Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.09.2002, Az. 1 StR 169/02

1. Strafsenat | REWIS RS 2002, 1669

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Nachschlagewerk:ja[X.]St:[X.]: ja[X.] §§ 24, 81a) Zur Frage der Befangenheit bei Fehlern im Zusammenhang mit der Anord-nung und Durchführung der Begutachtung der [X.]) Zur Verhältnismäßigkeit bei der vorbereitenden Unterbringung in [X.] Krankenhaus zur Erstellung eines Gutachtens über einePersönlichkeitsstörung.[X.], [X.]. vom 10. September 2002 - 1 [X.] - [X.] -BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSS1 [X.]vom10. September 2002in der [X.] -Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 10. September 2002 be-schlossen:Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil [X.] vom 18. Dezember 2001, soweit es [X.], im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweitigen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechts-mittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.].Gründe:[X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in 145 Fällen,wegen bandenmäßigen Betruges in weiteren 97 Fällen sowie wegen [X.] in Tateinheit mit versuchtem bandenmäßigen Betrug zu einerGesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Die auf den Strafausspruchbeschränkte Revision des Angeklagten hat mit der Rüge einer Verletzung [X.] über die Ablehnung (§ 24 Abs. 1 und 2, § 338 Nr. 3 [X.]) Erfolg.Auf die weitere Verfahrensrüge und die Sachrüge kommt es daher nicht an.- 4 -1. Das Rechtsmittel ist nach dem eindeutigen Wortlaut des gestelltenAntrags und nach dem erkennbaren Willen des Angeklagten auf den [X.] beschränkt. Der Wirksamkeit dieser Beschränkung steht nicht entgegen,daß mit der formellen Rüge beanstandet wird, an dem angefochtenen Urteilhätten mit den drei Berufsrichtern [X.]. , Dr. [X.]und [X.] mitgewirkt, die vom Angeklagten S. wegen Besorgnis der Befangen-heit abgelehnt gewesen seien und bezüglich derer das Ablehnungsgesuch zuUnrecht verworfen worden sei (§ 338 Nr. 3 [X.]). Die Revision kann, solangesie dadurch nicht widersprüchlich wird, auch dann auf den Strafausspruch be-schränkt werden, wenn, wie in den Fällen einer Rüge nach § 338 Nr. 1 bis 7[X.], ein Verfahrensfehler beanstandet wird, der auch den Schuldspruch be-rührt und ohne eine Beschränkung des Rechtsmittels das Urteil insgesamt [X.] brächte (vgl. [X.] NJW 1995, 1910; [X.]/[X.]yer-Goßner [X.]45. Aufl. § 344 [X.]. 7; [X.] in [X.] 4. Aufl. § 338 [X.]. 6, § 344 [X.]. [X.]/Hamm, Die Revision in Strafsachen, 6. Aufl., [X.]. 157 m.w.[X.] Die Verteidiger des Angeklagten lehnten zu Beginn des [X.] die drei Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheitab. Das [X.] wies nach Einholung dienstlicher Erklärungen das [X.] als unbegründet zurück.Dem Ablehnungsgesuch liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:Der Angeklagte befand sich seit dem 5. Februar 2000 in Untersu-chungshaft. Am 26. September 2000 beauftragte die Staatsanwaltschaft Prof.Dr. Sch. aus [X.]mit einem psychiatrischen und psychologischenSchuldfähigkeitsgutachten (§§ 20, 21 StGB). Gemäß [X.]uß des [X.] vom 2. [X.]i 2001 wurde der [X.] dahin erweitert,- 5 -ob infolge seines Zustandes weitere erhebliche rechtswidrige, insbesonderegleichartige Taten zu erwarten seien und deshalb seine Unterbringung in ei-nem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB oder wegen eines Hangeszur Begehung gleichartiger Betrugstaten eine Unterbringung in der Siche-rungsverwahrung (§ 66 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB) erforderlich sei.Der Sachverständige erstattete sein schriftliches Gutachten am 25. Juni 2001;er vermochte das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für eine mög-liche Anwendung des § 21 StGB nicht auszuschließen. Mit [X.]uß vom [X.] ordnete die [X.] ein weiteres psychiatrisches Gutachten anund bestellte Prof. Dr. [X.]