Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.03.2012, Az. V ZR 170/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8314

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V [X.]
Verkündet am:

9. März 2012

Mayer

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 45 Abs. 1
Der Verwalter ist als
Zustellungsbevollmächtigter gemäß § 45 Abs. 1 [X.] ausge-schlossen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über die Durchführung der Zustellung in der Sache begründete Umstände ersichtlich sind, die die konkrete Gefahr einer nicht sachgerechten Information der Wohnungseigentümer [X.].

[X.], Urteil vom 9. März 2012 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2012 durch [X.]
Dr.
Krüger,
die Richterin Dr.
Stresemann, den Richter Dr.
Czub und
die Richterinnen Dr.
Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 29. Zivilkammer des [X.] vom 9. Juni 2011 wird auf Kosten der Kläger zurück-gewiesen.

Von
Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind die Mitglieder einer [X.]. In der Eigentümerversammlung vom 17. März 2009 beschlossen die Wohnungseigentümer u.a. die Genehmigung der Jahresabrechnung sowie die Entlastung des bisherigen Verwalters ([X.]), die Bestellung neuer Verwal-tungsbeiräte ([X.] 8) und die Bestellung des [X.] zum neuen [X.] ([X.] 10). Das Amtsgericht hat, nachdem es auf Antrag der Kläger [X.] ein Versäumnisurteil gegen die beklagten Wohnungseigentümer [X.] hatte, den Beschluss zu [X.] für ungültig erklärt und die Klage im Übri-gen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das [X.] auch den Beschluss zu [X.] 8 für ungültig erklärt. Gegen die Zurückweisung ihrer Beru-fung im Übrigen ([X.]
10) wenden sich die Kläger mit der insoweit zugelasse-nen Revision. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

1
-
3
-

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht
meint, zwischen den Parteien sei ein wirksames Prozessrechtsverhältnis entstanden. Zwar habe gemäß §
45 Abs.
1 [X.] die [X.] des neuen Verwalters für die beklagten Wohnungseigen-tümer gefehlt; denn wegen der Anfechtung der Wahl des Verwalters habe die Gefahr bestanden, dieser werde die Eigentümer nicht sachgerecht unterrichten. Das Fehlen der [X.] sei aber rückwirkend geheilt, da der [X.] die Wohnungseigentümer über den anhängigen Rechtsstreit informiert habe. Daher sei er auch zur Einlegung des Einspruchs gegen das [X.] berechtigt gewesen. In der Sache bleibe die Berufung der Kläger hinsicht-lich [X.] 10 ohne Erfolg. Die Bestellung des [X.] zum neuen [X.] entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung.
II.
Das hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Entgegen der Auffassung der Revision ist mit der Zustellung der Klage an den Verwalter zwischen den Parteien ein Prozessrechtsverhältnis begründet worden.
a) Nach der Vorschrift des §
45 Abs.
1 [X.], die auch bei gerichtlichen Auseinandersetzungen der Wohnungseigentümer untereinander Anwendung findet (BT-Drucks. 16/887, S. 36),
ist der Verwalter [X.] der Wohnungseigentümer, wenn diese Beklagte sind; eine Ausnahme gilt nur dann, wenn er als Gegner der Wohnungseigentümer an dem Verfahren beteiligt ist 2
3
4
5
-
4
-
oder wenn
auf Grund des Streitgegenstandes die Gefahr besteht, er werde die Wohnungseigentümer nicht sachgerecht unterrichten. Umstritten ist, ob für ei-nen Ausschluss des Verwalters als [X.] die abstrakte Gefahr nicht sachgerechter Unterrichtung ausreicht oder ob die [X.] nur bei einer konkreten Interessengefährdung entfällt.
Der Senat hat dies bis-lang offen gelassen (vgl. Urteil vom 11. Februar 2011

