Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.08.2003, Az. 4 StR 147/03

4. Strafsenat | REWIS RS 2003, 1977

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[X.] StR 147/03vom5. August 2003in der Strafsachegegenwegen vorsätzlichen Vollrauscheshier: Anfrage gemäß § 132 Abs. 3 GVG- 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat am 5. August 2003 beschlossen:Der [X.] beabsichtigt zu entscheiden:Bei einer Verurteilung nach § 323 a StGB kommt die Anord-nung der Unterbringung in einem psychiatrischen Kranken-haus trotz uneingeschränkt schuldhaften [X.] je-denfalls dann in Betracht, wenn der Täter andernfalls in [X.] untergebracht werden müßte.Der [X.] fragt bei den anderen Strafsenaten des [X.] an, ob an möglicherweise entgegenstehenderRechtsprechung festgehalten wird.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen vorsätzlichenVollrausches zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten ver-urteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die [X.] materiellen Rechts - insbesondere die Maßregelanordnung - rügt.1. Nach den Feststellungen des [X.] liegt beim [X.] vor; er ist seit Jahrzehnten [X.]. Im Bundeszentralregister befinden sich für ihn 23 Eintragungen; die diesenzugrundeliegenden Straftaten beging der Angeklagte, soweit sie gewichtig [X.], stets unter [X.]. Mehrjährige Unterbringungen in einer Entzie-hungsanstalt waren ohne Erfolg.- 3 -Am Tattag nahm der Angeklagte wieder Alkohol zu sich; seine [X.] zur Tatzeit betrug 4,02 ›. In diesem Zustand mißhandelte ereinen Zechgenossen durch Schläge mit der Faust und einer Taschenlampesowie durch Fußtritte, so daß dieser u.a. ein Schädelhirntrauma und mehrereGesichtsfrakturen erlitt.Die sachverständig beratene [X.] geht [X.] insoweit rechtsfehler-frei - davon aus, daß der Angeklagte bei [X.] ([X.]: im Zeitpunkt des"[X.]") voll schuldfähig war. Die Rauschtat (gefährliche Körper-verletzung) habe er im Zustand erheblich verminderter, möglicherweise völligaufgehobener Steuerungsfähigkeit begangen.Die Voraussetzungen für die gemäß § 66 Abs. 1 StGB angeordnete Si-cherungsverwahrung liegen vor. Die Unterbringung des Angeklagten in einerEntziehungsanstalt (§ 64 StGB) hat das [X.] rechtsfehlerfrei abgelehnt,weil sie keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Die Unterbringung in einempsychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat es unter Hinweis auf die Recht-sprechung des 5. Strafsenats des [X.] (NStZ 1996, 41) mit [X.] abgelehnt, diese komme nur dann in Betracht, wenn die Tat, d.h.das Sichberauschen, im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der vermindertenSchuldfähigkeit begangen wurde, was aber hier nicht der Fall gewesen sei.2. Die Revision beanstandet die Maßregelentscheidung mit folgen[X.]:Als "ultima ratio" habe die Sicherungsverwahrung erst dann angeordnetwerden dürfen, wenn § 63 StGB nicht anwendbar wäre. Die Anwendbarkeit der- 4 -Vorschrift habe das [X.] aber rechtsirrig verneint. Es sei nämlich nurunter Anwendung des [X.] zu dem Ergebnis gelangt, daß [X.] - wegen möglicher Schuldunfähigkeit - nicht wegen gefährlicherKörperverletzung, sondern wegen Vollrausches zu bestrafen sei. Bei der [X.], welche Maßregel gegen den Angeklagten zu verhängen ist, habe [X.] nicht an dieser in-dubio-pro-reo-Annahme festhalten dürfen, [X.] sich hier zum Nachteil des Angeklagten auswirkte; denn der Angeklagtehabe die Rauschtat - gefährliche Körperverletzung - unzweifelhaft im Zustandder verminderten Schuldfähigkeit begangen, so daß die [X.] des § 63 StGB (die zweifelsfreie Feststellung des § 21 StGB) erfüllt ge-wesen sei. Das Festhalten am [X.] im Hinblick auf den Schuldspruch -die ([X.] sei möglicherweise im Zustand der Schuldunfähigkeit began-gen worden - auch bei der Maßregelentscheidung stelle eine Verletzung [X.] in dubio pro reo dar.3. Der [X.] hält das Vorbringen der Revision im Ergebnis für begrün-det. Der Argumentation des Beschwerdeführers könnte jedoch Rechtsprechungdes [X.] entgegenstehen.a) In seinem Beschluß vom 18. Mai 1995 - 5 StR 239/95 (= NStZ 1996,41) hat der 5. Strafsenat entschieden, daß bei einer Unterbringung in einempsychiatrischen Krankenhaus anläßlich einer Verurteilung wegen [X.] Tatrichter davon überzeugt sein muß, daß das Vergehen nach § 323 aStGB - die Alkoholaufnahme - im Zustand der (zumindest) vermindertenSchuldfähigkeit begangen worden ist. Dieser Rechtsprechung haben sich [X.] (Beschluß vom 16. Dezember 1997 - 1 StR 735/97), der 2. [X.] (Beschlüsse vom 20. September 1995 - 2 StR 441/95 - und vom 26. [X.] 5 -1996 - 2 [X.] = NStZ-RR 1997, 102) und der erkennende [X.] (Be-schluß vom 4. Februar 1997 - 4 [X.] = NStZ-RR 1997, 299, 300) ange-schlossen. Auch im Schrifttum wird ihr zugestimmt (vgl. nur [X.] in [X.], StGB 26. Aufl. § 63 Rdn. 10; [X.]