Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.02.2012, Az. 9 C 8/11

9. Senat | REWIS RS 2012, 8693

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Gegenstand

Fernstraßenrechtliches Anbauverbot; gegenüber einer Autobahnabfahrt errichtete Werbeanlage


Leitsatz

Das Anbauverbot für Anlagen der Außenwerbung "längs der Bundesfernstraßen" (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 6 Satz 1 FStrG) erfasst auch Standorte gegenüber von Autobahnabfahrten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er, ohne eine fernstraßenrechtliche Ausnahmegenehmigung zu benötigen, weniger als 40 m von dem Ende zweier Autobahnabfahrten entfernt Werbeschilder errichten darf.

2

Er betreibt in [X.] ein Schnellrestaurant, für das er in etwa 100 m bzw. 150 m Entfernung an der [X.] ([X.]) zwei Werbeschilder, die das Logo des Schnellrestaurants und darunter einen Schriftzug mit Richtungspfeil und Entfernungsangabe zeigen, anbringen ließ. Den Standorten der Werbeschilder gegenüber münden die Abfahrten der Anschlussstelle [X.] der [X.] in mehrspurigen [X.] auf die [X.]. Die Entfernung der Werbeschilder zur Einmündung der Abfahrten beträgt jeweils weniger als 40 m.

3

Mit Schreiben vom 22. Januar 2009 beantragte der Kläger beim Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen erfolglos die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Aufstellung der Werbeschilder. Seine Klage, mit der er in erster Linie die Feststellung begehrte, dass er für die Aufstellung der Schilder keiner Genehmigung bedürfe, und hilfsweise die Verpflichtung zur Erteilung der abgelehnten Ausnahmegenehmigung beantragte, wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25. August 2009 ab. Die Berufung des [X.] hiergegen hatte mit dem Hauptantrag Erfolg.

4

Das Oberverwaltungsgericht stellte mit Urteil vom 4. Mai 2011 (NVwZ-RR 2011, 723) fest, dass für die Aufstellung der Werbeschilder keine Ausnahmegenehmigung vom fernstraßenrechtlichen [X.] in Bezug auf die [X.] erforderlich sei. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Werbeschilder unterfielen dem [X.] schon deswegen nicht, weil sie nicht im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] "längs" der [X.] errichtet worden seien. Der Ausdruck "längs" werde gemeinhin im Sinne von "an der langen Seite, entlang der Längsseite" verstanden. Der Annahme, eine "quer" zur Fahrbahn angebrachte Werbeanlage befinde sich "längs" der Fahrbahn, stehe auch die Bezugnahme der Norm auf den "äußeren Rand der befestigten Fahrbahn" als Bezugsgröße für die Bemessung des Schutzstreifens entgegen. Ein solcher Rand fehle im Einmündungsbereich einer Autobahnabfahrt. Schon die Vorgängerregelung im [X.] habe mit der Bezugnahme auf den äußeren Rand des Grabens bzw. Straßenkörpers keine sich quer zur Einmündung erstreckenden Anlagen erfasst. Auch das Verbot in § 9 Abs. 6 Satz 2 [X.], Werbeanlagen an Brücken anzubringen, spreche dagegen, dass das [X.] in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] die "quer" zur Fahrbahn angebrachten Werbeschilder erfasse. Sinn und Zweck des [X.]s, Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs zu gewährleisten, rechtfertigten ein solches Verbot ebenfalls nicht. Im Einmündungsbereich einer Anschlussstelle bestehe wegen des deutlich verlangsamten Verkehrsablaufs, anders als an der freien Strecke einer Autobahn, keine besondere Gefährdungslage, die Baubeschränkungen rechtfertige.

5

Der Beklagte hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt und insbesondere geltend gemacht, der im Gesetz verwendete Begriff "längs" beziehe sich auf die [X.] und die ihr zugeordneten Anlagen als Ganzes. Zur [X.] gehörten die Richtungsfahrbahnen und die Anschlussstellen einschließlich der [X.] und Einfädelstreifen. Das Verbot, Werbung an Brücken anzubringen, gehe weiter als das [X.] in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.], da es Werbung ausnahmslos verbiete. Die Auslegung des Berufungsgerichts widerspreche dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs durch ein Werbeverbot an [X.] umfassend zu schützen. Die Schutzbedürftigkeit bestehe an den Anschlussstellen der Autobahnen sogar in erhöhtem Maße.