[X.], [X.]
2011, 218, 219; Beschluss vom 14. Mai 2009 -
V
ZB 172/08, [X.], 2135, 2136).
aa) Teilweise wird vertreten, eine die [X.] nicht sachgerechter Unterrichtung sei bereits dann anzunehmen, wenn vor der Zustellung die Möglichkeit nicht sachgerechter Unterrichtung im Hinblick auf den
Streitgegenstand nicht fern liege. Das gelte unabhängig davon, ob ein Konflikt zwischen den Interessen des Verwalters und denen
der übrigen Wohnungseigentümer tatsächlich schon aufgetreten sei oder ob die [X.] in dem Prozess auf seiner Seite
stehe
([X.], [X.], 11.
Aufl., §
45 Rn.
18; [X.], BGB [2005], §
27 [X.] Rn.
235; wohl auch [X.]/Then, [X.], § 45 Rn. 8).
bb) Nach überwiegender Auffassung ist der Verwalter als Zustellungsver-treter nur dann ausgeschlossen, wenn eine konkrete Gefahr der sachwidrigen Information besteht. Eine solche Gefahr sei erst dann gegeben, wenn ein echter Konflikt zwischen den Interessen des Verwalters und den übrigen von ihm ver-tretenen Wohnungseigentümern auftrete, etwa wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Verwalter und einigen oder [X.] von ihm vertretenen [X.] nachhaltig gestört sei (BayObLG, NJW-RR 1989, 1168, 1169; NJW-RR 2002, 732, 733; [X.], [X.], 629, 630; Suilmann in [X.], [X.], 2.
Aufl., §
45 Rn.
15
f.; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 6
7
-
5
-
§
45 Rn. 6; [X.] in [X.], [X.], §
45 Rn.
34; [X.]/[X.], 5.
Aufl., §
45 [X.] Rn.
5; [X.], [X.] 2009, 270, 273).
cc) Der Senat hält die Auffassung der vorherrschenden Meinung für zu-treffend. Mit
der in §
45 Abs. 1 [X.] normierten grundsätzlichen Zustellungsbe-vollmächtigung des Verwalters für die Wohnungseigentümer wollte der [X.] den mit Zustellungen verbundenen Aufwand für das Gericht und auch die zu Lasten der Wohnungseigentümergemeinschaft entstehenden Kosten gering halten (BT-Drucks. 16/887, [X.]). Die rein formale Beurteilung der Frage eines Interessenkonflikts abstrakt anhand des Verfahrensgegenstandes liefe dem angestrebten Vereinfachungs-
und Kostenentlastungseffekt zuwider. Sie hätte zudem die wenig praxisnahe Folge, dass die Wohnungseigentümer nach §
45 Abs.
2 [X.] einen Ersatzzustellungsvertreter -
der auch das Haftungsrisiko trägt (vgl. [X.], [X.], 764 f.)
-
bestellen müssten, selbst wenn aufgrund eines ungestörten Vertrauensverhältnisses sichergestellt ist, dass der Verwalter sie über den Verlauf eines gegen sie anhängigen Verfahrens ord-nungsgemäß unterrichten wird. Um die Informationsrechte der Eigentümer zu wahren, genügt es, den Verwalter nur dann als [X.] auszu-schließen, wenn konkret ein Konflikt zwischen den Interessen des Verwalters und den übrigen von ihm vertretenen Wohnungseigentümern auftritt (Suilmann in [X.], [X.], 2.
Aufl., §
45 Rn.
16, BayObLG, NJW-RR 2002, 732, 733). Solange hingegen für
das Gericht
im Zeitpunkt der Entscheidung über die Durchführung der Zustellung (vgl. Senat, Urteil vom 11. Februar 2011

[X.], [X.]
2011, 218, 219) keine in der Sache begründeten Umstände er-sichtlich sind, die konkret die Gefahr einer nicht sachgerechten Information der Wohnungseigentümer rechtfertigen, ist der Verwalter tauglicher Zustellungsver-treter.

