Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.05.2017, Az. 2 AZR 79/16

2. Senat | REWIS RS 2017, 10678

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Gegenstand

Kündigungsschutz nach dem EuAbgG


Leitsatz

Nach § 3 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 EuAbgG besteht kein nachwirkender Kündigungsschutz für Wahlbewerber, die kein Mandat im Europäischen Parlament erlangt haben.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2015 - 2 [X.]/15 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten vorrangig über die Anwendung des Kündigungsschutzes auf Wahlbewerber für die Europawahl.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit November 2012 als Handwerker beschäftigt. Er kandidierte für die Wahl zum [X.] im Jahr 2014 auf der [X.] auf Platz 67. Am 20. Juni 2014 stellte der [X.] das endgültige Ergebnis der [X.] [X.] fest. Der Kläger erhielt kein Mandat.

3

Mit Schreiben vom 10. Juli 2014 - dem Kläger am gleichen Tag zugegangen - kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 15. August 2014.

4

Dagegen hat sich der Kläger rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Die Kündigung verstoße gegen den Kündigungsschutz als Wahlbewerber nach dem Europaabgeordnetengesetz. Zudem sei sie sozial ungerechtfertigt. Bei zutreffender Berechnung der Arbeitnehmerzahl sei der für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes maßgebliche Schwellenwert erreicht.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10. Juli 2014 nicht beendet wird;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Allroundhandwerker weiterzubeschäftigen.

6

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Begehren weiter, wobei er sich in der Revisionsbegründung erstmals auf einen besonderen Kündigungsschutz nach dem [X.] beruft.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. [X.] vom 10. Juli 2014 hat das Arbeitsverhältnis der [X.]en zum 15. August 2014 aufgelöst.

8

I. [X.] ist nicht sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 iVm. § 1 Abs. 1 [X.]. Das [X.] hat unter Berücksichtigung des wechselseitigen [X.]vorbringens rechtsfehlerfrei angenommen, der Kläger habe die Voraussetzungen für die Geltung des Ersten Abschnitts des [X.]es nach § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 [X.] nicht dargetan. Die Revision erhebt diesbezüglich keine Rügen.

9

II. [X.] ist nicht wegen Verstoßes gegen § 3 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des [X.] aus der [X.] (Europaabgeordnetengesetz - [X.]) gemäß § 134 BGB nichtig.

1. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 [X.] ist eine Kündigung oder Entlassung wegen des Erwerbs, der Annahme oder Ausübung des Mandats unzulässig. „Im übrigen“ ist sie nur aus wichtigem Grund zulässig (§ 3 Abs. 3 Satz 2 [X.]). Der Kündigungsschutz beginnt mit der Aufstellung des Bewerbers durch das dafür zuständige Organ des [X.]. Er gilt ein Jahr nach Beendigung des Mandats fort (§ 3 Abs. 3 Satz 3, Satz 4 [X.]).

2. [X.] verstößt nicht gegen § 3 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Es bedarf vorliegend keiner näheren Auseinandersetzung mit dem personellen und zeitlichen Anwendungsbereich dieser Bestimmung. Sie setzt, soweit sie nach § 3 Abs. 3 Satz 3 [X.] [X.] einschließt, voraus, dass die Kündigung auf Gründen beruht, die im Zusammenhang mit der Kandidatur stehen ([X.] 11. Aufl. [X.] Rn. 46; [X.] DVBl. 2010, 893, 894; siehe auch [X.] 30. Juni 1994 - 8 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe, [X.]E 77, 184). Dafür finden sich im Vorbringen des [X.], den für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des [X.] die primäre Darlegungs- und Beweislast trifft, keine Anhaltspunkte. Der Behauptung der Beklagten, sie habe erst nach Zugang der Kündigung von der Bewerbung Kenntnis erlangt, ist er nicht entgegengetreten.

