Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.02.2016, Az. XII ZR 183/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 16128

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:170216UXIIZR183.13.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
XII ZR 183/13
Verkündet am:

17. Februar 2016

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 305 c Abs. 2
Die in einem Mietvertrag über Gewerberäume enthaltene AGB-Klausel
"Die Grundsteuer zahlt die Vermieterin. Erhöhungen gegenüber der bei Übergabe des Objekts erhobenen Grundsteuer tragen die Mieter."
ist hinsichtlich der durch die Vermietbarkeit des bebauten Grundstücks beding-ten Grundsteuererhöhung nicht eindeutig und daher zu Lasten des Verwenders auszulegen.
[X.], Urteil vom 17. Februar 2016 -
XII ZR 183/13 -
OLG Stuttgart

LG [X.]

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Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
17.
Februar 2016 durch den Vorsitzenden
Richter
Dose, die Richterin Weber-Monecke
und [X.], Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten
wird das Urteil des 13.
Zivilsenats des [X.] vom 7.
November 2013 aufge-hoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3.
Kammer für Handelssachen des [X.] vom 17.
April 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Klägerin aufer-legt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien sind durch einen [X.] miteinander verbunden. Sie streiten über die Umlage von
Grundsteuer.
Durch Mietvertrag vom März 2007 vermietete die Klägerin
der Beklagten
ein Ladenlokal in einem
damals noch zu errichtenden Geschäftshaus in der [X.] von [X.]. Im Zusammenhang mit den Nebenkosten enthält der 1
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Mietvertrag folgende von der Klägerin
gestellte allgemeine Geschäftsbeding-ung:
Die Grundsteuer zahlt die Vermieterin. Erhöhungen gegenüber der bei Übergabe des Objekts erhobenen Grundsteuer tragen die Mie-.
Die Übergabe der Mieträume erfolgte am 1.
Dezember 2008. Die Eröff-nung des Geschäftshauses mit insgesamt vier Mietern fand am 5.
März 2009 statt. Für das [X.] wurde die Grundsteuer durch Bescheid der Stadt [X.]
vom 9.
Januar 2009 ausgehend von einem Grundsteuermessbetrag für ein unbebautes Grundstück auf 16.029,24

stgesetzt. Mit Bescheid vom 11.
Januar 2010 wurde die Grundsteuer

nunmehr aufgrund eines [X.] für ein Geschäftsgrundstück

auf 66.998,14

Die Klägerin verlangt mit der Klage die Zahlung der nach ihrer [X.] auf die Beklagte entfallenden Anteile der Grundsteuerdifferenz für die Jah-re 2010 und 2011, die sich auf insgesamt 45.310,63

belaufen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung
der Klägerin
hat
das Beru-fungsgericht der Klage
stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom [X.] zuge-lassene Revision der Beklagten, die die Wiederherstellung des landgerichtli-chen Urteils erstrebt.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat die Vertragsklausel im Gegensatz zum [X.] dahin ausgelegt, dass sämtliche Erhöhungen der Grundsteuer, also auch die Erhöhung wegen des nach Bebauung geänderten [X.] und Grundsteuermessbetrags, zur Umlage des [X.] auf die Mieter be-rechtigten. Der Wortlaut sei eindeutig. Das gelte auch für den Vergleichsmaß-stab
der
"bei Übergabe des Objektes erhobenen Grundsteuer". Da die [X.] in der Regel zeitlich verzögert nach Bebauung und Vermietung des Grundstücks erfolge, ergebe sich daraus eine Grundsteuererhöhung gegenüber der bei Übergabe des Objekts noch auf der Grundlage eines unbebauten Grundstücks erhobenen Grundsteuer.
Es treffe nicht zu, dass durch einen
Bezug der Klausel auf das Objekt nur das bebaute Grundstück gemeint sein könne. Die Klausel sei so auszulegen, wie sie typischerweise von an solchen Geschäften beteiligten Kreisen verstan-den werde. Danach erfasse sie auch Grundsteuererhöhungen, die
sich aus [X.] ergäben. Der Grundsteuerbescheid ergehe in der Regel erst nach Übergabe des Mietobjekts. Wer,
wie die Beklagte,
deutschlandweit [X.] betreibe, sei mit den Grundlagen des Steuerrechts und
damit auch mit der
unterschiedlichen
Besteuerung bebauter und unbebauter Grundstücke vertraut. Aus der vertraglichen Nebenkostenregelung werde deutlich, dass die Vermieterin ihre Nebenkosten weitgehend auf die Mieter überwälzen wolle. So-weit die Grundsteuererhöhung auf geänderten
Hebesätzen beruhe,
sei sie
im Vergleich zur Miete geringfügig.
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Es ergebe sich auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach §
307 Abs.
1 Satz
2 BGB. [X.] im Sinne
von §
305
c BGB sei die Klausel ebenfalls
nicht.

