Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.03.2014, Az. X ZB 12/13

X. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7045

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X [X.]
vom

18. März 2014

in dem Vergabenachprüfungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Bioabfallvergärungsanlage
GKG § 50 Abs. 2; VgV § 3 Abs. 1 Abs. 4 Nr. 2
Soll eine Dienstleistung nach den Vergabeunterlagen über einen festgelegten Zeitraum hinweg erbracht und der Vergabestelle darüber hinaus ein einseitiges Optionsrecht zur Verlängerung der Laufzeit des Vertrages eingeräumt werden, beträgt der Streitwert für das Nachprüfungsbeschwerdeverfahren 5
% der
auf die fest vorgesehene Laufzeit entfallenden, gegebenenfalls zu schätzenden [X.] und 5
% der im optional möglichen Zeitraum anfallenden Vergütung abzüglich eines der Ungewissheit der Vertragsverlängerung Rech-nung tragenden Abschlags von regelmäßig 50
%.
[X.], Beschluss vom 18. März 2014 -
X [X.] -
[X.]

Vergabekammer Südbayern

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat am 18.
März 2014
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Meier-Beck,
die Richter [X.], Dr.
Bacher
und Dr.
Deichfuß sowie die Richterin Dr.
Kober-Dehm

beschlossen:

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 900.000

Gründe:
I.
Die Divergenzvorlage betrifft die Streitwertfestsetzung in einem Nachprüfungsverfahren nach dem [X.], dem die Ausschreibung des Betriebs einer Bioabfall-vergärungsanlage zugrunde liegt. Darüber sollte ein
Vertrag geschlossen wer-den, der eine feste
Laufzeit von [X.]n haben sollte und für die
[X.] die Option einräumte, das Vertragsverhältnis bis zu zweimal für je [X.] zu verlängern. Für die ausgeschriebene Leistung konnten die Bewerber keine Gesamtpreise angeben, weil die endgültige Höhe der Vergütung von der nach Betriebsaufnahme anfallenden Menge von Bioabfall und deren Verwer-tung abhing. Die Auftragssummen in den Angeboten der Bieter beruhten inso-fern auf Schätzungen. Auf Basis des Angebotspreises
der Antragstellerin, die in beiden Instanzen des Nachprüfungsverfahrens obsiegt hat, beträgt der nach 1
-
3
-
§
50 Abs. 2 GKG errechnete
Streitwert bei der maximal möglichen Gesamtlauf-zeit von 15
Jahren 1.282.902,45

Nach Ansicht der Antragstellerin ist der Streitwert für das Beschwerdeverfahren in dieser Höhe festzusetzen. Der vorle-gende [X.] möchte ihn dagegen

in Übereinstimmung mit der An-tragsgegnerin und der Beigeladenen
-
auf den 48-fachen Monatswert (342.107,32

Daran sieht er sich durch die Rechtsprechung des [X.] gehindert und hat die Sache deshalb dem [X.] nach §
124 Abs.
2 [X.] vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist zulässig.
Nach §
124 Abs.
2 [X.] legt ein [X.] die Sache dem [X.] vor, wenn es von einer Entscheidung eines anderen Oberlan-desgerichts oder des [X.] abweichen will. Die Regelung erfasst nicht nur im kontradiktorischen Nachprüfungsverfahren ergangene Entschei-dungen in der Hauptsache, sondern ist nach ihrem Sinn und Zweck, eine bun-deseinheitliche Rechtsprechung in Vergabesachen
zu gewährleisten, weit [X.]
([X.], Beschluss vom 23.
September 2008

X
ZB
19/07, [X.] 2009, 39 -
Geschäftsgebühr im Nachprüfungsverfahren). Wie der [X.] bereits entschieden hat, schließt dies Entscheidungen über vergabe-rechtsbezogene Gebührenfragen ein ([X.],
[X.] 2009, 39