6

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des [X.] für das [X.] vom 4. Mai 2011 die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 25. August 2009 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,

die Revision des Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass an dem in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag nicht festgehalten wird.

8

Der Vertreter des [X.] beim [X.] beteiligt sich am Verfahren und unterstützt die Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet.

Das angegriffene Urteil beruht auf der Verletzung von [X.]recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass für die in Rede stehenden Werbeschilder im 40-m-Bereich der [X.] keine Ausnahmegenehmigung vom fernstraßenrechtlichen [X.] des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] erforderlich sei.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] dürfen längs der [X.] Hochbauten jeder Art in einer Entfernung bis zu 40 m bei [X.]en und bis zu 20 m bei [X.]straßen außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten, gemessen vom äußeren Rand der befestigten Fahrbahn, nicht errichtet werden. Nach § 9 Abs. 6 Satz 1 [X.] unterliegen Anlagen der Außenwerbung an [X.] dem [X.] unter denselben Voraussetzungen wie Hochbauten (vgl. Urteil vom 21. September 2006 - BVerwG 4 [X.] 9.05 - BVerwGE 126, 349 Rn. 8). Das angefochtene Urteil beruht auf der Annahme, das [X.] erfasse die von dem Kläger gegenüber den Autobahnabfahrten errichteten Werbeanlagen nicht, weil sie nicht im Sinne des Gesetzes "längs" der [X.] errichtet worden seien. Dieser Annahme ist nicht zu folgen.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] und der obersten Gerichtshöfe des [X.] ist für die Auslegung einer Norm maßgebend der in der Norm zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in dem sie steht ([X.], Beschluss vom 23. Oktober 1985 - 1 BvR 1053/82 - [X.]E 71, 108 <114> und Urteil vom 20. März 2002 - 2 BvR 794/95 - [X.]E 105, 135 <157>; BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - BVerwG 9 [X.] 389.94 - [X.] 402.25 § 26 AsylVfG Nr. 2 S. 2; [X.], Urteil vom 26. November 2008 - [X.]/05 - [X.]Z 179, 27 Rn. 20; [X.], Urteil vom 24. März 2009 - 9 [X.] - [X.]E 130, 119 Rn. 60). Dabei kommt im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht der grammatikalischen Auslegung eine herausgehobene Bedeutung zu; hier zieht der Wortsinn einer Vorschrift die [X.] ([X.], Beschluss vom 23. Oktober 1985 a.a.[X.] 114 f. und Urteil vom 20. März 2002 a.a.[X.]). Dies gilt auch, wenn eine Sanktionsnorm - wie § 23 Abs. 1 Nr. 8 [X.] - das bußgeldbewehrte Verhalten nicht selbst festlegt, sondern auf eine verwaltungsrechtliche Vorschrift verweist. In diesem Fall müssen beide Vorschriften in ihrer Gesamtheit sowie ihre Auslegung und Anwendung im Einzelfall den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG genügen (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Mai 1987 - 2 BvL 11/85 - [X.]E 75, 329 <340> und [X.] vom 17. November 2009 - 1 BvR 2717/08 - NJW 2010, 754 Rn. 15).

