Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2017, Az. 9 AZR 792/16

9. Senat | REWIS RS 2017, 3824

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Gegenstand

Musikschullehrer - Honorarvertrag


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 20. September 2016 - 11 [X.]/16 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die gesamte Unterrichtsverpflichtung der [X.]lägerin auf einem einheitlichen Arbeitsverhältnis beruht, über die [X.]rksamkeit der Befristung und [X.]ündigung von [X.] sowie die Pflicht des beklagten [X.], die [X.]lägerin mit einem höheren Unterrichtsvolumen zu beschäftigen.

2

Die [X.]lägerin ist beim beklagten [X.]nd seit dem 1. September 2001 aufgrund eines Arbeitsvertrags als [X.] und [X.]achbereichsleiterin für Streichinstrumente mit der [X.]älfte der regelmäßigen Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter tätig. Die Parteien sind hinsichtlich der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst der Länder tarifgebunden. [X.]eiterhin ist die [X.]lägerin seit 1982 aufgrund Dienstvertrags für das beklagte [X.]nd tätig. [X.]ür die Tätigkeit ab dem 1. April 1986 vereinbarten die Parteien einen neuen Dienstvertrag. Danach sollte die [X.]lägerin als freie Mitarbeiterin beschäftigt werden. Am 27. [X.]i/18. Juli 2013 schlossen die Parteien über die Tätigkeit der [X.]lägerin als freie Mitarbeiterin einen [X.]onorarvertrag, der nach seinem Eingangssatz den Dienstvertrag vom 1. April 1986 ersetzen soll. In dem [X.]onorarvertrag heißt es ua.:

        

§ 1 Dauer und Art der Leistung

        

(1) Vertragspartnerin 2 wird … als [X.] an der L-Musikschule (Vertragspartner 1) als freie Mitarbeiterin gem. Anlage 1 tätig.

        

Art und Umfang der zu erbringenden Leistung richtet sich nach den zwischen der Musikschule und der [X.] vereinbarten Einzelaufträgen im Rahmen von [X.], Veranstaltungen und Prüfungen sowie für die sonstigen in diesem Zusammenhang anfallenden Tätigkeiten. Ein Anspruch auf Vereinbarung eines Einzelauftrags besteht nicht.

        

…       

        
                          
        

§ 2 Einzelaufträge

        

(1) Einzelaufträge werden schriftlich vereinbart. Sie enthalten neben der Unterrichtsform auch Angaben über Zeit, Ort und Inhalt der Leistungserbringung.

        

(2) Ergänzende Leistungen, die mit dem Unterricht in Zusammenhang stehen (z.B. Prüfungen, [X.]onzerte, fachübergreifende Musikveranstaltungen, [X.]achkonferenzen, Schülervorspiele) werden gesondert beauftragt und vergütet.

                          
        

§ 3 Erteilung des Unterrichts

        

(1) Die [X.] nimmt die vereinbarten Einzelaufträge persönlich wahr.

        

(2) Die [X.] ist bei der [X.]estaltung und Durchführung ihres Unterrichtes frei und an [X.]eisungen der Musikschule nicht gebunden. Die Vertragspartner stellen über die dem Unterricht zugrunde zu legenden Lehrpläne (Lehrpläne des [X.] oder andere Lehrpläne) Einvernehmen her. Unterrichtsmaterialien sind durch die Lehrkraft oder durch die Musikschülerinnen und Musikschüler zu beschaffen. Dabei sind die geltenden gesetzlichen Regelungen zur Einhaltung des Urheberrechts zu beachten.

        

(3) [X.]ährend der Schulferien gemäß der [X.]erienordnung für das [X.]nd Berlin in der jeweils geltenden [X.]assung sowie an gesetzlichen [X.]eiertagen wird kein Unterricht erteilt. Ausgenommen davon sind einvernehmlich vereinbarte Nachholtermine oder gesondert erteilte Einzelaufträge.

                          
        

§ 4 Zeit und Ort des Unterrichts

        

(1) Im Einzelunterricht kann die [X.] den Unterrichtstermin und den Unterrichtsort mit den Musikschülerinnen und Musikschülern frei vereinbaren. Bei sonstigen Unterrichtsformen oder Tätigkeiten stellen die Vertragspartner mit der Vereinbarung über den Einzelauftrag Einvernehmen über Zeit und Ort der Leistungserbringung her.

