Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.08.2011, Az. X B 228/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 4081

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Darlegungsanforderungen bei grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtssache - Arbeitsverträge zwischen Angehörigen


Leitsatz

1. NV: Hat der BFH bereits früher über eine Rechtsfrage entschieden, muss der Beschwerdeführer substantiiert begründen, weshalb er gleichwohl eine erneute Entscheidung zu dieser Frage für erforderlich hält .

2. NV: Es muss sichergestellt sein, dass die Vertragsbeziehungen zwischen nahen Angehörigen dem betrieblichen Bereich zugerechnet werden können. Indiz hierfür ist, ob der Vertrag sowohl nach seinem Inhalt als auch nach seiner tatsächlichen Durchführung dem Fremdüblichen entspricht .

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 [X.] der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) sowie zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 [X.]r. 2 Alternative 1 [X.]O sind nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O entsprechend dargelegt worden. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des [X.] ([X.]) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 [X.]r. 2 Alternative 2 [X.]O liegen nicht vor.

3

1. Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, so muss er u.a. substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit muss er außerdem begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist. Dazu gehört auch, dass sich der Beschwerdeführer mit der zu dieser Rechtsfrage bereits vorhandenen Rechtsprechung auseinandersetzt und substantiiert darlegt, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung keine Klärung herbeigeführt habe.

4

Hat der [X.] bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, muss der Beschwerdeführer begründen, weshalb er gleichwohl eine erneute Entscheidung zu dieser Frage für erforderlich hält. Hierzu muss er substantiiert vortragen, inwiefern und aus welchen Gründen die höchstrichterlich beantwortete Frage weiterhin umstritten ist, insbesondere welche neuen und gewichtigen, vom [X.] noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung der Finanzgerichte ([X.]) und/oder in der Literatur gegen die Rechtsprechung des [X.] vorgebracht worden sind (ständige [X.]-Rechtsprechung, siehe z.B. Beschluss vom 20. April 2009 [X.]/08, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris; vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 33, m.w.[X.].).

5

a) Die höchstrichterliche Rechtsprechung erkennt Lohnzahlungen an einen im Betrieb des Steuerpflichtigen mitarbeitenden Angehörigen grundsätzlich als Betriebsausgaben an. Angesichts des bei Angehörigen vielfach fehlenden Interessengegensatzes und der daraus resultierenden Gefahr des steuerlichen Missbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten muss jedoch sichergestellt sein, dass die Vertragsbeziehung und die auf ihr beruhenden Leistungen tatsächlich dem betrieblichen und nicht --z.B. als Unterhaltsleistungen-- dem privaten Bereich (§ 12 [X.]rn. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes) zuzurechnen sind. Dazu bedarf es einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände. Indiz für die Zuordnung der Vertragsbeziehung zum betrieblichen Bereich ist insbesondere, ob der Vertrag sowohl nach seinem Inhalt als auch nach seiner tatsächlichen Durchführung dem entspricht, was zwischen Fremden üblich ist. Dabei ist allerdings auch zu beachten, dass geringfügige Abweichungen einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen sowohl bezüglich des [X.] als auch bezüglich der Vertragsdurchführung für sich allein nicht stets zur steuerlichen [X.]ichtanerkennung des Arbeitsverhältnisses führen müssen (vgl. zu den vorstehenden Grundsätzen z.B. [X.]-Urteile vom 18. Oktober 2007 [X.], [X.]E 219, 208, [X.], 200, und vom 21. Januar 1999 IV R 15/98, [X.]/[X.]V 1999, 919; jeweils m.w.[X.].). Die gebotene Würdigung aller Umstände des Einzelfalls obliegt dabei grundsätzlich dem [X.] als Tatsacheninstanz (Senatsurteil vom 26. Juni 1996 [X.]/94, [X.]/[X.]V 1997, 182, m.w.[X.].).

6

b) Dem Vorbringen der Kläger ist eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung nicht zu entnehmen. Vielmehr wenden sie sich gegen die Wertung des [X.], das aus der --auf besonderer familiärer Verbundenheit beruhenden-- jahrelangen Stundung der Arbeitslöhne geschlossen hat, die Arbeitsverträge des [X.] mit seinem Bruder und seinem [X.] hielten einem Fremdvergleich nicht stand und könnten dementsprechend steuerrechtlich nicht anerkannt werden.

7

Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Einzelfalls durch das [X.] ist im [X.] grundsätzlich jedoch unbeachtlich (ständige Rechtsprechung des [X.], vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 1. April 2011 [X.]/10, [X.]/[X.]V 2011, 1372, m.w.[X.].).

