Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2012, Az. XII ZB 629/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7650

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 629/11
vom
28.
März
2012
in dem Betreuungsverfahren

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2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 28.
März 2012
durch die
Richter Dose,
Weber-Monecke, Dr.
Klinkhammer, Dr.
Günter
und Dr.
Nedden-Boeger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4.
Zivilkammer des
[X.]s Siegen
vom 31.
Oktober
2011 wird mit der [X.] zurückgewiesen, dass die Betreuung insgesamt aufgehoben wird.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
[X.]: 3.000

Gründe:

I.
Die
Betroffene leidet unter einer Demenz vom Typ Alzheimer im fortge-schrittenen Stadium und lebt seit November 2008 in einem Seniorenheim zur Dauerpflege. Sie hatte
ihren Töchtern,
den Beteiligten zu 1 und 2,
am
4.
Oktober 2006 eine Vollmacht und Vorsorgevollmacht "in allen persönlichen
und vermögensrechtlichen
Angelegenheiten"
erteilt. Die Vollmacht umfasst ins-besondere die Befugnis zur Vertretung in Bank-, Behörden-, Gerichts-
und Postangelegenheiten sowie Einwilligungserklärungen zu erforderlichen ärztli-chen Heil-
und Behandlungsmaßnahmen,
Aufenthalts-
und [X.]
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gelungen. Sie sollte im Falle einer Betreuungsbedürftigkeit
und/oder Geschäfts-unfähigkeit
nicht
erlöschen und "möglichst"
zur Vermeidung einer rechtlichen Betreuung dienen.
Im März
2010 beantragten die Beteiligten zu 1 und 2 die "vormund-schaftsgerichtliche Zustimmung"
zur Veräußerung des Wohnhausgrundstücks der Betroffenen.
Durch Beschluss vom 23.
Juli 2010 bestellte
das Amtsgericht die Beteiligte zu 1 zur Betreuerin und die Beteiligte zu 2 zur Zusatzbetreuerin mit den [X.]n Heimangelegenheiten, Wohnungsauflösung
und
Ver-kauf des Hauses und
Zustimmung zu freiheitsentziehenden Maßnahmen. Durch weiteren Beschluss vom 26.
Juli 2010 genehmigte
das Amtsgericht die [X.] Beschränkung der Freiheit der Betroffenen, soweit dazu am Tage und in der Nacht während der [X.] eingesetzt werden.
Am 21.
Juli 2011 hat die Beteiligte zu 1 beantragt, die Betreuung aufzu-heben, nachdem das Hausgrundstück der Betroffenen inzwischen
veräußert war. Da eine umfassende Vertretung der Betroffenen durch die Beteiligten zu 1 und 2 im Hinblick auf die Vorsorgevollmacht gewährleistet sei, könne die
Be-treuung insgesamt aufgehoben werden.
Das Amtsgericht hat die Betreuung aufrechterhalten
mit der Maßgabe, dass diese
nur noch den Aufgabenkreis der Zustimmung zu [X.] Maßnahmen umfasse.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das [X.] den Beschluss aufgehoben und festgestellt, dass sich die Anord-nung einer Betreuung der Betroffenen angesichts der Vorsorgevollmacht vom 4.
Oktober 2006 erübrige. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Verfahrenspflegerin, mit der sie die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.