 

        

(2) Die Musikschule stellt - im Rahmen ihrer Möglichkeiten - unentgeltlich Räume und Instrumente für die Durchführung des Unterrichtes zur Verfügung. Die [X.] verpflichtet sich, die Raumplanung und das [X.]ausrecht (inkl. Sicherheits- und Brandschutzbestimmungen) zu beachten sowie alle Einrichtungsgegenstände und die Musikinstrumente sachgemäß und pfleglich zu behandeln und die Musikschülerinnen und Musikschüler ebenso hierzu anzuhalten.

                          
        

§ 5 [X.]öhe und Zahlung des [X.]onorars

        

(1) Die [X.]öhe des [X.]onorars richtet sich nach den von der für die [X.] Musikschulen zuständigen Senatsverwaltung aufgrund der [X.]onorarregelung vom [X.] herausgegebenen [X.]onorarsätzen.

        

…       

        
        

(3) Mit dem vereinbarten [X.]onorar sind die Durchführung des Einzelauftrags sowie die hierfür notwendigen Vor- und Nacharbeiten (z.B. Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Vorbereitung und Aufräumen des [X.], Beschaffung von Unterrichtsmaterialien) abgegolten.

        

(4) Vergütet werden ausschließlich erbrachte Leistungen. Die §§ 6 und 7 bleiben hiervon unberührt.

                          
        

§ 6 Unterrichtsausfall und Nachholen von Unterricht

        

(1) Ausgefallener Unterricht soll binnen zwei Monaten nach [X.]egfall des [X.] nachgeholt werden.

        

(2) Ist der Unterrichtsausfall entstanden, weil die Musikschülerin oder der Musikschüler gehindert war, am vereinbarten Unterrichtstermin teilzunehmen und ist das Nachholen des Unterrichts nicht möglich, so erhält die [X.] ein Ausfallhonorar in [X.]öhe des vereinbarten [X.]onorars.

        

…       

        

(5) Ist der Unterrichtsausfall durch höhere [X.]ewalt oder dadurch entstanden, dass die [X.] verhindert ist, besteht kein Anspruch auf Ausfallhonorar.

                          
        

§ 7 Arbeitnehmerähnlichkeit

        

Bei anerkannter Arbeitnehmerähnlichkeit findet das [X.] in der jeweils geltenden [X.]assung sowie § 125 des [X.] ([X.]), [X.] ([X.]) sowie § 7 Abs. 3 und 4 der von der für die [X.] Musikschulen zuständigen Senatsverwaltung herausgegebenen [X.]onorarregelung vom [X.] Anwendung. Leistungen werden nur auf Antrag gewährt.“

3

Die [X.]lägerin wendete im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses ca. 42 % ihrer Arbeitszeit für fachlich organisatorische Tätigkeiten als [X.]achbereichsleiterin und ca. 58 % für die Erteilung von Musikunterricht auf. [X.]ür ihre Tätigkeit auf [X.]rundlage des [X.] wurde ihr vom beklagten [X.]nd eine Nebentätigkeitsgenehmigung erteilt. Die von der [X.]lägerin unterrichteten Musikschüler schlossen, unabhängig davon, ob sie von der [X.]lägerin im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses oder auf der [X.]rundlage ihres [X.] unterrichtet wurden, mit dem beklagten [X.]nd einen Unterrichtsvertrag. Die Musikschule vereinbarte dann wiederum mit der [X.]lägerin für die von dieser auf der [X.]rundlage des [X.] unterrichteten Schüler Einzelaufträge. Diese Einzelaufträge sahen vor, dass Tag und Zeit des Unterrichts sowie der Unterrichtsort vereinbart werden. Sie waren jeweils befristet. In den [X.] hieß es ua.:

        

„Der Einzelauftrag … wurde erstellt. [X.]r bitten Sie deshalb, dieses Dokument zu prüfen, zu unterzeichnen und an uns zurückzusenden.

        

Aufgrund § 2 des Dienstvertrages vereinbaren … folgende Leistungen:

        

…“    

4

Im [X.]olgenden wurden dann ua. auch der Name des Schülers, der Zeitraum sowie der Umfang des Unterrichts aufgeführt. In einzelnen [X.]ällen wechselten Schüler aus dem [X.]onorarkontingent in das [X.] und umgekehrt.

