Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2014, Az. XII ZB 443/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8721

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]/13

vom

15. Januar 2014

in der
Adoptionssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§
1755, 1772
§
1755 Abs.
2 iVm §
1772 Abs.
1 Satz
1 BGB findet keine Anwendung, wenn der Annehmende die Annahme des Kindes seines geschiedenen Ehegatten begehrt.
[X.], Beschluss vom 15. Januar 2014 -
XII [X.]/13 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 15.
Januar 2014 durch
den
Vorsitzenden [X.], die Richterin [X.] und [X.], Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4.
Zivilsenats

Familiensenat
des [X.]s [X.] vom 30.
Juli 2013 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1
zurückgewiesen.
[X.]: 5.000

Gründe:
I.
Der Beteiligte zu
1 erstrebt die Volladoption seiner volljährigen, leiblichen Tochter
(im Folgenden:
Anzunehmende).
Die Ehe der Eltern der im Jahr 1978 geborenen [X.] wurde 1981 geschieden. Ihre Mutter, die Beteiligte zu
2,
hat daraufhin Herrn
B. gehei-ratet. Dieser hat die Anzunehmende
im Januar 1985 als Kind angenommen. Die Eheleute trennten sich bereits wieder im September 1985; ihre Ehe wurde 1987 geschieden. Herr
B. und die Anzunehmende
haben keinen Kontakt mehr. In den Jahren 1994 bis 1996 lebte die Anzunehmende
als Pflegekind in der Familie des Beteiligten
zu
1, der ebenfalls erneut geheiratet hatte. Aus der [X.] Ehe des Beteiligten zu
1
ist eine weitere Tochter hervorgegangen, zu der er nach der Scheidung dieser Ehe
keinen Kontakt mehr unterhält.

