Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.01.2011, Az. IX R 26/10

9. Senat | REWIS RS 2011, 10065

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Gegenstand

Keine steuerlich begünstigte Abfindung bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses eines Postbeamten mit einer ehemaligen Telekom-Tochter bei Wiederaufleben des bloß ruhenden früheren Dienstverhältnisses zur Telekom


Leitsatz

NV: Wird ein bei der Telekom beschäftigter Postbeamter von seinem Dienstherrn beurlaubt und geht ein Arbeitsverhältnis mit einem früheren Tochterunternehmen der Telekom ein, so ist die Abfindung, die er im Zuge der Aufhebung dieses Arbeitsverhältnisses erhält, steuerrechtlich nicht nach § 3 Nr. 9 EStG begünstigt, wenn das Dienstverhältnis mit der Telekom nahtlos wieder auflebt .

Tatbestand

1

I. Der [X.]läger und Revisionskläger ([X.]läger) war als Postbeamter bei der [X.] beschäftigt. Seit dem 1. Oktober 1999 war er von seinem Dienstherrn beurlaubt worden und vom 1. Oktober 1999 bis zum 30. April 2004 aufgrund eines unbefristeten Arbeitsvertrags bei der [X.], einem früheren Tochterunternehmen der [X.], als Arbeitnehmer beschäftigt. In der [X.] vom 1. Mai 2004 bis zum 30. Dezember 2006 war der [X.]läger wieder bei der [X.] beschäftigt und befindet sich seither --auf seinen Antrag-- im Ruhestand.

2

Im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen, die mit einem Personalabbau einhergingen, bot die [X.] einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern an, einen Auflösungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung abzuschließen. Dieses Angebot nahm der [X.]läger an und erhielt im Streitjahr (2004) eine Abfindung in Höhe von 32.000 €.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte diese Abfindung bei der Veranlagung des [X.]lägers zur Einkommensteuer und berechnete die darauf entfallende Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.[X.] (EStG), ohne indes einen Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG anzusetzen. Einspruch und [X.]lage blieben erfolglos.

4

Das Finanzgericht ([X.]) führte zur Begründung aus, § 3 Nr. 9 EStG sei teleologisch zu reduzieren und dann nicht anzuwenden, wenn dem Arbeitnehmer unter keinem denkbaren Gesichtspunkt, das heißt nicht einmal theoretisch ein Arbeitsplatzverlust drohe. In einem derartigen Fall sei die der Vorschrift zugrunde liegende sozialstaatliche Motivation nicht berührt. Auch im Streitfall sei letztlich kein Arbeitsplatzverlust eingetreten, weil infolge der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ein anderes, bislang ruhendes Beschäftigungsverhältnis wieder auflebe.

5

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.]lägers, mit der er sich gegen die seiner Auffassung nach unzulässige teleologische Reduktion des § 3 Nr. 9 EStG wendet. Der Gesetzgeber gehe in typisierender Weise davon aus, dass der Verlust des Arbeitsplatzes ein Nachteil sei. Die Absicherung des [X.]lägers (keine Bedrohung durch Arbeitslosigkeit) könne nicht für eine einschränkende Auslegung des § 3 Nr. 9 EStG herangezogen werden. Wenn das [X.] überdies die Drucksituation des [X.]lägers in Frage stelle, verletze es sein rechtliches Gehör.

6

Der [X.]läger beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des [X.] vom 7. März 2006 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 29. Juni 2005 zu ändern, indem die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Berücksichtigung eines Freibetrags nach § 3 Nr. 9 EStG von 7.200 € bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neu festgesetzt wird.

7

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Zutreffend hat das [X.] die Voraussetzungen des § 3 Nr. 9 EStG verneint.

9

Nach § 3 Nr. 9 EStG sind Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten Auflösung des Dienstverhältnisses höchstens bis zu 7.200 € steuerfrei.

a) Die Auflösung des Dienstverhältnisses verlangt dessen Beendigung. Wechselt der Arbeitgeber, wird eine rein formale Betrachtung der Zielsetzung des § 3 Nr. 9 EStG (sozialpolitisch begründeter Ausgleich der Folgen eines Arbeitsplatzverlustes) nicht gerecht. Entscheidend für die steuerrechtliche Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals ist vielmehr, wie die Beteiligten nach den Umständen des Einzelfalles die Umsetzung des Arbeitnehmers ausgestaltet haben. Wird das bestehende Dienstverhältnis beim Umsetzen eines Arbeitnehmers innerhalb eines [X.]onzerns oder anlässlich eines Betriebsübergangs zwar mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des [X.] Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt, so ist ein Arbeitsplatzverlust, der eine steuerfreie Abfindung rechtfertigen könnte, nicht gegeben (vgl. die ständige Rechtsprechung des [X.], z.B. Urteile vom 2. April 2008 [X.], [X.], 1325; vom 13. Dezember 2005 [X.], [X.], 1071, jeweils m.w.N.).

b) Nach diesen Maßstäben hat der [X.]läger --wie das [X.] zutreffend entschieden hat-- seinen Arbeitsplatz nicht verloren und erfüllt deshalb nicht das Tatbestandsmerkmal der "Auflösung des Dienstverhältnisses".

Dazu hat das [X.] für den Senat nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindend festgestellt: Der [X.]läger war und blieb Bundesbeamter. Sein Dienstverhältnis zur [X.] ruhte seit dem 1. Oktober 1999 nur und lebte nach der Aufhebung des Arbeitsvertrags mit der [X.] wieder auf. Er musste zu keinem Zeitpunkt einen Arbeitsplatzverlust befürchten.

Daraus folgt: Der [X.]läger hat seinen Arbeitsplatz nicht verloren. Er verwirklicht nicht den Tatbestand des § 3 Nr. 9 EStG und kann deshalb die Steuerbegünstigung für Abfindungen nicht beanspruchen.

c) Da es bereits am Tatbestandsmerkmal der Auflösung des Dienstverhältnisses fehlt, ist unerheblich, ob der Arbeitgeber ([X.]) die Aufhebung des Arbeitsvertrags mit dem [X.]läger veranlasst hat. Deshalb kommt es auch auf den in diesem Zusammenhang gerügten Verfahrensmangel einer Verletzung rechtlichen Gehörs nicht an.

Meta

IX R 26/10

26.01.2011

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 4. Mai 2010, Az: 1 K 1069/06, Urteil

§ 3 Nr 9 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.01.2011, Az. IX R 26/10 (REWIS RS 2011, 10065)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10065

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10 Sa 869/02 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


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