. aus [X.]. zum weiteren Gutachter. Zur Be-gründung führte die Kammer aus, sie halte eine zusätzliche Begutachtung"unter Anwendung ausschließlich medizinisch-psychiatrischer [X.]ßstäbe fürerforderlich". Der Gutachter Prof. Dr. Sch. sei zu seinem Ergebnis unterUnterstellung eines ausschließlich auf den Angaben des Angeklagten beru-henden und lediglich zu dessen Gunsten bewerteten Ergebnisses einer vor-weggenommenen Beweisaufnahme gelangt. Die Verteidigung erhob gegen den[X.]uß Gegenvorstellung. Sie habe zum Zeitpunkt des [X.]usses wederKenntnis vom Ergebnis der Begutachtung durch Prof. Dr. Sch. noch vondem Umstand gehabt, daß das Gutachten der Staatsanwaltschaft und dem [X.] überhaupt vorgelegen habe. Sie regte an, Prof. Dr. Sch. zur Klar-stellung über das Ergebnis des Gutachtens aufzufordern.Am 31. Juli 2001 lehnte der Angeklagte ein Gespräch mit Prof.Dr. [X.]. ab. Am 2. August 2001 erstellte dieser daraufhin ein auf die schriftli-chen Unterlagen gestütztes psychiatrisches Gutachten. Er schlug darin einemehrwöchige Unterbringung des Angeklagten zur Beobachtung in [X.] Krankenhaus vor. Dort könne u.a. das Verhalten des [X.] -klagten, sein Umgang mit [X.]nschen und Dingen außerhalb der Untersu-chungssituation, seine Selbstdarstellung solchen [X.]nschen gegenüber, derenUrteil er entweder nicht "zu befürchten" habe oder deren Urteil er für belangloshalte, beobachtet werden. Während eines mehrwöchigen Aufenthalts in [X.] Krankenhaus sei Sorge für eine sorgfältige Dokumentation [X.] sowohl im [X.] als auch im Gespräch mit [X.] tragen. Die so entstehenden Berichte des ärztlichen und nichtärztlichenPersonals könnten einen erheblichen Informationsgewinn bedeuten.Am 6. August 2001 beantragte die Verteidigung, vor einer Entscheidungüber die vorgeschlagene Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhausdas psychiatrische Gutachten des Prof. Dr. [X.]. vom 2. August 2001 demSachverständigen Prof. Dr. Sch. zuzuleiten und eine Stellungnahmeeinzuholen. Dieser werde bestätigen, daß eine aktive Mitwirkung des Ange-klagten zur Begutachtung unabdingbar sei. Mit [X.]uß vom 8. August 2001ordnete das [X.] an, daß der Angeklagte in das [X.][X.] zu verbringen und dort zu beobachten sei. Im Rahmen einer mündli-chen Haftprüfung am gleichen Tag wurde dem Angeklagten der [X.]uß der[X.] zur Unterbringung gemäß § 81 [X.] verkündet. Es wurde [X.], daß der [X.]uß nicht vollzogen würde, wenn der Angeklagte einer Ver-legung in das Vollzugskrankenhaus [X.]und dort einer Untersuchungdurch Prof. Dr. [X.]. zustimme. Dieses lehnte der Angeklagte nach [X.] mit seinem Verteidiger erneut ab, da er nach der langen Untersu-chungshaft nicht in der Lage sei, eine weitere Begutachtung durchzustehen.Gegen den [X.]uß vom 8. August 2001 legte der Verteidiger des [X.] sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, die von [X.] 7 -Dr. [X.]. beschriebene Beobachtung trage ansatzweise experimentelle [X.] habe mit der von § 81 [X.] gemeinten Beobachtung in einem psychiatri-schen Krankenhaus wenig gemein.Durch [X.]uß vom 28. August 2001 ordnete der 3. Strafsenat des[X.] [X.] an, die Beobachtung des Angeklagten sei [X.] [X.] in [X.], sondern in der [X.] derJustizvollzugsanstalt [X.]durchzuführen. Am 30. August 2001 wurde [X.] in die Justizvollzugsanstalt [X.]verlegt und nach einem [X.] mit der Anstaltsärztin am 31. August 2001 auf Empfehlung von Prof.Dr. [X.]