Geschäfts-gebühr im Nachprüfungsverfahren;
Beschluss vom 29.
September 2009

X
ZB
1/09, [X.] 2010, 66

Gebührenanrechnung im Vergabeverfahren). Danach ist es angezeigt, auch Divergenzen bei der Beurteilung von Fragen der Streitwertfestsetzung in den Anwendungsbereich von § 124 Abs. 2 [X.] einzu-beziehen.
Die Voraussetzungen für eine Divergenzvorlage nach §
124
Abs.
2 [X.] sind auch im Übrigen erfüllt. Nach Ansicht des vorlegenden [X.]s 2
3
4
-
4
-
kann im Streitfall kein Gesamtpreis im Sinne von § 3 Abs. 4 VgV angegeben werden, weshalb es
den Streitwert für das Beschwerdeverfahren in Anlehnung an die Regelung in §
3 Abs.
4 Nr.
2 VgV auf den 48-fachen [X.] möchte. Nach der Rechtsprechung des [X.] be-steht bei langfristigen Dienstleistungsverträgen kein Raum für eine entspre-chende Anwendung von § 3 Abs. 4 VgV ([X.], Beschluss vom 13.
Februar 2012
2
Verg
14/11, bei juris).
Mit dieser Rechtsauffassung wäre die vom vorlegenden [X.] beabsichtigte Streitwertfestsetzung schon deshalb nicht vereinbar, weil der im Streitfall zur Vergabe anstehende Auftrag jedenfalls eine feste Laufzeit von mehr als 48 Monaten
haben soll.
III.
In der Sache kann der Auffassung des vorlegenden [X.]s nicht beigetreten werden.
Für eine entsprechende Anwendung von §
3 Abs. 4 Nr. 2 VgV ist im Streitfall kein Raum.
1.
Für die Wertbemessung ist bei Vertragsgestaltungen der [X.] zwischen der fest vorgesehenen Laufzeit des Vertrages und den [X.] möglichen Verlängerungen zu unterscheiden.
a)
In die [X.] fließt zunächst ein Betrag in Höhe von 5
% der auf die fest vorgesehene Laufzeit des Vertrages von [X.]n
entfal-lenden
Angebotssumme der Antragstellerin
ein, der sich im Streitfall auf

beläuft. Denn nach der für die [X.] einschlägigen Regelung in §
50 Abs.
2 GKG, von der auch der [X.] ausgeht, beträgt der Streitwert für das Beschwerdeverfahren 5
% der [X.]. Da der Auftrag zur Zeit des Nachprüfungsverfahrens typischerweise noch nicht er-teilt ist und dieser Betrag dementsprechend noch nicht feststeht, ist regelmäßig

so auch hier -
auf die Summe des Angebots abzustellen, das der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren eingereicht hat, weil er mit dem Nachprüfungsantrag 5
6
7
-
5
-
seine
Chance auf den Auftrag wahren will.
Von dieser Bemessungsgrundlage gehen die Beteiligten im Streitfall auch übereinstimmend aus. Ob es je nach Fall und Zielrichtung der im Nachprüfungsverfahren vorgebrachten Angriffe im Einzelfall auch einmal angezeigt sein kann, auf die Summe des Angebots eines anderen Beteiligten abzustellen, bedarf hier keiner Entscheidung.

b)
Der vorlegende [X.] erachtet die entsprechende Anwen-dung von §
3 Abs.
4 Nr.
2 VgV im Streitfall deswegen für angezeigt
und will eine Laufzeit von lediglich 48 Monaten deshalb zugrunde legen, weil die endgültig zu zahlende, von den anzuliefernden und zu [X.] abhän-gende Vergütung nicht feststehe
und damit kein Gesamtpreis im Sinne von § 3 Abs. 4 VgV gegeben sei. Der Umstand, dass es sich bei den Angebotssummen
um Schätzwerte handelt,
ändert jedoch nichts daran, dass es sich hierbei um die für das Vergabeverfahren maßgeblichen
Preise handelt. Die vorgesehene feste Laufzeit bei der Bemessung des Streitwerts nur deswegen zu kappen, weil der Preis nicht endgültig im Sinne eines Gesamtpreises feststeht, ist nicht sachgerecht, auch wenn §
3 Abs.
4 Nr.
2 VgV Entsprechendes für die Schät-zung der Auftragswerte vor Einleitung eines Vergabeverfahrens vorsieht.
Die für die Schätzung des [X.] in §
3 VgV genannten Parame-ter können nach der Rechtsprechung des [X.] zwar unter Um-ständen Anhaltspunkte für eine sachgerechte Bemessung des Streitwerts im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren liefern, soweit sie nach den jeweils gegebenen Verhältnissen für eine entsprechende Anwendung geeignet er-scheinen. Der [X.] hat diese
Voraussetzung in einem [X.] als erfüllt angesehen und § 3 VgV für die [X.] herangezogen, in dem es vordergründig zwar um die Nichtigerklärung eines im Wege der De-facto-Vergabe geschlossenen Vertrags ging, der Antragsteller aber nicht im Sinne von §
107 Abs.
2 [X.] am Gegenstand dieses Vertrags 8
9
-
6
-
(Verkehrsleistungen im Schienenpersonennahverkehr) interessiert war, sondern daran, dass Teile davon nach Nichtigerklärung des [X.] für einen in fernerer Zukunft liegenden Zeitraum vergeben werden. Die Schätzung des Streitwerts in einem solchen Fall ist, wie der [X.] angenommen hat, unter Voraussetzungen vorzunehmen, die mit denjenigen vergleichbar sind, unter denen der öffentliche Auftraggeber den Wert der zur Vergabe anstehen-den Leistungen zu ermitteln hat, bevor er das entsprechende Vergabeverfahren in die Wege leitet,
und deshalb erschien es sachgerecht, dafür die in §
3 VgV genannten Parameter heranzuziehen (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Juli 2011