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Durch notarielle Urkunde vom September 2012 hat der Beteiligte zu
1
die Annahme der [X.] als Kind beantragt, und zwar mit den Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen, hilfsweise mit den Wirkungen einer Erwachsenenadoption. Die Anzunehmende
hat diesem Antrag zugestimmt, die Beteiligte zu
2
und die Beteiligte zu
3
(jetzi-ge Ehefrau des Beteiligten zu
1) haben in derselben Urkunde ihr Einverständnis erklärt. Durch weitere notarielle Urkunde vom Oktober 2012 hat auch der Adop-tivvater der [X.]
sein Einverständnis mit der Adoption erklärt.
Das Amtsgericht hat beschlossen, dass die Anzunehmende
vom Beteilig-ten zu
1 als Kind angenommen wird. Den weitergehenden Antrag, die
Adoption mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption auszusprechen, hat es zu-rückgewiesen, weil keine der Voraussetzungen des §
1772 Abs.
1 [X.]. Mit seiner Beschwerde hat der Beteiligte zu
1 neben der nach wie vor [X.] Volladoption die Feststellung
begehrt, dass durch diese Adoption das Verwandtschaftsverhältnis zur leiblichen Mutter der [X.]
nicht erlö-sche. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu
1 mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Das [X.] hat die Beschwerde zu Recht zurückgewiesen.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass die vollständige Wiederherstellung des Zustandes, der vor der im Jahr 1985 erfolgten Adoption der [X.]
durch Herrn
B. bestanden habe, nach geltendem Recht nicht möglich sei. Eine Wiederherstellung durch Aufhe-3
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bung des [X.] sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen der §§
1760, 1763 BGB nicht möglich.
Der von den Beteiligten beschrittene Weg einer Rückadoption könne nicht zu dem mit der Beschwerde erstrebten Ergebnis führen. Eine Adoption durch einen
leiblichen
Elternteil nach einer vorangegangenen Adoption sei grundsätzlich möglich, so dass die (rechtliche) Verwandtschaft eines Elternteils mit dem Kind, die durch die [X.] beendet worden sei, durch die [X.] wiederhergestellt werden könne.
Die nunmehr von den Beteiligten noch gewünschte Erweiterung auf eine Annahme mit den Wirkungen der Minderjährigenannahme unter gleichzeitiger Feststellung, dass das Verwandtschaftsverhältnis der [X.] mit ihrer Mutter aufrechterhalten bleibe, sei mit dem Gesetz nicht vereinbar, so dass die vom Amtsgericht verneinte Frage, ob die
Voraussetzungen des §
1772 BGB vorlägen, keiner Entscheidung bedürfe. Der Gesetzgeber habe in §
1755 Abs.
1 Satz
1 BGB, auf den §
1772 Abs.
1 BGB ausdrücklich verweise, angeordnet, dass mit der Annahme als Kind das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Verwandten erlösche. Diese Anordnung erfolge ohne Diffe-renzierung danach, ob die Annahme durch ein Ehepaar oder eine einzelne Per-son erfolge. Nach den Gesetzesmaterialien sei dies bei der Volladoption "uner-lässlich", obwohl Fälle gesehen worden seien, in denen auch nach der Adoption weiterhin enge Beziehungen zu den leiblichen Eltern bestünden.
Vor diesem Hintergrund bestehe keine Möglichkeit zu der von den [X.] gewünschten Volladoption bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der [X.] zur leiblichen Mutter. Dadurch würde eine "Hybridform" von Voll-
adoption und schwacher Volljährigenadoption geschaffen, obwohl in den Ge-setzesmaterialien ausdrücklich ein Bedürfnis für weitere Adoptionsformen ver-7
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-
neint worden sei. Möge diese Frage heute anders zu beurteilen
sein, sei es [X.] Sache des Gesetzgebers, hierüber zu entscheiden.
Der Fall der Beteiligten lasse auch nicht erkennen, dass dadurch ein er-heblicher Nachteil entstehe. Durch die inzwischen erfolgte Adoption sei die An-zunehmende
nunmehr wieder mit ihrem leiblichen Vater verwandt. Durch eine Annahme mit der Wirkung der Minderjährigenannahme würde sich für den Be-teiligten zu
1 rechtlich kaum etwas ändern. Er
sei bereits aufgrund der Erwach-senenadoption wieder mit seiner Tochter und deren möglichen künftigen Ab-kömmlingen verwandt, allenfalls könnte er noch eine Verschwägerung mit ei-nem künftigen Ehe-
oder Lebenspartner seiner Tochter erreichen. Für die An-zunehmende
brächte eine Annahme mit der Wirkung der Minderjährigenan-nahme lediglich eine Verschwägerung mit der jetzigen Ehefrau des Beteiligten zu
1
sowie eine Verwandtschaft mit seinen Verwandten, also insbesondere dessen Eltern, falls diese noch lebten, und seiner weiteren Tochter aus einer anderen Ehe. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass hieran bei den Beteiligten ein besonderes Interesse bestehe.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung sowie den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
a) Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist zwar

worauf die Rechtsbe-schwerde
zu Recht hinweist

zugunsten des Beteiligten zu
1 zu unterstellen, dass die Voraussetzungen des §
1772 BGB für eine Annahme der volljährigen [X.]
mit den Wirkungen der Minderjährigenannahme erfüllt sind, weil das Beschwerdegericht diese Frage offengelassen hat. Da der Beteiligte zu
1
sein ursprüngliches Rechtsschutzbegehren, also die Volladoption gemäß §
1772 BGB,
der Sache nach aber von der gleichzeitigen Feststellung abhängig gemacht hat, dass durch diese Adoption das Verwandtschaftsverhältnis zu der 10
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leiblichen Mutter der [X.]
nicht erlösche, kommt es für den Erfolg der Rechtsbeschwerde maßgeblich auf die