. in einer Gemeinschaftszelle (Drei-[X.]nn-Zelle) untergebracht. Ineinem Schreiben vom 7. September 2001 erläuterte der Gutachter dem Land-gericht [X.]nnheim nochmals, was er sich an zusätzlichen Erkenntnissen ausder Beobachtung des ärztlichen, des nichtärztlichen Personals und der Mitge-fangenen erwarte.Auf die Verfassungsbeschwerde des Angeklagten erließ die Dritte Kam-mer des [X.] des [X.] mit [X.]uß vom10. September 2001 eine einstweilige Anordnung, mit der die weitere Vollzie-hung der Beobachtung einstweilen außer [X.] gesetzt wurde. Mit [X.]ußvom 9. Oktober 2001 stellte das [X.] fest, der [X.]ußdes [X.] [X.] vom 28. August 2001 verletze den Ange-klagten in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 [X.] ([X.]uß der [X.] des [X.] des Bun-desverfassungsgerichts vom 9. Oktober 2001 - 2 BvR 1523/01 - in NStZ 2002,98).- 8 -II.Das Ablehnungsgesuch gegen die drei Berufsrichter ist zu Unrecht [X.] worden.Nach der Rechtsprechung des [X.] rechtfertigen dieMitwirkung des [X.]s an Zwischenentscheidungen in dem anhängigen Ver-fahren und die dabei geäußerten Rechtsmeinungen in der Regel nicht die [X.] (vgl. nur [X.]St 15, 40, 46; NStZ 1985, 492 [Pf/M]).Selbst Verfahrensverstöße, die auf einem Irrtum oder auf einer unrichtigen odersogar unhaltbaren Rechtsansicht beruhen, stellen grundsätzlich keinen Ableh-nungsgrund dar. Dies folgt aus dem Grundsatz, daß sachliche und rechtlicheFehler für sich nicht geeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit eines Rich-ters zu begründen. Allerdings gilt dieser [X.]ßstab dann nicht, wenn dessen Ent-scheidungen abwegig sind oder sogar den Anschein der Willkür erwecken.Auch kann sich die Befangenheit daraus ergeben, daß das Verhalten des[X.]s vor der Hauptverhandlung besorgen läßt, er werde nicht mehr [X.] an die Sache herangehen, indem er etwa deutlich zum Ausdruckbringt, er sei bereits vorher von der (vollen) Schuld des Angeklagten endgültigüberzeugt (vgl. [X.]/[X.]yer-Goßner [X.] 45. Aufl. § 24 [X.]. 14, 15;Pfeiffer in [X.]. § 24 [X.]. 6 jeweils m.w.Nachw.).Nach diesem [X.]ßstab konnte der Angeklagte aus seiner Sicht die [X.] haben, die [X.] habe mit dem [X.]uß über die weitere [X.] (1), dem dafür gewählten Verfahren (2) und ihrem Verhalten bei [X.] (3) allein das Ziel verfolgt, das ihm scheinbargünstige Ergebnis des [X.] einer möglicherweise eingeschränktenSchuldfähigkeit zu [X.] 9 -1. Nach § 73 [X.] steht es zwar im Ermessen des [X.]s, ein weiteresSachverständigengutachten einzuholen. Jedoch ist die sich aus dem [X.]ußvom 9. Juli 2001 ergebende Bewertung des [X.] schlechthin nichtvertretbar.a) Der Sachverständige Prof. Dr. Sch. hat den Angeklagten ansechs Tagen in der [X.]"eingehend" psychiatrischexploriert und ein testpsychologisches Zusatzgutachten erstatten lassen. Er istzu dem vorläufigen Ergebnis gelangt, beim Angeklagten liege aus [X.] die Diagnose einer charaktergebundenen "Persönlichkeitsstörung im Sin-ne einer (tiefen) Selbstwertunsicherheit, [X.] Akzeptanzängsten mit Über-kompensation in Richtung Erfolgs-, Geltungs- und Darstellungsstrebigkeit, teil-weise ausufernd in [X.]galomanie und pseudologischen Verhaltensweisen imSinne von [X.]" vor (Gutachten [X.]). Er hat indes im Abschnitt [X.] Gutachtens ausdrücklich ausgeführt, es bleibe die forensisch relevanteFrage offen, ob die [X.] nach ihrem Gewicht und ihrenverhaltensbestimmenden Auswirkungen (überhaupt schon) die Schwelle einerschweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB erreicht [X.]