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II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulassungsfrei statthaft, da es sich um eine Betreuungssache zur Aufhebung der Betreuung handelt (§
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1 FamFG).
Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet.
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Eine Betreuung der Betroffenen sei angesichts der [X.] Vorsorgevollmacht nicht erforderlich. Auch für den vom Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss noch für notwendig erachteten [X.] "Zustimmung zu freiheitsentziehenden Maßnahmen"
bedürfe es einer Be-treuung nicht mehr.
Diese könnten auch ohne Betreuung auf Antrag der [X.] genehmigt werden.
Jedenfalls sei das Hochziehen eines Bettgitters nicht mehr genehmi-gungsbedürftig, da sich diese Fixierungsmaßnahme für die Betroffene nicht mehr als freiheitsentziehend darstelle.
Dafür sei entscheidend, ob ein Betreuter durch die Maßnahme gegen seinen natürlichen Willen daran gehindert werde, seinen jeweiligen Aufenthaltsort zu verlassen. Sicherungsmaßnahmen könnten begrifflich nicht zu einer Freiheitsentziehung führen, wenn sich der Betreute auf Grund körperlicher Gebrechen ohnehin nicht mehr frei bewegen könne.
[X.] der Sicherung des Betreuten vor Verletzungen, die auf unwillkürlichen Bewegungen,
wie etwa einem Herausfallen aus dem Bett im unruhigen Schlaf,
beruhten, seien nicht genehmigungsbedürftig.
Da die Betroffene nicht mehr in der Lage sei, aus eigenem Willen das Bett zu verlassen, sei davon auszugehen, dass das ihr noch verbliebene [X.] durch ein Bettgitter nicht beschränkt werde.
Die Genehmi-gungsbedürftigkeit der Maßnahme sei daher zu verneinen. Somit
erübrige sich 5
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auch eine Betreuung der Betroffenen, da ihre Angelegenheiten durch die [X.] geregelt werden könnten.
2. Die
angefochtene Entscheidung
hält
einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Gemäß §
1896 Abs.
2 BGB darf ein Betreuer nur für [X.] bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevoll-mächtigten, der nicht zu den in §
1897 Abs.
3
BGB
bezeichneten Personen ge-hört, oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.
Aufgrund dieser Vorschrift ist die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung grundsätzlich nachrangig zu einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht.
b) Nach den getroffenen Feststellungen hat die Betroffene den Beteilig-ten zu 1 und 2 eine Vollmacht "in allen persönlichen Angelegenheiten"
erteilt, die auch "Aufenthalts-
und [X.]"
umfasst und zur [X.] einer rechtlichen Betreuung dienen
sollte.
Bei der Auslegung der Reichweite der Vorsorgevollmacht ist das [X.] davon ausgegangen, dass der verwendete Begriff der "[X.]"
im vorliegenden Fall nicht nur die Heimunterbringung als solche umfasst, sondern auch die Ver-tretung bei den im Zusammenhang damit stehenden weiteren unterbringungs-ähnlichen Maßnahmen. Gegen diese tatrichterliche Auslegung, die nur der ein-geschränkten Kontrolle in der Rechtsbeschwerdeinstanz
unterliegt und auch von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen wird,
ist rechtlich nichts zu erin-nern.
Zweifel an der Wirksamkeit der erteilten Vollmacht sind nicht
aufgekom-men, ebenso
nicht Bedenken gegen die Eignung oder Redlichkeit der Bevoll-9
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mächtigten
oder etwa dagegen, dass diese
die Vollmacht zum Wohle der Be-troffenen, ihrer Mutter,
einsetzen.

Da das Gesetz eine zur bestehenden Vorsorgevollmacht parallele [X.] nicht vorsieht, ist diese aufzuheben.
Auf die vom Landge-richt weiter
aufgeworfene
Frage, unter welchen Voraussetzungen das Anbrin-gen eines Bettgitters eine freiheitsentziehende Maßnahme darstellt und der [X.] für eine Einwilligung in diese einer
gerichtlichen Zustimmung be-darf

1906 Abs.
4, Abs.
6 Satz
2 BGB
analog), kommt es
für die Entscheidung über die Aufhebung der
Betreuung nicht an.
3. Der Tenor der angefochtenen Entscheidung
ist allerdings klarzustel-len. Da die rechtliche Betreuung bereits eingerichtet war, genügt nicht die [X.], dass sich die Einrichtung einer Betreuung erübrigt, sondern es ist die eingerichtete Betreuung gemäß dem Antrag der Beteiligten zu 1 aufzuheben.
Dose

Weber-Monecke

Klinkhammer

Günter

Nedden-Boeger

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.07.2011 -
33 XVII D 586 -

LG Siegen, Entscheidung vom 31.10.2011 -
4 [X.]/11 -

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Meta

XII ZB 629/11

28.03.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2012, Az. XII ZB 629/11 (REWIS RS 2012, 7650)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7650

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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