Die Auffassung des Beklagten, die streitgegenständlichen Werbeschilder befänden sich längs der [X.], wahrt die [X.] des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]. Soweit das Berufungsgericht für seine abweichende Auffassung unter Bezugnahme auf ein Wörterbuch darauf verweist, "längs" werde gemeinhin im Sinne von "an der langen Seite, entlang der Längsseite" verstanden und erfasse deshalb ein "quer" zur Fahrbahn aufgestelltes Werbeschild nicht, übersieht es zum einen, dass sich - wie der Beklagte unter Bezugnahme auf ein weiteres lexikographisches Werk geltend macht - "längs" im allgemeinen Sprachgebrauch nicht notwendig auf eine Längsseite beziehen muss, sondern sich in der Bedeutung von "entlang" oder "seitlich" und "seitwärts" erschöpfen kann. Zum anderen beachtet das Oberverwaltungsgericht nicht, dass sich die grammatikalische Auslegung nicht in der Ermittlung der Bedeutung der einzelnen im Gesetzestext verwendeten Wörter oder Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch oder der Fachsprache erschöpft. Die Bezugnahme auf den "Wortsinn einer Vorschrift" in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zur Beschreibung der im Wege der Auslegung unübersteigbaren [X.] bringt dies zum Ausdruck. Die Formulierung verdeutlicht die Notwendigkeit, den möglichen Wortsinn einzelner im Gesetzestext verwendeter Wörter und Begriffe in den Gesamtzusammenhang des Wortlauts einer gesetzlichen Regelung zu stellen. Hiervon ausgehend genügt es nicht, die Präposition "längs" isoliert zu betrachten und der Präposition "quer" gegenüberzustellen. Der gesetzliche Regelungsgehalt und damit auch die Grenzen des [X.] lassen sich so nicht hinreichend erschließen. Erforderlich ist es vielmehr, die gesetzliche Regelung insgesamt in den Blick zu nehmen. Dann wird deutlich, dass mit der Formulierung "längs der [X.]" und der Bestimmung des "äußeren Rand(es) der befestigten Fahrbahn" als Bezugspunkt für die Bemessung der 40-m-Verbotszone in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] der räumliche Geltungsbereich des [X.] festgelegt, aber keine Aussage dahin getroffen wird, dass "quer" zur Fahrbahn stehende Hochbauten und diesen gleichgestellte Anlagen der Außenwerbung nicht von dem Verbot erfasst werden. Für die Festlegung des räumlichen Geltungsbereichs des [X.] ist es vielmehr unerheblich, ob die vom Verbot erfasste Anlage selbst mit ihrer Längsseite oder ihrer Schmalseite und damit "längs" oder "quer" zur Autobahn steht.

Die Annahme, die vom Kläger errichteten Werbeschilder stünden "längs" der Autobahn, ist auch nicht deswegen mit dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] unvereinbar, weil es im Einmündungsbereich einer Autobahnabfahrt an einer Längsseite der Autobahn fehlte. Der Argumentation des [X.], aus der Formulierung "längs der [X.]" folge, dass der Schutzstreifen nur parallel der Richtungsfahrbahnen der Autobahn verlaufen könne, überzeugt nicht. Das Verbot des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] ist dem Gesetzeswortlaut nach nicht auf einen Streifen "längs" der Richtungsfahrbahnen der [X.] beschränkt. Der Gesetzestext knüpft das Verbot vielmehr ohne Einschränkungen an die "[X.]" und damit an einen zentralen Begriff des Fernstraßengesetzes an. Dieser umfasst den gesamten Straßenkörper (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 [X.]), also insbesondere die Fahrbahnen der [X.], einschließlich der Anschlussstellen (§ 1 Abs. 3 [X.]) der [X.]en. Mit ihrer Einbeziehung in die [X.]zone hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er eine umfassende Schutzzone für erforderlich hält, innerhalb derer ein absolutes [X.] gilt (vgl. Urteil vom 4. April 1975 - BVerwG 4 [X.] 55.74 - BVerwGE 48, 123 <129 f.>).

