Bundessozialgericht, Beschluss vom 02.02.2024, Az. B 9 V 10/23 B

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 2. Mai 2023 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit hat das [X.] im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens einen Anspruch des [X.] auf Anerkennung eines Impfschadens und einer Beschädigtenversorgung nach dem [X.] ([X.]) wegen der Folgen von in den Jahren 1974/75 durchgeführten Polioimpfungen und einer 1978 erfolgten [X.] verneint. Es fehle am [X.] für eine [X.] als zweitem Glied der dreigliedrigen Kausalkette. Aussagekräftige medizinische Unterlagen seien nicht vorhanden. Allein auf der Grundlage der lange im Nachhinein gemachten, in der Erinnerung ungenauen und teilweise auf Vermutungen beruhenden Angaben der Eltern des [X.] ließen sich eine postvakzinale Enzephalitis oder Mononeuritiden als [X.] jedenfalls nicht ohne erhebliche Zweifel feststellen (Urteil vom 2.5.2023).

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Das [X.] habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

4

1. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom [X.] - B 9 V 5/20 B - juris RdNr 6 mwN).

5

Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG auseinandersetzen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 11/17 B - juris RdNr 8 mwN).

6

Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerdebegründung. Der Kläger zeigt die Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Frage nicht hinreichend auf.

7

Nach Ansicht des [X.] wirft der Rechtsstreit folgende Rechtsfrage auf:

8

"Muss bei einem geltend gemachte Anspruch auf Versorgung nach § 60 Abs. 1 [X.] (§ 24 SGB XIV n.F.) die gesundheitliche Schädigung als [X.], d.h. die [X.], neben der Impfung und dem Impfschaden, d.h. der dauerhaften gesundheitlichen Schädigung, im [X.], d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein oder gibt es eine Beweiserleichterung beim Primärschaden, insbesondere i.S.d. Beurteilung 'des Zusammenhangs zwischen Impfung und manifestiertem Gesundheitsschaden in einer einzigen gedanklichen Etappe' anhand von 'Mosaiksteinen'?"

9

Nach den hier einschlägigen Vorschriften des [X.] (idF vom [X.], [X.] 1045) müssen als Voraussetzung für eine Impfentschädigung eine Schutzimpfung, der Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen ([X.], also eine [X.], und eine - dauerhafte - gesundheitliche (Sekundär-)Schädigung (Impfschaden iS des § 2 Nr 11 [X.]) vorliegen (BSG Beschluss vom 29.1.2018 - B 9 V 39/17 B - juris RdNr 7 mwN). Die Impfung, die als [X.] in Betracht kommende und auch die dauerhafte Gesundheitsstörung müssen dabei jeweils im sogenannten [X.] festgestellt werden. Allein für die zwischen diesen Merkmalen erforderlichen Ursachenzusammenhänge reicht nach § 61 Satz 1 [X.] der abgesenkte Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus ([X.] B 9 VJ 1/10 R - [X.] 4-3851 § 60 [X.] RdNr 38; [X.] vom 27.8.1998 - B 9 VJ 2/97 R - juris RdNr 14; vgl auch [X.], [X.] 2020, 210, 214; Meßling in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 61 [X.] RdNr 7).

Mit dieser Rechtsprechung des BSG setzt sich der Kläger trotz mehrerer Zitate nicht in hinreichendem Maße auseinander. Insbesondere führt er nicht aus, warum sich mit Hilfe dieser Rechtsprechung die aufgeworfene Rechtsfrage nach einer Beweiserleichterung für die Feststellung des [X.] nicht beantworten ließe oder warum diese Frage erneut klärungsbedürftig geworden sein sollte (allgemein zu dieser Voraussetzung BSG Beschluss vom 20.11.2023 - B 12 KR 41/22 B - juris RdNr 8 mwN).

Der Kläger diskutiert zwar die Anforderungen an den [X.] für die einzelnen Glieder der Kausalkette im Impfschadensrecht gemeinsam mit dem abgesenkten Wahrscheinlichkeitsmaßstab für den Nachweis der Kausalität. Er begründet dabei aber nicht in stichhaltiger Auseinandersetzung mit der vorhandenen Rechtsprechung und den sie tragenden Argumenten, warum die von § 61 Satz 1 [X.] angeordnete Absenkung des Beweismaßstabs für den Kausalzusammenhang auch auf den Nachweis der [X.] übertragbar sein sollte. Ebenso wenig setzt er sich damit auseinander, dass in Fällen eines bereits gesetzlich normierten erleichterten Maßstabs für die Feststellung von Ursachenzusammenhängen jedenfalls in der Regel kein Anlass besteht, aufgrund richterlicher Rechtsfortbildung von dem normierten Maßstab abzugehen (vgl [X.] vom 27.8.1998 - B 9 VJ 2/97 R - juris RdNr 17) und damit ebenso wenig, ihn auf andere Tatbestandsmerkmale auszudehnen.

Soweit der Kläger schließlich meint, der Nachweis einer [X.] könne nicht verlangt werden, wenn sie wie in seinem Fall "im Verborgenen" erfolgt sei, setzt er zudem ersichtlich einen anderen als den vom [X.] für den Senat nach § 163 SGG verbindlich festgestellten Sachverhalt voraus. Danach ließ sich eine Schädigung des [X.] durch seine Impfungen durch die Zeugenaussagen seiner Eltern nicht nachweisen, und damit auch nicht - wie vom Kläger behauptet - "im Verborgenen".

Die umfangreichen Ausführungen des [X.] zu zukünftig zu erwartenden Rechtsfällen im Zusammenhang mit der Schutzimpfung gegen die Coronaerkrankung tragen zu einer Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung in seinem Einzelfall nichts bei.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen (vgl § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).

4. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

        

Kaltenstein

B. Schmidt

Röhl   

Meta

B 9 V 10/23 B

02.02.2024

Bundessozialgericht

Beschluss

Sachgebiet: V

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 02.02.2024, Az. B 9 V 10/23 B (REWIS RS 2024, 1820)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1820

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 9 V 39/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Sachaufklärungsrüge - soziales Entschädigungsrecht - Impfschadensrecht - unübliche …


L 20 VJ 1/17 (LSG München)

Nachweis des Primärschadens im Vollbeweis


L 15 VJ 9/17 (LSG München)

Zur Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Infektionsschutzgesetz nach der Gabe eines Mehrfachimpfstoffes


L 20 VJ 12/17 (LSG München)

Sozialgerichtsverfahren: Zu der Frage der Ermessensausübung hinsichtlich einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. …


L 20 VJ 7/15 (LSG München)

Gerichtlicher Sachverständiger, Impfschäden


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.