Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2017, Az. 4 StR 327/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 2876

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:071117B4STR327.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 327/17

vom
7. November
2017
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen Mordes u. a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 7.
November 2017 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.] beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten Le.

wird das Urteil
des [X.] vom 23.
Februar 2017, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch und im Ausspruch über die besondere Schwere der Schuld mit den jeweils zu-gehörigen Feststellungen aufgehoben.
2.
Auf die Revision des Angeklagten Z.

wird das vorge-
nannte Urteil, soweit es ihn betrifft, dahin ergänzt, dass die in [X.] erlittene Freiheitsentziehung im Maßstab
1:1 an-gerechnet wird, und im Ausspruch über die besondere Schwere der Schuld mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3.
Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
4.
Um Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und die besonde-1
-
3
-
re Schwere der Schuld festgestellt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten jeweils mit der Sachrüge. Die Rechtsmittel haben in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 [X.].
I.
1.
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils beschlossen die Angeklagten und die gesondert verfolgten R.

und D.

am Abend des
18.
Mai 2016, das Anwesen der 86jährigen

La.

im L.

er Ortsteil
M.

aufzusuchen, um die allein lebende Frau um Geld und Schmuck zu
bringen. Die Täter klingelten am Hoftor und an der Haustür und hielten sich dann verborgen. [X.].

, die bereits im Bett gewesen war, ging barfuß und
im Nachthemd zum Esszimmerfenster im Erdgeschoss, das einen uneinge-schränkten Blick auf die Haustür bot. Sie zog den Rollladen hoch, öffnete das Fenster und lehnte sich ein Stück weit hinaus. Der Angeklagte Z.

war auf
einen Gartenstuhl unterhalb des Fensters gestiegen und nahm [X.].

in
den Schwitzkasten. Er stieg auf den Fenstersims und drängte [X.].

zu-
rück in das Esszimmer, wobei er sie womöglich schon schlug. Der Angeklagte Le.

und D.

folgten ihm, während R.

Schmiere stand. Die drei schlu-
gen nun auf den Kopf-, Mund-
und Halsbereich der sich wehrenden Frau ein. Sie wurde rücklings zu Boden gebracht und an den Oberarmen fixiert. Die Täter verlangten die Herausgabe von Geld und die Preisgabe des Aufbewahrungsorts von Geld und Wertsachen. Weil [X.].

nichts verriet, schlugen und traten
die Angeklagten weiter auf sie ein. Der Angeklagte Le.

trat ihr mindestens
zweimal mit so großer Wucht auf die linke Gesichtsseite, dass sich das Schuh-profil dort abbildete. Die Angeklagten und D.

durchsuchten das Haus, fanden
aber nur wenig werthaltigen Schmuck und eine Uhr. Verärgert über den gerin-2
-
4
-
gen Erfolg trat D.

der regungslos am Boden liegenden Frau in das nackte
Gesäß. Der Angeklagte Le.

zog ihr mit großem Kraftaufwand den Ehering
vom Finger.
[X.].

erlitt mehr als 30
Gewalteinwirkungen. Sie wies u.a. einen
Rippenserienbruch links, Brüche von zwei Rippen rechts, eine Quetschung der linken Lunge und eine Blutung unter der harten und der weichen Hirnhaut nebst einer Hirnschwellung auf. Sie starb infolge der erlittenen Verletzungen zwischen 5.00
Uhr und 14.00
Uhr des Folgetags.
2.
Nach der Überzeugung des Tatrichters handelten die Angeklagten und
D.

mit bedingtem Tötungsvorsatz. Die Angeklagten hätten den Tod von

La.

durch die Herbeiführung massiver Verletzungen im Kopf-, Ober-
körper-

-Abfindens mit der n-den

Vielzahl gravierender, besonders gefährlicher Gewalthandlungen gegen-über einem 86jährigen Tatopfer

hätten sie den Tod der Geschädigten als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt, er sei ihnen zumindest gleichgültig gewesen.
Das [X.] hat die Mordmerkmale Habgier, Ermöglichungsabsicht, Heimtücke und niedrige Beweggründe bejaht und die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
II.
Die Überprüfung des Schuldspruchs auf die von den Angeklagten erho-benen
Sachrügen
hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben. Obgleich die Annahme der [X.], die Angeklagten hätten das 3
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5
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-
5
-
Tatopfer nicht nur aus Habgier und zur Ermöglichung einer anderen Straftat, sondern auch heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen getötet, recht-lichen Bedenken begegnet, werden der Schuldspruch und der Strafausspruch von diesem Rechtsfehler aber nicht berührt. Jedoch können die Aussprüche über die besondere Schwere der Schuld nicht bestehen bleiben. Zudem weist der Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten Le.

einen Rechtsfehler
auf, der zu seiner Aufhebung führt.
1.
Das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe muss entfallen.
Zwar ist die [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass die Be-urteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat niedrig

sind, also nach [X.] sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und in deutlich weiter rei-chendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als beson-ders verachtenswert erscheinen, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äuße-ren und inneren für die Handlungsantriebe des [X.] maßgeblichen Faktoren zu erfolgen hat (vgl. [X.], Urteile vom 2.
Dezember 1987

2
StR
559/87, [X.]St 35, 116, 127; vom 18.
Oktober 1995

2
StR
341/95, [X.], 211, 212; st.
Rspr.). Sie hat jedoch verkannt, dass niedrige Beweggründe, die zu-gleich spezielle Mordmerkmale erfüllen und denen darüber hinaus kein weiterer Unrechtsgehalt zukommt, von diesen speziellen [X.] verdrängt werden (vgl. für das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht [X.], Urteile vom 10.
März 1999

