Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2014, Az. 2 StR 94/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 4272

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2
StR 94/14

vom
7. Juli 2014
in der Strafsache
gegen

wegen
Vergewaltigung u.a.

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2
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Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 7. Juli 2014
gemäß § 349 Abs.
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[X.] beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2013
mit den [X.] aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein-heit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren
verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. a) Nach den Feststellungen des [X.] folgte der Angeklagte der 44jährigen

B.

, die er kurz zuvor an der Theke eines [X.] zum ersten Mal
angesprochen hatte, in den Vorraum der dortigen Toilette und verlangte von ihr,

B.

lehnte ab

Ruhe zu lassen. Der Angeklagte drückte den
Kopf der sich sträubenden Geschädigten hinunter und zwang sie 1
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wehrte sich. Es gelang ihr, sich wegzudrehen. Sie bat den Angeklagten wei-nend, er möge sie in Ruhe lassen.
Der Angeklagte griff ihr jedoch fest an das T-Shirt, das dabei einriss, und stieß sie gegen die [X.], um den Oral-verkehr fortzusetzen. Auch schlug er mehrfach auf die Geschädigte ein. Als die Barfrau des Lokals
wegen lauter Schreie im Toilettenraum erschien, ließ der Angeklagte von der Geschädigten ab.
b) Der Angeklagte hat die Tat in Abrede gestellt. Mit der Geschädigten, die ihm unbekannt gewesen sei, habe er zwar ein paar Worte gewechselt; er habe sie weder im Toilettenraum getroffen noch dort vergewaltigt.
Die [X.] ist dieser Einlassung nicht gefolgt. Dass der Angeklagte auf die Geschädigte eingeschlagen und seinen erigierten Penis in Höhe des Gesichts der vor ihm knieenden Geschädigten gehalten habe, habe auch die (tatunbeteiligte) glaubwürdige
Barfrau
bezeugt. Die in Augenschein genomme-der Geschehnissen-bereich folgte, einige Minuten später die Barfrau nachkam und wenige Sekun-den darauf die Geschädigte mit zerrissenem T-Shirt im Gastraum erschien und eilig das Lokal verließ.
Schließlich habe die glaubwürdige
Geschädigte das [X.]

so wie festgestellt

geschildert, insbesondere hinsichtlich des ihr gegenüber erzwungenen Oralverkehrs.
2. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die er-hobene Verfahrensrüge, mit der die Verletzung des § 261 [X.] gerügt wird, weil sich das [X.] im Urteil nicht mit der in Augenschein genommenen Videoaufzeichnung erschöpfend auseinandergesetzt habe, und der aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 21.
März 2014
in der Sache kein Erfolg beschieden wäre, kommt
es deshalb nicht an.
Der [X.] 3
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kann demzufolge auch dahingestellt sein lassen, ob dem [X.] nicht (auch) die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 [X.]) zu entnehmen sein könnte.
a) Die durch das [X.] vorgenommene Beweiswürdigung hinsicht-lich des sexuellen Übergriffs des Angeklagten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
aa) Die Beweiswürdigung ist allein Sache des Tatrichters (§ 261 [X.]). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich deshalb darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft
oder widersprüchlich ist

(st. Rspr.; vgl. die Nachweise bei [X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., § 261 Rdn. 3
und
38). Die Beweiswürdigung ist auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden (vgl. etwa [X.], Urteil vom 21.
November 2006

1 [X.], Rn. 13, zit. nach juris).
Bei einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation hat der Tatrichter zudem grundsätzlich im Wege einer umfassenden Gesamtwürdigung alle möglicherweise entscheidungsbeein-flussenden Umstände darzustellen und in seine Überlegung einzubeziehen
(vgl. etwa [X.], Beschluss vom 30. August 2012

