Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2017, Az. 3 StR 392/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 2981

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:031117B3STR392.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 392/17
vom
3. November 2017
in der Strafsache
gegen

wegen Mordes
u.a.

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2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag
-
am 3.
November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 5.
Mai 2017 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das [X.]
a)
die
Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsver-wahrung angeordnet und
b)
von der Unterbringung des Angeklagten in einer Ent-ziehungsanstalt abgesehen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückver-wiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes, wegen Freiheits-beraubung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung [X.]
-
3
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len Rechts
rügt, hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen ist der [X.] seit seinem 21. Lebensjahr opiatabhängig. Ab Januar
2016 nahm er an ei-nem Substitutionsprogramm teil, konsumierte jedoch neben dem ihm zugeteil-ten Methadon häufig zusätzlich Methaddict oder Methadon, das er sich auf ille-gale Weise besorgte. Ende Juli 2016 hinderte der Angeklagte nach dem Kon-sum von Methadon und Alkohol die Zeugin [X.]

daran, das Schlafzimmer sei-ner Wohnung zu verlassen und fügte ihr durch die Anwendung von Gewalt Schmerzen im Kieferbereich sowie Hämatome zu. Außerdem veranlasste er den später getöteten

K.

durch die Drohung, ihn ansonsten zu er-stechen, den Bereich der Wohnung zu verlassen. Der Angeklagte verdächtigte den

K.

grundlos, dieser habe eine sexuelle Beziehung mit der Zeugin [X.]

, und wollte ihn daher bestrafen und töten. Deshalb stürzte er sich zwei Tage nach dem ersten Vorfall -
erneut unter Methadon-
und Alkoholeinfluss stehend -
auf den völlig überraschten

K.

in dessen Wohnung und fügte ihm mit einem Küchenmesser zwei Stiche zu, an deren Folgen das Opfer verstarb. Anschließend bedrohte er die aus der Wohnung in den Garten ge-flüchtete Zeugin [X.]

mit den Worten: "[X.], wo bist du? Ich bring dich um!"
1. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiellrechtliche Prü-fung hat zum Schuld-
und Strafausspruch keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben. Das [X.] hat aus den vom [X.] zutreffend dargelegten Gründen entgegen den diesbezüglichen Angriffen der Revision insbesondere die Mordmerkmale der Heimtücke sowie der sonstigen niedrigen Beweggründe rechtsfehlerfrei bejaht.

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2. Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entzie-hungsanstalt kann jedoch nicht bestehen bleiben. Die -
sachverständig berate-ne -
[X.] hat die nach § 64 Satz 2 StGB erforderliche Erfolgsaussicht der Maßregel verneint und in diesem Zusammenhang unter anderem [X.], der Angeklagte sei durch die langen Vollzugszeiten an die [X.] gewöhnt und könne sie auch ohne therapeutisches Angebot gut überstehen; es bestehe keine hinreichend konkrete Aussicht, ihn durch die Behandlung in [X.] "zumal innerhalb von zwei Jahren" zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor einem Rückfall zu bewahren.
Diese Begründung trägt die Ablehnung der Unterbringung nach § 64 StGB nicht.
Die [X.] hat bereits nicht bedacht, dass es für die Anordnung der Maßregel nach §
64 Satz
2 StGB in seiner seit dem 1.
August 2016 gelten-den Fassung ausreicht, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, dass der Behandlungserfolg "innerhalb der Frist nach §
67d Abs.
1 Satz
1 oder 3" StGB zu erreichen ist. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist mithin, wenn -
wie hier
-
daneben eine Freiheitsstrafe verhängt wird, nicht mehr von vornherein auf zwei Jahre beschränkt; die Höchstfrist der Unterbringung ver-längert sich in diesen Fällen vielmehr nach Maßgabe des §
67d Abs.
1 Satz
3 StGB um die Dauer des nach §
67 Abs.
4 StGB anrechenbaren Teils der Frei-heitsstrafe. Durch den Verweis auf §
67d Abs.
1 Satz
3 StGB sollte ausdrück-lich klargestellt werden, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch dann angeordnet werden kann, wenn ausnahmsweise eine notwendige Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren zu prognostizieren ist (BT-Drucks. 18/7244, S.
1, 2, 24
f.).

