen sei eine Rückstellung auch dann zu bilden, wenn sie --wie vorliegend-- an den in Frage stehenden Bilanzstichtagen mangels eines Vergangenheitsbezugs wirtschaftlich noch nicht verursacht seien. Der begehrten Passivierung stehe auch nicht entgegen, dass nach § 5 Abs. 4b ESt[X.] 2002 Rückstellungen für Aufwendungen, die in zukünftigen Wirtschaftsjahren als Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind, nicht gebildet werden dürfen. Die [X.] sei kein selbständiges Wirtschaftsgut, sondern unselbständiger Bestandteil der Sachgesamtheit Holz-Feuerungsanlage geworden. Hierfür sprächen die einheitliche Zweckbestimmung (Erzeugung von Energie unter Einhaltung der [X.]renzwerte des [X.]es) und die spezielle technische Verbindung von Filter- und Feuerungsanlage. Auch habe der Einbau der [X.] nicht deshalb zu einer wesentlichen Verbesserung der [X.]esamtanlage i.S. von § 255 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs (H[X.]B) geführt, weil hierdurch der umweltrechtlich geforderte Zustand geschaffen worden sei. Eine Leistungssteigerung der Feuerungsanlage sei mit der Nachrüstung nicht verbunden gewesen.

6

Mit der vom F[X.] zugelassenen Revision beantragt das [X.], das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

8

Das dem Verfahren beigetretene Finanzministerium des [X.] hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Das [X.] hat zu Recht die von der Klägerin für die Verpflichtung zur Einhaltung der Grenzwerte gemäß [X.] 2002 gebildeten Rückstellungen nicht anerkannt. Das hiervon abweichende Urteil des [X.] ist deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind in der Handelsbilanz u.a. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die daraus folgende Passivierungspflicht gehört zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und war gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 [X.]. § 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 auch für die Steuerbilanz der Klägerin zu beachten (ständige Rechtsprechung, Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2009 I R 43/08, [X.], 469, [X.], 688).

2. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzen entweder das Bestehen einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach voraus, deren Höhe zudem ungewiss sein kann. Gegenstand der Verbindlichkeit können nicht nur Geldschulden, sondern auch Werkleistungspflichten sein. Beruhen die Verbindlichkeiten auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften, so bedarf es der Konkretisierung in dem Sinne, dass sie inhaltlich hinreichend bestimmt, in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag zu erfüllen sowie sanktionsbewehrt sind. Ist die Verpflichtung am Bilanzstichtag nicht nur der Höhe nach ungewiss, sondern auch dem Grunde nach noch nicht rechtlich entstanden, so kann eine Rückstellung nur unter der weiteren Voraussetzung gebildet werden, dass sie wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren verursacht ist (vgl. zu allem Senatsurteile vom 6. Juni 2012 I R 99/10, [X.], 335; vom 27. Juni 2001 I R 45/97, [X.], 216, [X.] 2003, 121, jeweils mit umfangreichen Nachweisen).

3. Vorliegend war die Verpflichtung zur Begrenzung staubförmiger Emissionen gemäß [X.] 2002 zum Ende der Streitjahre zwar hinreichend konkretisiert, da die Nichtbeachtung der Ordnungsverfügung vom 1. Juli 2005, mit der der Klägerin aufgegeben wurde, den Grenzwert für staubförmige Emissionen von 20 mg/cbm spätestens ab dem 1. Oktober 2010 einzuhalten, die Untersagung des Betriebs der Klägerin hätte zur Folge haben können (§ 20 [X.]) und z.B. nach dem Ordnungswidrigkeitstatbestand des § 62 Abs. 1 Nr. 5 [X.] sanktionsbewehrt war (vgl. [X.], [X.], 9. Aufl., § 17 Rz 81, § 20 Rz 12 und § 62 Rz 18; Senatsurteil in [X.], 216, [X.] 2003, 121); auch bedarf es insoweit keiner qualifizierten Nähe der erforderlichen Anpassungsmaßnahmen zum Bilanzstichtag (Senatsurteil in [X.], 335). Die Verpflichtung zur Einhaltung dieses Emissionswerts war an den Bilanzstichtagen der Streitjahre jedoch weder rechtlich entstanden (nachfolgend zu 3.a) noch war sie bis zu diesen Zeitpunkten wirtschaftlich verursacht (nachfolgend zu 3.b). Demgemäß erübrigen sich auch Ausführungen dazu, ob --wie vom Beigetretenen sowie dem [X.] geltend gemacht-- die der Klägerin entstandenen Aufwendungen als nachträgliche Herstellungskosten zu aktivieren und deshalb von einer Rückstellungspassivierung ausgeschlossen sind (vgl. § 5 Abs. 4b EStG 2002).

