Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.02.2007, Az. 5 StR 444/06

5. Strafsenat | REWIS RS 2007, 5461

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5 [X.][X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 1. [X.]ebruar 2007 in dem Sicherungsverfahren gegen - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 31. Januar und 1. [X.]ebruar 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzender [X.] [X.], [X.] Dr. Raum, [X.] Dr. Brause, [X.] [X.], [X.] Dr. [X.] als beisitzende [X.], Oberstaatsanwalt beim [X.]als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger, Rechtsanwältin [X.]als Vertreterin der Nebenklägerin, Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, - 3 - am 1. [X.]ebruar 2007 für Recht erkannt: 1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Neben-klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 16. Mai 2006 werden verworfen. 2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Beschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die [X.] hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. [X.] Von Rechts wegen [X.]
G r ü n d e 1 Das [X.] hat es im Sicherungsverfahren abgelehnt, den [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Die da-gegen gerichteten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft [X.] vom Generalbun-desanwalt vertreten [X.] und der Nebenklägerin bleiben erfolglos. 1. Das [X.] hat folgende [X.]eststellungen und Wertungen getrof-fen: 2 a) Der 1970 geborene Beschuldigte kennt seine Eltern nicht und lebt seit frühester Kindheit in Heimen. Seine Intelligenz ist vermutlich wegen einer frühkindlichen Hirnschädigung deutlich gemindert. Der Beschuldigte ist ferner verhaltensauffällig. 3 Im [X.] in [X.] (Oder) kam es in den Jahren 1989 bis 2001 häufiger zu Konflikten des Beschuldigten mit Heimbewohnern. Diesen 4 - 4 - gegenüber verhielt sich der Beschuldigte gelegentlich aggressiv. Er beging zudem fortgesetzt Diebstähle. Um diesem allem zu entgehen, wurde der Be-schuldigte anschließend in das betreute Einzelwohnen des [X.] in [X.] übernommen. Der Beschuldigte erledigt dort die im Haus-halt anfallenden Aufgaben selbst. Er arbeitet im Garten einer Behinderten-werkstatt, die er täglich selbstständig aufsucht. Ein Betreuer des Heims teilt dem Beschuldigten [X.] in der Woche Taschengeld zu. Der Beschuldigte ist in nervenärztlicher Behandlung und erhält regelmäßig ein Neuroleptikum als [X.]. Der Beschuldigte nahm vom 29. Juni bis 6. Juli 2003 an einer vom [X.], einer Einrichtung der [X.] zur Betreuung geistig Behinderter, veranstalteten Reise in ein [X.]erienobjekt in der [X.] teil. Der Beschuldigte wohnte dort gemeinsam mit einem Mitreisenden und dem Betreuer [X.]in einem Bungalow. [X.]und der Nebenklägerin, einer wei-teren Betreuerin der Behinderten, war bekannt, dass der Beschuldigte zu [X.] neigt. Mit dem Beschuldigten wurden Taschenkontrollen abgesprochen und festgelegt, dass nach Begehung eines Diebstahls sofort die Heimreise anzutreten sei. 5 Der Beschuldigte stahl dennoch am 30. Juni 2003 aus [X.] des [X.]einen für den Mitreisenden verwahrten Geldschein über 100 Euro und kaufte sich davon Zigaretten. Gegenüber der Nebenklägerin täuschte er Übelkeit vor und erklärte, sofort nach [X.] fahren zu wollen. Die Nebenklägerin wertete das Verhalten des Beschuldigten zu Recht als eine ihr bekannte typische Ausweichmethode nach Begehung eines Dieb-stahls. [X.]deckte schließlich den Diebstahl des Beschuldigten auf, den dieser am nächsten Morgen auch gegenüber der Nebenklägerin einräumte. Der Zeuge [X.]bedrängte den Beschuldigten hartnäckig, das restliche Geld zurück zu geben, auch noch, nachdem der Beschuldigte in fortschreitender Erregung angekündigt hatte, die Nebenklägerin umzubringen. Der Beschul-digte lief in einen Bungalow, nahm ein 30 cm langes Küchenmesser an sich, 6 - 5 - drängte mit erhobenem Messer [X.]zur Seite und kündigte erneut an, die Nebenklägerin umzubringen. Der Beschuldigte lief auf die in 50 m Entfernung wahrgenommene Nebenklägerin mit erhobenem Messer zu. Diese konnte sich kurz vor dem Zusammentreffen mit dem Beschuldigten in eine Kapelle retten und deren Tür von innen schließen. Die Nebenklägerin gab dem [X.] durch das [X.] zu verstehen, mit ihrem Mobiltelefon die Polizei zu rufen. Danach übergab der Beschuldigte das Messer an den Zeu-gen [X.]. b) Das [X.] hat [X.] dem Gutachten des psychiatrischen Sach-verständigen folgend [X.] angenommen, dass zum Zeitpunkt des Entschlusses, die Nebenklägerin zu töten, die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten nicht ausschließbar vollständig aufgehoben gewesen sei. Bei dem Verhalten des Beschuldigten habe es sich um die von einem affektiven Geschehen getra-gene aggressive Handlung eines erheblich verhaltensgestörten und frustrati-onsintoleranten [X.] gehandelt. 7 8 Im Übrigen sei diagnostisch eine leichte Intelligenzminderung deutli-cher Ausprägung mit Verhaltensauffälligkeiten ([X.] 10: [X.] 70.1) anzunehmen; dies begründe in der Regel eine erhebliche Verminderung der [X.] des Beschuldigten. [X.] ist ferner zu der Überzeugung gelangt, dass der Beschuldigte infolge seines Schwachsinns nicht in der Lage gewesen sei, eine ausreichende Hemmschwelle zur Vermeidung von [X.] auf-zubauen. 