Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2006, Az. II ZR 200/04

II. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5039

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04 Verkündet am: 13. Februar 2006 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja GmbHG § 51 Abs. 1; [X.] § 241 Nr. 1 Weist die Ladung zu einer Gesellschafterversammlung derart schwerwiegende Form- und Fristmängel auf, dass dem Gesellschafter eine Teilnahme faktisch unmöglich gemacht wird (hier: Ladung per E-Mail in den Abendstunden des Vortages auf den frühen Vormittag des nächsten Tages), steht dies einer Nicht-ladung des Gesellschafters gleich und führt zur Nichtigkeit der auf der [X.] gefassten Beschlüsse. [X.], Urteil vom 13. Februar 2006 - [X.]/04 - [X.] - [X.] [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2006 durch [X.] und [X.], Prof. Dr. Gehrlein, [X.] und Caliebe für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 21. Juli 2004 aufgehoben. Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 15. August 2002 teilweise abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst: 1. Der Gesellschafterbeschluss der [X.] vom 26. November 2001 wird für nichtig erklärt. 2. [X.]erbeschlüsse der [X.] vom 27. November, 29. November und 3. Dezember 2001 sind nich-tig. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: 1 Die [X.] (künftig: Gemeinschuldnerin), über deren [X.] im Laufe des Berufungsverfahrens das Insolvenzverfahren eröffnet und die Beklagte zur Insolvenzverwalterin bestellt wurde, ist eine zweigliedrige [X.] mit beschränkter Haftung. Gesellschafter und jeweils alleinvertre-tungsberechtigte Geschäftsführer waren der Kläger und [X.].. Beide hiel-ten Geschäftsanteile von je 50 %. Der Gesellschaftsvertrag der Gemeinschuldnerin enthält in § 7 Nr. 2 hin-sichtlich der Durchführung der Gesellschafterversammlung folgende Regelung: 2 "[X.] ist beschlussfähig, wenn nach ordnungsgemä-ßer Ladung oder Verzicht hierauf mehr als 3/4 der Stimmen reprä-sentiert sind." Ende des Jahres 2001 beabsichtigte der Kläger, seinen Geschäftsanteil zu veräußern. Bei einer Besprechung am 26. November 2001 zwischen dem Kläger, [X.] und dem potentiellen Erwerber wurde keine Einigkeit erzielt. Im [X.] an die Besprechung wollte [X.] eine Gesellschafterversamm-lung durchführen. Der Kläger verweigerte seine Teilnahme. [X.] führte gleichwohl in Abwesenheit des [X.] eine Gesellschafterversammlung durch und beschloss die Abberufung des [X.] als Geschäftsführer. 3 Am Abend des 26. November 2001 um 20.37 Uhr übersandte [X.] dem Kläger eine E-Mail, mit der er diesen auf den 27. November 2001 10.00 Uhr, zu einer Gesellschafterversammlung einlud mit dem Tagesord-nungspunkt "Abberufung des Geschäftsführers – (Kläger)". Der Kläger be-hauptet, von dieser E-Mail erst am 29. November 2001 Kenntnis erlangt zu 4 - 4 - haben. Er nahm dementsprechend an der Versammlung, auf der [X.] die Abberufung des [X.] aus wichtigem Grund beschloss, nicht teil. 5 Am 29. November und 3. Dezember 2001 führte [X.] weitere [X.]en durch, bei denen er beschloss, den Geschäftsanteil des [X.] einzuziehen. 6 Das [X.] hat den Beschluss der Gemeinschuldnerin vom 26. November 2001 für nichtig erklärt und die Nichtigkeit der Beschlüsse vom 29. November und 3. Dezember 2001 festgestellt. Den Beschluss vom 27. No-vember 2001 über die Abberufung des [X.] als Geschäftsführer aus wichti-gem Grund hat es für wirksam erachtet. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Hiergegen wendet er sich mit seiner vom [X.]at zugelassenen Revi-sion. Entscheidungsgründe: Die Revision des [X.] ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur teilweisen Abänderung des landgerichtlichen Urteils und zur Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses vom 27. November 2001. 7 I. Das Berufungsgericht hat - soweit im Revisionsverfahren noch von [X.] - ausgeführt: Die Ladung vom 26. November 2001 weise keinen zur Nichtigkeit führenden Ladungsmangel auf. Bei der Ladung sei lediglich die Ein-haltung der Ladungsfrist gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 GmbHG missachtet worden, was den Kläger nur zur Anfechtung des Beschlusses berechtige. Der Beschluss beruhe jedoch nicht auf dem formalen [X.]. Es komme bei ver-nünftiger Beurteilung unter keinen Umständen in Betracht, dass der Kläger als der von dem Mangel betroffene Gesellschafter das Ergebnis des Beschlusses 8 - 5 - hätte beeinflussen können. Mangels Kausalität des Mangels für die [X.] sei die Anfechtungsklage unbegründet. [X.] Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Der in der [X.]erversammlung vom 27. November 2001 von [X.] gefasste Abberufungsbeschluss ist analog § 241 Nr. 1 [X.], der im [X.] ent-sprechend anwendbar ist ([X.] 36, 207, 210 f.; [X.] 100, 264, 265), nicht nur anfechtbar, sondern mit Rücksicht auf die Vielzahl und das Gewicht der [X.], die einer [X.] des [X.] gleichkommen, nichtig. Die [X.] eines Gesellschafters ist ein [X.], der nach der vom Schrifttum geteilten gefestigten Rechtsprechung des [X.]ats zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Gesellschafterbeschlüsse führt ([X.] 36, 207, 211; [X.].Urt. v. 24. Juni 1996 - [X.], GmbHR 1997, 165 f.; v. 20. September 2004 - [X.], [X.], 2186, 2189; [X.] in [X.]/ [X.], GmbHG 5. Aufl. § 47 Rdn. 102; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG 18. Aufl. § 51 Rdn. 28; [X.]/[X.], GmbHG 8. Aufl. [X.]. § 47 Rdn. 37; [X.] in [X.]/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 47 Rdn. 96; [X.]/[X.], GmbHG 16. Aufl. § 51 Rdn. 15; [X.]/[X.], GmbHG 9. Aufl. § 51 Rdn. 28). 1. Die Ladung des [X.] am Vorabend des 27. November 2001 um 20.37 Uhr per E-Mail ohne Unterschrift erfüllt nicht die gesetzlichen Mindestan-forderungen, die an die ordnungsgemäße Einberufung einer Gesellschafterver-sammlung zu stellen sind. 10 Mangels abweichender Regelungen im Gesellschaftsvertrag der Ge-meinschuldnerin, der in § 7 Nr. 2 nur die "ordnungsgemäße" Ladung voraus-setzt und damit auf die gesetzlichen Vorschriften (§ 51 GmbHG) verweist, hatte die Ladung des [X.] durch eingeschriebenen, unterschriebenen Brief ([X.].Urt. v. 17. Oktober 1988 - [X.], [X.], 634, 636) zu erfolgen 11 - 6 - (§ 51 Abs. 1 Satz 1 GmbHG), war mit einer Frist von einer Woche zu bewirken (§ 51 Abs. 1 Satz 2 GmbHG; [X.] 100, 264, 265 ff.) und die Tagesordnung musste dem Kläger gemäß § 51 Abs. 3 GmbHG - ebenfalls durch eingeschrie-benen Brief - mindestens drei Tage vor der Gesellschafterversammlung mitge-teilt werden. 12 2. Das Berufungsgericht verkennt die Bedeutung des Partizipationsinter-esses des [X.], wenn es diesen [X.] als einen nur zur An-fechtung berechtigenden Ladungsmangel wertet, dem es zudem fehlerhaft die Kausalität für die Beschlussfassung vom 27. November 2001 abspricht. Die Ladung des Gesellschafters zur Gesellschafterversammlung dient der Sicherung eines für jeden Gesellschafter unverzichtbaren Gesellschafter-rechts, seines Teilnahmerechts an der Gesellschafterversammlung und der damit verbundenen Einflussmöglichkeit auf die Willensbildung der Gesellschaft ([X.].Urt. v. 12. Juli 1971 - [X.], [X.], 1150, 1151). Das Teilnah-merecht geht über das Recht, an der Abstimmung der [X.], hinaus und ist auch dann unentziehbar und deshalb zu gewährleisten, wenn - wie hier - der Gesellschafter in der Versammlung nicht stimmberechtigt ist ([X.].Urt. v. 12. Juli 1971 - [X.], [X.], 1150, 1151; v. 28. Januar 1985 - [X.], [X.], 567, 568). Erschwert eine Ladung dem Gesell-schafter seine Teilnahme in einer Weise, die der Verhinderung seiner Teilnah-me gleichkommt, wird ihm die Ausübung dieses unverzichtbaren Gesellschaf-terrechts ebenso entzogen wie im Fall der [X.]. 13 So liegt der Fall hier. Selbst wenn der Kläger, was er bestreitet, die E-Mail noch am Abend des 26. November 2001 zur Kenntnis genommen hätte, war ihm eine sachgerechte Ausübung seines Teilnahmerechts in einer seiner [X.] gleichkommenden Weise unmöglich. 14 - 7 - 3. Gleichgültig ist, ob der Beschluss auch ohne den [X.] [X.] zustande gekommen wäre ([X.], 409, 411 f.; [X.] 11, 231, 239), so dass es selbst vom Standpunkt des Berufungsgerichts, der Beschluss sei lediglich anfechtbar, auf die der Sache nach verfehlten [X.] (s. hierzu [X.] 160, 385, 391 f.) nicht ankommt. 15 16 III. Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, konnte der [X.]at in der Sache selbst entscheiden und auf die Revision des [X.] die Nichtig-keit des Abberufungsbeschlusses vom 27. November 2001 feststellen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Goette [X.] Gehrlein Strohn [X.]: [X.], Entscheidung vom 15.08.2002 - 10 O 128/01 - [X.], Entscheidung vom 21.07.2004 - 6 U 174/02 -

Meta

II ZR 200/04

13.02.2006

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2006, Az. II ZR 200/04 (REWIS RS 2006, 5039)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5039

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZB 32/15 (Bundesgerichtshof)

(GmbH: Anfechtbarkeit von an einem nicht ordnungsgemäßen Versammlungsort gefasstem Gesellschafterbeschluss; Antragsbefugnis hinsichtlich Einstellung des Insolvenzverfahrens)


II ZR 167/07 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 32/15 (Bundesgerichtshof)


I-6 W 2/18 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


18 U 4/15 (Oberlandesgericht Köln)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.