a) Nach allgemeinen Grundsätzen, die auch im öffentlichen Recht Gültigkeit beanspruchen, entstehen Ansprüche und Verpflichtungen zu dem Zeitpunkt, zu dem die sie begründenden Tatbestandselemente erfüllt sind (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 19. Mai 1987 VIII R 327/83, [X.], 140, [X.] 1987, 848; Senatsurteil vom 13. November 1991 I R 78/89, [X.], 96, [X.] 1992, 177, jeweils m.w.N.). Eine solche Tatbestandsverwirklichung kann sich nicht nur daraus ergeben, dass der Betroffene die Merkmale eines gesetzlichen Tatbestands verwirklicht; gleiches gilt darüber hinaus für Verpflichtungen, die auf einem Verwaltungsakt beruhen. Maßgeblich für das Entstehen einer Verpflichtung ist in letzterem Falle jedoch nicht die Bekanntgabe des Verwaltungsakts und die hierdurch bedingte (äußere) Bindung des Adressaten (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes --VwVfG--; [X.]/[X.], Verwaltungsverfahrensgesetz, 13. Aufl., § 43 Rz 5); abzustellen ist vielmehr auf die sog. innere Wirksamkeit, d.h. darauf, zu welchem Zeitpunkt die in der konkreten Regelung enthaltenen materiellen Rechtsfolgen ausgelöst werden (Beachtlichkeit des [X.]; vgl. § 43 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Auch wenn die innere Wirksamkeit im Regelfall mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts (äußere Wirksamkeit) einhergeht, so kann sie --und damit die mit dem Verwaltungsakt ausgesprochene Rechtswirkung-- vor allem dann, wenn die Regelung von einer aufschiebenden Bedingung und Befristung abhängig gemacht wird (vgl. § 36 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwVfG), auch erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten (Urteil des [X.] vom 15. November 1978  8 C 35.76, BVerwGE 57, 69, 70; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 43 Rz 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 2. Aufl., § 35 Rz 43 ff.).

aa) Die Verpflichtung der Klägerin zur Begrenzung staubförmiger Emissionen gemäß [X.] 2002 (vom 24. Juli 2002) war nicht bereits mit Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift am 1. Oktober 2002 entstanden (vgl. Nr. 8 [X.] 2002). Insbesondere kann dies nicht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] abgeleitet werden, nach dem zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt genehmigungspflichtige Anlagen so zu betreiben sind, dass Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen, getroffen wird. Zwar wurden mit der [X.] 2002 --entsprechend dem sich aus § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] ergebenden gesetzlichen Auftrag zur [X.] die nach dem Stand der Technik vermeidbaren Emissionswerte bundeseinheitlich festgelegt (so die Begründung der Verwaltungsvorschrift; [X.] 1058/01, S. 234) mit der Folge, dass zur Einhaltung dieser Werte auch für bereits genehmigte ([X.] nachträgliche Anordnungen gemäß § 17 Abs. 1 [X.] getroffen werden konnten. Da eine solche Verfügung aber nach § 17 Abs. 2 [X.] nicht unverhältnismäßig sein durfte und somit einer Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde unterlag (vgl. [X.], a.a.[X.], § 17 Rz 58 ff.), wurde in Nr. 5.4.1.2.1 [X.] 2002 geregelt, dass die Anforderungen zur Begrenzung staubförmiger Emissionen (im Streitfall: 20 mg/cbm) für Altanlagen "spätestens acht Jahre nach Inkrafttreten dieser Verwaltungsvorschrift" (mithin: spätestens zum 1. Oktober 2010) "eingehalten werden sollen". Letzteres steht im Zusammenhang damit, dass die [X.] 2002 auch der Ermessenslenkung der Behörden bei der Anlagenüberwachung und damit u.a. dem Ziel dient, Altanlagen nach einem einheitlichen und umfassenden Konzept innerhalb bestimmter Übergangsfristen ([X.]en) unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an den Stand der Technik von Neuanlagen heranzuführen ([X.] 1058/01, S. 236 und 242; [X.], a.a.[X.], § 48 Rz 29 ff.; [X.], Umweltrecht, 3. Aufl., § 14 Rz 192). Hieraus ergibt sich zugleich, dass die Klägerin --jedenfalls vor Ablauf des in Nr. 5.4.1.2.1 [X.] 2002 genannten Termins (1. Oktober 2010)-- nur auf der Grundlage eines (einzelfallbezogenen) konkretisierenden behördlichen Handelns zur Einhaltung der Grenzwerte für staubförmige Emissionen verpflichtet war.