5

Im Rahmen einer Betriebsprüfung kam die [X.] zu dem Ergebnis, dass eine einheitliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verschiedener [X.]onorarkräfte vorliege. Als [X.]olge davon verringerte das beklagte [X.]nd das Schülerkontingent der [X.]lägerin im Rahmen ihres [X.]. Im August 2015 erhielt die [X.]lägerin die Mitteilung über insgesamt zwölf [X.]ündigungen von [X.] verschiedener Schüler. Mit Schreiben vom 11. September 2015 untersagte das beklagte [X.]nd der [X.]lägerin die Nebentätigkeit. Es begründete dies damit, dass die Nebentätigkeit in unmittelbarem Sachzusammenhang mit dem bestehenden Arbeitsverhältnis als [X.] stehe. Es handele sich damit um eine Tätigkeit im Rahmen der [X.]auptbeschäftigung.

6

Die [X.]lägerin hat behauptet, die Pflichtaufgaben seien für „[X.]estangestellte“ und [X.]onorarkräfte gleich. Sie seien in den Vorgaben der Musikschule und des VdM-Lehrplans festgehalten. Dies beinhalte insbesondere [X.] bei [X.]ammermusik, fachübergreifende Veranstaltungen und Absprachen bei der Prüfungsvorbereitung, Musikvorspiele/[X.]ettbewerbsteilnahmen organisieren und durchführen, Elterngespräche (organisatorisch, qualitativ) vor der Aufnahme in die [X.] und während des Unterrichts sowie Beratung/Rücksprache von/mit Schülern, Eltern und Lehrern vor und nach Prüfungen. Deshalb habe sie auch die auf der [X.]rundlage des [X.] geleisteten Tätigkeiten im Rahmen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses im Umfang von 38,36 [X.]ochenstunden erbracht. Eine Parallelität von Arbeitsverhältnis und freiem [X.] sei nicht möglich.

7

Die [X.]lägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass sie in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als [X.] mit 29,51/30 einer Vollzeitstelle steht;

        

2.      

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristung der Einzelaufträge für die Schülerinnen/Schüler E, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] vom 29. Juni 2015 mit dem 31. Juli 2015 - teilweise - geendet hat;

        

3.    

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis weder durch die vom beklagten [X.]nd ausgesprochenen [X.]ündigungen der Einzelaufträge für die Schülerinnen/Schüler [X.], [X.], [X.], P, [X.], [X.]a, [X.] vom 5. August 2015 noch durch die vom beklagten [X.]nd ausgesprochenen undatierten [X.]ündigungen der Einzelaufträge für die Schülerinnen/Schüler [X.], [X.], [X.], [X.]a, [X.]e - teilweise - beendet wird, sondern fortbesteht;

 

        

4.    

das beklagte [X.]nd zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als [X.] über das unstreitig im Arbeitsverhältnis bestehende Volumen von 19,5 [X.]ochenstunden hinaus in einem Umfang von weiteren 18,863 [X.]ochenstunden vorläufig weiterzubeschäftigen.

8

Das beklagte [X.]nd hat beantragt, die [X.]lage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, es habe neben dem Arbeitsverhältnis ein freies Dienstverhältnis bestanden. Ein einheitliches Arbeitsverhältnis habe es nicht gegeben. Auf der [X.]rundlage des [X.] sei die [X.]lägerin inhaltlich und örtlich völlig frei gewesen. Sie habe keinerlei [X.]eisungen unterstanden.

9

Das Arbeitsgericht hat die [X.]lage abgewiesen. Das [X.]arbeitsgericht hat die Berufung der [X.]lägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom [X.]arbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die [X.]lägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das [X.] hat die [X.]erufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist insgesamt unbegründet. Die Tätigkeit der Klägerin stellt, soweit sie über den im Arbeitsvertrag vereinbarten Umfang hinausgeht, eine solche in freier Mitarbeit dar. Mit Abschluss des [X.] vom 27. Mai/18. Juli 2013 vereinbarten die Parteien neben dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis ein freies Dienstverhältnis iSd. § 611 [X.]G[X.]. Da sämtliche Klageanträge voraussetzen, dass die gesamte Tätigkeit der Klägerin im Rahmen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses erfolgte, ist die Klage insgesamt unbegründet. Der auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gerichtete unechte Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

I. Das [X.] ist zutreffend von den rechtlichen Grundsätzen ausgegangen, die das [X.] zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters aufgestellt hat.

1. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen [X.]s im Dienste eines anderen zur Leistung [X.], fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HG[X.], nunmehr § 611a Abs. 1 [X.]G[X.]). Dabei hat auch die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit Einfluss auf den Grad der persönlichen Abhängigkeit. Letztlich kommt es für die [X.]eantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige [X.]styp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere [X.]ezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des [X.]s zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der [X.]sbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die [X.]sparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben ([X.] 11. August 2015 - 9 [X.] - Rn. 16).

2. Für den schulischen [X.]ereich hat die Rechtsprechung die Kriterien, anhand deren der Arbeitsvertrag vom freien Dienstvertrag abzugrenzen ist, in mehreren Entscheidungen konkretisiert. Maßgeblich ist danach, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist, in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise der Unterrichtserteilung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten und inwieweit sie zu Nebenarbeiten herangezogen werden kann (vgl. [X.] 20. Januar 2010 - 5 [X.]/09 - Rn. 19 mwN). Für Lehrkräfte außerhalb von Universitäten und Hochschulen geht das [X.] davon aus, dass diejenigen, die an allgemeinbildenden Schulen unterrichten, in aller Regel Arbeitnehmer sind, auch wenn es sich bei ihrem Unterricht um eine nebenberufliche Tätigkeit handelt (vgl. [X.] 14. Januar 1982 - 2 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 37, 305; 16. März 1972 - 5 [X.] -). Demgegenüber können [X.], die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichten, auch als freie Mitarbeiter beschäftigt werden, und zwar selbst dann, wenn es sich bei ihrem Unterricht um aufeinander abgestimmte Kurse mit vorher festgelegtem Programm handelt (vgl. [X.] 24. Juni 1992 - 5 [X.] - zu II 2 a der Gründe). Gleiches gilt für Lehrkräfte an Musikschulen (vgl. [X.] 19. November 1997 - 5 [X.] - zu II der Gründe). Anders als im Falle der allgemeinbildenden Schulen besteht für Musikschulen kein Schulzwang, es gibt im Regelfall keine förmlichen Abschlüsse, der Unterricht ist zumeist weniger reglementiert, das Ausmaß der Kontrolle durch den Unterrichtsträger und der Umfang der erforderlichen Nebenarbeiten geringer. Als Arbeitnehmer sind Musikschullehrer deshalb nur dann anzusehen, wenn die [X.]sparteien dies vereinbart haben oder im Einzelfall festzustellende Umstände hinzutreten, die auf den für das [X.]estehen eines Arbeitsverhältnisses erforderlichen Grad persönlicher Abhängigkeit schließen lassen. Als solche Umstände kommen das Recht des Schulträgers, die zeitliche Lage der Unterrichtsstunden einseitig zu bestimmen, den Unterrichtsgegenstand oder Art und Ausmaß der Nebenarbeiten einseitig festzulegen, eine intensivere Kontrolle nicht nur des jeweiligen Leistungsstands der Schüler, sondern auch des Unterrichts selbst oder die Inanspruchnahme sonstiger Weisungsrechte in [X.]etracht (vgl. [X.] 24. Juni 1992 - 5 [X.] - zu II 2 b bb der Gründe).

II. In Anwendung dieser Grundsätze hat das [X.] in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, die Klägerin sei nicht als Arbeitnehmerin, sondern als freie Dienstnehmerin anzusehen, soweit sie über den im Arbeitsvertrag vereinbarten Umfang hinaus für das beklagte Land tätig geworden sei.

1. [X.] haben bei der Prüfung des Arbeitnehmerstatus einen weiten [X.]eurteilungsspielraum. Ihre Würdigung ist nur daraufhin zu überprüfen, ob sie den Rechtsbegriff des Arbeitnehmers selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei der Subsumtion den Rechtsbegriff wieder aufgegeben oder wesentliche Umstände außer [X.]etracht gelassen haben ([X.] 21. Juli 2015 - 9 [X.] - Rn. 21 mwN).

