Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.03.2013, Az. V R 12/12

5. Senat | REWIS RS 2013, 7570

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Gegenstand

Vorsteuerabzug im Regelbesteuerungsverfahren bei im Ausland ansässigen Unternehmern


Leitsatz

NV: Ist der im Ausland ansässige Unternehmer Steuerschuldner nach § 13b UStG, erfolgt die Vergütung von Vorsteuerbeträgen im Regelbesteuerungsverfahren und nicht im Vergütungsverfahren .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein in den [X.] ansässiges Industrieunternehmen. Mit einem beim Beklagten und Revisionskläger ([X.]) am 9. Mai 2008 eingegangenen Antrag vom 23. April 2008 beantragte die Klägerin die Vergütung von Vorsteuern für den Zeitraum Januar bis Dezember 2007 gemäß § 18 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) i.V.m. §§ 59 ff. der [X.] (UStDV).

2

Mit Bescheid vom 25. September 2009 lehnte das BZSt den Antrag ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das BZSt mit Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2010 als unbegründet zurück, da sich aus einer an die Klägerin gerichteten Rechnung vom 8. Mai 2007, in der ein gleichfalls in den [X.] ansässiger Unternehmer für eine im Inland erbrachte Beförderungsleistung [X.] Umsatzsteuer ausgewiesen habe, ergebe, dass die Klägerin gemäß § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 UStG in der im Streitjahr 2007 maßgeblichen Fassung als Leistungsempfänger Steuerschuldner gewesen sei.

3

Demgegenüber gab das Finanzgericht ([X.]) der Klage statt, da eine Steuerschuld des Vergütungsberechtigten nach § 13b UStG nicht der Anwendung des [X.]s entgegenstehe. Das Urteil ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2012, 2327 veröffentlicht.

4

Hiergegen wendet sich das BZSt mit der Revision, für die es Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Die Steuerschuld des Vergütungsberechtigten als Leistungsempfänger nach § 13b UStG führe zum Ausschluss des [X.]s.

5
Das BZSt beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie habe keinen der in § 59 UStDV genannten Umsätze ausgeführt. Eine Steuerschuld des Vergütungsberechtigten nach § 13b UStG stehe der Anwendung des [X.]s nicht entgegen. Es sei weder ungewöhnlich noch systemwidrig, dass sie das [X.] anwenden könne und daneben im allgemeinen Besteuerungsverfahren Steuerschuldner nach § 13b UStG sei. Für sie sei es nachteilig, das allgemeine Besteuerungsverfahren anzuwenden, wenn sich später herausstelle, dass sie Vorsteuerbeträge nur im [X.] geltend machen könne, die Frist hierfür aber bereits abgelaufen sei. Die Gefahr einer Doppelberücksichtigung bestehe demgegenüber nicht. Sie sei auch berechtigt, nachträglich über die Dauer des [X.] zu entscheiden.

Entscheidungsgründe

8

II. [X.]ie Revision des BZSt ist begründet. [X.]as Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Ist der Vergütungsberechtigte im Vergütungszeitraum Steuerschuldner nach § 13b UStG, erfolgt die Vergütung von [X.] nicht im [X.] nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. USt[X.]V, sondern nach dem [X.] der §§ 16, 18 UStG.

9

1. Im Hinblick auf die in der Person der Klägerin bestehende Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG war sie verpflichtet, für den Voranmeldungszeitraum des Leistungsbezugs, in dem ihre Steuerschuldnerschaft begründet wurde, eine Voranmeldung und für das Kalenderjahr dieses Leistungsbezugs eine [X.] abzugeben (§ 18 Abs. 4a UStG und [X.]surteil vom 14. April 2011 V R 14/10, [X.], 360, [X.], 834).

2. Besteht für die Klägerin die Verpflichtung, Voranmeldungen und Jahressteuererklärung im [X.] abzugeben, hat sie auch den Anspruch auf Vorsteuerabzug in diesem Verfahren geltend zu machen. [X.]em stehen entgegen der Auffassung der Klägerin die Vorschriften zum sog. [X.] nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. USt[X.]V nicht entgegen.

a) Nach § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG kann zur "Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens ... das [X.] mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15) an im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 und von den Absätzen 1 bis 4, in einem besonderen Verfahren regeln".

