Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2016, Az. II ZR 305/14

II. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 9623

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:210616UIIZR305.14.0

BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
II ZR
305/14
Verkündet am:

21.
Juni
2016

Stoll

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 133 [X.], [X.]; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
a)
Inhalt und Reichweite des Klagebegehrens ebenso wie des [X.] werden nicht allein durch den Wortlaut des Antrags bestimmt. Vielmehr ist der [X.] unter Berücksichtigung der Klagebegründung auszulegen.
b)
Bei der Auslegung des Klageantrags ist wegen des verfassungsrechtlichen An-spruchs auf effektiven Rechtsschutz und rechtliches Gehör im Zweifel das als ge-wollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden [X.] entspricht.
[X.], Urteil vom 21. Juni 2016 -
II ZR 305/14 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der II.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21.
Juni 2016
durch
den
Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterinnen [X.]aliebe und [X.] sowie [X.] und Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 23.
Zivilsenats des [X.] vom 2.
Oktober 2014 in der Fassung des Berichtigungsbeschlus-ses vom 18.
November 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Widerklage abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die [X.]en streiten über Ansprüche aus einem Geschäftsführerdienst-verhältnis. Die Klägerin führt als
Erbin ihres am 14.
Dezember 2015 während des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision verstorbe-nen Ehemannes und früheren [X.] den Rechtsstreit fort.

1
-
3
-
Der frühere Kläger (im Folgenden: Kläger) war Geschäftsführer der [X.]. Die Beklagte ist die einzige Komplementärin der S.

GmbH & [X.]o. [X.] (im Folgenden: [X.]), eines weltweit tätigen Automobilzulieferers. Als Geschäftsführer der [X.] führte der Kläger auf der Grundlage seines Geschäftsführeranstellungsvertrages mit der [X.] vom 28. Juli 2005 die Geschäfte der [X.].
Am 18.
November 2010 kündigte die Beklagte das [X.] mit dem Kläger aus wichtigem Grund. Die Kündigung war unter anderem darauf gestützt, dass der Kläger am 28.
Juli 2010 ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung der [X.] für diese mit der [X.]

GmbH (im Folgenden: [X.]

) eine auf die Dauer von fünf Jahren nicht or-dentlich kündbare Vertriebsvereinbarung geschlossen hatte, mit der die [X.] der [X.]

r-

Der Kläger, der die fristlose Kündigung für unwirksam hält, hat die [X.] auf Zahlung der Vergütungen für die Monate November 2010 bis Sep-
sich gegenüber den Vergütungsforderungen auf die fristlose Kündigung. Sie ist der Ansicht, der Kläger habe mit dem Abschluss der Vertriebsvereinbarung pflichtwidrig gehandelt, weil er seine Kompetenzen überschritten habe. Durch den Abschluss der Vereinbarung mit der [X.]

sei der [X.] ein erheblicher, noch nicht abschließend bezifferbarer Schaden entstanden, weil sie erhebliche Einbußen bei der Gewinnmarge der bislang von ihr selbst vertriebenen [X.] hinnehmen müsse. Die Beklagte hat gegen den Tantiemeanspruch mit einem Schadensersatzanspruch aufgerechnet. Außerdem hat sie Widerklage erhoben i-2
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4
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cher Schäden verpflichtet ist, die der S.

GmbH
&
[X.]o.
[X.] durch die Vertriebsvereinbarung zwischen der S.

GmbH
&
[X.]o.
[X.] und der [X.]

GmbH vom 28.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattge-geben. Der Kläger hat gegen das Urteil des [X.] Berufung eingelegt. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.
November 2013 den Antrag auf Zurückwei-sung der Berufung mit der Maßgabe gestellt, dass der in erster Instanz gestellte .

e-sen Antrag in der Berufungsinstanz bis zuletzt so gestellt. Das Berufungsgericht hat die klageabweisende Entscheidung des [X.] bis auf einen Betrag e-meforderung hat es die von der [X.] in der zweiten Instanz erklärte [X.] mit einem ihr zustehenden Schadensersatzanspruch wegen eines Einzelschadens aus dem Abschluss der Vertriebsvereinbarung mit der [X.]