. Dafür sei maßgeblich, ob sich die Bedingungen, die der Angeklagte ausseiner subjektiven Sicht als "[X.] der Betrugshandlungen durch dieBanken" empfunden habe ("Die Banken haben [X.] das Geld förmlich nachge-tragen") im Sinne eines "zwanghaften [X.]" zumindest ineinem späten Stadium der Betrugshandlungen als zutreffend erweisen sollten.Nur in diesem Fall seien die Störungen als "schwer" anzusehen. Nur dann kön-ne sich für das Gericht die Rechtsfrage stellen, ob die Steuerungsfähigkeit "beider Tat" erheblich eingeschränkt gewesen sein könnte. Diese mit der ständigenRechtsprechung des [X.] vereinbare Prüfungsreihenfolge ([X.] -nur [X.] NStZ 1999, 630 m.w.Nachw.) hat der Gutachter im schriftlichen [X.] mehrfach unter den "Hauptverhandlungsvorbehalt" gestellt (S. 105, 108,109, 110). Er hat zum Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen derRechtsfrage sogar ausdrücklich seine Zweifel geäußert (Gutachten S. 105). Zuder Frage, ob die [X.]ßregel einer Unterbringung in einem psychiatrischen Kran-kenhaus (§ 63 StGB) in Betracht komme, hat Prof. Dr. Sch. auch [X.], daß es aus seiner Sicht allenfalls darum gehe, daß die Voraussetzungendes § 21 StGB nicht ausgeschlossen werden könnten, so daß bereits aus die-sem Grund die Anwendung des § 63 StGB entfalle. Allerdings sei die Anwen-dung einer [X.]ßregel nach § 63 StGB erneut zu erörtern, wenn sich in [X.] herausstelle, daß die Schuldfähigkeitseinschränkungen auchin positiver Form zu bejahen seien (Gutachten [X.]). Eine abschließendeStellungnahme hat der Sachverständige dagegen zu der Frage einer möglichenSicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB abgege-ben. Er hat ausgeführt, den beim Angeklagten diagnostizierten [X.] sei nicht das prägende Gewicht beizumessen, daß seine Gesamtper-sönlichkeit ihn zum "[X.]" qualifiziere.b) Obwohl bei zutreffender Bewertung des vorläufigen schriftlichen [X.]s eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei den [X.] nach § 21 StGB eher fern lag, wird auch aus den Umständen nach-vollziehbar, unter denen der [X.]uß vom 9. Juli 2001 zustande gekommen ist,daß beim Angeklagten die Besorgnis entstehen konnte, den [X.]n sei es mitdem [X.]uß allein darum gegangen, das für den Angeklagten scheinbar gün-stige Ergebnis des [X.] zu widerlegen. Allein um die Frage, ob dieserAnschein aus der Sicht eines verständigen Angeklagten ausreicht, die [X.] -genheit der [X.] festzustellen, geht es bei der Entscheidung über das Vorlie-gen des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 3 [X.].Die Revision trägt vor, die Verteidigung habe beim Erlaß des [X.]us-ses vom 9. Juli 2001 weder Kenntnis vom Ergebnis der Begutachtung [X.]. Dr. Sch. noch von dem Umstand gehabt, daß das Gutachten [X.] vom 25. Juni 2001 der Staatsanwaltschaft und dem Gerichtüberhaupt schon vorgelegen habe. Etwas anderes ergibt sich zudem aus derdienstlichen Erklärung des Vorsitzenden [X.]s [X.]. vom 25. [X.] nicht. Sie geht auf die gewählte Verfahrensweise nicht ein. Vielmehr wirdausgeführt, Anlaß für die Einholung eines Zweitgutachtens sei gewesen, daßder weitere Gutachter zur Frage der Diagnose der "[X.]galomanie" habe Stellungnehmen sollen, "insbesondere weil die [X.]galomanie medizinisch in dem Be-reich der Psychosen anzusiedeln ist, Prof. Dr. Sch. jedoch die Bereicheder krankhaften seelischen Störung, der tiefgreifenden Bewußtseinsstörung unddes Schwachsinns ausdrücklich ausgeschlossen hat". Auch diese Ausführungenzum Erstgutachten sind schlechthin unvertretbar. Zu keinem Zeitpunkt bestan-den Zweifel über die Einordnung der Persönlichkeitsstörung "teilweise aus-ufernd in [X.]galomanie" in ein anderes als das vierte [X.]rkmal des § 20 StGB.Schließlich haben die [X.] die Verteidigung vor der Bestellung desweiteren Gutachters auch nicht an der Auswahl beteiligt. Entscheidet sich der[X.] nach der Einholung eines Gutachtens zur Schuldfähigkeit, wie hier kurzvor Beginn der Hauptverhandlung zur Erhebung eines weiteren Gutachtens, ister, schon um den Anspruch auf rechtliches Gehör