bb) Eine solche behördliche Einzelfallentscheidung ist zwar mit der Ordnungsverfügung vom 1. Juli 2005 ergangen. Auch hierdurch wurde jedoch für die Klägerin keine Pflicht begründet, den für staubförmige Emissionen festgelegten Höchstwert beim Betrieb ihrer Alt-Feuerungsanlage bereits in den Streitjahren zu wahren.

aaa) Hiergegen spricht nicht nur der Wortlaut der Verfügung. Die Anordnung, die "[X.] ... spätestens ab dem 1. Oktober 2010 einzuhalten", ist nach dem objektiven Empfängerhorizont (vgl. dazu [X.]/[X.], a.a.[X.], § 35 Rz 55) nicht dahin zu verstehen, dass die Klägerin mit der Bekanntgabe des Bescheids, also seiner äußeren Wirksamkeit, verpflichtet werden sollte, Maßnahmen zur [X.] zu ergreifen. Vielmehr sollte diese materielle Rechtswirkung --d.h. die Pflicht zur Wahrung des Grenzwerts für staubförmige Emissionen gemäß [X.] 2002-- erst "ab" dem 1. Oktober 2010 ausgelöst werden. Dabei kann offenbleiben, ob es sich hierbei um eine Befristung oder um eine aufschiebende Bedingung gehandelt hat (vgl. zur Abgrenzung [X.] in [X.]/[X.], VwVfG, 9. Aufl., § 36 Rz 32 ff.); in beiden Fällen wäre jedenfalls die --für das Entstehen der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung maßgebliche-- innere Wirksamkeit der Regelung mit Ablauf des zweiten Streitjahrs (2006) noch nicht eingetreten.

Neben dem Wortlaut ist für die Auslegung des Bescheids gleichfalls dessen Begründung zu berücksichtigen (vgl. [X.]/ [X.], a.a.[X.], § 35 Rz 54, m.w.N.). Diese weist die Klägerin darauf hin, dass es sich bei der [X.] um eine Zielvorgabe handele, es mithin der Klägerin obliege, die technisch und wirtschaftlich optimale Lösung auszuwählen. Sie nimmt im Hinblick auf die [X.] bei Altanlagen darüber hinaus ausdrücklich auf die Sollvorgabe nach Nr. 5.4.1.2.1 [X.] 2002 Bezug und erläutert hierzu, dass mit der zur Umsetzung gewährten Frist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werde. Auch dies lässt nur den Schluss zu, dass die Feuerungsanlage der Klägerin nicht bereits mit der Bekanntgabe der Verfügung, sondern --entsprechend der Grundkonzeption der [X.] 2002-- nach einem einheitlichen Konzept unter Beachtung ihrer berechtigten und verfassungsrechtlich geschützten Belange an den Stand der Technik von Neuanlagen herangeführt werden sollte.

bbb) Die vorstehenden Auslegungsgrundsätze stimmen im Ergebnis mit der Ansicht des [X.] des [X.] überein, der mit Urteil vom 13. Dezember 2007 IV R 85/05 ([X.]E 220, 117, [X.] 2008, 516) für die Verpflichtung zur Ausstattung von Tankstellen mit Gasrückführungssystemen gemäß der 21. Verordnung zur Durchführung des [X.] vom 7. Oktober 1992 ([X.], 1730) entschieden hat, dass diese Verpflichtungen nicht vor Ablauf der in § 9 der Verordnung geregelten Übergangsfristen entstehen (im Streitfall 31. Dezember 1997). Er hat hierbei auch auf das [X.]-Urteil in [X.], 140, [X.] 1987, 848 Bezug genommen, nach dem die Verpflichtung zur Überholung und Nachprüfung von [X.] erst dann entsteht, wenn die in den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen festgelegte Betriebszeit erreicht wird.