9 c) Das [X.] hat es abgelehnt, die Unterbringung des Beschul-digten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen. Es sei nicht zu erwarten, dass der Beschuldigte infolge seines Zustands erhebliche rechts-widrige Taten begehe und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. 10 - 6 - [X.] stützt seine Wertung auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen, wonach die Gewalthandlung des [X.] nicht aus einer ihm eigenen habituell verwurzelten Aggressions-bereitschaft resultiere, sondern sich aus einer Situation heraus entwickelt habe, die durch länger andauernde Konfrontation mit dem [X.] bestimmt worden sei. Dadurch sei der Beschuldigte [X.] entgegen seinen nor-malen Lebensumständen [X.] wiederum in eine repressiv strukturierte Situation gebracht worden, in der er aggressiv reagiert habe, nachdem ihm das übli-cherweise bevorzugte Ausweichverhalten nicht mehr möglich gewesen sei. Dies bedeute, dass der Beschuldigte kaum und jedenfalls nicht ohne äuße-ren Anlass aus sich heraus gefährlich in Erscheinung trete. Außerhalb des durch fachkundiges Personal geschützten Lebensbereichs des [X.] könne sich das Risiko einer Aggression durch diesen zwar bei [X.] verwirklichen, falls der Beschuldigte auf nicht verständnisvolle Opfer stoßen würde. Dem stehe entgegen [X.] wie der Sachverständige ausgeführt habe [X.], dass es bisher nie zu wirklich erheblichen Vorfällen gekommen sei und der Beschuldigte weder vor noch nach der festgestellten Tat durch er-hebliche Angriffe auffällig geworden sei. 11 2. Die von der zulässigen Revision der Nebenklägerin (BGHSt 47, 202; BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 7) erhobene Aufklärungsrüge ist unzulässig, weil sie kein bestimmtes Beweismittel benennt (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 6). Davon wird auch die geltend ge-machte Verletzung des § 246a StPO erfasst. 12 3. Die sachlichrechtlichen Einwände beider Revisionen greifen nicht durch. Die vom Schwurgericht vorgenommene Gesamtwürdigung aller Um-stände, dass eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für neuerliche [X.] Störungen des Rechtsfriedens nicht besteht (vgl. BGHR StGB § 63 Ge-fährlichkeit 27), ist letztlich vertretbar und damit revisionsgerichtlich noch nicht zu beanstanden. 13 - 7 - Die Wertung des [X.]s fußt auf einer ausreichenden Tatsa-chengrundlage. Es ist nicht ersichtlich, dass der psychiatrische [X.] nicht alle relevanten Akteninhalte und die in die Hauptverhandlung ein-geführten Tatsachen in seine Würdigung einbezogen hätte. Eine zulässige Aufklärungsrüge ist insoweit nicht erhoben. Damit bleibt der erst vom Gene-ralbundesanwalt geltend gemachte Einwand erfolglos, eine Aufklärung der Grundlagen einer Eintragung eines eingestellten Ermittlungsverfahrens in das Bundeszentralregister aus dem [X.] hätte Anhaltspunkte für rele-vante Gewalthandlungen des Beschuldigten ergeben. Trotz einer allzu skiz-zenhaften Urteilserwähnung sieht der Senat nach dem Gesamtzusammen-hang der Urteilsgründe noch keinen sachlichrechtlich beachtlichen Darstel-lungsmangel. Dass das [X.] die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen im Übrigen nicht zutreffend ausgewertet hätte, ist nicht ersichtlich. 14 15 Das [X.] hat die möglichen [X.]älle künftiger Gefährdungen [X.], der Opfer von [X.] des Beschuldigten in öffentlichen [X.], ausdrücklich erwogen. Es begegnet indes keinen Bedenken, wenn das [X.] insoweit eine Gefährlichkeit des Beschuldigten unter Hinweis auf den Umstand verneint hat, dass es bisher bei solchen [X.] nie zu wirklich erheblichen Vorfällen gekommen ist (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 25). Die Revision der Staatsanwaltschaft weist zu Recht darauf hin, dass sich in der Tat des Beschuldigten ein besonders hohes Aggressionspotential verwirklicht hat. Das verkennt der Senat nicht. Indes wird daraus hier noch nicht die Annahme der Beschwerdeführerin begründet, dem [X.] sei insoweit bei seiner Gefährlichkeitsprognose ein Wertungsfehler unterlaufen. Das ergibt sich aus der Besonderheit, dass die Tat des Beschuldigten in dessen im Rahmen einer Heimunterbringung durch Konfrontation entstande-ner Aggression gegen Betreuungspersonal wurzelt. Solches kann aber [X.] ähnlich den Taten zum Nachteil von Angehörigen einer psychiatrischen 16 - 8 - Klinik (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 26) [X.] nur eingeschränkt Anlass für eine Anordnung einer strafrechtlichen Unterbringung sein. Eine etwas höhere Gewichtung des von dem Beschuldigten ausge-henden Gefährdungspotentials mit der von der Nebenklägerin ausdrücklich erstrebten Konsequenz der Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB unter gleichzeitiger Aussetzung der Maßregel zur Bewährung (§ 67b StGB) wäre gleichwohl [X.] vielleicht sogar besser [X.] vertretbar gewesen. Dies zwingt indes [X.] namentlich angesichts der fortdauernden wirkungsvollen Einbindung des Beschuldigten in kontrollierende Betreuung [X.] noch nicht zur [X.] der angefochtenen, ebenfalls vertretbaren tatgerichtlichen Entschei-dung. 17 [X.] Raum Brause [X.] [X.]

Meta

5 StR 444/06

01.02.2007

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.02.2007, Az. 5 StR 444/06 (REWIS RS 2007, 5461)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 5461

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