, [X.]. Die Widerklage hat es als unzulässig abgewiesen. Gegen die Entschei-dung über die Widerklage wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat inso-weit zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:
Die Revision der [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, so-weit die Widerklage abgewiesen worden ist.
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I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung über die Widerklage im Wesentlichen ausgeführt:
Der ursprüngliche, in erster Instanz gestellte [X.] sei unzu-lässig, weil die Beklagte lediglich die Feststellung begehrt habe, dass der Klä-ger ihr zum Ersatz sämtlicher der [X.] durch die Vertriebsvereinbarung mit der [X.]

entstandenen oder noch entstehenden Schäden verpflichtet sei, nicht jedoch der ihr selbst entstandenen oder noch entstehenden Schäden. Die
Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft habe sie nicht darge-tan. Die von der [X.] im Berufungsverfahren nach Ergänzung des erstin-stanzlichen Antrags begehrte Feststellung, dass der Kläger der [X.] zum Ersatz derjenigen Schäden verpflichtet sein solle, die diese der [X.] zu ersetzen habe, ziele nicht mehr auf einen Schaden der [X.], sondern einen eigenen ([X.] der [X.] ab. Dies stelle aber nicht nur eine Klar-stellung oder eine unter §
264 Nr.
2 ZPO fallende Erweiterung oder [X.] des ursprünglichen Klageantrags, sondern eine Klageänderung dar, die nur im Wege der Anschlussberufung möglich sei. Da die Beklagte keine An-schlussberufung eingelegt habe, sei über den neugefassten [X.] nicht zu entscheiden gewesen.
II. Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand. Entgegen der Auffas-sung des Berufungsgerichts liegt in der Ergänzung des Feststellungsantrags durch die Beklagte keine (Wider-)Klageänderung, sondern lediglich eine Klar-stellung ihres schon in erster Instanz mit diesem Inhalt gestellten (Wider-)
Klageantrags. Damit kommt es nicht auf die zwischen den [X.]en streitige Frage an, ob die Prüfung des [X.] von zusätzlichen Voraus-setzungen abhängt.

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1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagte mit ihrem in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten [X.] einen ihr selbst zustehenden Ausgleichsanspruch gegen den Kläger
festgestellt wissen will. Dieser bezieht sich, wie dem Wortlaut des ergänzten Antrags unzweifelhaft zu entnehmen ist, auf den Ausgleich eines eigenen Schadens der [X.].
2. Dieses Begehren war aber auch schon Gegenstand der in erster In-stanz erhobenen Widerklage.
a) Inhalt und Reichweite des Klagebegehrens

ebenso wie des Wider-klagebegehrens

werden nicht allein durch den Wortlaut des Antrags bestimmt. Dieser ist unter Berücksichtigung der Klagebegründung auszulegen ([X.], Ur-teil vom 1.
Dezember
1997

II
ZR
312/96, [X.], NJW-RR 1998, 1005; Urteil vom 21.
Februar 2012

X
ZR
111/09, NJW-RR 2012, 872 Rn.
23). Denn der prozessuale Anspruch im Sinne des §
253 Abs.
2 Nr.
2 ZPO wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Klä-ger die begehrte Rechtsfolge herleitet, festgelegt ([X.], Urteil vom 17.
März 2016

IX
ZR
142/14, juris Rn.
17; Urteil vom 23.
Juni 2015

II
ZR
166/14, ZIP
2015, 1701 Rn.
14). Bei der Auslegung des Klageantrags ist im Zweifel we-gen des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz und rechtliches Gehör das als gewollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden [X.] entspricht (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
Januar 2016

I
ZB
102/14, [X.], 411 Rn.
15; Beschluss vom 27.
Januar 2015

II
ZR
191/13, juris Rn. 10).
Dabei unterliegt die inhaltliche Bewertung des Klageantrags
durch das Berufungsgericht der uneingeschränkten Überprüfung in der Revisionsinstanz. 10
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13
-
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-
Denn es steht die Auslegung einer Prozesserklärung in Frage, die das Revisi-onsgericht nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ohne Ein-schränkung nachprüfen darf (vgl. nur [X.], Urteil vom 13.
Oktober 2015

