Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.07.2000, Az. 2 StR 96/00

2. Strafsenat | REWIS RS 2000, 1603

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[X.] DES [X.]/00vom19. Juli 2000in der Strafsachegegenwegen Totschlags- 2 -Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 19. Juli 2000,an der teilgenommen haben:Vizepräsident des BundesgerichtshofesDr. [X.]als Vorsitzender,die [X.] am [X.],Detter,[X.],die [X.]in am [X.]. [X.]als beisitzende [X.],[X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Das Urteil des [X.] vom 15. Juni 1999 wird mit [X.]) auf die Revision der Staatsanwaltschaft in vollem [X.]) auf die Revision der Angeklagten im Strafausspruch.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlungund Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an ei-ne andere als Schwurgericht zuständige [X.] des Land-gerichts zurückverwiesen.Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Frei-heitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die vom [X.] vertretene, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsan-waltschaft, mit der sie eine Verurteilung wegen Mordes erstrebt, und die Revi-sion der Angeklagten mit Verfahrensrügen und der [X.] 4 -Nach den Feststellungen hatte die Angeklagte, Mutter von zwei Kindern,das dritte Kind ohne Wissen ihres Ehemanns abgetrieben, die Schwanger-schaft und Geburt des vierten Kindes vor ihrer Familie verheimlicht, schon vorseiner Geburt Kontakt mit dem Jugendamt aufgenommen und es unmittelbardanach zur Adoption freigegeben. Bei den Erklärungen zur Vermittlung [X.] des Kindes hatte sie die Unterschrift ihres Ehemannes gefälscht,den Notartermin hatte sie mit Ausreden hinausgeschoben. Die [X.] wegen der finanziellen und häuslichen Situation der Familie kein weite-res Kind aufziehen. Zwei Monate nach der Geburt dieses Kindes wurde [X.] erneut schwanger. Auch die Schwangerschaft und Geburt desfünften Kindes am 19. Dezember 1998 verheimlichte die Angeklagte ihremEhemann. Nachdem sie das Kind zunächst im Krankenhaus belassen hatte,holte sie es zwei Tage später im Beisein einer [X.] ab. [X.] legte sie das Kind in der Waschküche in einen Schlafsack, zog [X.] zu und bedeckte ihn mit [X.] von [X.]. [X.] erstickte.Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, die Revision der Ange-klagten hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg. Im übrigen erweist [X.] als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.1. [X.] enthält Rechtsfehler zu Gunsten der [X.]) Die Ausführungen des [X.]s zur subjektiven Tatseite haltenrechtlicher Prüfung nicht stand. Das [X.] ist von bedingtem Tötungs-vorsatz ausgegangen. Nach den Feststellungen, hat die Angeklagte das Kindaus einem plötzlichen Entschluß heraus - "das Kind muß wegfl- getötet. [X.] -sichts dessen und der erkennbar äußerst gefährlichen Handlung ist für die An-nahme, die Angeklagte habe den Tod des Kindes nicht als sichere Folge ihresHandelns vorausgesehen (und damit auch gewollt), kein Raum. Das kann auchfür die Ermittlung der Beweggründe der Angeklagten Bedeutung haben.b) Das [X.] hat einen Mord aus niedrigen Beweggründen ver-neint, weil der Angeklagten nicht ausschließbar das Bewußtsein gefehlt habe,daß ihr Handeln nach allgemeiner sittlicher Wertung auf niedrigster Stufe lag.Diese Begründung begegnet durchgreifenden Bedenken.Zwar ist es richtig, daß sich der Täter bei einem Handeln aus [X.] bei der Tat der Umstände bewußt sein muß, die den [X.] als besonders verwerflich erscheinen lassen, wobei es [X.] entgegen den mißverständlichen Urteilsausführungen [X.] bedeutungslos ist, obder Täter seine Motive selbst als niedrig bewertet ([X.], 363;BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 27). Ob diese subjektivenVoraussetzungen gegeben sind, kann aber nicht beurteilt werden, ohne daßzuvor geklärt und dargelegt worden ist, welche Motivation der Tat zugrunde [X.] ob diese Motivation als niedrig einzustufen ist.Das [X.] hat es unterlassen, das Tötungsmotiv der [X.]