2. Die Entscheidung des [X.]s hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

a) Da der Honorarvertrag den vorangegangenen Dienstvertrag ersetzte, ist er allein für die Prüfung, ob schon vertraglich ein Arbeitsverhältnis vereinbart wurde, zugrunde zu legen.

b) Der Honorarvertrag, den die Parteien unter dem 27. Mai/18. Juli 2013 schlossen, zielt auf die [X.]egründung eines Rechtsverhältnisses als freie Dienstnehmerin. Hinsichtlich der späteren Durchführung des [X.]s hat das [X.] keine Tatsachen festgestellt, die eine abweichende [X.]ewertung rechtfertigen. Die Gesamtwürdigung, an deren Ende das [X.] zu dem Ergebnis gelangt ist, die Parteien hätten mit dem Honorarvertrag einen [X.] über eine freie Dienstleistung geschlossen, ist nicht zu beanstanden.

aa) Die von den Parteien gewählte Kennzeichnung des [X.]s als „Honorarvertrag“ und der [X.]sparteien als „[X.]spartner 1“ und „[X.]spartnerin 2“ weist auf einen freien Dienstvertrag hin. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des [X.] wird die Klägerin als „freie Mitarbeiterin“ tätig. Der Vorrang der praktischen Handhabung der [X.]sbeziehungen vor der formalen [X.]stypenwahl durch die Parteien bedeutet nicht, dass die Entscheidung der Parteien für eine bestimmte Art von [X.] irrelevant wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit - wie im Streitfall - typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbstständig erbracht werden, ist die Entscheidung der [X.]sparteien für einen bestimmten [X.]stypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen ([X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] - Rn. 19).

bb) Der Honorarvertrag räumt der Musikschule keinerlei Weisungsrechte ein. Vielmehr bestimmt § 3 Abs. 2 Satz 1 des [X.], dass die Klägerin bei der Gestaltung und Durchführung ihres Unterrichts frei und an Weisungen der Musikschule nicht gebunden ist. Darüber hinaus ist die Musikschule nicht befugt, der Klägerin Weisungen hinsichtlich der dem Unterricht zugrunde zu legenden Lehrpläne zu erteilen. In dieser Hinsicht haben die [X.]sparteien Einvernehmen zu erzielen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 des [X.]). Im Einzelunterricht ist es das Recht der Klägerin, die Unterrichtstermine frei mit den Schülern zu vereinbaren (§ 4 Abs. 1 Satz 1 des [X.]). [X.]ei sonstigen Unterrichtsformen oder Tätigkeiten stellen die [X.]sparteien hierüber Einvernehmen her (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 des [X.]). Soweit § 3 Abs. 3 Satz 1 des [X.] vorsieht, dass während der Schulferien dem Grundsatz nach kein Unterricht stattfindet, ist dies Gegenstand der Leistungsvereinbarung und nicht Ausfluss eines Weisungsrechts, das der Musikschule zustünde. Die Vereinbarung unter § 4 Abs. 2 Satz 1 des [X.], der zufolge die Musikschule im Rahmen ihrer Möglichkeiten der Klägerin Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, erweitert die Handlungsmöglichkeiten der Klägerin, ohne der Musikschule ein Weisungsrecht hinsichtlich des Orts, an dem die Klägerin ihre Tätigkeiten zu erbringen hat, einzuräumen.

cc) Auch die vertraglichen Regelungen zum Ausfall von Unterricht legen die Annahme eines freien Dienstvertrags nahe. Der [X.] enthält keinerlei [X.]estimmungen, die die Klägerin verpflichteten, der Musikschule eine Verhinderung, etwa infolge von Krankheit, anzuzeigen. Anders als ein Arbeitnehmer (vgl. [X.] 27. Januar 2016 - 5 [X.] - Rn. 22, [X.]E 154, 100) ist die Klägerin darüber hinaus dem Grundsatz nach verpflichtet, ausgefallenen Unterricht nachzuholen (§ 6 Abs. 1 des [X.]).

dd) Gegen die Ansicht der Klägerin, der Honorarvertrag sei der Sache nach ein Arbeitsvertrag, spricht schließlich § 7 des [X.]. Danach stehen der Klägerin für den Fall, dass sie eine arbeitnehmerähnliche Person sein sollte, bestimmte Honorar- und Urlaubsansprüche zu. Einer solchen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn die Parteien bei Abschluss des [X.] ein Arbeitsverhältnis hätten begründen wollen.

