9. Senat | REWIS RS 2017, 4171
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Beitrittsaufforderung an das BMF: Nachträgliche Anschaffungskosten bei Gesellschaftereinlagen "in letzter Minute"
Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob Zuzahlungen, die der Gesellschafter in das Eigenkapital leistet und die bei der Kapitalgesellschaft als Kapitalrücklage auszuweisen sind (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB), bei diesem in jedem Fall und zu jedem denkbaren Zeitpunkt zu --nachträglichen-- Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB führen und mithin im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigen sind und ob solche Zuzahlungen einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO) darstellen könnten.
Das [X.]wird aufgefordert, dem Verfahren IX R 5/15 beizutreten.
I.
Streitig ist die Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen der Ermittlung eines Veräußerungsverlusts nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2010) vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger war seit 2003 neben seinen drei Brüdern (L, [X.]und F) mit einem Anteil von 12.782,30 € (25.000 DM) an der von seinem Vater im Jahr 1989 gegründeten [X.]beteiligt. Der Kläger und sein Bruder [X.]waren als Geschäftsführer bestellt. Das Stammkapital der [X.]betrug 51.640,48 €. Der Vater des [X.]war zunächst noch mit einem Anteil von 511,28 € (1.000 DM) an der GmbH beteiligt. Nach dem Tod des [X.]im Jahr 2004 ging dessen Anteil auf die Mutter des [X.]über.
Bereits im Jahr 1999 hatte der Kläger eine Bürgschaft für Verbindlichkeiten der [X.]gegenüber einer Bank übernommen. Zum 31. Dezember 2003 beliefen sich die Verbindlichkeiten der [X.]gegenüber der Bank auf 207.921,83 €. Darüber hinaus stand der Bank eine Grundschuld auf einem der Mutter des [X.]gehörenden Grundstücks von 177.418,28 € als Sicherheit zur Verfügung. Die Verbindlichkeiten der [X.]gegenüber der Bank waren bis zum 31. Dezember 2009 auf 348.786,43 € angestiegen. In den Jahren 2008 und 2009 hat die [X.]lediglich Verluste in Höhe von 308.425 € bzw. 91.989 € erzielt. Zum Ende des Jahres 2009 stellte die [X.]ihren Geschäftsbetrieb ein und veräußerte ihr gesamtes Anlagevermögen sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und unfertige Erzeugnisse an die [X.]An dieser waren neben dem Kläger sein Bruder [X.]und ein Dritter zu gleichen Teilen beteiligt. Durch den Tod der Mutter im Februar 2010 gingen deren Anteil an der [X.]ebenso wie das Grundstück im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Kläger und seine Brüder als Erbengemeinschaft zu gleichen Teilen über.
Im Zeitraum zwischen Juni und November 2010 leisteten der Kläger und seine drei Brüder --jeweils in gleicher Höhe-- Zuführungen in die Kapitalrücklage der [X.]in Höhe von insgesamt 281.800 €, um eine ansonsten drohende Liquidation der Gesellschaft zu vermeiden. Ein Teil der Einzahlung in Höhe von 222.000 € stammte aus der mit der Bank abgestimmten Veräußerung des Grundstücks an den Bruder F. Nachdem die Bank Ende 2010 einen Teilverzicht auf ihre gegenüber der [X.]bestehenden Forderungen in Aussicht gestellt hatte, zahlte die [X.]an die Bank einen Betrag von insgesamt 275.000 €. Mit notariell beurkundetem [X.]veräußerten der Kläger und seine Brüder schließlich ihre Anteile an der [X.]zu einem Kaufpreis von 0 € an die [X.]Die Grundschuld zugunsten der Bank wurde im Januar 2011 im Grundbuch gelöscht. In ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2010 wies die [X.]ein Stammkapital in Höhe von 51.640,48 €, einen Jahresüberschuss in Höhe von 72.199 € sowie einen Verlustvortrag in Höhe von ./. 404.030 € aus.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das [X.]machten die Kläger einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG in Höhe von 83.232,30 € geltend, den sie aus einem anteiligen Verlust der Stammeinlage in Höhe von 12.782,30 € und nachträglichen Anschaffungskosten aus der Kapitalzuführung in Höhe von 70.450 € errechneten. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr berücksichtigte das [X.]lediglich den Verlust der eingezahlten Stammeinlage.