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5
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Im Übrigen setzen Anordnung und Vollzug der Unterbringung des Ange-klagten in einer Entziehungsanstalt die konkrete Aussicht voraus, die süchtige Person zu heilen oder über eine erhebliche Zeitspanne vor einem Rückfall in den [X.] zu bewahren. Erforderlich ist die Prognose, dass
bei erfolgreichem Verlauf die Gefährlichkeit aufgehoben oder deutlich herabgesetzt sein wird und dass sich in Persönlichkeit und Lebensumständen des [X.] konkrete Anhaltspunkte finden, die einen solchen Verlauf erwarten lassen. Nach diesem Maßstab erschließt es sich nicht, welche Bedeutung dem [X.] zukommen soll, dass der Angeklagte aufgrund seiner Gewöhnung an die [X.] in der Lage sein soll, eine erneute Inhaftierung "gut zu über-stehen".
3. Da die Entscheidung des [X.]s zu der Unterbringung des [X.] in einer Entziehungsanstalt durchgreifende Rechtsmängel aufweist, kann die Anordnung der -
hier auf § 66 Abs. 3 StGB gestützten -
Sicherungs-verwahrung ebenfalls nicht bestehen bleiben; denn erweist sich die Ablehnung einer [X.] nach §
64 StGB als rechtsfehlerhaft, so ist damit zu-gleich der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung die Grundlage entzogen (§
72 Abs. 1 StGB; vgl. [X.], Beschluss vom 20.
Dezember 2011 -
3 [X.], [X.], 106, 107).
Der Senat weist in diesem Zusammenhang ergänzend darauf hin, dass die bisherigen Urteilsgründe auch insoweit bedenklich erscheinen, als ihnen die bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 66 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB vorzunehmende Unterscheidung
zwischen dem Hang des [X.] zu [X.] Straftaten und dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit nur schwer zu entnehmen ist. Substantiierter Ausführungen insbesondere zu dem Hang des Angeklagten hätte es vor allem mit Blick auf dessen strafrechtliche Vorbe-7
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lastung bedurft, welche als einzige die formalen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB erfüllt. Dabei handelt es sich um einen im Juni 2007 [X.], den das damalige Tatgericht als minder schweren Fall bewertet und für den es
eine Freiheitsstrafe von drei Jahren verhängt hat. Neben dem -
ungeachtet der vom [X.] zutreffend beurteilten Frage der Verjährung gemäß § 66 Abs. 4 Satz 3 und 4 StGB -
nicht unerheblichen Zeitab-lauf und dem Umstand, dass die Höhe der Vorstrafe das
Mindestmaß darstellt, bei dem die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 StGB in Betracht kommt, wäre dabei etwa auch zu erwägen gewesen, dass sich die damalige und die hiesige die Anordnung der Sicherungsverwahrung tragende Tat gegen unterschiedliche Rechtsgüter richten.
4. Somit muss die Frage der [X.] nach §
64 und § 66 StGB insgesamt -
wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§
246a StPO)
-
neu verhandelt und entschieden werden. Das neue Tatgericht

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wird dabei gegebenenfalls auch zu beachten haben, dass Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßnahme zur kumulativen Anordnung von [X.] führen ([X.], Beschluss vom 19.
Mai 2009 -
3 [X.], [X.], 83, 84).
Becker

Schäfer Spaniol

Berg Hoch

Meta

3 StR 392/17

03.11.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2017, Az. 3 StR 392/17 (REWIS RS 2017, 2981)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2981

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3 StR 392/17

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