3
StR
1/99,
[X.]R StGB §
211 Abs.
2 Niedrige Beweggrün-de
38; und vom 17.
Mai 2011

1
StR
50/11, [X.]St 56, 239, 247). Die [X.] hat die Beuteerzielungsabsicht der Angeklagten, die bereits das Mordmerkmal der Habgier begründet, erneut zur Begründung des [X.] der niedrigen Beweggründe herangezogen. Ein im Unrechtsgehalt darüber 7
8
-
6
-

i-chend festgestellt.
2.
Auch das Mordmerkmal der Heimtücke liegt nach den Feststellungen nicht vor.
Die Annahme des [X.], die Angeklagten hätten heimtückisch gehandelt, weil der erste Angriff am Fenster, als die Geschädigte arg-
und wehrlos gewesen sei, nahtlos in die [X.] übergegangen sei (vgl. [X.], Urteile vom 1.
März 2012

3
StR
425/11, [X.], 691, 693; vom 19.
Juni 2008

1
StR
217/08, [X.], 29, 30; vom 2.
April 2008

2
StR 621/07, [X.], 238; vom 27.
Juni 2006

1
StR
113/06,
NStZ 2006, 502, 503; vom 22.
Januar 2004

4
StR
319/03, [X.], 234; vgl. auch schon [X.], Urteil vom 9.
Dezember 1986

1
StR
596/86, [X.]R StGB §
211 Abs.
2
Heimtücke
3), wird von
den Feststellungen nicht getragen.
Eine ausdrückliche Feststellung, ab wann die Angeklagten und D.

mit
Tötungsvorsatz handelten, hat das [X.] nicht
getroffen. Dass schon der erste Angriff am Fenster mit Tötungsvorsatz geführt wurde, ergibt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht, ebenso wenig, dass die Täter nach dem überraschenden ersten Angriff unmittelbar zur Tötung überge-gangen sind. Die Geschädigte setzte sich, nachdem sie in den Schwitzkasten
fixiert wurde. Die Angeklagten und D.

verlangten dann von der Geschädigten
die Herausgabe des Geldes und die Preisgabe des [X.] ihres Geldbeutels und ihrer sonstigen Wertgegenstände. Der Angeklagte Le.

nahm ein Brillenetui der Geschädigten aus Stoff in beide Hände und
verdrehte es im Sinne einer gegen das Opfer gerichteten Drohung. Erst als dies ohne Er-9
10
11
-
7
-
folg blieb, schlugen und traten die Angeklagten und D.

wieder auf die Kopf-

und Brustregion der Frau ein, so dass diese erhebliche weitere Verletzungen erlitt. Möglicherweise brachten die Angeklagten somit erst ab diesem Zeitpunkt dem Opfer die schweren Verletzungen mit bedingtem Tötungsvorsatz bei, wo-von zu ihren Gunsten auszugehen ist.
3.
Während die Schuldsprüche und die Strafaussprüche durch das [X.] von zwei [X.] nicht berührt werden, kann der [X.] trotz ge-wichtiger Gründe für die Annahme der besonderen Schwere der Schuld letztlich nicht sicher ausschließen, dass sich die vorgenannten Rechtsfehler bei der ent-sprechenden Abwägung zu Lasten der Angeklagten ausgewirkt haben.
Zwar hat das [X.] das Vorliegen von vier [X.] nicht die auch dazu geführt haben, dass die Kammer das Vorliegen mehrerer Mord-merkmale [X.] Umständen möglicherweise fehlerhaft Gewicht beigemessen hat, zumal auch bei der Schuldschwerebeurteilung das Doppelverwertungsverbot des §
46 Abs.
3 StGB Beachtung verlangt.
4.
Hinsichtlich des Angeklagten Le.

hat auch der Strafausspruch
keinen Bestand. Das [X.] hat eine mögliche Strafmilderung nach §
46b StGB nicht erwogen, obwohl nach den Urteilsfeststellungen dazu Anlass [X.]. Der Angeklagte hatte bei zwei polizeilichen Vernehmungen im Ermitt-lungsverfahren den Angeklagten Z.

und den gesondert verfolgten D.

als Tatbeteiligte benannt; eine Überführung des Angeklagten Z.

wäre oh-
ne diese Angaben nach der Einschätzung des Tatrichters möglicherweise er-heblich erschwert gewesen. Dennoch hat das [X.] dem Angeklagten Le.

diesen Umstand lediglich im Rahmen der Entscheidung über die be-
12
13
14
-
8
-
sondere Schwere der Schuld zu [X.] gehalten. Der [X.] kann nicht sicher ausschließen, dass das [X.] bei einer Ermessensausübung gemäß den Kriterien des §
46b Abs.
2 StGB von der Verhängung einer lebenslangen Frei-heitsstrafe abgesehen hätte.
5.
Zudem hat es das [X.] entgegen §
51 Abs.
4 Satz
2 StGB [X.], für die von dem Angeklagten Z.

in dieser Sache in [X.]
erlittene Auslieferungshaft den Anrechnungsmaßstab zu bestimmen, der vom erkennenden Gericht festzusetzen ist. Da hier nur ein solcher von 1:1 in [X.] kommt, setzt der [X.] diesen in entsprechender Anwendung von §
354 Abs.
1 [X.] selbst fest (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28.
März 2017

4
StR 82/17; vom 20.
Oktober 2016

3
StR
245/16; vom 19.
Mai 2016

2
StR 159/16; vom 7.
Januar 2014

3
StR
425/13).
Franke
Roggenbuck
Bender
Quentin
Ri[X.] Dr. [X.] ist wegen Urlaubs an
der Unterschrift gehindert.
Roggenbuck

15

Meta

4 StR 327/17

07.11.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2017, Az. 4 StR 327/17 (REWIS RS 2017, 2876)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2876

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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