Die - in ähnlicher Weise bereits im [X.] enthaltene - Bezugnahme auf den "äußeren Rand der befestigten Fahrbahn" zur Bestimmung des Umfangs der Verbotszone von 40 m führt zu keiner anderen Beurteilung. Sie lässt ebenfalls nicht den Schluss zu, das [X.] erfasse bereits seinem Wortlaut nach den Standort der beiden Werbeschilder nicht. Die Annahme des Berufungsgerichts, ein solcher äußerer Fahrbahnrand der Autobahn sei im Bereich der Einmündung einer Autobahnabfahrt in das allgemeine Straßennetz nicht vorhanden, trifft nicht zu. Der äußere Rand der befestigten Fahrbahn wird hier durch den äußeren Fahrbahnrand der Straße bestimmt, an der die Autobahn auf das nachgeordnete Straßennetz trifft. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 3 der Verordnung über [X.] im Zuge von [X.] ([X.]kreuzungsverordnung - FStrKrV) vom 2. Dezember 1975 ([X.], 2985). Danach enden die zur [X.]fernstraße gehörenden Verbindungsarme zwischen der [X.]fernstraße am äußeren Fahrbahnrand der kreuzenden Straße bzw., soweit dort [X.] oder Einfädelstreifen vorhanden sind, am Anfang der Eckausrundungen der kreuzenden Straße. Der äußere Fahrbahnrand der kreuzenden Straße bzw. die in seiner Fortsetzung gedachte Linie bilden damit gleichzeitig den äußeren Rand der befestigten Fahrbahn der [X.]fernstraße im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]. In diesem Sinne ist die Formulierung "äußerer Rand der befestigten Fahrbahn" seit jeher von der Rechtsprechung verstanden und angewandt worden ([X.], Urteil vom 8. Juli 1968 - [X.] - NJW 1968, 2144; [X.], Beschluss vom 25. Juni 2008 - 5 Ss ([X.]) 109/08 u.a. - NStZ-RR 2009, 25).

Das in § 9 Abs. 6 Satz 1 [X.] in Bezug genommene [X.] des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] begegnet in dieser Auslegung auch gemessen an dem besonderen Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, das wegen der Bußgeldbewehrung von Zuwiderhandlungen gegen das [X.] (vgl. § 23 Abs. 1 Nr. 8 [X.]) zu beachten ist (vgl. hierzu [X.], [X.] vom 17. November 2009 a.a.[X.]), keinen Bedenken. Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit oder Bußgeldbewehrung so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Juni 1988 - 2 BvR 234/87, 2 BvR 1154/86 - [X.]E 78, 374 <382> und [X.] vom 19. Juni 2007 - 1 BvR 1290/05 - NVwZ 2007, 1172 <1173>). Das schließt die Verwendung von Begriffen, die der Deutung durch den [X.] bedürfen, nicht aus. Auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht bestehen gegen die Verwendung unbestimmter Begriffe dann keine Bedenken, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des [X.] oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Juni 1977 - 2 BvR 308/77 - [X.]E 45, 363 <371 f.>). So liegt es hier. Wie gezeigt übersteigt die Auslegung des [X.] durch den Beklagten nicht den möglichen Wortsinn der Vorschrift und entspricht der langjährigen gefestigten Rechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte. Für den Normadressaten lässt sich damit mit hinreichender Sicherheit vorhersehen, welches Verhalten verboten und bußgeldbewehrt ist.

2. Eine einschränkende Auslegung des [X.] in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] ist auch nicht aus Gründen der Gesetzessystematik geboten. Das Verbot, Anlagen der Außenwerbung an Brücken über [X.] außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten anzubringen (§ 9 Abs. 6 Satz 2 [X.]), lässt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht den Schluss zu, die streitgegenständlichen Werbeschilder würden nicht vom [X.] des § 9 Abs. 6 Satz 1 [X.] i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] erfasst.

Das Argument des Berufungsgerichts, bei einem weiten Verständnis des allgemeinen [X.] sei das spezielle Werbeverbot an Brückenbauwerken überflüssig, weil solche Werbeanlagen dann bereits als "längs" der Autobahn angebracht anzusehen seien, greift nicht durch. Anders als bei Werbeanlagen gegenüber von Anschlussstellen von [X.] ist der Gesetzgeber bei solchen Anlagen im Luftraum - auch wenn dieser ebenfalls zur [X.]fernstraße gehört (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 [X.]) - nicht mehr von einer Anbringung "längs" der Straße ausgegangen und hat deshalb eine ausdrückliche Sondervorschrift für Brücken geschaffen (vgl. BTDrucks 7/1265 S. 20). Unabhängig davon hat das Verbot deshalb eine eigenständige Bedeutung, weil es über das für Werbeanlagen entsprechend anwendbare allgemeine [X.] für Hochbauten hinausgeht: Es verbietet Werbeanlagen an allen Brückenbauwerken, die über [X.] führen, also auch dann, wenn sie außerhalb der 40-m-Zone für [X.]en und der 20-m-Zone für [X.]straßen liegen.