3. [X.] ist nicht iSv. § 3 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 [X.] unzulässig.

a) Im Anwendungsbereich dieser Bestimmungen ist eine ordentliche Kündigung auch dann ausgeschlossen, wenn sie nicht durch das Mandat oder die Bewerbung bzw. damit zusammenhängende Umstände motiviert ist.

b) Die betreffenden Kündigungsbeschränkungen bestanden im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 10. Juli 2014 nicht (mehr). Mit der abschließenden Feststellung des Ergebnisses für das Wahlgebiet durch den [X.] (§ 18 Abs. 4 [X.]) in seiner Sitzung am 20. Juni 2014 stand verbindlich fest, dass die Kandidatur des [X.] erfolglos geblieben war. Mit Ablauf dieses Tages endete ein ihm aufgrund seiner Wahlbewerbung nach § 3 Abs. 3 Sätze 2 und 3 [X.] zustehender Kündigungsschutz. Soweit § 3 Abs. 3 Satz 4 [X.] eine zeitlich begrenzte Weitergeltung des Kündigungsschutzes vorsieht, gilt dies nur für Arbeitnehmer, die ein Mandat im [X.] erlangt haben (ebenso für die inhaltsgleiche Bestimmung in § 2 Abs. 3 [X.] [X.] 11. Aufl. [X.] Rn. [X.]/Jantsch/Klante [X.] § 2 Rn. 10; [X.] ArbRB 2009, 147). Das ergibt, wie das [X.] richtig gesehen hat, die Auslegung der Vorschrift.

aa) Für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie gestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen ([X.] 19. März 2013 - 2 [X.] ua. - Rn. 66, [X.]E 133, 168; [X.] 21. Dezember 2016 - 5 [X.] - Rn. 20).

bb) Schon nach dem Gesetzeswortlaut besteht kein nachwirkender Kündigungsschutz für erfolglose [X.]. Nach § 3 Abs. 3 Satz 4 [X.] setzt die auf ein Jahr begrenzte Weitergeltung des Kündigungsschutzes mit der „Beendigung des Mandats“ ein. Dabei wird der Begriff des Mandats zwar nicht näher umschrieben. Er hat aber in der Rechtsterminologie einen fest umrissenen Inhalt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Gesetzgeber ihn auch in seiner rechtlichen - hier staatsrechtlichen (politischen) - Bedeutung unmittelbar angewendet wissen wollte (vgl. [X.] 11. September 1985 - 4 [X.] -). Danach ist Mandat das auf einer Wahl beruhende Amt eines [X.] mit Sitz und Stimme im Parlament, wobei für ein Mandat in der parlamentarischen Demokratie die zeitliche Begrenzung des durch die Wahl erteilten Auftrags zur Vertretung kennzeichnend ist ([X.] 11. September 1985 - 4 [X.] -).

cc) Der gesetzliche [X.] stützt diese Sichtweise. Er lässt es entgegen der Auffassung der Revision nicht zu, die „Beendigung des Mandats“ mit dem „Ende der Kandidatur“ und insoweit mit dem Zeitpunkt gleichzusetzen, zu dem die Erfolglosigkeit einer Mandatsbewerbung für das [X.] festgestellt worden ist.

(1) Nach § 1 Abs. 1 [X.] gilt das Gesetz „für Bewerber um ein Mandat für das [X.]“ und für „Mitglieder des [X.]“, die in der [X.] gewählt worden sind. Schon dies belegt, dass der Begriff des Mandats auf den repräsentativen Status des [X.] zielt (ebenso für den in Art. 48 Abs. 2 GG gebrauchten Begriff „Amt“ eines [X.]: [X.] in Maunz/[X.] 79. EL 2016 Art. 48 GG Rn. 30).

(2) Daran knüpfen die Regelungen in § 3 [X.] an. Nach § 3 Abs. 1 [X.] darf niemand gehindert werden, sich um ein Mandat im [X.] zu bewerben, es zu erwerben, anzunehmen oder auszuüben. Soweit § 3 Abs. 2 [X.] Benachteiligungen am Arbeitsplatz im Zusammenhang mit der Bewerbung um ein Mandat sowie dem Erwerb, der Annahme und Ausübung eines Mandats für unzulässig erklärt, und § 3 Abs. 3 Satz 1 [X.] spezifisch das Verbot von Kündigungen - als der schwerwiegendsten Form der Benachteiligung im Arbeitsverhältnis - wegen des Erwerbs, der Annahme oder Ausübung des Mandats regelt, handelt es sich ersichtlich um eine lediglich Wiederholungen vermeidende, verkürzte Wiedergabe der eingangs gebrauchten Formulierung „… im [X.]“, mit der zweifelsfrei die Rechtsstellung eines Europaabgeordneten umschrieben ist. Nichts anderes kann grundsätzlich für die Auslegung des Begriffs in § 3 Abs. 3 Satz 4 [X.] gelten. Findet ein Rechtsbegriff innerhalb ein und derselben Norm mehrfach Verwendung, ist aus systematischen Gründen regelmäßig davon auszugehen, dass der Gesetzgeber ihn einheitlich verstanden wissen will.