ee) Ein weiteres Indiz für einen [X.]swillen, der auf die Vereinbarung eines Rechtsverhältnisses als freie Mitarbeiterin gerichtet ist, findet sich in § 3 Abs. 2 Satz 3 des [X.]. Danach ist die Klägerin verpflichtet, die für den Unterricht erforderlichen Materialien zu beschaffen oder durch die zu unterrichtenden Musikschüler beschaffen zu lassen (vgl. [X.] 11. August 2015 - 9 [X.] - Rn. 29).

ff) Für den Status als freie Mitarbeiterin unerheblich ist § 5 des [X.]. Hiernach ist von der Klägerin eine Leistungsabrechnung zu erstellen (vgl. § 5 Abs. 2 des [X.]). Zu vergüten sind - abgesehen von den Regelungen der §§ 6 und 7 - nach § 5 Abs. 4 des [X.] ausschließlich erbrachte Leistungen. Die Art der Vergütung spielt für die Abgrenzung eines Dienstvertrags von einem Arbeitsvertrag keine Rolle, da sich die persönliche Abhängigkeit des Verpflichteten danach bestimmt, inwieweit die Ausführung der versprochenen Dienste weisungsgebunden und damit fremdbestimmt erfolgt. Entscheidend sind demnach allein die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Entgeltzahlung (vgl. [X.] 21. Juli 2015 - 9 [X.] - Rn. 29).

gg) Nicht zwingend für ein Arbeitsverhältnis spricht, dass die Klägerin gemäß § 3 Abs. 1 des [X.] verpflichtet ist, die vereinbarten Einzelaufträge persönlich wahrzunehmen. Zwar ist es typisch für ein Arbeitsverhältnis, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung persönlich zu erbringen hat (vgl. § 613 [X.]G[X.]). Allerdings ist dem Dienstvertragsrecht eine Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung nicht fremd. Dies gilt vor allem in Fällen der Erteilung von Unterricht, in denen es - wie hier - auf ein persönliches Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer ankommt.

c) Das [X.] hat keinerlei Tatsachen festgestellt, die darauf schließen lassen, dass die tatsächliche Durchführung des [X.] von den [X.]estimmungen des [X.] abweicht.

aa) Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, die Musikschule habe in Überschreitung der ihr aufgrund des [X.] zustehenden [X.]efugnisse Weisungsrechte für sich in Anspruch genommen und ihr Vorgaben hinsichtlich des Inhalts, der Zeit oder des Orts ihrer Tätigkeit gemacht. Soweit die Klägerin geltend macht, das beklagte Land habe erwartet, dass sie sich an der studienvorbereitenden Ausbildung und an Vorspielen ihrer Schüler in gleicher Weise wie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses beteiligt, übersieht sie, dass die Äußerung von Erwartungen mit der Erteilung von Weisungen nicht identisch ist. Auch die Teilnahme an [X.], Dienstberatungen, [X.] etc. ist zur Abgrenzung nicht geeignet. Wie das [X.] zutreffend angenommen hat, nahm sie hieran im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses ohnehin als Fachbereichsleiterin teil. Ebenso weist die von der Klägerin behauptete Pflicht, sich hinsichtlich der Art und Weise an die Richtlinien des [X.] zu halten, nicht auf eine Weisungsgebundenheit hin. Die „Dichte des Regelwerks“, dem ein Lehrer an einer Schule bei seiner Unterrichtstätigkeit unterliegt, ist für die Frage der Weisungsgebundenheit kein taugliches, weil nicht messbares Kriterium (vgl. [X.] 20. Januar 2010 - 5 [X.]/09 - Rn. 26). Konkrete, die Art und Weise des Unterrichts betreffende Weisungen gegenüber der Klägerin sind nicht festgestellt.Das [X.] hat weiterhin zu Recht angenommen, dass die von der Klägerin behauptete [X.]indung des Unterrichts an die vom beklagten Land zur Verfügung gestellten Räume keinen Aufschluss über die persönliche Abhängigkeit der Klägerin gibt. Im pädagogischen [X.]ereich ist es typisch, dass auch freie Mitarbeiter ihre Tätigkeit nur in den zur Verfügung gestellten Räumen verrichten können und damit an einen bestimmten Ort gebunden sind. Diese [X.]indung besagt nichts über eine persönliche Abhängigkeit ([X.] 13. November 1991 - 7 [X.] - zu [X.] 5 f der Gründe, [X.]E 69, 62). Zudem wurde nach § 2 Abs. 1 des [X.] der Ort der Leistungserbringung in den Einzelaufträgen schriftlich vereinbart. Im Einzelunterricht erfolgt die Vereinbarung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des [X.] mit den Musikschülern.

