Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2016, Az. XI ZR 208/15

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 14534

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:150316BXIZR208.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 208/15

vom

15.
März 2016

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.]
Ellenberger,
die
Richter
Dr.
[X.] und [X.] sowie die Richterinnen Dr.
Menges und Dr.
Derstadt

am 15.
März 2016

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird der Be-schluss des 7.
Zivilsenats des [X.] vom 14.
April 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin unter dem Gesichts-punkt einer unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen ne-gativen Marktwert zurückgewiesen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an den 19.
Zivilsenat
des [X.] zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 199.362,71

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3
-
Gründe:
I.
Die Klägerin, ein mittelständisches Unternehmen aus dem Bereich der Schokoladenherstellung, nimmt die Beklagte wegen angeblich fehlerhafter Be-ratung im Zusammenhang mit dem Abschluss eines [X.] in [X.].
Die [X.]en stehen in langjährigen Geschäftsverbindungen. Im Januar 2001 schlossen sie eine Rahmenvereinbarung für [X.]. Im Juni 2001 und im Februar 2007 vereinbarten sie jeweils nach Beratung durch Mitarbeiter der Beklagten ein Zinsswap-
und ein CMS-Swap-Geschäft, die [X.] für die Klägerin gewinnbringend verliefen. Außerdem schloss die Klägerin mit der Beklagten im Februar 2007 zur Absicherung eines variabel verzinslichen Darlehens einen sogenannten [X.] ab.
Nach Beratungsgesprächen im Februar und Juni 2007 schlossen die [X.]en am 4.
Juli 2007 den streitgegenständlichen Cross-Currency-[X.] Nr.

2 mit einer Laufzeit bis zum 30.
Juni 2014. Die Beklagte [X.] sich zur
Zahlung von Zinsen in Höhe des 6-Monats-GBP-LIBOR auf einen Betrag von 500.000
GBP. Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung von Zinsen in Höhe des 6-Monats-CZK-PRIBOR zuzüglich 0,25% p.a. bezogen auf einen Betrag von 21.325.000
CZK. Die [X.]en verpflichteten sich, einander zum Laufzeitende den jeweiligen Bezugsbetrag zu zahlen.
In der Folgezeit entwickelte sich das Swap-Geschäft für die Klägerin nachteilig. Bereits ab der ersten Halbjahresrechnung zum 30.
Juni 2008 war der Saldo der ausgetauschten
Zinszahlungen für die Klägerin negativ; insgesamt betrugen die von ihr an die Beklagte gezahlten [X.] 41.889,08

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über hinaus wurde dem Geschäftsführer der Klägerin bereits Ende 2007 mitge-teilt, dass der [X.] einen negativen Marktwert von ca. 100.000

f-weise, der sich in der Folgezeit unter Schwankungen weiter erhöhte und zum Ende der Laufzeit am 30.
Juni 2014 einen Betrag von 157.473,63

Mit ihrer am 20.
März 2013 eingereichten Klage begehrt die Klägerin die Erstattung der von ihr gezahlten [X.] von 41.889,08

Feststellung, dass der Beklagten weder aus dem [X.] noch aus dem [X.] Ansprüche zustünden, und die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungs-gericht nach Erteilung eines Hinweises durch einstimmigen Beschluss [X.]. Dies hat es im Wesentlichen

soweit hier noch von Interesse

wie folgt begründet:
Der Klägerin stehe der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Eine Bank sei zur Aufklärung
über den anfänglichen negativen Marktwert grundsätzlich nicht verpflichtet, sofern die Werthaltigkeit des Swaps nicht nach-haltig durch übermäßige Kosten-
und Gewinnbestandteile beeinträchtigt werde. Über die Gewinnmarge müsse die Bank nicht aufklären. Aufgrund dessen hätte es der Klägerin oblegen, substantiiert vorzutragen, wie hoch bei dem streitge-genständlichen Swap der anfängliche Marktwert gewesen sei und inwieweit dieser über [X.] von 3% bis 5% gelegen habe. Einen solchen substantiierten
Vortrag habe die Klägerin nicht gehalten. Aufgrund dessen kön-ne es dahinstehen, ob sich die Beklagte insoweit auf Verjährung berufen könne, wobei ihr der Nachweis dafür obliege, dass ihre Berater bei einer Falschbera-tung nicht vorsätzlich gehandelt hätten.
Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin.
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II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO i.V.m. §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 Fall
2 ZPO zur Aufhebung des an-gegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, soweit das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert zurückgewiesen hat. Insoweit verletzt der angegriffene
Beschluss den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11.
Mai 2004
XI
ZB
39/03, [X.]Z
159, 135, 139
f. und vom 20.
Oktober 2015
XI
ZR
532/14, [X.]
2015, 2279 Rn.
9). Dabei hat der Senat von der gerade
auch im Anwendungsbereich des §
544 Abs.
7 ZPO bestehenden Möglichkeit des §
563 Abs.
1 Satz
2 ZPO Gebrauch gemacht (Senatsbeschluss vom 20.
Oktober
2015
XI
ZR
532/14, aaO).
1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegan-gen, zwischen der Klägerin und der Beklagten sei im Zusammenhang mit dem Abschluss des [X.]s ein Beratungsvertrag zustande gekommen.
2. Aufgrund dessen war die Beklagte verpflichtet, die Klägerin über den anfänglichen negativen Marktwert des Swaps aufzuklären. Entgegen der Auf-fassung des [X.] ist die beratende Bank im

wie hier

Zwei-Personen-Verhältnis grundsätzlich bei allen [X.], denen kein kon-nexes Grundgeschäft zugeordnet ist, verpflichtet, unter dem Gesichtspunkt ei-nes schwerwiegenden Interessenkonflikts über die Einpreisung eines anfängli-chen negativen Marktwerts und dessen Höhe aufzuklären (vgl. Senatsurteil vom 28.
April 2015