(3) Soweit § 3 Abs. 3 Satz 1 [X.] - im Gegensatz zu dem [X.] in Absatz 1 und dem allgemeinen Benachteiligungsverbot in Absatz 2 der Bestimmung - die Bewerbung um das Mandat nicht aufzählt, kann daraus jedenfalls nicht abgeleitet werden, im Rahmen der kündigungsrechtlichen Bestimmungen beziehe der Begriff des Mandats für sich genommen die Bewerbung ein. Die Vorverlagerung des Kündigungsschutzes unter Einschluss „bloßer“ Mandatsbewerber folgt inzident aus § 3 Abs. 3 Satz 3 [X.], wonach der Kündigungsschutz mit der Aufstellung des Wahlvorschlags beginnt. Soweit der Kläger seine gegenteilige Auffassung insbesondere auf die Formulierung „wegen des Erwerbs …“ stützt, übersieht er, dass das Gesetz insoweit Regelungen in § 21 [X.] Rechnung trägt, die den Mandatserwerb ohne Annahmeerklärung als Regelfall vorsehen (vgl. dazu [X.]. 16/7461 S. 23; insoweit auch zu entsprechenden Regelungen in § 2 [X.] aufgrund von § 45 BWG).

dd) Für das gefundene Ergebnis spricht die Entstehungsgeschichte des [X.].

(1) Die Regelungen im [X.] lehnen sich weitgehend an die Vorschriften des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des [X.] an ([X.]gesetz - [X.], [X.]. 8/362 S. 2). Für die Auslegung von § 3 [X.] kann deshalb ergänzend auf die Gesetzesmaterialen zu § 2 [X.] zurückgegriffen werden. Beide Vorschriften stimmen - auch in früheren Fassungen - nahezu wörtlich überein. Soweit § 2 Abs. 1 [X.] auf ein „Mandat im [X.]“ abstellt und nach § 2 Abs. 3 Satz 3 [X.] der Kündigungsschutz „mit der Aufstellung des Bewerbers durch das dafür zuständige Organ der [X.] oder mit der Einreichung des Wahlvorschlags“ beginnt, liegt darin kein relevanter Unterschied. Dementsprechend erschöpft sich die Begründung zu § 3 [X.], was den Kündigungsschutz betrifft, auch in dem Verweis auf § 2 [X.] als „Vorbild“ der Regelungen in § 3 [X.] ([X.]. 8/362 S. 6 f.).

(2) § 2 [X.] konkretisiert auf [X.] den verfassungsrechtlich durch Art. 48 Abs. 2 GG gewährleisteten Kündigungsschutz der [X.] im [X.]. Zugleich wird dieser Schutz sachlich auf nicht mandatsbedingte Kündigungen und zeitlich dahingehend ausgedehnt, dass der Schutz mit der Aufstellung als Bewerber beginnt und ein Jahr nach der Beendigung des Mandats endet. Ein Wille, in den nachwirkenden Schutz erfolglose [X.] einzubeziehen, ist den Gesetzesmaterialien ([X.]. 7/5531 S. 13) nicht zu entnehmen. Die dort enthaltene Formulierung, die Regelungen entsprächen „im Grundsatz“ dem Kündigungsschutz für Mitglieder des [X.] oder einer Personalvertretung nach dem [X.], schließt eine vollständige Angleichung des Schutzes gerade aus. Unabhängig davon ist der von mehreren Fraktionen des [X.]s eingesetzte Zweite Sonderausschuss in seinen Beratungen zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Mitglieder des [X.] ausdrücklich nicht der Empfehlung des [X.] gefolgt, den Kündigungsschutz nach § 2 Abs. 3 [X.] für die Dauer von sechs Monaten nach dem Wahltag auf nicht gewählte Bewerber auszudehnen (vgl. [X.]. 7/5903 S. 9). Die vom [X.] verabschiedete Fassung des [X.]gesetzes vom 18. Februar 1977 ([X.]) ist hinsichtlich § 2 wortidentisch mit den Beschlüssen des Zweiten Sonderausschusses.

ee) Das vorgenannte Auslegungsergebnis wird durch den so zum Ausdruck gekommenen Normzweck bestätigt.