II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die fragliche Vertragsklausel jedenfalls nicht eindeutig im Sinne der Klägerin
auszulegen, welche als Verwenderin der allgemeinen Geschäftsbedingungen nach §
305
c Abs. 2 BGB den Nachteil der [X.]-keit zu tragen hat.
1. Die Klausel unterliegt als allgemeine Geschäftsbedingung in vollem Umfang der Auslegung durch das Revisionsgericht, das dabei nicht an die Aus-legung des Berufungsgerichts gebunden ist ([X.]Z 163, 321, 323
f. =
NJW
2005, 2919, 2920).
Dafür gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs der Grundsatz der objektiven Auslegung
([X.] Urteil vom 18.
Juli
2007

VIII
ZR
227/06

NJW-RR 2007, 1697
Rn.
23
mwN und [X.]surteil [X.]Z 176, 191 =
NJW 2008, 2497 Rn.
11 mwN).
Allgemeine [X.] sind dementsprechend nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspart-nern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten [X.] verstanden werden, wobei die [X.] des durch-schnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind
([X.] Urteil vom 21.
Oktober
2009

VIII
ZR
244/08

NJW
2010, 293 Rn.
11 mwN
und [X.]surteil [X.]Z 162, 39 =
NJW 2005, 1183, 1184
mwN).