bb) Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg darauf, Schüler seien wechselnd auf der Grundlage des Arbeitsvertrags und des [X.] unterrichtet und sogar „umgepolt“ worden. Das [X.] hat nicht festgestellt, dass diese Wechsel allein auf Weisung des beklagten [X.] erfolgten oder nicht doch durch einvernehmliche Änderung der vereinbarten Einzelaufträge. Es hat in den Entscheidungsgründen hierzu lediglich ausgeführt, auch der Wechsel von Schülern aus dem Honorarkontingent in das [X.] und umgekehrt führe nicht zur Annahme eines Umstands, aus dem sich der für das [X.]estehen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Grad der persönlichen Abhängigkeit ergebe. Feststellungen, auf welche Weise diese „Umpolung“ erfolgte, hat das [X.] nicht getroffen. Soweit die Klägerin in der Revision vorträgt, dies sei kraft Direktionsrecht erfolgt, kann dies als neuer Tatsachenvortrag nicht berücksichtigt werden.

cc) Soweit die Klägerin geltend macht, für die Musikschüler habe es keinen Unterschied gemacht, ob sie den Unterricht auf der Grundlage des Arbeitsvertrags oder auf der Grundlage des [X.] erbracht habe, verkennt sie, dass es für die Abgrenzung verschiedener [X.]stypen nicht auf die Außenwirkung gegenüber Dritten, sondern allein auf die rechtlichen [X.]efugnisse der [X.]sparteien im Innenverhältnis ankommt. Die [X.]efugnisse, die der Honorarvertrag der Musikschule einräumt, sind nicht die eines Arbeitgebers, sondern solche eines Dienstberechtigten.

d) Die Klägerin meint zu Unrecht, eine Parallelität von Arbeitsverhältnis und freiem [X.] sei nicht möglich. Ebenso wie ein Arbeitnehmer mehrere Arbeitsverhältnisse (vgl. [X.] 31. März 2017 - [X.] 12 R 7/15 R - Rn. 49) - auch zu ein und demselben Arbeitgeber (vgl. § 2 Abs. 2 TV-L) - eingehen kann, ist es rechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen, dass er zur selben Person in einem Arbeitsverhältnis und darüber hinaus in einem Dienstverhältnis steht. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das dem Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrags zustehende Weisungsrecht - wie hier - nicht für die Tätigkeiten gilt, die der [X.]spartner aufgrund des Dienstverhältnisses schuldet. Wollte man anders entscheiden, beschnitte dies in unzulässiger Weise die verfassungsrechtlich verbürgte [X.]sfreiheit der Parteien (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG). Denn es stände nicht länger in ihrer Rechtsmacht, neben einem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis ein Dienstverhältnis zu begründen. Für eine derartige Einschränkung der [X.]sfreiheit, die sich in der Praxis nicht nur zulasten des beklagten [X.], sondern auch zulasten der Klägerin auswirkte, fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage ([X.] 27. Juni 2017 - 9 [X.] - Rn. 34).

e) Die tarifvertragliche Regelung des § 2 Abs. 2 TV-L, die [X.] auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet (§ 4 Abs. 1 TVG), gibt kein anderes Ergebnis vor. Gemäß § 2 Abs. 2 TV-L dürfen mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber nur begründet werden, wenn die jeweils übertragenen Tätigkeiten nicht in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen; andernfalls gelten sie als ein Arbeitsverhältnis. Mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber liegen im Streitfall nicht vor. Die Parteien verband gleichzeitig ein Arbeitsverhältnis und ein freies Dienstverhältnis.

[X.]. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    [X.]rühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Starke    

        

    Gell    

                 

Meta

9 AZR 792/16

17.10.2017

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 20. Januar 2016, Az: 56 Ca 10035/15, Urteil

§ 611 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2017, Az. 9 AZR 792/16 (REWIS RS 2017, 3824)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3824

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