XI
ZR
378/13, [X.], 117 Rn.
39
ff. [X.]). Dies gilt

anders als das Berufungsgericht meint

auch dann, wenn sich der anfängliche negative Marktwert in marktüblicher Höhe bewegt.
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3. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) verletzt, weil es die Anforderungen an die Substan-tiierung des klägerischen Vortrags zu einer unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert überdehnt hat.
a) Art.
103 Abs.
1 GG verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der [X.] zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Dabei darf das Gericht die Anforderungen an die Substantiierung des [X.] nicht überspannen. Da die Handhabung der Substantiierungsanforderun-gen dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung von Präklusi-onsvorschriften, verstößt sie
gegen Art.
103 Abs.
1 GG, wenn sie offenkundig unrichtig ist ([X.], Beschlüsse vom 12.
Juni 2008
V
ZR
221/07, [X.]
2008, 2068 Rn.
5 und vom 11.
September 2013
IV
ZR
259/12, NJW
2014, 149 Rn.
15; vgl. auch [X.], NJW 2001, 1565).
b) Nach diesen Maßgaben ist Art.
103 Abs.
1 GG verletzt.
aa) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die [X.] Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der [X.] entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind ([X.], Beschlüsse vom 25.
Oktober
2011
VIII
ZR
125/11, NJW
2012, 382 Rn.
14 und vom 28.
Februar
2012
VIII
ZR
124/11, WuM
2012, 311 Rn.
6; Senatsbeschluss vom 20.
Oktober 2015

XI
ZR 532/14, [X.], 2279 Rn.
14 [X.]). Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, auf-grund des tatsächlichen Vorbringens der [X.] zu entscheiden, ob die gesetzli-chen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorlie-11
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gen ([X.], Beschlüsse vom 25.
Oktober
2011, aaO, und vom 28.
Februar 2012, aaO).
bb) Daran gemessen hat das Berufungsgericht die Anforderungen an das Vorbringen der Klägerin offenkundig überspannt.
Es ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass der-jenige, der eine Aufklärungs-
oder Beratungspflichtverletzung behauptet, dafür die Darlegungs-
und Beweislast trägt (vgl. Senatsurteil vom 24.
Januar 2006

XI
ZR
320/04, [X.]Z
166, 56 Rn.
15 [X.]), so dass es den Sachvortrag der Klägerin auf seine Schlüssigkeit hin untersucht hat. Es hat aber unter Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte der Klägerin verkannt, dass schlüssiger Vortrag zu einem Beratungsfehler unter dem Aspekt einer unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert eines [X.]es nur voraus-setzt, dass diese

wie geschehen

die Einpreisung eines anfänglichen negati-ven Marktwerts und das Verschweigen dieser Tatsache vorträgt, weil damit im Sinne der oben zitierten Grundsätze die objektiven Voraussetzungen einer Pflichtverletzung der Beklagten dargetan sind (Senatsbeschluss vom 20.
Okto-ber 2015

XI
ZR
532/14, [X.], 2279 Rn.
16).
Den Umfang des anfänglichen negativen Marktwerts muss die Klägerin dagegen nicht
auch nicht im Sinne der Angabe einer Größenordnung
bezif-fern. Denn die beratungsvertragliche Verpflichtung der [X.] (auch) der Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts eines mit ihr [X.] [X.]es beruht gerade auf dem Umstand, dass der Kunde das Einstrukturieren der Bruttomarge in die Risikostruktur des [X.]es nicht erkennen kann (vgl. Senatsurteil vom 28.
April 2015
XI
ZR
378/13, [X.], 117 Rn.
38
ff.; Senatsbeschluss vom 20.
Oktober 2015

XI
ZR 532/14, [X.] 15
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2015, 2279 Rn.
17), so dass ihm auch im Prozess näherer Vortrag zur Höhe nicht abverlangt werden kann.
Indem das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin als unzureichend substantiiert behandelt hat, hat es diese Grundsätze unter Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG grundlegend verkannt. Richtig hätte es dem Vortrag der Klägerin zu einer unzureichenden Aufklärung der Beklagten über den anfängli-chen negativen Marktwert nachgehen müssen.
4. Das Berufungsurteil beruht auf der Gehörsverletzung. Diese Voraus-setzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders ent-schieden hätte (vgl. [X.]E
7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 65, 305, 308; 89, 381, 392
f.). Dies ist der Fall, weil das Berufungsgericht seiner Ent-scheidung keinen weiteren selbständig tragenden Gesichtspunkt zugrunde ge-legt hat, der eine Haftung der Beklagten wegen einer Beratungspflichtverlet-zung ausschlösse.
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III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf das Senatsurteil vom 28.
April 2015 (XI
ZR
378/13, [X.], 117 Rn.
73, 79
ff.) hin.

Ellenberger

[X.]

[X.]

Menges

Derstadt

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.06.2014 -
3 [X.]/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 14.04.2015 -
7 U 2773/14 -

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Meta

XI ZR 208/15

15.03.2016

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2016, Az. XI ZR 208/15 (REWIS RS 2016, 14534)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14534

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7 U 2773/14

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