Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2012, Az. IX ZB 15/12

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2726

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 15/12
vom

27. September
2012

in dem Rechtsstreit

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch den Vorsitzenden [X.] Dr. Kayser
und
die [X.], [X.], Dr.
Fischer und Grupp

am 27. September 2012
beschlossen:

Auf die Rechtsmittel
des [X.] werden der Beschluss des 7.
Zi-vilsenats des [X.] vom 13.
Ja-nuar 2012 und der Beschluss der 10.
Zivilkammer des [X.] vom 22.
Juli 2011 aufgehoben.

Der beschrittene Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ([X.]) ist zulässig.

Der Streitwert wird auf 2.258,04

.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Verwalter in dem am 23.
Oktober 2007 eröffneten Insol-venzverfahren über das Vermögen der F.

GmbH (nachfolgend:
Schuldnerin).

Die Schuldnerin war im Jahre 2006 Alleingesellschafterin der G.

GmbH (nachfolgend: 1
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G.

), die am 14.
Mai 2007 Insolvenzantrag stellte, welcher
am 7.
Septem-ber 2007 mangels Masse zurückgewiesen wurde.

Der Beklagte war ab dem 1.
Mai 2006 Arbeitnehmer der G.

. Die Schuldnerin überwies in dem Zeitraum zwischen 25.
Januar 2007
und 22.
März 2007 insgesamt 6.774,12

gegen die G.

. Diesen Betrag fordert der Kläger im Wege der Insolvenz-anfechtung gemäß §
134 Abs.
1 [X.] zurück.

Das [X.] hat sich für unzuständig
erklärt und den Rechtsstreit nach Anhörung der Parteien an das [X.] verwiesen. Die da-gegen vom Kläger erhobene sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger die Aufhebung der vorinstanzlichen
Entscheidungen.

II.

Die kraft Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß §
17a Abs.
4 Satz
4 und 6 [X.] statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. In der Sache erweist sie sich als begründet, weil
es sich vorliegend um eine bür-gerlich rechtliche Streitigkeit (§
13 [X.]) handelt, die vor die ordentlichen Ge-richte gehört.

1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, der Rechtsweg zu den [X.] sei eröffnet, weil eine Streitigkeit nach §§
2
ff ArbGG vorliege. Die Rückgewähr des Arbeitsentgelts sei auf die Rückabwicklung einer arbeitsrecht-lichen Leistungsbeziehung gerichtet. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte sei 3
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nach §
3 ArbGG iVm §
2 Abs.
1 Nr.
3 Buchst.
a ArbGG auch dann begründet, wenn ein Rechtsnachfolger des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers den [X.] führe. Der Insolvenzverwalter sei für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis für die Dauer des Insolvenzverfahrens in diesem Sinne Arbeitgeber. Zwar sei der Kläger hier nicht Insolvenzverwalter des Arbeitgebers sondern dessen allei-niger Gesellschafter. Der Begriff der Rechtsnachfolge im Sinne des §
3
ArbGG sei jedoch weit auszulegen. Entscheidend sei nicht die Rechtsstellung als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, sondern die durch das Arbeitsverhältnis begründete Rechts-
und Pflichtenzuständigkeit. Deshalb sei nicht erforderlich, dass der Rechtsnachfolger an die Stelle des ursprünglichen Schuldners getre-ten sei. Vielmehr genüge die Erhebung oder Abwehr einer Forderung anstelle des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers. Deshalb werde unter dem Begriff der Rechtsnachfolge im Sinne des §
3 ArbGG auch die Haftung für arbeitsrechtliche Ansprüche aus eigenständigen Rechtsgründen subsumiert.

Es handele sich jedenfalls materiell um einen Anspruch auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt. Der Kläger müsse sich in doppelter Rechtsnachfolge im Sinne des §
3 ArbGG -
als Rechtsnachfolger der Schuldnerin und diese als Rechtsnachfolgerin der G.

-
als Arbeitgeber im Sinne des §
2 Abs.
3 ArbGG behandeln lassen.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Wie der Senat zwischenzeitlich an einem Parallelfall, der einen anderen Arbeitnehmer der G.

betraf, entschieden hat, ist in der hier vorliegenden Konstellation der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ([X.], Beschluss vom 19.
Juli 2012 -
IX
ZB 27/12, [X.], 1681).
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a) Eine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts nach §
2 Abs.
1 Nr.
3 a ArbGG scheidet auf der Grundlage des Beschlusses des Gemeinsamen Senats vom 27.
September 2010 ([X.] 1/09, [X.]Z 187, 105) aus, weil der Kläger durch die Übernahme des Amts des Insolvenzverwalters bei der Schuldnerin im Verhältnis zu dem bei der G.

beschäftigten Beklagten nicht in die [X.] eingerückt ist
und der Rechtsstreit darum nicht die Rück-forderung von Arbeitsentgelt durch den Arbeitgeber gegenüber einem seiner Arbeitnehmer zum Gegenstand hat.

aa) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis begründet §
2 Abs.
1 Nr.
3 a ArbGG die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen.

(1) Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis sind solche, die einem Arbeitsverhältnis entspringen. Dabei ist es ohne Bedeutung,
auf welche [X.] Anspruchsgrundlage der [X.] gestützt wird. Die Rück-gewähr verdienten Arbeitsentgelts nach §
143 Abs.
1 [X.], das der Arbeitneh-mer aufgrund seines Arbeitsverhältnisses und in Erfüllung der sich daraus er-gebenden beiderseitigen Hauptleistungspflichten erhalten hat, ist auf die Rück-abwicklung einer arbeitsrechtlichen Leistungsbeziehung gerichtet ([X.] Senat, aaO Rn.
11
f).

