15. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 166
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I. Das Rechtsmittel der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts vom 14.12.2022 wird als unzulässig verworfen.
II. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens trägt die Klägerin.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Das Rechtsmittel der Klägerin gegen die landgerichtliche Schutzanordnung, mit der die zugelassenen Wissensträger für die als geheimhaltungsbedürftig angesehenen Informationen auf Seiten der Klägerin auf einen bestimmten Personenkreis begrenzt worden sind, hat keinen Erfolg.
I.
Durch Beschluss vom 10.10.2022 hat das Landgericht auf Antrag der Streithelferin bestimmte Informationen als geheimhaltungsbedürftig eingestuft, deren vertrauliche Behandlung angeordnet und den Zugang der Parteien zu diesen Inhalten sowie zur mündlichen Verhandlung und zu der Aufzeichnung oder dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vorläufig auf bestimmte zuverlässige Personen beschränkt. Auf Antrag der Klägerin vom 11. und 17.11.2022 hat das Landgericht durch Beschluss vom 14.12.2022 die ursprüngliche Anordnung dahingehend abgeändert, dass auf Seiten der Klägerin anstelle von Herrn D Herrn E und zusätzlich Herrn Prof. Dr. F Zugang zu den Informationen gewährt wird. Den darüber hinausgehenden Antrag der Klägerin, weiteren Personen den Zugang zu den geheimhaltungsbedürftigen Informationen zu gestatten, hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Klägerin.
II.
Das von der Klägerin eingelegte Rechtsmittel ist als unzulässig zu verwerfen.
Die Anfechtbarkeit von Beschlüssen nach § 16 Abs. 1 GeschGehG und § 19 Abs. 1 GeschGehG ist in § 20 Abs. 5 S. 4 und 5 GeschGehG geregelt. Nach § 20 Abs. 5 S. 4 GeschGehG können die Einstufung von Informationen als geheimhaltungsbedürftig nach § 16 Abs. 1 GeschGehG und die Anordnung der Beschränkung des Zugangs zu Dokumenten, zur Verhandlung oder zu der Aufzeichnung oder dem Protokoll der Verhandlung nach § 19 Abs. 1 GeschGehG nur gemeinsam mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache angefochten werden. Gemäß § 20 Abs. 5 S. 5 GeschGehG findet (nur) im Übrigen die sofortige Beschwerde statt.
Hiernach ist die sofortige Beschwerde im vorliegenden Fall unstatthaft, weil ein Rechtsmittel in der Hauptsache (noch) nicht eingelegt worden ist.
Ist der Schutz des Geheimnisses gewährleistet, soll die Beeinträchtigung der von der Geheimnisschutzanordnung betroffenen Prozesspartei nach dem Willen des Gesetzgebers hingenommen werden. Nur wenn das erstinstanzliche Gericht Maßnahmen nach § 16 GeschGehG ablehnt, gerät das Geschäftsgeheimnis in Gefahr und die ablehnende Entscheidung soll zunächst durch sofortige Beschwerde überprüft werden können (RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der RL (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, BT-Drs. 19/4724, S. 38). Die gespaltene Anfechtbarkeit dient damit einem an Sinn und Zweck der materiellen Regelungen orientierten Rechtsweg.
Auch wenn die Gesetzesbegründung dabei lediglich auf die Beeinträchtigung des Beklagten abstellt und die Beeinträchtigung weiterer Beteiligter nicht erwähnt, ist ihr zu entnehmen, dass die Überprüfung eines stattgebenden Beschlusses bis zu einer Entscheidung über das Rechtsmittel in der Hauptsache aufgeschoben werden soll. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass mit einem stattgebenden Beschluss das Geschäftsgeheimnis zunächst gesichert ist und die Beeinträchtigung der anderen Partei und der sonstigen Beteiligten nicht so schwer wiegt, dass eine Anfechtung bis zu einer Entscheidung über das Rechtsmittel in der Hauptsache nicht zurückgestellt werden könnte. Andernfalls müsste eine weitere Instanz sich bereits vor Entscheidung in der Hauptsache in die Prozessakten einarbeiten, was mit einem erheblichen Aufwand und einer damit einhergehenden Verzögerung des Rechtsstreits verbunden sein kann (vgl. BT-Drs. 19/4724, S. 50; BGH, GRUR 2022, 591 – Geschäftsgeheimnis bei Hohlfasermembranspinnanlagen).
Die über § 145a PatG angeordnete (nur) entsprechende Anwendung der §§ 16 bis 20 GeschGehG gibt keine Veranlassung, entgegen deren Wortlaut eine (isolierte) Beschwerdemöglichkeit gegen den Geheimnisschutzmaßnahmen anordnenden Beschluss zuzulassen. Dem steht die vom Gesetzgeber mit den Vorschriften der §§ 16 bis 20 GeschGehG vorgenommene Gewichtung und Abwägung der verschiedenen betroffenen Interessen entgegen.