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2. Nach diesen Maßstäben führt die Auslegung der Klausel im vorliegen-den Fall dazu, dass für den Fall der Neufestsetzung der Grundsteuer aufgrund der Bebauung und Vermietbarkeit des Grundstücks unklar bleibt, ob die sich daraus ergebenden Differenzbeträge auf die Mieter umlegbar sind.
a) Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht
allerdings im Ausgangspunkt.
Das Abstellen der Klausel auf Erhöhungen der bei Übergabe des Objekts erho-benen Grundsteuer spricht dafür, dass maßgebliche Vergleichsgröße die bei Übergabe des Mietobjekts festgesetzte Grundsteuer ist. Dass
die Klausel auf die "erhobene"
Grundsteuer verweist, deutet darauf hin, dass es auf die behörd-liche Steuerfestsetzung ankommt, wie sie im konkreten Fall zum [X.]punkt der Übergabe erfolgt ist. Die
Steuerfestsetzung beruhte im vorliegenden Fall bei Übergabe des Mietobjekts noch auf dem unbebauten Grundstück und dem sich daraus ergebenden
Steuermessbetrag.
b) Eine solche Betrachtung
wäre
jedoch nicht vollständig. Sie wird viel-mehr durch den Umstand in Frage gestellt, dass in der Klausel von dem Objekt die Rede ist. Damit enthält schon der Wortlaut der Klausel einen Hinweis da-rauf, dass anstelle der tatsächlich festgesetzten Grundsteuer auch eine Erhö-hung der
von vornherein auf das Mietobjekt bezogenen Grundsteuer gemeint sein kann. Denn bei dem Objekt handelt es sich um das Mietobjekt, wie es sich aus der vertraglichen Vereinbarung ergibt. Dieses besteht aber nicht aus
dem unbebauten Grundstück, auf welches sich der bei Übergabe geltende
Steuer-messbetrag (§
13 Abs.
1 [X.]) bezieht, sondern aus
den vertraglich als Miet-gegenstand vereinbarten Räumen. Das lässt es wiederum als zumindest
nicht fernliegend erscheinen, dass mit der erhobenen Grundsteuer diejenige gemeint ist, die für das bebaute Grundstück festzusetzen
ist,
und mithin die später so festgesetzte Steuer die Vergleichsgröße für auf die Mieter umzulegende Erhö-11
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hungen darstellt
(ebenso für eine ähnliche Klausel [X.] ZMR
1990, 410, 411; vgl. auch [X.], 198, 199).
Die Revision macht zu Recht geltend, dass sich entgegen der [X.] des Berufungsgerichts nicht daraus etwas anderes ergibt, dass der Grundsteuerbescheid mit dem erhöhten Steuermessbetrag in der Regel erst nach Übergabe des Mietobjekts ergeht. Daraus folgt noch nicht ohne weiteres, dass die Beklagte
als Mieterin sich auch mit der Tragung des [X.] einverstanden erklären wollte (vgl. [X.] ZMR 1990, 410, 411; [X.], 198, 199).
Dieses Ergebnis
wird dadurch gestützt, dass durch die Klausel der
Um-fang der Grundsteuerumlage im Zweifel
einheitlich festgelegt
und nicht erst von
den bei Vertragsschluss noch ungewissen [X.]punkten
der Übergabe und der
steuerlichen Wertfortschreibung (§
22 [X.]) abhängig gemacht
werden sollte. Da die für die erhöhte Festsetzung des [X.] und die daran gekoppelte Neufestsetzung der Grundsteuer maßgebliche Vermietbarkeit des bebauten Grundstücks bereits einige [X.] vor Übergabe des Objekts verwirklicht sein kann,
hinge es vom zeitlichen Ablauf und von dem Vorgehen der Steuerbehör-den
ab, ob die Neufestsetzung noch vor Übergabe des Mietobjekts stattfindet oder nicht. Wäre etwa der Einheitswert nach Fertigstellung des [X.] und Eintritt der Vermietbarkeit bereits 2008 mit Wirkung ab dem [X.] 2009 (§§
22 Abs.
4 Satz
1, 3
Nr.
1, 76 Abs.
1 Nr.
2, 79 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1
[X.]) fortgeschrieben worden und in die Steuerfestsetzung für 2009 [X.] (vgl. §§
17, 18 [X.], §
22 Abs.
2
[X.] sowie [X.], 1383) und wäre die Übergabe des Mietobjekts erst nach dieser
Steuer-festsetzung erfolgt, so hätte auch nach der Auffassung des Berufungsgerichts die Klägerin
als Vermieterin die höhere Grundsteuer zu tragen. Die Auslegung des Berufungsgerichts
würde mithin zu dem Ergebnis führen, dass wesentliche 14
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Aspekte der Grundsteuertragung bzw. -umlage bei Vertragsschluss noch nicht feststünden, sondern variabel wären und davon abhingen, wann das Mietobjekt fertiggestellt und vermietbar ist, wann die Grundsteuer nach dem höheren [X.] festgesetzt wird
und wann die Übergabe des Objekts erfolgt. Das gilt erst recht im Hinblick auf eine möglicherweise rückwirkende Erhöhung der Grundsteuer (vgl. [X.], 243, 244).
c) Auch aus den weiteren vom Berufungsgericht
angeführten Umständen
ergibt sich keine Eindeutigkeit der Regelung.
Für die vom Berufungsgericht
vorgenommene restriktive Auslegung der Klausel im Sinne einer möglichst umfassenden Überwälzung der Nebenkosten auf die Mieter besteht keine Grundlage. Wie aus der Klausel ersichtlich ist, soll-te die Grundsteuer grundsätzlich vom Vermieter getragen werden, wie dies auch der gesetzlichen Regelung entspricht. Damit liefert die
Klausel
auch kei-nen Anhaltspunkt dafür, dass etwa der größere
Teil der Grundsteuer von den Mietern zu tragen sein soll.
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d) Die somit verbleibenden
Zweifel
gehen nach §
305
c Abs. 2
BGB zu Lasten der Klägerin
als Verwenderin der allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Ob auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach §
307 BGB vorliegt, braucht daher nicht entschieden zu werden.
3. Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache abschließend entscheiden. Da es zur Umlegung der geltend ge-machten Grundsteuerbeträge
an einer vertraglichen Vereinbarung fehlt, ist das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Dose

Weber-Monecke

Schilling

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 17.04.2013 -
23 [X.] KfH -

OLG Stuttgart, Entscheidung vom 07.11.2013 -
13 [X.] -

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Meta

XII ZR 183/13

17.02.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.02.2016, Az. XII ZR 183/13 (REWIS RS 2016, 16128)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16128

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