Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.12.2011, Az. 3 StR 427/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 78

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 427/11
vom
22. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen

wegen
versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung
u.a.

-
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-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des
Beschwerde-führers
und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag -
am 22.
Dezember 2011 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.] einstimmig beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-richts Hannover
vom
14.
September 2011, soweit es ihn betrifft,
im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückver-wiesen.
2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten
wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverlet-zung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Unterbringung des unter einer Polytoxikomanie und einem organischen Psy-chosyndrom nach Schädelhirntrauma leidenden Angeklagten in einer Entzie-hungsanstalt oder einem psychiatrischen Krankenhaus hat es abgelehnt. Die gegen seine Verurteilung gerichtete und auf die Verletzung materiellen Rechts 1
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gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtli-chen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet (§
349 Abs.
2 [X.]).
Während das [X.] die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt rechtsfehlerfrei abgelehnt hat, weil es an der nach §
64 Satz
2 StGB erforderlichen Erfolgsaussicht für diese Maßregel fehlt, halten die Erwägungen, mit denen es
die Unterbringung des Angeklagten in einem psy-chiatrischen Krankenhaus ausgeschlossen hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Nach den Feststellungen des [X.] befand sich der [X.] "zum Tatzeitpunkt aufgrund einer Kombination aus dem bestehenden orga-nischen Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma" und einer "akuten Mischin-toxikation in einem Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß §
21 StGB". Er ist "auch länger dauernd psychisch erkrankt". Dennoch hat das [X.] -
das im Rahmen seiner Ausführungen zu §
64 StGB die Gefähr-lichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit bejaht hat -
dessen Unterbrin-gung in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt; denn das organische Psychosyndrom führe weder zu einer gesteigerten Aggressivität noch zu einer gesteigerten Affektivität mit unkritischen Affekthandlungen. Die Erkrankung er-fülle "weder isoliert betrachtet noch in Kombination mit der bestehenden Poly-toxikomanie den Grad eines [X.] im Sinne des §
20 StGB".
2. Diese Erwägungen tragen die Ablehnung der Unterbringung des [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht. Es erschließt sich, ins-besondere im Zusammenhang mit den übrigen Urteilsgründen, nicht, welche Voraussetzung des §
63 StGB das [X.] als nicht gegeben erachtet.

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Sollte es gemeint haben, Bedingung der Anordnung sei, dass der Täter die rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen habe, lag darin eine Verkennung der Voraussetzungen des §
63 StGB, nach dem es ge-nügt, wenn bei Begehung der Tat erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des §
21 StGB sicher vorgelegen hat; dies war hier der Fall. Sollte es dagegen der Auffassung gewesen sein, es fehle an einem Eingangstatbestand des §
20 StGB, steht diese -
nicht näher belegte -
Annahme in Gegensatz zu der Feststellung, der Angeklagte sei im Tatzeitpunkt in seiner Steuerungsfähig-keit im Sinne des §
21 StGB und damit aus einem der in §
20 StGB bezeichne-ten Gründe erheblich vermindert gewesen. Soweit mit dem Hinweis auf das Fehlen einer gesteigerten Aggressivität und Affektivität gegebenenfalls die
von §
63 StGB vorausgesetzte Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit verneint werden sollte, ließe dies zum einen die Feststellungen zum Ablauf der abgeurteilten Tat außer Betracht und stünde zum anderen in einem unaufge-lösten Widerspruch zu der bei der Prüfung des §
64 StGB dargelegten Gefähr-lichkeitsprognose.
3. Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiat-rischen Krankenhaus muss daher neu entschieden werden. Um dem neuen Tatrichter eine insgesamt stimmige Entscheidung zu ermöglichen, hebt der [X.] das angefochtene Urteil auch insoweit auf, als das [X.] -
für sich rechtsfehlerfrei -
die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsan-stalt abgelehnt hat. Dem steht insgesamt nicht entgegen, dass nur der Ange-klagte Revision eingelegt hat (s.
§
358 Abs.
2 Satz
3 [X.]). Er hat das Unter-bleiben einer Unterbringungsanordnung nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen. Es kann daher dahinstehen, ob dies im Hinblick auf §
63 StGB überhaupt wirksam möglich wäre (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
September 5
6
-
5
-
2002 -
2
StR
335/02, NStZ-RR
2003, 18; [X.], [X.], 54.
Aufl., §
331 Rn.
22 [X.]).
Gleichzeitig ist der Strafausspruch mit den dazu getroffenen Feststellun-gen aufzuheben. Der [X.] kann unter den gegebenen Umständen nicht aus-schließen, dass das [X.] im Falle der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entzie-hungsanstalt eine geringere Strafe verhängt hätte. Der neue Tatrichter wird [X.] über den gesamten Rechtsfolgenausspruch nochmals zu befinden und zu erwägen haben, ob es einen anderen Sachverständigen zuzieht. Zur Frage der Unterbringung des [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus, wenn seine Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit bei der Tat auf einer Kombination von Suchtmittelintoxikation oder -abhängigkeit und einer sonstigen psychischen Störung beruht, verweist der [X.] vorsorglich auf die Kommentierung bei [X.] (StGB, 59.
Aufl., §
63 Rn. 9
ff. [X.]).
Der Schuldspruch kann bestehen bleiben, weil eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung sicher nicht vorgelegen hat.
[X.] von [X.]Schäfer

Mayer Menges
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8

Meta

3 StR 427/11

22.12.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.12.2011, Az. 3 StR 427/11 (REWIS RS 2011, 78)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 78

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