8

2. Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 [X.]r. 2 Alternative 1 [X.]O setzt voraus, dass über bisher ungeklärte Rechtsfragen "zur Fortbildung des Rechts" zu entscheiden ist. Dieser Zulassungsgrund konkretisiert den der [X.] und gebietet eine Zulassung, wenn über bisher ungeklärte abstrakte Rechtsfragen zu entscheiden ist ([X.]-Beschluss vom 10. [X.]ovember 2010 VIII B 159/09, [X.]/[X.]V 2011, 300). Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 [X.] [X.]O höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen (Senatsbeschluss vom 22. März 2011 [X.]/10, [X.]/[X.]V 2011, 985). Ein diesen Vorgaben genügendes Vorbringen der Kläger fehlt.

9

3. Auch ist eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 [X.]r. 2 Alternative 2 [X.]O) nicht erforderlich. Eine Divergenz liegt nur vor, wenn das [X.] bei einem gleich oder ähnlich gelagerten Sachverhalt in einer bestimmten entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der --dieselbe Rechtsfrage betreffenden-- Rechtsauffassung eines anderen Gerichts abweicht (ständige [X.]-Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 1. April 2008 [X.]/04, [X.]/[X.]V 2008, 1116, m.w.[X.].). Dabei reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die (angeblich) fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls noch schlichte Subsumtionsfehler des [X.] aus; erforderlich ist vielmehr eine [X.]ichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ([X.]-Beschluss vom 19. September 2008 [X.], [X.]/[X.]V 2010, 43, m.w.[X.].).

a) Die Kläger sehen eine Divergenz des [X.]-Urteils zum Urteil eines anderen Senats des [X.] vom 19. Mai 2003  1 K 202/98 (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2003, 1457), in dem erhebliche Zweifel daran angemeldet wurden, ob volljährige Geschwister nahe Angehörige im Sinne der Angehörigenrechtsprechung des [X.] sind. Der [X.] hat jedoch bereits mit Beschluss vom 28. [X.]ovember 2007 [X.] (n.v., juris) dargelegt, dass in dem Urteil in E[X.] 2003, 1457 die Rechtsfrage, ob Geschwister zu den "nahen Angehörigen" zählen, nicht entscheidungserheblich war. Vielmehr war entscheidend, dass die zu beurteilende Darlehensvereinbarung in dem damaligen Streitfall mangels Zinszahlung nicht zu einer Steuerminderung geführt hatte.

b) Zudem ist dem Vorbringen der Kläger die notwendige Darlegung der "[X.]ichtübereinstimmung im Grundsätzlichen" nicht zu entnehmen.

c) Eine Entscheidung des [X.] ist auch nicht aus einem anderen Grund zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 [X.]r. 2 Alternative 2 [X.]O geboten. Zwar ist die Revision auch zuzulassen, wenn ein Rechtsfehler des [X.] zu einer "greifbar gesetzwidrigen" Entscheidung geführt hat. Eine greifbare Gesetzwidrigkeit liegt vor, wenn die angefochtene Entscheidung objektiv willkürlich erscheint, auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. [X.]-Beschluss vom 1. September 2008 [X.], [X.]/[X.]V 2009, 35). Unterhalb dieser Grenze liegende erhebliche Rechtsfehler reichen nicht aus, um die Revision zuzulassen (ständige [X.]-Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss vom 2. März 2011 [X.]/10, [X.]/[X.]V 2011, 1367, m.w.[X.]). Anhaltspunkte für eine derart gesetzeswidrige Entscheidung sind im Streitfall nicht gegeben.

Meta

X B 228/10

10.08.2011

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 22. Oktober 2010, Az: 15 K 236/10, Urteil

§ 116 Abs 3 S 3 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 4 Abs 1 EStG 2002, § 12 Nr 1 EStG 2002, § 12 Nr 2 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.08.2011, Az. X B 228/10 (REWIS RS 2011, 4081)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4081

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XI B 136/13 (Bundesfinanzhof)

Zum Vorsteuerabzug aus der Sanierung eines asbesthaltigen Daches eines Stallgebäudes zur Errichtung einer Photovoltaikanlage


V B 30/13 (Bundesfinanzhof)

Divergenz zu Entscheidungen der Arbeit- und Sozialgerichte in Fragen der umsatzsteuerrechtlichen Unternehmereigenschaft


XI B 116/12 (Bundesfinanzhof)

Leistungsaustausch bei Auseinandersetzung einer Freiberuflersozietät - Keine Begründungsbedürftigkeit der Nichtzulassung der Revision


XI B 60/10 (Bundesfinanzhof)

Karnevalsveranstaltung keine steuerermäßigte Theateraufführung - Keine Divergenz bei nicht vergleichbarem Sachverhalt


XI B 50/11 (Bundesfinanzhof)

Keine grundsätzliche Bedeutung der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der Umsätze von Prostituierten


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.