(1) Die auf das Arbeitsverhältnis bezogenen Bestimmungen in § 3 [X.] und § 2 [X.] sollen besondere berufliche Risiken, die für abhängig Beschäftigte mit der Bewerbung und der Einnahme eines Sitzes im [X.] einhergehen, begrenzen (allgemein zum Mandatsschutz [X.] Mai 1985 - III ZR 4/84 - zu II 3 g der Gründe, BGHZ 94, 248). Die Normen gewährleisten, dass die berufliche Stellung den Bürger nicht von der politischen Beteiligung und Wahrnehmung parlamentarischer Aufgaben abhält und das Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber die Ausübung von staatsbürgerlichen Pflichten nicht beeinträchtigt (vgl. [X.] 11. Aufl. [X.] Rn. 25; [X.]. 7/5531 S. 13). Dadurch soll zugleich die [X.] abhängig Beschäftigter im Verhältnis zu anderen - etwa freiberuflich tätigen - Bewerbern und Parlamentariern gewahrt werden ([X.] Mai 1985 - III ZR 4/84 - aaO).

(2) Im Hinblick auf diesen Normzweck und vor dem Hintergrund möglicher Konflikte mit dem Arbeitgeber, die sich aus dem politischen Engagement ergeben könnten, sind [X.] in der Phase des Wahlverfahrens ähnlich schutzbedürftig wie ein Mandatsträger. Zudem erleichtert die Erstreckung des Kündigungsschutzes auf [X.] die Durchführung der Wahl zum [X.] dadurch, dass sie mutmaßlich die Bereitschaft von Arbeitnehmern zur Kandidatur erhöht.

(3) Ebenso erfordern die typischerweise bestehenden beruflichen Risiken von Arbeitnehmern, die ein Mandat im [X.] erlangt haben, einen nachwirkenden Kündigungsschutz. Seit Inkrafttreten des sog. [X.]es ([X.] vom 8. Oktober 1976) werden die Mitglieder des [X.] jeweils auf fünf Jahre gewählt. Dementsprechend sind bei einem Mandatsträger regelmäßig wesentlich längere Zeiten der Abwesenheit vom Arbeitsplatz zu erwarten als bei einem erfolglos gebliebenen Bewerber. Dies lässt nach dem Ende der [X.] grundsätzlich Anpassungsschwierigkeiten am Arbeitsplatz erwarten. Über Jahre hinweg auftretende Abwesenheitszeiten eines Arbeitnehmers gehen typischerweise mit einer Lockerung der Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher. Solche Umstände führen häufig zu einem erhöhten [X.] und damit verbundenen Belastungen des Arbeitsverhältnisses, zumal wenn organisatorische Änderungen im Betrieb hinzutreten (siehe auch [X.] 22. Oktober 2015 - 2 [X.] - Rn. 14, [X.]E 153, 102).

(4) Demgegenüber bestehen vergleichbare berufliche Risiken bei erfolglos gebliebenen [X.]n typischerweise nicht. Dies gilt auch dann, wenn sie den ihnen nach § 4 Abs. 1 [X.] zustehenden [X.] von bis zu zwei Monaten in Anspruch nehmen. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass durch eine solche Abwesenheit ernsthafte Anpassungsschwierigkeiten am Arbeitsplatz nach Beendigung der längstens zweimonatigen Abwesenheit nicht auftreten.