X
ZB
4/10, [X.], 629
Sahn-Verkehr Rhein/Ruhr
II). Solche oder vergleichbare Umstände liegen im
Streitfall nicht vor. Deshalb ist hier für einen Rückgriff auf §
3 Abs.
4 Nr.
2 VgV kein Raum.
2.
Bei der Bemessung des Streitwerts ist in angemessenem Umfang zu berücksichtigen, dass der Vertrag, auf dessen Abschluss das dem [X.] zugrunde
liegende Vergabeverfahren zielt, der Vergabestelle gestattet, seine Laufzeit über den fest vorgesehenen Vertragszeitraum von [X.]n hinaus um zweimal [X.] zu verlängern.
a)
Diese
Optionen sind bei der Streitwertfestsetzung zu [X.], weil auch die nur potentielle Möglichkeit der Verlängerung der Zeitspanne, in der der Auftragnehmer die vertragsgemäßen Leistungen weiter erbringen kann, einen wirtschaftlichen Wert darstellt, der dem [X.] innewohnt und das Interesse der Bieter am Auftrag mitbestimmt.
b)
Allerdings wäre es unangemessen, bei der Wertbemessung auch in-soweit vom vollen Schätzwert für den optional möglichen Verlängerungszeit-raum
von hier zehn Jahren
auszugehen. Zwar sieht § 3 Abs.
1 VgV vor, dass die Auftraggeber bei Schätzung des [X.] vor Einleitung eines Verga-10
11
12
-
7
-
beverfahrens die gesamte zu schätzende
Vergütung für die vorgesehene Leis-tung einschließlich aller Optionen oder etwaigen Vertragsverlängerungen in den Blick nehmen
müssen. Für die entsprechende Anwendung dieser Bestimmung bei der Frage, wie die optionale Vertragsverlängerung streitwertmäßig im Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen ist, ist jedoch kein Raum. Die Rege-lung für die Schätzung des [X.] in
§
3 Abs. 1 VgV dient einem
beson-deren Schutzzweck. Sie steht in [X.] mit dem die Schwellenwerte definierenden §
2 VgV, die dafür maßgeblich sind, ob ein Vergabeverfahren unionsweit auszuschreiben ist oder die Leistung im nationa-len Kontext vergeben werden kann. Die Regelungen in §
3 VgV legen fest, in welcher Weise bestimmte besondere vertragliche
Umstände bei der Schätzung des Werts einer in einem zukünftigen Vergabeverfahren auszuschreibenden BauLiefe oder Dienstleistung zu berücksichtigen sind. Damit sollen [X.] einheitliche Bemessungsgrundlagen für die Ermittlung der Auftragswerte geschaffen werden, bei deren Erreichen der Wettbewerb um den Auftrag uni-onsweit zu eröffnen ist. [X.] sich ein öffentlicher Auftraggeber in dem über einen [X.] zu schließenden Vertrag die Option
offenhalten, dessen vertragliche Laufzeit über eine fest vorgesehene Zeitspanne hinaus zu verlängern, ist es unter dem Gesichtspunkt, welcher Wert einem solchen [X.] für die [X.] zukommt, sachge-recht, den optional vorgesehenen
Vertragszeitraum voll zu berücksichtigen. [X.] könnte der Auftrag den strengeren Regelungen für die unionsweite Ausschreibung einschließlich der Möglichkeit, deren Einhaltung von den [X.] nachprüfen zu lassen, entzogen werden, obwohl der [X.] es durch Ziehen der Option in der Hand hat, die Laufzeit so zu gestal-ten, dass der einschlägige Schwellenwert erreicht ist. Geht es demgegenüber um die Bemessung des Interesses eines Bieters am Abschluss eines solchen Vertrages, so ist zu berücksichtigen, dass er gerade kein entsprechendes Opti--
8
-
onsrecht hat
und es nicht in seiner, sondern allein in der Macht der [X.] steht, die Laufzeit des Vertrages zu verlängern.
c)
Die
Ungewissheit darüber, ob der Auftraggeber das Optionsrecht ausüben
wird, ist mit einem angemessenen Abschlag vom vollen
Auftragswert zu berücksichtigen,
der rechnerisch während der optionalen Vertragslaufzeit erzielt werden könnte. Dieser Abschlag mag
unter besonderen Umständen im Einzelfall
unterschiedlich hoch einzuschätzen sein; bei der gebotenen verallge-meinernden Betrachtung ist es im Regelfall angezeigt, ihn auf 50
% zu veran-schlagen. Da besondere Umstände im Streitfall nicht in Rede stehen, ist auch

13
-
9
-

hier ein solcher Abschlag vorzunehmen, so dass auf den optional
möglichen Vertragszeitraum ein Wert von 427.634,13

(oben III
1) danach bis zu 900.000

Meier-Beck
[X.]
Bacher

Deichfuß
Kober-Dehm
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 26.06.2013 -
Verg 32/12 -

Meta

X ZB 12/13

18.03.2014

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.03.2014, Az. X ZB 12/13 (REWIS RS 2014, 7045)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7045

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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