8
-
6
-
b) Danach war die Zustellungsberechtigung des Verwalters im vorliegen-den Fall nicht nach § 45 Abs. 1 Halbsatz 2 [X.] ausgeschlossen. Allein der Umstand, dass Gegenstand des Verfahrens die Beschlussfassung der [X.] über die Bestellung des Verwalters ist und der Streitgegen-stand somit auch dessen Rechtsstellung betrifft, begründet für sich genommen nicht die konkrete Gefahr, der Verwalter werde die Wohnungseigentümer über das anhängige Verfahren nicht sachgerecht unterrichten (vgl. Suilmann in
[X.], [X.], 2.
Aufl., § 45 Rn. 17; aA Riecke/[X.]/Abramenko, [X.], 3.
Aufl., §
45 Rn. 5). Umstände, die das Vorliegen einer solchen Gefahr nahe-legten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, zumal die beklagten Wohnungseigentümer die [X.] des Verwalters verteidigen. Letztlich bestätigt auch der spätere Geschehensablauf die Einschätzung des Amtsgerichts, dass die Gefahr einer nicht sachgerechten Unterrichtung nicht gegeben war (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Mai 2009 -
V
ZB 172/08, [X.], 2135, 2136). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Verwalter die beklagten Wohnungseigentümer über den anhängigen Rechts-streit durch Übermittlung der Klageschriften tatsächlich informiert.
2. Auch der Einspruch des Verwalters gegen das gegen die Beklagten ergangene Versäumnisurteil ist wirksam;
er war hierzu gemäß § 27 Abs. 2
Nr.
2 [X.] berechtigt.
3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Bestellung des [X.] zum Verwalter entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung, ist frei von Rechtsfehlern.
a) Ein Beschluss über die Bestellung eines Verwalters verstößt gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn ein wichtiger Grund vor-liegt, der gegen die Wahl dieses Verwalters spricht. Ein wichtiger Grund liegt 9
10
11
12
-
7
-
vor, wenn unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig vom Verwalter ver-schuldeter Umstände nach [X.] und Glauben eine Zusammenarbeit mit dem zu bestellenden Verwalter unzumutbar und das erforderliche Vertrauensverhältnis von Anfang an nicht zu erwarten ist (KG, ZMR
2007, 801; BayObLG, ZMR
2005, 561; [X.], [X.], 11. Aufl., § 26 Rn. 41; [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl., § 26 Rn. 64). Dies hat der Tatrichter in umfassender Würdigung der Gesamtumstände festzustellen.
b) Daran gemessen hält die Entscheidung des Berufungsgerichts rechtli-cher Nachprüfung stand. [X.] hat es darin, dass der neue Verwalter bisher nur Erfahrungen mit der Verwaltung eigener Immobilien hatte, keinen wichtigen Grund gesehen, der gegen dessen Bestellung zum Verwalter spricht. Soweit die Revision einen wichtigen Grund daraus herleiten will, dass während des Verfahrens zwei Schriftstücke dem Verwalter nicht zugestellt werden konn-ten, und er bei der Verwendung des [X.] für Verwirrung gesorgt hatte, kann dies schon deswegen die Anfechtungsklage nicht begründen, weil diese Umstände im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht vorlagen (vgl. [X.], ZMR
2005, 561).
13
-
8
-

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger

Stresemann

Czub

Brückner

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.02.2010 -
204 [X.]/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 09.06.2011 -
29 [X.]/10 -

14

Meta

V ZR 170/11

09.03.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.03.2012, Az. V ZR 170/11 (REWIS RS 2012, 8314)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8314

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 170/11 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentumsverfahren: Ausschluss des Verwalters als Zustellungsbevollmächtigter


V ZB 52/15 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentumsverfahren: Kosten eines Ersatzzustellungsvertreters und Kosten der Unterrichtung der beklagten Wohnungseigentümer durch einen Zustellungsvertreter; Bestellung …


V ZR 202/16 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentumssache: Zustellung einer Klageschrift an den nicht mehr bestellten Verwalter; Bestimmung eines Ersatzzustellungsvertreters; Heilung der …


V ZB 52/15 (Bundesgerichtshof)


V ZR 202/16 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZR 170/11

V ZR 136/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.