zu gewährleisten, nach § 73Abs. 1 [X.] (vgl. [X.]St 44, 26, 31 und Nr. 70 Abs. 1 [X.]) verpflichtet, dieVerteidigung an der Auswahl des [X.] zu [X.] 12 -2. Hinzu kommt, daß die abgelehnten [X.] trotz der nachvollziehbarenErklärung des Angeklagten, er sei nach der langen Untersuchungshaft wederphysisch noch psychisch in der Lage, noch einmal an einer Exploration durcheinen anderen Gutachter teilzunehmen, im [X.]uß vom 8. August 2001 ange-ordnet haben "daß der Angeklagte in das [X.] [X.]ge-bracht und dort - für die Dauer von sechs Wochen - beobachtet wird." Die [X.] des Gutachtens über den psychischen Zustand angeordnete Un-terbringung zur Beobachtung in einem öffentlichen psychiatrischen Kranken-haus nach § 81 [X.] darf nur angeordnet werden, wenn sie unerläßlich ist undalle anderen (ambulanten) Mittel ausgeschöpft sind, um zu einer Beurteilung derSchuldfähigkeit des Beschuldigten zu kommen. Dies folgt aus dem verfassungs-rechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. [X.], [X.] des[X.], [X.]. vom 7. März 1995 - 2 BvR 1509/94 - in [X.], [X.], 571; [X.]/[X.]yer-Goßner [X.] 45. Aufl. § 81[X.]. 8; [X.]. [X.], [X.] zur [X.], [X.], 1957, § 81, [X.]. 5). [X.] an die Darlegungen zur Unerläßlichkeit sind grundsätzlich dannhöher, wenn bereits eine Exploration durchgeführt worden ist. Zwar darf [X.] nicht von einer Untersuchung eines Beschuldigten allein deshalb Abstandgenommen werden, weil dieser seine Mitwirkung verweigert. Dies gilt [X.] nicht, wenn bei verweigerter Untersuchung ihre zwangsweise [X.] verwertbares Ergebnis erbringen kann (vgl. [X.] StV 1994, S. 231 f.). [X.] verhält sich der [X.]uß der [X.] Zur Beurteilung des Anscheins der Befangenheit aus Sicht des Ange-klagten ist schließlich das Verhalten der [X.] bei der Umsetzung des [X.]. Dr. [X.]. vorgeschlagenen Konzepts zur Beobachtung des Angeklagtenvon Bedeutung.- 13 -Nachdem der Angeklagte erklärt hatte, an der zweiten Exploration nichtmitzuwirken, und das Oberlandesgericht [X.] in seinem [X.]uß vom28. August 2001 ausgeführt hatte, eine wörtliche Erfassung von Aussagen [X.] im Rahmen der Beobachtung sei nur dann zulässig, wennihre Freiwilligkeit außer Frage stehe oder der Beschwerdeführer vor einer Be-fragung auf die beabsichtigte Dokumentation ausdrücklich hingewiesen werde,reduzierte sich das Konzept von Prof. Dr. [X.]. auf die schlichte Beobach-tung des Verhaltens des Angeklagten. Obwohl mit einem Einverständnis [X.] weder der Gutachter noch die [X.] rechnen konnten, lie-ßen es die [X.] zu, daß der Angeklagte auf Empfehlung des Gutachters [X.] 2001 auf der Krankenstation der [X.]in ei-ner Drei-[X.]nn-Zelle untergebracht wurde. Sie nahmen auch hin, daß ihnenProf. Dr. [X.]. im Schreiben vom 7. September 2001 mitteilte, er habe ge-genüber der ärztlichen Leiterin [X.] das ärztliche als auch das nichtärztliche [X.] anzuhalten, die eigenen Wahrnehmungen im Um-gang mit [X.]ebenso wie diejenigen schriftlichfestzuhalten, die ihnen von Mitgefangenen berichtet wer-den. Eine gegebenenfalls megalomane Geltungs- undDarstellungsstrebigkeit verwirklicht sich - auch - im [X.], in verbalen Bekundungen ebenso wie immimischen und gestischen Verhalten. Die Selbstdarstel-lung des [X.] den Mitgefangenen, dem ärztli-chen und nichtärztlichen Personal gegenüber kann ebensovon Bedeutung sein wie die von ihm im Gespräch bevor-zugte Thematik. Sollte sich [X.]jeder Kommuni-kation verweigern, so kann eine solche Verweigerunggleichfalls eine verwertbare Information darstellen. Sie wä-re als ein Indiz für die Fähigkeit des [X.] zu [X.], die angenommene megalomane Geltungs- und- 14 -Darstellungsstrebigkeit in Abhängigkeit von situativen Be-dingungen der Wahrnehmung zu [X.]) Es ist nicht nachvollziehbar, wie aufgrund dieses Konzeptes [X.] der Unterbringung überhaupt noch erreicht werden konnte. Dafür istauch maßgeblich, daß Prof. Dr. [X.]