Soweit der Senat in seinem Urteil in [X.], 216, [X.] 2003, 121 demgegenüber die Auffassung vertreten hat, eine Verpflichtung zur Wahrung neuer Emissionsgrenzwerte sei unmittelbar den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 [X.] sowie der [X.] zu entnehmen und eine hiervon abweichende Übergangsanordnung bestimme deshalb lediglich den Zeitpunkt der Fälligkeit der Anpassungsverpflichtung, hält er daran nicht mehr fest. Abgesehen davon, dass das Urteil in [X.], 216, [X.] 2003, 121 nicht die vorliegend einschlägige [X.] 2002 betrifft, ist jedenfalls bei solchen Altanlagen, die --wie im Streitfall die Feuerungsanlage der [X.] ausdrücklichen Übergangsregelungen der [X.] 2002 unterworfen sind, nach Maßgabe der dargestellten Gründe davon auszugehen, dass sie im Rahmen eines bundeseinheitlichen Gesamtkonzepts nur in zeitlicher Stufung dem für Neuanlagen geltenden Stand der Technik unterworfen werden sollen und deshalb auch nach der hierauf fußenden behördlichen Verfügung die Verpflichtung zur Einhaltung der neuen Grenzwerte grundsätzlich erst nach Ablauf der Übergangsfrist entsteht.

b) Zwar können Rückstellungen auch für am Bilanzstichtag dem Grunde nach noch nicht entstandene (d.h. ungewisse) Verbindlichkeiten gebildet werden, wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls wirtschaftlich verursacht sind. Indes ist im Streitfall auch diese Voraussetzung nicht erfüllt.

Die wirtschaftliche Verursachung einer Verbindlichkeit im abgelaufenen Wirtschaftsjahr oder in den Vorjahren setzt voraus, dass die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind und das Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt. Maßgebend ist hiernach die wirtschaftliche Wertung des Einzelfalls im Lichte der rechtlichen Struktur des Tatbestands, mit dessen Erfüllung die Verbindlichkeit entsteht (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Urteil in [X.], 140, [X.] 1987, 848, m.w.N.). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass eine Verbindlichkeit, die lediglich darauf gerichtet ist, die Nutzung bestimmter Wirtschaftsgüter in Zeiträumen nach Ablauf des [X.] zu ermöglichen, in den bis dahin abgeschlossenen [X.] noch nicht wirtschaftlich verursacht ist (vgl. hierzu auch [X.]/[X.], § 5 EStG Rz 800a). Hierauf aufbauend hat der [X.] beispielsweise Rückstellungen für die Überprüfung von [X.] vor Ablauf der gesetzlich bestimmten Inspektionsfristen abgelehnt ([X.]-Urteil in [X.], 140, [X.] 1987, 848); ebenso ist für die Verpflichtung zur Nachrüstung von [X.] vor dem Auslaufen der gesetzlich bestimmten Übergangsfristen für Altanlagen entschieden worden ([X.]-Urteil in [X.]E 220, 117, [X.] 2008, 516). Nichts anderes kann im Streitfall gelten. Auch hier soll --aufgrund der verfügten Übergangsregelung-- der Einsatz der von der Klägerin betriebenen Feuerungsanlage erst ab dem 1. Oktober 2010 rechtlich an die Einhaltung der verschärften Grenzwerte gebunden sein.

4. Die Sache ist spruchreif. Das vorinstanzliche Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Meta

I R 8/12

06.02.2013

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 14. Dezember 2011, Az: 10 K 1471/09 K, G, Urteil

§ 5 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 5 BImSchG, § 17 BImSchG, § 20 BImSchG, § 48 BImSchG, § 249 HGB, Nr 5.4.1.2.1 TA Luft 2002, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.02.2013, Az. I R 8/12 (REWIS RS 2013, 8352)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8352

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