/[X.] in [X.] [X.]O § 323 a Rdn. 34; Tröndle/[X.], StGB 51. Aufl. § [X.]. 10; [X.]/Kühl, StGB 24. Aufl. § 63 Rdn. 3). Der genannten [X.] könnte der Grundsatz entnommen werden, daß bei einer Verurteilungwegen Vollrausches eine Unterbringung nach § 63 StGB nur in [X.], wenn der Angeklagte das Vergehen nach § 323 a StGB im Zustand derverminderten Schuldfähigkeit begangen hat, daß somit für die Unterbringungs-anordnung die Schuldfähigkeitsbeurteilung im Hinblick auf die [X.] ist (abweichend: [X.], Urteil vom 4. Juli 1995 - 1 StR 256/95, wo fürdie Frage der Unterbringung nach § 63 StGB auf die [X.]) Dem könnte der [X.] nicht folgen:[X.]) [X.] (§ 323 a StGB) hat den [X.] ([X.]St 32, 48, 50, 51, 52). Zwischen [X.] besteht ein innerer Zusammenhang. Dieser zeigt sich etwa inder Bedeutung der Rauschtat als Bedingung der Strafbarkeit ([X.]St 16, 124,127), in der Abhängigkeit von Strafantrag, Ermächtigung oder Strafverlangen(§ 323 a Abs. 3 StGB) und in der Regelung des § 323 a Abs. 2 StGB, wonachdie Strafe nicht schwerer sein darf als die Strafe, die für die im Rausch began-gene Tat angedroht ist. Insgesamt zeigt die Struktur des Tatbestands, daß [X.] die Verurteilung wegen Vollrausches nicht "schärfer" gewertetwissen wollte als die Verurteilung wegen der Rauschtat ([X.] NStZ 1993, [X.] -82); zwischen Vollrausch und Rauschtat besteht vielmehr ein Stufenverhältnis,das die Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo rechtfertigt ([X.]St 32,48, 56 f.). Für die Rechtsfolgenentscheidung bedeutet dies, daß dem Ange-klagten kein Nachteil dadurch erwachsen darf, daß er nicht wegen [X.], sondern wegen Vollrausches verurteilt wird (vgl. [X.] NStZ 1993,81, 82; [X.], 18; [X.]/[X.] [X.]O § 323 a Rdn. 29).bb) Wäre der Angeklagte wegen im Zustand erheblich verminderterSchuldfähigkeit begangener gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden,so wäre seine Unterbringung nach § 63 StGB möglich gewesen. Dies kann,jedenfalls sofern es - wie hier - zugunsten des Angeklagten wirkte, nicht da-durch ausgeschlossen werden, daß er wegen Vollrausches verurteilt wird.cc) Der [X.] ist der Auffassung, daß das [X.] die [X.] Rechtsprechung des [X.], wonach es bei einer Unterbrin-gung in einem psychiatrischen Krankenhaus anläßlich einer Verurteilung nach§ 323 a StGB darauf ankommt, daß die Alkoholaufnahme im Zustand der ([X.]) verminderten Schuldfähigkeit erfolgt ist, zu eng gesehen und den[X.] verkannt hat. Da in dem der Anfrage zugrundeliegenden Fallmöglicherweise sowohl die Voraussetzungen des § 63 StGB (vgl. [X.]St 44,338 ff.) als auch die des § 66 StGB vorliegen, hätte die [X.] nach § 72Abs. 1 StGB der Maßregel den Vorzug geben müssen, die den Angeklagten amwenigsten beschwert (vgl. [X.]R StGB § 63 Konkurrenzen 3).4. Im übrigen hat der [X.] grundsätzliche Bedenken, ob an der Recht-sprechung festzuhalten ist, daß bei § 323 a StGB Anknüpfungspunkt der für [X.] nach § 63 StGB vorausgesetzten sicheren Feststellung des § 21- 7 -StGB ([X.]St 34, 22, 26) das —Sichberauschenfi [X.] die Alkoholaufnahme [X.] undnicht auch die Rauschtat ist; denn selbst der wegen Schuldunfähigkeit im [X.] auf die Rauschtat Freigesprochene kann nach § 63 StGB untergebrachtwerden. Die jetzige Rechtsprechung begünstigt den wegen Vollrausches ver-urteilten (Rausch-)Hangtäter gegenüber dem Freigesprochenen; dies ist einunüberbrückbarer Widerspruch.Die Frage muß aber nicht entschieden werden, weil nach [X.] [X.]s auch auf dem Boden der bisherigen Rechtsprechung eine Unter-bringung des Angeklagten nach § 63 StGB möglich ist.Der [X.] fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob [X.] [X.]e dem Anfragetenor entgegensteht, gegebenenfalls, ob an dieserfestgehalten wird.M[X.]tz Kuckein [X.] am Bundesgerichtshofverhindert zu unterschreiben. M[X.]tz Ernemann

Meta

4 StR 147/03

05.08.2003

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.08.2003, Az. 4 StR 147/03 (REWIS RS 2003, 1977)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1977

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