3. Auch soweit das Berufungsgericht der Auffassung ist, Sinn und Zweck des [X.] - Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf [X.] - würden ein Verbot in einer sich "quer" zur Straße erstreckenden Zone nicht rechtfertigen, vermag der Senat ihm nicht zu folgen. Zweck der [X.]e ist es, im Bereich der [X.] Bauten und sonstige Anlagen, insbesondere Werbeanlagen, zu verhindern, die durch eine Sichtbehinderung oder ihre ablenkende Wirkung die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs auf [X.]straßen und [X.]en beeinträchtigen könnten (Urteile vom 4. April 1975 a.a.[X.] und 21. September 2006 - BVerwG 4 [X.] 9.05 - BVerwGE 126, 349 Rn. 14; vgl. auch BTDrucks 7/1265 S. 20). Dieser Gesetzeszweck deckt auch ein [X.] entlang des [X.] einer Anschlussstelle einer [X.]. Dass wegen des dort regelmäßig langsameren Verkehrsgeschehens und der häufig anzutreffenden Lichtzeichenanlagen eine andere Verkehrssituation als auf der freien Strecke besteht, rechtfertigt nicht die Annahme des Berufungsgerichts, eine Werbeanlage in diesem Bereich sei nicht geeignet, eine (zusätzliche) potentielle Gefahrenquelle durch eine erhöhte Ablenkung der Verkehrsteilnehmer zu schaffen (ebenso [X.], Urteil vom 8. Juli 1968 a.a.[X.] 2145). Anschlussstellen von [X.]en verknüpfen das großräumige bzw. überregionale mit dem nachgeordneten Straßennetz und führen verschiedene Verkehre zusammen. Sie stellen dadurch erhöhte Anforderungen an die Aufmerksamkeit aller Verkehrsteilnehmer. Insbesondere die die Autobahn verlassenden Fahrer müssen sich nach oftmals längerer Fahrt mit hohen und sehr hohen Geschwindigkeiten auf die neue, komplexe Verkehrssituation im nachgeordneten Straßennetz mit zum Teil ebenfalls hohen Geschwindigkeiten im Gegen- und Kreuzungsverkehr, aber auch mit Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie unter Umständen vielfältigen sonstigen Verkehrsbeziehungen (Fahrradfahrer, Fußgänger, Öffentlicher Personennahverkehr) und Verkehrsregelungen einstellen. [X.] oder Sichtbehinderungen würden daher in diesem Bereich die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs ebenfalls in besonderer Weise beeinträchtigen können. Es liegt im Übrigen auf der Hand, dass Unfälle im Bereich von Anschlussstellen (§ 1 Abs. 3 [X.]) wegen der hier regelmäßig vorkommenden Beschleunigungs- und Abbremsvorgänge ein besonders großes Gefahrenpotential bergen und Auswirkungen bis auf die Richtungsfahrbahnen haben können.

Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung an seinem auf die Verpflichtung zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gerichteten Hilfsantrag nicht festgehalten hat, war über diesen zunächst in der Revisionsinstanz angefallenen Antrag (Urteil vom 10. November 1993 - BVerwG 11 [X.] 21.92 - [X.] 424.01 § 64 FlurbG Nr. 7 S. 10) nicht mehr zu entscheiden.

Meta

9 C 8/11

29.02.2012

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 4. Mai 2011, Az: 11 A 2202/09, Urteil

§ 1 Abs 3 FStrG, § 1 Abs 4 Nr 1 FStrG, § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 FStrG, § 9 Abs 6 FStrG, § 23 Abs 1 Nr 8 FStrG, Art 103 Abs 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.02.2012, Az. 9 C 8/11 (REWIS RS 2012, 8693)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8693

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