Mit der Zulassung einer selbstständigen Anfechtung der Anordnung einer Geheimnisschutzmaßnahme nach den §§ 16, 19 GeschGehG durch die Beschwerdeinstanz würde unzulässigerweise in die Sachentscheidungskompetenz des Prozessgerichts eingegriffen. Der Ausschluss einer selbstständigen Anfechtung der Anordnungen nach den §§ 16, 19 GeschGehG hat grundsätzlich keine Verkürzung der Rechte der Parteien zur Folge, weil eine effektive Überprüfung mit dem gegen die Endentscheidung eingelegten Rechtsmittel möglich bleibt.
Auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Endentscheidung dürfte die Klägerin zwar dann nicht verwiesen werden können, wenn bereits die Zwischenentscheidung für sie einen bleibenden rechtlichen Nachteil zur Folge hätte, der sich im weiteren Verfahren nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr vollständig beheben ließe (vgl. zur selbständigen Anfechtbarkeit einer Beweisanordnung: BGH, GRUR 2009, 519 – Hohlfasermembranspinnanlage). Davon kann im Streitfall jedoch nicht ausgegangen werden. Sollte der Klägerin aufgrund der beschränkenden Anordnungen nach § 19 GeschGehG ein vollständiger Vortrag in erster Instanz nicht möglich sein und das Landgericht aus diesem Grund zu ihrem Nachteil entscheiden, so könnten nach Einlegung des Rechtsmittels der Berufung die Anordnungen nach den §§ 16, 19 GeschGehG zur Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gestellt und sodann ggf. erforderlicher Vortrag nachgeholt werden. Dadurch sind die rechtlichen Interessen der Klägerin, insbesondere ihr Anspruch auf die Gewährung rechtlichen Gehörs, hinreichend gewahrt. Die Annahme einer selbstständig anfechtbaren Zwischenentscheidung über die Anordnungen nach den §§ 16, 19 GeschGehG kommt dagegen nicht in Betracht, weil eine solche – was Voraussetzung der Statthaftigkeit wäre – im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist.
Eine Verletzung des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs oder des Art. 47 GRCh folgt daraus nicht. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Grundrechten, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG, folgende allgemeine Justizgewährungsanspruch garantiert das Offenstehen des Rechtswegs, also die Öffnung des Zugangs zum Gericht. Insofern reicht es grundsätzlich aus, dass die Rechtsordnung eine einmalige Möglichkeit zur Einholung einer gerichtlichen Entscheidung eröffnet. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden können. Ein Instanzenzug ist von Verfassungs wegen nicht garantiert (BVerfG, NJW 2003, 1924). Der im Falle einer Verletzung des rechtlichen Gehörs zu gewährleistende Zugang zu einer richterlichen Überprüfung der Anordnung von Geheimhaltungsmaßnahmen nach § 16 GeschGehG und weiteren Beschränkungen nach § 19 GeschGehG ist durch die gem. § 20 Abs. 2 S. 2 GeschGehG dem Gericht der Hauptsache eingeräumte Möglichkeit eröffnet, Beschlüsse nach § 16 GeschGehG und § 19 GeschGehG jederzeit auch ohne entsprechenden Antrag aufzuheben oder abzuändern (BGH, GRUR 2022, 591 – Geschäftsgeheimnis bei Hohlfasermembranspinnanlagen). Art. 47 Abs. 1 GRCh gewährt ebenfalls das Recht auf Zugang zu einem Gericht, nicht aber auf mehrere Gerichtsinstanzen (vgl. EuGH, DVBl 2014, 1457 = BeckRS 2014, 81292 Rn. 36 – Sánchez Morcillo und Abril García; EuGH, NZA 2015, 567 Rn. 73 – Oberto und O’Leary).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht. Soweit die entscheidungserheblichen Rechtsfragen nicht schon durch den Bundesgerichtshof geklärt sind, wirft der Streitfall keine Probleme auf, die eine Befassung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, zur Fortbildung des Rechts oder wegen grundsätzlicher Bedeutung erforderlich machen würde (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Düsseldorf, 23.01.202315. Zivilsenat
A Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht |
B Richter am Oberlandesgericht |
C Richterin am Oberlandesgericht |
Meta
23.01.2023
Oberlandesgericht Düsseldorf 15. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: W
Vorgehend: Landgericht Düsseldorf, 4c O 19/22
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 23.01.2023, Az. 15 W 1/23 (REWIS RS 2023, 166)
Papierfundstellen: REWIS RS 2023, 166
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
I ZB 86/20 (Bundesgerichtshof)
Schutz von Geschäftsgeheimnissen: Anfechtbarkeit der Anordnung von Geheimhaltungsmaßnahmen; Rechtsmittelbefugnis von durch die Anordnung beschwerten Prozessbevollmächtigten …
2 U 102/22 (Oberlandesgericht Düsseldorf)
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