II
ZR
281/14, NJW 2016, 1083 Rn.
15; Urteil vom 17.
September 2015

I
ZR
92/14, DB
2016, 827 Rn.
40; Urteil vom 12.
Dezember 2014

V
ZR
53/14, NJW-RR 2015, 583 Rn.
8; Urteil vom 4. Juli 2014

V
ZR
298/13, NJW 2014, 3314 Rn.
15).
b) Nach den dargelegten, für die Auslegung einer Prozesserklärung gel-tenden Maßstäben war schon der ursprüngliche [X.], wie ihn die Beklagte in der Klageerwiderung vom 16.
März 2011 in das Verfahren einge-führt und bis zum Schluss der 1. Instanz gestellt hat, auf die Geltendmachung eines ihr entstandenen Schadens gerichtet.
aa) Der in erster Instanz gestellte [X.] ist unklar formuliert. Dem Antrag lässt sich zwar entnehmen, dass es der [X.] um die Feststel-
es sich aber um diejenigen Schäden handeln, die der [X.] durch die [X.] entstanden sind oder noch entstehen werden. Deshalb liegt das Verständnis nahe, dass die Beklagte mit ihrem Antrag auf den Ersatz von Schäden eines Dritten abzielt. Denkbar ist aber auch, dass diese Beschreibung nur dazu dienen soll, den Anlass für den geltend gemachten [X.] und seinen Umfang näher bestimmbar zu machen.
bb) Der zur Auslegung des [X.]s heranzuziehenden Be-gründung in der Klageerwiderung vom 16. März 2011 lässt sich jedoch deutlich entnehmen, dass letzteres der Fall ist und die Beklagte einen Anspruch auf Er-satz eines eigenen Schadens festgestellt haben möchte. So führt die Beklagte 14
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8
-

t-wortlichkeit des Geschäftsführers gegenüber der Kommanditgese

43 Abs.

t-s-vereinbarung mit der [X.]

die Zustimmung der Gesellschafterversammlung

43 Abs.
2 GmbHG zum Ersatz sämtlicher Schäden verpflichtet, die dieser dadurch ent-standen sind, dass sie ihrerseits wegen der vom Kläger begangenen [X.] der S.

GmbH & [X.]o. [X.] die durch die Vertriebsvereinbarung mit der [X.]

GmbH entstandenen und noch entstehenden Schäden zu zweiten
Instanz wiederholt hat, lässt keinen Zweifel daran, dass die Beklagte den Ausgleich eigener Schäden begehrt, deren Umfang sich danach richten soll, in welcher Höhe der [X.] aus der vom Kläger abgeschlossenen [X.] ein Schaden entstanden ist,
den die Beklagte dieser zu ersetzen hat. In diesem Sinn hat auch das [X.] das Begehren der [X.] ver-standen und festgestellt, dass der [X.] durch die Pflichtverletzung des [X.] ein Schaden entstanden ist, den er der [X.] zu ersetzen hat, de[X.] Höhe aber noch nicht feststeht.
cc) Einer Berücksichtigung dieser Ausführungen im Klageerwiderungs-schriftsatz bei der Auslegung des [X.]s steht nicht entgegen, dass die Beklagte diesen Vortrag zu einem ihr zustehenden Schadensersatzan-spruch im Zusammenhang mit ihren Darlegungen zu der von ihr erklärten Auf-e-

f-fassung des Berufungsgerichts diese Ausführungen zum Inhalt ihrer Widerkla-17
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9
-
gebegründung gemacht. Das Berufungsgericht fasst rechtsfehlerhaft die einlei-tende Wiederholung des Antrags bereits als dessen Begründung
auf, ohne dem

[X.].
Da sich der Gegenstand der Widerklage

wie ausgeführt

schon der Gesamtwürdigung von Antrag und Begründung entnehmen lässt, kommt es entgegen der Meinung des Berufungsgerichts auch nicht darauf an, dass die Beklagte auf den in einem nachgelassenen Schriftsatz noch in erster Instanz erhobenen Einwand des [X.], der [X.] fehle die Aktivlegitimation, nicht reagiert hat.
3. Hatte die Widerklage schon in erster Instanz die Feststellung eines der [X.] zustehenden Anspruchs auf Ersatz ihrer eigenen Schäden zum Ge-genstand, stellt sich die von den [X.]en erörterte Frage, ob es sich bei der Ergänzung des [X.]s im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.
November 2013 um eine Klageänderung oder eine §
264 Nr.
2 ZPO unter-fallende Beschränkung des Klageantrags handelt, nicht. Mit der vorgenomme-.

GmbH
&
[X.]o.
[X.] von der [X.] ersetzt wer-i-derklageantrags klargestellt und ihn dem Inhalt angepasst, der dem [X.], nimmt man seine Begründung in den Blick, ohnehin durch Auslegung zu entnehmen war. Eine inhaltliche Änderung des mit der Widerklage verfolgten prozessualen Anspruchs war damit nicht verbunden.
4. Danach ist das Berufungsurteil hinsichtlich der
Entscheidung über die Widerklage aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 ZPO). Dabei wird das 18
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Berufungsgericht auch über die von der Klägerin im Revisionsverfahren erho-bene Einrede der beschränkten Erbenhaftung gem. § 780 ZPO zu befinden ha-ben.

Strohn

[X.]aliebe

Reichart

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.06.2013 -
1 [X.] 4672/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 02.10.2014 -
23 [X.] -

Meta

II ZR 305/14

21.06.2016

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2016, Az. II ZR 305/14 (REWIS RS 2016, 9623)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9623

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 305/14

23 U 2755/13

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