Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2015, Az. 1 StR 503/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 518

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:161215B1STR503.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 503/15

vom
16. Dezember
2015
in der Strafsache
gegen

wegen
Vergewaltigung

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 16. Dezember
2015
gemäß §
349 Abs. 4 StPO
beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Mai 2015 mit den Feststellungen auf-gehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
Die Beweiswürdigung des [X.] hält revisionsrechtlicher [X.] nicht stand.
1.
Wenn
Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung im [X.] davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Ur-teilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Ent-scheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezo-gen hat. Das gilt besonders, wenn sich sogar die
Unwahrheit
eines Aussage-teils des Belastungszeugen herausstellt
(vgl. [X.], Beschluss vom 6. Februar 2014

1 [X.]). Erforderlich ist hierbei zudem in besonderem Maße eine 1
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Gesamtwürdigung aller Indizien (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Juni
1997

2 [X.], [X.], 16).
2. Diesen Anforderungen genügt die Beweiswürdigung der [X.] nicht.
a) Vorliegend handelt es sich um einen Fall, in dem zu
der entscheiden-den Frage, ob der Geschlechtsverkehr mit der Zeugin S.

einver-nehmlich erfolgte (wie der Angeklagte behauptet) oder mit Gewalt vom Ange-klagten erzwungen wurde (wie die Zeugin behauptet), letztlich Aussage gegen Aussage steht (vgl. auch [X.], Beschluss vom 6. Februar 2014

1 [X.]). Die Zeugin hat gegenüber der Polizei mehrfach nachweislich die Un-wahrheit gesagt und den Angeklagten dort etwa zu Unrecht beschuldigt, er ha-be sie durch Vorhalt eines Messers genötigt, mit ihm mehrere Kilometer weit in seine Unterkunft zu gehen (tatsächlich wurden beide einvernehmlich von einer Autofahrerin mitgenommen und tauschten später im Beisein eines Zeugen Zärtlichkeiten aus). Als Grund für diese Falschbelastung hat die geistig leicht
behinderte Zeugin angegeben, sie habe dies gesagt, weil ihr wegen ihrer [X.] sonst keiner glaube. Die aussagepsychologische Sachverständige hat eine Erlebnisfundiertheit der Angaben der Zeugin nicht bestätigen können, weil deren Aussage die Mindestanforderungen an eine aussageübergreifende [X.] nicht erfüllten.
b) Es fehlt die bei dieser Lage notwendige besonders sorgfältige Ge-samtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichts-punkte. Die [X.] hat jeweils isoliert einzelne Umstände erörtert, die aus ihrer Sicht für die Beweiswürdigung eine Rolle spielen. Für jede widerlegte oder Messers, angebliche Nötigung zur Alkoholaufnahme, einzelne Umstände
des 4
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Vergewaltigungsgeschehens
wie Anzahl und Positionen beim Geschlechtsver-kehr, Ablage des Zimmerschlüssels in einem Nachtkästchen) hat das Gericht isoliert eine Erklärung gesucht, ohne die verschiedenen Mängel der Aussage in eine umfassende Gesamtwürdigung mit den weiteren be-
und entlastenden Beweisanzeichen einzustellen.
Dass die Beweisergebnisse nicht zueinander in Beziehung gesetzt wer-den, wird auch bei der Darstellung der Ergebnisse der rechtsmedizinischen Un-tersuchung der Zeugin kurz nach dem Vorfall deutlich. [X.] bleibt dabei etwa, ob die am ehesten durch Entlangschürfen eines festen Gegenstandes (Reißverschluss oder Knopf) erklärbaren Kratzer an den Beinen der Zeugin nicht nur mit einem Entkleiden ([X.]), sondern auch (oder sogar eher) mit dem von der Zeugin berichteten hastigen Ankleiden einer auf links gedrehten Hose erklärbar sind. Das Gericht legt auch nicht dar, wie es vor dem Hinter-grund der übrigen Beweisergebnisse den Umstand würdigt, dass sich die Zeu-gin kurze [X.] nach der Untersuchung durch die rechtsmedizinische Sachver-ständige wahrscheinlich selbst eine erhebliche Verletzung des [X.] hat, die nach sachverständiger Einschätzung nur schwerlich mit einem in-tensiven Waschversuch erklärbar ist (UA
S. 45).
c) Soweit
das [X.] unter diejenigen Erwägungen, die nach seiner Ansicht die Aussage der Zeugin bestätigen, auch fasst, dass die Angaben des Angeklagten in den maßgeblichen Punkten widerlegt worden sind (vgl. UA S.
38), gilt, dass die bloße Widerlegung von Angaben des Angeklagten grund-sätzlich kein Schuldindiz ist, weil auch ein Unschuldiger Zuflucht zur Lüge [X.] kann (vgl. [X.], Urteil vom 21. Januar 1998

5 [X.], [X.], 303 mwN).
Will der Tatrichter eine erlogene Entlastungsbehauptung als zusätzliches Belastungsanzeichen werten, so muss er sich bewusst sein, dass 7
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eine wissentlich falsche Einlassung hierzu ihren Grund nicht darin haben muss, dass der Angeklagte
die Tat begangen hat
(vgl. [X.], Urteil vom 21. Januar 2004

1 [X.], [X.], 392, 394 f.).
3. [X.] beruht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler. Der [X.] kann trotz der von der [X.] zutreffend als die Aussage der Zeugin stützend gewerteten Beweisergebnisse (anhaltende Nein-Rufe, Hautdefekte und -verfär-bungen, UA S.
35 ff.; [X.]) nicht ausschließen, dass das [X.] bei Vor-nahme der gebotenen Gesamtwürdigung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Die Sache bedarf deshalb neuer tatrichterlicher Prüfung.
Raum Jäger

Radtke

Mosbacher Bär
9

Meta

1 StR 503/15

16.12.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2015, Az. 1 StR 503/15 (REWIS RS 2015, 518)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 518

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