Im Einspruchsverfahren beantragten die Kläger erstmals, auch den auf den Kläger im Wege der Erbfolge übergegangenen Anteil der verstorbenen Mutter an der Stammeinlage in Höhe von 127,82 € im Rahmen der nachträglichen Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Im Änderungsbescheid für das Streitjahr vom 9. August 2013 erkannte das [X.]nunmehr einen Veräußerungsverlust des [X.]in Höhe von 39.006 € an. Diesen ermittelte es, indem es die von allen Gesellschaftern geltend gemachten Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 333.440,48 € (281.800 € Kapitalrücklage [X.]51.640,48 € Stammkapital) um die zugunsten der Bank eingetragenen verzinslichen Grundschuld von 177.418,20 € minderte und die verbleibenden 156.022,19 € auf den Kläger und seine Brüder verteilte. Mit Einspruchsentscheidung vom 13. September 2013 wies das [X.]den gegen den Änderungsbescheid gerichteten Einspruch der Kläger als unbegründet zurück.
Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat angenommen, dass dem Kläger aus den Einzahlungen in die Kapitalrücklage letztlich nur in Höhe von 1.700 € nachträgliche Anschaffungskosten entstanden seien. Denn die weitere Zuführung in die Kapitalrücklage in Höhe von insgesamt 275.000 € habe wirtschaftlich betrachtet der Ablösung der von [X.]gewährten Sicherheiten (Grundschuld und Bürgschaften des Bruders [X.]und des Klägers) gedient. Soweit die Zahlung der [X.]an die Bank der Ablösung der Grundschuld gedient habe, seien dem Kläger bereits deshalb keine nachträglichen Anschaffungskosten entstanden, weil ihm zu keinem Zeitpunkt ein werthaltiger Rückgriffsanspruch gegen die [X.]zugestanden habe. Soweit die Zahlung an die Bank zur Ablösung der Bürgschaft erfolgt sei, seien im Streitfall die Grundsätze des [X.]weiterhin anzuwenden. Nach diesen Grundsätzen sei davon auszugehen, dass die Bürgschaft des [X.]erst durch "Stehenlassen" bei [X.]im Jahr 2008 eigenkapitalersetzend geworden sei und daher die Rückgriffsforderung mit ihrem gemeinen Wert im Zeitpunkt des Kriseneintritts anzusetzen sei. Nach Auffassung des [X.]könne im Ergebnis offenbleiben, ob dieser Rückgriffsanspruch bei [X.]überhaupt noch werthaltig gewesen sei. Jedenfalls fehlten Anhaltspunkte dafür, dass sich hieraus weitere nachträgliche Anschaffungskosten ergeben könnten, die die vom [X.]bereits anerkannten Anschaffungskosten übersteigen.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 2 EStG). Die Einzahlungen in die Kapitalrücklage durch die Gesellschafter seien als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen, unabhängig davon, dass die [X.]sie zur Tilgung ihrer Bankverbindlichkeiten und damit gleichzeitig zur Ablösung der [X.]verwendet habe.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des [X.]vom 18. Dezember 2014 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 9. August 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. September 2013 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften zusätzlich nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 44.354,40 € berücksichtigt werden.
Das [X.]beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Der Senat nimmt das Revisionsverfahren zum Anlass, sich grundlegend mit der Rechtsfrage zu befassen, ob Zuzahlungen, die der Gesellschafter in das Eigenkapital leistet und die bei der Kapitalgesellschaft als Kapitalrücklage auszuweisen sind (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs --HGB--), bei diesem in jedem Fall und zu jedem denkbaren Zeitpunkt zu --nachträglichen-- Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB führen und mithin im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigen sind und ob solche Zuzahlungen einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 der Abgabenordnung --AO--) darstellen könnten. Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für angezeigt, das [X.](BMF) an diesem Revisionsverfahren zu beteiligen und zum Beitritt aufzufordern (§ 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung).
Meta
11.10.2017
Beschluss
vorgehend FG Düsseldorf, 18. Dezember 2014, Az: 11 K 3617/13 E, Urteil
§ 17 Abs 2 S 1 EStG 2009, § 255 Abs 1 S 1 HGB, § 255 Abs 1 S 2 HGB, § 272 Abs 2 Nr 4 HGB, § 42 AO, § 122 Abs 2 S 3 FGO, EStG VZ 2010
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.10.2017, Az. IX R 5/15 (REWIS RS 2017, 4171)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 4171
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