. Nur im Zusammenhang mit den Ausführungen zum Tötungsvor-satz hat es ausgeführt, daß sich die Angeklagte in einem Zwiespalt befundenhabe, weil sie die Schwangerschaft vor dem Ehemann, der Verwandtschaft [X.] verschwiegen hatte. Auch wenn es danach naheliegend ist, daßdie Angeklagte aus Angst und Scham vor den Konsequenzen einer Offenba-rung gehandelt hat, die möglicherweise nicht nur sie, sondern [X.] bei [X.] -blemen [X.] auch ihre Kinder getroffen hätte, lassen sich die konkreten Tatantrie-be der [X.] wie an anderer Stelle ausgeführt [X.] von ihrem Leben überfordertenAngeklagten dem Urteil nicht entnehmen.Von dieser dem Tatrichter obliegenden Pflicht zur Feststellung und um-fassenden Würdigung konnte hier auch nicht etwa deshalb abgesehen werden,weil die Angeklagte [X.] wovon das [X.] ausgegangen ist [X.] sich [X.] Tötung des Kindes entschlossen hat. Abgesehen davon, daß sich dieseAnnahme unter anderem auf die Einlassung der Angeklagten stützt, nach dertatauslösend die Erinnerung an die [X.] nach den Feststellungen nicht stattgefun-dene - Vergewaltigung gewesen sei, ist die Annahme niedriger Beweggründeauch bei einer Spontantat nicht ausgeschlossen (BGHR StGB § 211 Abs. [X.]). Spontaneität des Tatentschlusses kann im [X.] mit der Vorgeschichte und der psychischen Verfassung der Ange-klagten aber Anlaß sein, die subjektive Seite des [X.] besonderssorgfältig zu prüfen.2. [X.] enthält Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklag-ten, die zu seiner Aufhebung auf die Revision der Angeklagten führen.Das [X.] hat u. a. folgende gegen die Angeklagte sprechendeUmstände aufgeführt:flDurch die Tötung des Säuglings zerstörte die Angeklagte ihre Familie.Ihre zwei zur Tatzeit zehn und sechs Jahre alten Kinder haben aufgrund derbevorstehenden langen Haftstrafe während wichtiger Entwicklungsphasen ihreMutter nicht an ihrer Seite. Darüber hinaus wurde den Kindern durch die Tat- 7 -der Angeklagten deutlich vor Augen geführt, daß ihrer Mutter die Kinder wenigwert sind, zumal sie ein weiteres Kind zur Adoption freigegeben hatte. Auch [X.] Angeklagte einen hohen Vertrauensbruch gegenüber [X.]. Mit für die Ehe wichtigen gemeinsamen Entscheidungen hat sie es [X.] genommen, sie hat [X.] gegenüber drei Schwangerschaftenverschwiegen. Sie hat sich ohne Rücksprache mit diesem zu einer [X.] zu einer Freigabe zur Adoption entschieden und beides auch durchgeführt.Als letztes sprach auch gegen die Angeklagte, daß sie in ihrem persönlichenUmfeld die nachhaltigen Komplikationen erst auslöste, in dem sie immer [X.] verbreitete.flDiese Strafzumessungserwägungen sind rechtlich bedenklich. [X.] hat die [X.] damit Umstände verwertet, die nicht im schuldre-levanten Zusammenhang mit der Tat stehen.Ein außerhalb der Tatausführung liegendes Verhalten darf bei der [X.] nur Berücksichtigung finden, wenn eine Beziehung zu der Tat be-steht, die Rückschlüsse auf eine höhere [X.] zuläßt. Ein solcher die [X.] erhöhender Zusammenhang des ehelichen Fehlverhaltens der Ange-klagten bei der vorangegangenen dritten und vierten Schwangerschaft mit [X.] des fünften Kindes, die durch das Verschweigen dieser fünftenSchwangerschaft veranlaßt war, ist im Urteil nicht dargetan.Auch soweit die [X.] strafschärfend die Folgen der langen ge-gen die Angeklagte verhängten Haftstrafe berücksichtigt hat, handelt es sichum Umstände, die nicht geeignet sind, die [X.] zu kennzeichnen. [X.] diese Erwägung [X.] in der Art eines Zirkelschlusses - zu einer weiteren- 8 -Verlängerung der Haftstrafe mit den der Angeklagten vorgeworfenen ungünsti-gen Folgen.[X.] [X.] Detter Bode [X.]

Meta

2 StR 96/00

19.07.2000

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.07.2000, Az. 2 StR 96/00 (REWIS RS 2000, 1603)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1603

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