5 [X.], [X.], 19; [X.]/[X.], aaO, Rdn. 11a, jeweils mwN).
[X.]) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Soweit es den erzwungenen Oralverkehr betrifft, ist die Geschädigte al-leinige Zeugin; außerhalb ihrer Zeugenaussage bestehende Indizien
für einen vollendeten sexuellen Übergriff des Angeklagten sind nicht ersichtlich.
Die [X.] hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung auch damit
befasst, ob der Angeklagte die Geschädigte

wie von ihr behauptet

zeitgleich vaginal zu vergewaltigen versucht
habe;
dieses Geschehen hat das [X.] indes 6
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nicht mit der erforderlichen Sicherheit als bewiesen
erachtet. Denn nicht [X.] sei, dass die Geschädigte, die zum Tatzeitpunkt unter Drogeneinfluss (Alkohol und Kokain) gestanden habe,
in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit beein-trächtigt
gewesen sei. Soweit es dagegen den erzwungenen Oralverkehr be-trifft,
sei

so das [X.]

die Aussage der Geschädigten im Kern glaub-haftnter Alkohol-
und Drogeneinfluss stand, so hatte sie daran doch zu keiner [X.] einen Zweifel gelassen, sondern es von Anfang an als stets im Vordergrund stehenden und für sie besonders bedrü-

Mit dieser für sich genommen schon kaum nachvollziehbaren Bewertung
wird die unterschiedliche Behandlung beeinträchtigter Wahrnehmungsfähigkeit der Geschädigten, die zudem

was das [X.] freilich gesondert erörtert

habe, nicht widerspruchsfrei dargelegt.
Die Bewertung des [X.], der (von der Geschädigten behauptete) erzwungene Oralverkehr sei gegenüber dem (von ihr behaupteten) erzwungenen Vaginalverkehr ein bedrückenderer Umstand gewesen, ist nicht mit Anknüpfungstatsachen belegt. Dieser Schluss liegt auch nicht auf der Hand. Weshalb die Aussage der Geschädigten trotz be-einträchtigter
Wahrnehmungsfähigkeit gleichwohl im festgestellten Umfang als glaubhaft angesehen wurde, erschließt sich nicht.
Hinzu kommt
hier, dass es an einer geschlossenen Darstellung der [X.] der Geschädigten bei der Polizei fehlt.
Zwar ist der Tatrichter grundsätz-lich nicht gehalten, im Urteil Zeugenaussagen in allen Einzelheiten wiederzuge-ben. In Fällen, in denen

wie hier

zum Kerngeschehen Aussage gegen [X.] steht, muss aber der entscheidende Teil einer Aussage in das Urteil [X.] werden, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen [X.] ansonsten die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswür-10
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digung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist (vgl. [X.], Urteil vom 10. August 2011

1 [X.], [X.], 110, 111).
Zwar stellt das [X.] die Aussage der Geschädigten in der [X.] dar; die Darstellung ihrer Aussage bei der Polizei beschränkt sich indes auf die Wiedergabe und die Bewertung einzelner aus dem [X.] der Aussage gerissener Angaben. Etwaige Bekundungen der Geschädigten zum Kerngeschehen
werden dagegen nicht mitgeteilt.
Auf dieser Grundlage kann der [X.] nicht hinreichend überprüfen, ob das [X.] eine fachgerechte Analyse der Aussage der Geschädigten zum Kerngeschehen vorgenommen und die dabei von ihr erwähnten "Abweichun-gen" zutreffend gewichtet hat (zur Gewichtung von [X.] und Wi-derspruchsfreiheit vgl. [X.], Urteil vom 23. Januar 1997

4 StR 526/96, [X.], 172).
b) Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Vergewaltigung lässt auch die

von diesem Rechtsfehler nicht betroffene

Verurteilung wegen der tatein-heitlich dazu begangenen (vorsätzlichen) Körperverletzung entfallen ([X.] in KK-[X.], 7. Aufl., § 353 Rdn. 12 mwN).
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3. Die neu zur Entscheidung berufene [X.] wird sich ausführlich
mit allen Filmsequenzen der Videoaufzeichnung
der Überwachungskamera zu befassen haben.
Fischer [X.] Eschelbach

Ri'in[X.] Dr. Ott ist an Zeng

der Unterschriftsleistung

gehindert.

Fischer

15

Meta

2 StR 94/14

07.07.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2014, Az. 2 StR 94/14 (REWIS RS 2014, 4272)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4272

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 StR 394/12

1 StR 114/11

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