ff) Der von der Revision abstrakt beschriebene, nicht gänzlich auszuschließende Fall, dass sich ein Arbeitgeber nach Feststellung des Wahlergebnisses von einem erfolglos gebliebenen Bewerber aus Gründen zu trennen sucht, die mit der Bewerbung in Zusammenhang stehen, gebietet jedenfalls nicht eine zeitlich beschränkte Nachwirkung des an die bloße Stellung als [X.] anknüpfenden Kündigungsschutzes nach § 3 Abs. 3 Sätze 2 und 3 [X.]. Vielmehr sind Arbeitnehmer im [X.] an eine gescheiterte Kandidatur durch das allgemeine Benachteiligungsverbot (§ 3 Abs. 2 [X.]) vor Kündigungen, die durch ihre vormalige Bewerbung motiviert sind, hinreichend geschützt.

gg) Das Auslegungsergebnis ist unionsrechtskonform. Weder in Art. 223 bis 234 und Art. 314 AEUV noch im sog. [X.] oder dem mit Wirkung vom 17. Juli 2009 in [X.] getretenen [X.]statut des [X.] sind Bestimmungen enthalten, die es als erforderlich erscheinen lassen, [X.] zum [X.] auf [X.] nach der Feststellung der Erfolglosigkeit ihrer Kandidatur vor Kündigungen im Arbeitsverhältnis allein aufgrund der Bewerbung besonders zu schützen.

c) Für eine analoge Anwendung von § 3 Abs. 3 Satz 4 [X.] auf erfolglos gebliebene Mandatsbewerbungen ist kein Raum (aA, allerdings ohne nähere Begründung, [X.]/[X.] Das [X.] Bundesrecht I A 26, S. 13 [zu § 2 Abs. 3 [X.]]). Es fehlt - wie gezeigt - an Anhaltspunkten für eine unbewusste Regelungslücke und an einer Vergleichbarkeit der Interessenlagen als Voraussetzungen einer den Wortsinn überschreitenden Gesetzesanwendung (dazu etwa [X.] 11. November 2009 - 7 [X.] - Rn. 22, [X.]E 132, 232).

III. [X.] ist nicht nach § 2 Abs. 4 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der [X.] vom 16. Oktober 1978 ([X.] BR - [X.]. GBl. 1978, 209) idF der Bekanntmachung vom 21. Juni 2011 ([X.]. GBl. S. 385) iVm. § 134 BGB unwirksam. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger mit dieser erstmals in der Revisionsinstanz erhobenen Rüge nach § 6 Satz 1 [X.] im vorliegenden Verfahren ausgeschlossen ist. Der Anwendungsbereich der Kündigungsbeschränkungen nach § 2 Abs. 4 [X.] BR ist im Streitfall nicht eröffnet. Diese gelten bereits nach ihrem Wortlaut nur für Mitglieder der [X.] und nicht für die Arbeitsverhältnisse von Mandatsträgern im [X.] und/oder Bewerbern um ein solches Mandat. Der [X.]ische Gesetzgeber hat nur das [X.] (§ 2 Abs. 2 [X.] BR) auf die [X.] für eine gesetzgebende Körperschaft eines anderen Landes erstreckt. Dass dies gleichermaßen für den nachwirkenden Kündigungsschutz (§ 2 Abs. 4 [X.] BR) gelten soll, ist nicht ersichtlich. Der für Bewerber um ein Mandat im [X.] geltende Kündigungsschutz ist vielmehr in § 3 [X.] von dem für das Arbeitsrecht nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz zuständigen Bundesgesetzgeber abschließend ausgestaltet worden.

IV. Der hilfsweise nur für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellte Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

V. Die Kosten seiner erfolglosen Revision hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

    Niemann    

        

        

        

    Grimberg    

        

    Brossardt    

                 

Meta

2 AZR 79/16

18.05.2017

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, 3. März 2015, Az: 4 Ca 4292/14, Urteil

§ 3 Abs 3 S 1 EuAbgG, § 3 Abs 3 S 2 EuAbgG, § 3 Abs 3 S 3 EuAbgG, § 3 Abs 3 S 4 EuAbgG, § 1 Abs 1 EuAbgG, § 3 Abs 1 EuAbgG, § 3 Abs 2 EuAbgG, § 4 Abs 1 EuAbgG, § 2 AbgG, § 2 Abs 4 AbgG BR, § 1 KSchG, § 23 Abs 1 KSchG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.05.2017, Az. 2 AZR 79/16 (REWIS RS 2017, 10678)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10678

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