. dem ärztlichen und dem nichtärztlichenPersonal sowie sogar den Mitgefangenen auf der Krankenstation ohne nähereVorgaben die Sammlung und Dokumentation von Äußerungen, Verhalten [X.] überlassen wollte. Diese verfügten weder über Erkenntnisse nochüber Erfahrungen zu den Lebensverhältnissen, in denen der Angeklagte [X.] hatte und in dem es zu den außergewöhnlich umfangreichen [X.] gekommen war. Nach den Feststellungen beging der Angeklagte seineTaten in einem Umfeld, das durch Reichtum, Umgang mit Prominenten [X.] als erfolgreicher Geschäftsmann geprägt war. Er war deshalb [X.] mit der Geschäftswelt im allgemeinen und mit den Banken und [X.] im besonderen vertraut. Bei dieser Sachlage erscheintschlechthin undenkbar, daß die auf einer Station - sei es eines psychiatrischenKrankenhauses, sei es in der [X.] einer Justizvollzugsanstalt -gesammelten Informationen über sein dortiges Verhalten geeignet waren, ohneKenntnis seines bisherigen Lebens und der Entwicklung zu strafbarem [X.] auf sein kriminelles Handeln zu ziehen. Dies gilt insbesonderehinsichtlich der von Prof. Dr. Sch. in seinem Gutachten offen gebliebe-nen Fragen, ob bei den Betrugstaten gegenüber den Banken und Leasingfir-men beim Angeklagten die inneren Hemmbarrieren herabgesetzt waren. Es istauszuschließen, daß Informationen, die auf diesem Wege über das [X.] Angeklagten gewonnen werden, geeignet sein können, als Grundlage füreine wissenschaftlich begründete Aussage in einem fachpsychiatrischen [X.] zu [X.] 15 -b) Diese nach dem Konzept von Prof. Dr. [X.]. durchgeführte Beob-achtung ohne Mitwirkung des Angeklagten war vor allem rechtlich unzulässig.Mit der angestrebten Totalbeobachtung sollten Erkenntnisse über die Persön-lichkeit des Angeklagten erbracht werden, die er von sich aus nicht preisgebenwollte, von denen aber erhofft wurde, daß er sie unter der Einflußnahme [X.]. Diese [X.]ßnahme läuft auf die Umgehung des verfassungsrechtlichgarantierten Schweigerechts des Angeklagten und einen Verstoß gegen §136a [X.] hinaus. Verfassungsrechtlich steht einer solchen Totalbeobachtungdas Persönlichkeitsrecht des Angeklagten entgegen. Dieser würde [X.] bloßen Objekt staatlicher Wahrheitsfindung gemacht, daß sein [X.] mehr als Ausdruck seiner Individualität, sondern nur noch als wissen-schaftliche Erkenntnisquelle verwertet würde (vgl. [X.] (Kammer), [X.], [X.] Kenntnis dieser Umstände unterbanden die [X.] die auch durchnichtärztliches Personal und sogar durch Mitgefangene der Gemeinschaftszelledurchgeführte Beobachtung nicht. Weder unternahm der stellvertretende [X.] etwas, als er am 31. August 2001 zuerst von der Verlegung des [X.] in eine Drei-[X.]nn-Zelle zum Zwecke seiner "Beobachtung"auch durch Zellengenossen Kenntnis erhielt, noch beendete die [X.]die Beobachtung des Angeklagten, bis das [X.] mit [X.] vom 10. September 2001 die weitere Vollziehung der Beobachtungaussetzte. Daß die Beobachtung des Angeklagten durch Mitgefangene einerDrei-[X.]nn-Zelle auf der Krankenstation einer [X.] die Entscheidung des [X.] zustande kam, entlastet die[X.]- 16 -nicht. Aus der Sicht des Angeklagten ist für den Anschein der [X.], daß diese Form der Beobachtung bereits in dem von den [X.]nveranlaßten und gebilligten Untersuchungskonzept des Gutachters [X.] war.[X.] [X.] Hebenstreit

Meta

1 StR 169/02

10.09.2002

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.09.2002, Az. 1 StR 169/02 (REWIS RS 2002, 1669)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1669

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