(2) Arbeitgeber ist derjenige, der zumindest einen Arbeitnehmer oder eine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des §
5 Abs.
1 ArbGG beschäftigt (Gemeinsamer Senat, aaO Rn.
17). Der Insolvenzverwalter wird nach der [X.] Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats für die Dauer des [X.] faktisch Arbeitgeber. §
108 Abs.
1 [X.] stellt klar, dass Dauer-9
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schuldverhältnisse, zu denen auch ausdrücklich Dienstverhältnisse gezählt werden, mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehen. Damit kann der Ver-tragsarbeitgeber die aus der Arbeitgeberstellung fließenden Rechte und Pflich-ten nicht mehr ausüben; sie fallen dem Insolvenzverwalter zu. Dieser tritt in die Arbeitgeberstellung des Schuldners ein und übt für die Dauer des [X.] statt des [X.] die Funktion des Arbeitgebers aus (Ge-meinsamer Senat, aaO Rn.
18).

bb) Diese Rechtsgrundsätze können auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragen werden. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten nicht die Funktion des Arbeitgebers übernommen und verlangt daher nicht im Wege der Insolvenzanfechtung Erstattung einer von ihm gezahlten Arbeitsvergütung.

Die Schuldnerin war dem Beklagten mangels eines zwischen beiden be-stehenden Arbeitsverhältnisses nicht zur Zahlung von Arbeitslohn verpflichtet, sondern hat die Überweisungen als Dritte erbracht (§
267 Abs.
1 BGB). [X.] war die Schuldnerin nicht die Arbeitgeberin des Beklagten (vgl. Ge-meinsamer Senat, aaO
Rn.
17). Als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin kann der Kläger nur im Verhältnis zu deren Arbeitnehmern in die Rechtsstellung des Arbeitgebers eingerückt sein. Da der Beklagte bei der recht-lich selbständigen G.

angestellt war, hat der Kläger durch die Ernen-nung zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin nicht die Rechtsstellung des Arbeitgebers gegenüber dem Beklagten erworben. Wegen der fehlenden [X.] sowohl der Schuldnerin als auch darauf auf-bauend des [X.] im Verhältnis zu dem Beklagten geht es hier nicht um die "Rückgewähr verdienten Arbeitsentgelts", das der Beklagte "aufgrund seines Arbeitsverhältnisses" (vgl. Gemeinsamer Senat, aaO Rn.
12) von der [X.] erlangt hat. Gegenstand der Klage bildet vielmehr die Rückgewähr seitens 13
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der Schuldnerin freiwillig erbrachter, rechtlich nicht geschuldeter Zahlungen. Die freiwillige Drittleistung durch die Schuldnerin findet in dem Arbeitsverhältnis, das nur zwischen dem Beklagten und der G.

bestand, gerade keine Grundlage. Darum betrifft die Klage nicht -
wie §
2 Abs.
1 Nr.
3 a ArbGG vor-aussetzt
-
die Rückforderung von Arbeitsentgelt in der Beziehung von [X.] und Arbeitnehmer.

b) Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte folgt auch nicht aus §
3 ArbGG, nach dessen Inhalt die durch §§
2, 2a ArbGG begründete Zuständigkeit auch im Verhältnis zu einem Rechtsnachfolger besteht.

aa) Der Begriff des Rechtsnachfolgers ist in einem weiten Sinn zu [X.]. Darum werden unter dieses Tatbestandsmerkmal auch die Haftung für arbeitsrechtliche Ansprüche aus eigenständigen Rechtsgründen wie §
826 BGB (Durchgriffshaftung im Konzern), die Bürgschaft (§
765
ff BGB), das Handeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht (§
179 BGB), die Firmenfortführung (§§
25, 28 HGB), der Schuldbeitritt und die Haftung des Insolvenzverwalters nach §
61 [X.] subsumiert ([X.], Beschluss vom 31.
März 2009 -
5
AZB 98/08, [X.], 831 Rn.
7). Damit wird die Rechtsnachfolge auf solche Fälle er-streckt, in denen eine andere Person als der ursprüngliche Schuldner für die Verbindlichkeit haftet.

bb) Diese Grundsätze greifen jedoch nicht ein, wenn es sich um eine freiwillige Drittzahlung nach §
267 Abs.
1 BGB handelt. Ist nur die [X.] Durchgriffshaftung als Rechtsnachfolge zu verstehen ([X.], aaO), kann die hier gegebene freiwillige Zahlung durch die Muttergesellschaft nicht §
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ArbGG zugeordnet werden. In einem solchen
Fall ist eine Haftung des Leisten-den für die von ihm freiwillig erfüllte Verbindlichkeit nicht gegeben.
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cc) Zu Unrecht meint der Beklagte, eine Haftung der Schuldnerin folge aus einem von ihr erklärten Schuldbeitritt. Er vermochte nicht darzulegen, in welcher Weise sich die Schuldnerin und der Beklagte über einen Schuldbeitritt geeinigt haben sollen. Soweit der Beklagte darüber hinaus eine Patronatserklä-rung vermutet, hat er auch deren Zustandekommen und Inhalt nicht darzulegen vermocht. Aus der Zahlung allein sind derartige Schlüsse nicht abzuleiten.

[X.] [X.]

Fischer Grupp
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.07.2011 -
10 [X.]/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 13.01.2012 -
7 W 75/11 -

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Meta

IX ZB 15/12

27.09.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2012, Az. IX ZB 15/12 (REWIS RS 2012, 2726)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2726

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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(Rechtsweg - Klage des Insolvenzverwalters gegen einen Arbeitnehmer des Schuldners auf Rückgewähr verdienten Arbeitsentgelts nach …


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