Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.08.2021, Az. 5 StR 217/21

5. Strafsenat | REWIS RS 2021, 3210

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Gegenstand

Strafverfahren: Verwertbarkeit privater rechtswidriger Videoaufnahmen


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. Februar 2021 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Nötigung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von [X.] und mit unerlaubtem Besitz der dazugehörigen [X.] zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

2

1. Das Schwurgericht hat sich von der Täterschaft des diese bestreitenden Angeklagten unter anderem maßgeblich aufgrund von übereinstimmenden DNA-Spuren überzeugt, die an einem beim Angeklagten gefundenen Magazin und an einer am Tatort gefundenen Patrone festgestellt wurden (eine Einzelspur, eine Mischspur). Die Darstellung der Ergebnisse der molekulargenetischen Gutachten entspricht nicht den Anforderungen, die der [X.] in ständiger Rechtsprechung daran stellt. Danach muss bei [X.] jedenfalls das Gutachtenergebnis in Form einer numerischen biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage mitgeteilt werden, bei Mischspuren hingegen grundsätzlich, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer anderen Person zu erwarten ist (vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 28. August 2018 - 5 StR 50/17, [X.]St 63, 187; vom 3. November 2020 - 4 StR 408/20; vom 15. Dezember 2020 - 6 StR 438/20; Urteil vom 29. April 2021 - 4 StR 46/21, jeweils mwN). Daran fehlt es jeweils.

3

Auch wenn den diesbezüglichen Ausführungen gleichwohl nicht jede Bedeutung abzusprechen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Juli 2021 - 6 StR 292/21 mwN), kann der Senat - dem [X.] folgend - nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht (vgl. § 337 Abs. 1 StPO). Denn das [X.] hat im Rahmen seiner Beweiswürdigung ausdrücklich darauf abgestellt, dass das gefundene Magazin „jenseits vernünftiger Zweifel“ bei der Tat benutzt worden sei, „woran die Kammer angesichts des [X.] keinen Zweifel“ habe. Der Umstand, dass es sich bei dem gefundenen Magazin um das „zweifelsfrei benutzte [X.]“ handelt, wird zudem noch einmal bei der Gesamtwürdigung hervorgehoben.

4

2. Da nicht ausgeschlossen ist, dass auf der Grundlage der neu zu treffenden Feststellungen ein in die Zuständigkeit des Schwurgerichts fallendes Delikt (vgl. § 74 Abs. 2 GVG) zu prüfen sein wird, verweist der Senat die Sache an eine andere Schwurgerichtskammer zurück.

5

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass entgegen der Auffassung der Revision keine Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Videoaufnahmen von der Tatbegehung bestehen. Selbst wenn diese unter Verstoß gegen die Vorgaben der [X.] erlangt worden sind, weil der Inhaber eines Ladengeschäfts mit seiner davor angebrachten Videokamera über 50 Meter ins öffentliche Straßenland [X.] hat, würde dies nicht zur Unverwertbarkeit des so erlangten Beweismittels führen. Denn auch rechtswidrig von Privaten erlangte Beweismittel sind grundsätzlich im Strafverfahren verwertbar (vgl. [X.], Beschluss vom 9. November 2010 - 2 BvR 2101/09, NJW 2011, 2417; [X.], Urteile vom 22. Februar 1978 - 2 StR 334/77, [X.]St 27, 355, 357; vom 9. April 1986 - 3 [X.], [X.]St 34, 39, 52; zu Videoaufnahmen auch [X.], Beschluss vom 18. August 2020 - 5 [X.]/20 mwN). Durch das Inkrafttreten der [X.] hat sich daran nichts geändert.

Cirener     

        

Berger     

        

[X.]

        

Köhler     

        

von Häfen     

   

Meta

5 StR 217/21

18.08.2021

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 16. Februar 2021, Az: 521 Ks 8/20

§ 261 StPO, Art 6 Abs 1 Buchst f EUV 2016/679

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.08.2021, Az. 5 StR 217/21 (REWIS RS 2021, 3210)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 3210

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