hier zu verneinende

Frage an, ob eine solche Feststellung gerechtfertigt wäre.
b) Zu Recht ist das Beschwerdegericht von dem Grundsatz ausgegan-gen, dass mit der Annahme eines Volljährigen dessen Verwandtschaftsverhält-nis zu den leiblichen Verwandten erlischt, wenn das Gericht bei der Annahme bestimmt, dass sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richten (§
1772 Abs.
1 Satz
1 iVm §
1755 Abs.
1 Satz
1 BGB; Volljährigenadoption mit "starker Wirkung"
Senatsbe-schluss vom 11.
November 2009
XII
ZR
210/08
RZ 2010, 273 Rn.
9).
Eine Ausnahme hiervon sieht §
1755 Abs.
2 BGB vor, der gemäß §
1772 Abs.
1 Satz
1 BGB ebenfalls auf die Volljährigenadoption Anwendung findet. Danach tritt das Erlöschen nur im Verhältnis zu dem anderen Elternteil und dessen Verwandten ein, wenn ein Ehegatte das Kind seines Ehegatten [X.]. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber bezweckt, dass das [X.]sverhältnis des Ehegatten des Annehmenden zu seinem Kind nicht erlischt, sondern zum ehelichen [X.] erstarkt. Erlöschen soll nur das Verwandtschaftsverhältnis zu dem anderen Elternteil und dessen Ver-wandten (BT-Drucks. 7/3061 S.
43). Damit unterliegt die Stiefkindadoption einer Sonderregelung, weil die Verwurzelung in dessen Familie durch die Adoption gerade gestärkt werden soll (juris PK-BGB 6.
Aufl./Heiderhoff §
1755 Rn.
7;
s. auch BT-Drucks. 7/3061 S.
22). Mit der Regelung des §
1755 Abs.
2 BGB, dessen tatbestandliche Voraussetzungen hier aber nicht vorliegen,
soll mithin
die Stieffamilie in ihrem Zusammenhalt
geschützt
und damit dem besonderen Schutz der Familie gemäß Art.
6 Abs.
1 GG Rechnung getragen werden
(vgl. auch [X.] NJWE-FER 2001, 9, 10). Geschiedene und damit getrennt lebende Eheleute bedürfen demgegenüber eines solchen Schutzes nicht, wes-13
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-
halb es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde insofern an einer un-gerechtfertigten
Ungleichbehandlung [X.]. Art.
3 Abs.
1 GG fehlt.
Sofern die Rechtsbeschwerde meint, die
Wirkungen des §
1755 Abs.
2 BGB könnten auch dadurch erreicht werden, dass sich die leiblichen Eltern der [X.]
jeweils von ihren Ehegatten scheiden ließen und erneut [X.] die Ehe eingingen, ist diese rechtliche Möglichkeit im Hinblick auf die Wirkung der neuen Ehe der Eltern mit der vorliegenden Konstellation nicht ver-gleichbar.
Würde man dem Begehren des Annehmenden Folge leisten, würde dies zudem auch eine Umgehung der
restriktiv zu handhabenden
Aufhebungs-vorschriften des Adoptionsrechts darstellen, weil auf diesem Wege letztlich der Zustand wiederhergestellt würde, der vor der Annahme der [X.]
durch Herrn
B. bestanden hat.
15
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c) Schließlich hat das Beschwerdegericht zutreffend aufgezeigt, dass die Beteiligten durch die gesetzliche Regelung im vorliegenden Fall keinen
erhebli-chen Nachteil erleiden. Durch die vom Amtsgericht ausgesprochene Volljähri-genadoption
nach §§
1767, 1770 BGB
ist das natürliche Verwandtschaftsver-hältnis zwischen dem Beteiligten zu
1
und der [X.] in statusrechtli-cher Hinsicht wiederhergestellt worden (vgl. [X.] NJWE-FER 2001, 9, 11
f.; s. auch BT-Drucks.
12/2506 S.
6
f.).

Dose

[X.]

Schilling

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.02.2013 -
350 [X.]/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 30.07.2013 -
4 UF 107/13 -

17

Meta

XII ZB 443/13

15.01.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2014, Az. XII ZB 443/13 (REWIS RS 2014, 8721)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8721

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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