§ 59 bestimmte hierzu in seiner im Streitjahr geltenden Fassung:
"[X.]ie Vergütung der abziehbaren Vorsteuerbeträge (§ 15 des Gesetzes) an im Ausland ansässige Unternehmer (§ 13b Abs. 4 des Gesetzes) ist abweichend von § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 des Gesetzes nach den §§ 60 und 61 durchzuführen, wenn der Unternehmer im Vergütungszeitraum
1. im Inland keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 des Gesetzes oder nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 3 des Gesetzes ausgeführt hat,
2. nur Umsätze ausgeführt hat, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (§ 13b des Gesetzes) oder die der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5 und § 18 Abs. 5 des Gesetzes) unterlegen haben, ..."

Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 1 der [X.] vom 6. [X.]ezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedst[X.]ten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (Richtlinie 79/1072/[X.]). [X.]anach gilt für
"die Anwendung dieser Richtlinie ... als nicht im Inland ansässiger Steuerpflichtiger derjenige Steuerpflichtige nach Artikel 4 Absatz 1 der [X.]/[X.], der in dem Zeitraum nach Artikel 7 Absatz 1 erster Unterabsatz Sätze 1 und 2 in diesem Land weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind, noch - in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer festen Niederlassung - seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt hat und der in dem gleichen Zeitraum im Inland keine Gegenstände geliefert oder [X.]ienstleistungen erbracht hat mit Ausnahme von:
a) Beförderungsumsätzen und den damit verbundenen Nebentätigkeiten, die gemäß Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe i), Artikel 15 oder Artikel 16 Absatz 1 Teile B, [X.] und [X.] der [X.]/[X.] steuerfrei sind, oder
b) [X.]ienstleistungen, bei denen die Steuer gemäß Artikel 21 Nummer 1 Buchstabe b) der [X.]/[X.] lediglich vom Empfänger geschuldet wird".

b) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des [X.]s nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. § 59 USt[X.]V nicht vor. Zwar handelt es sich bei der Klägerin um ein im Ausland ansässiges Unternehmen, das auch entsprechend § 59 Nr. 1 USt[X.]V im Inland keine Umsätze ausgeführt hat.

Gleichwohl reicht dies für die Anwendung des [X.]s nicht aus, denn § 59 Nr. 1 USt[X.]V ist einschränkend dahin auszulegen, dass diese Regelung nur dann zur Anwendung kommt, wenn der Steuerpflichtige nicht aus anderen Gründen gesetzlich verpflichtet ist, eine Steuererklärung abzugeben. Wie der [X.] bereits ausdrücklich entschieden hat (Urteil des [X.] --BFH-- in [X.], 360, [X.], 834, Leitsatz und unter [X.] [X.]), ist ein im Ausland ansässiger Unternehmer, der als Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 UStG ist und gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG ohnehin eine Steuererklärung für das Kalenderjahr abzugeben hat, berechtigt und im Hinblick auf das Nichtbestehen eines Wahlrechts zur Anwendung von [X.] oder [X.] auch verpflichtet, alle in diesem Kalenderjahr entstandenen Vorsteuerbeträge in der Jahreserklärung geltend zu machen. [X.]ie Klägerin hat im Kalenderjahr 2007 im Inland zumindest eine Leistung bezogen, für die sie Steuerschuldner nach § 13b UStG ist. Nach den für den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) hat die Klägerin von einem in den [X.] ansässigen Unternehmer eine im Inland nach § 3b UStG steuerbare und steuerpflichtige Güterbeförderungsleistung bezogen. [X.]ie Klägerin war im Hinblick auf diesen Leistungsbezug Steuerschuldner nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 UStG. [X.]ies führt im Kalenderjahr 2007 zur Anwendung des [X.], in dem die abziehbaren Vorsteuerbeträge der Klägerin zu berücksichtigen sind.

Maßgeblich ist hierfür, dass sich aus der nach § 18 Abs. 1 bis 4a sowie Abs. 9 UStG bestehenden Gesetzessystematik ergibt, dass [X.] und [X.] nur alternativ, nicht aber auch kumulativ anzuwenden sind. Eine gleichzeitige Anwendung von [X.] und [X.] für denselben Besteuerungszeitraum ist nicht mit dem sich aus § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG ausdrücklich ergebenden Normzweck der "Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens" zu vereinbaren und würde die [X.]urchsetzung steuerrechtlicher Ansprüche aufgrund der dann entstehenden Verfahrensverdoppelung unverhältnismäßig erschweren.

[X.]ies steht in Übereinstimmung mit den Wertungen des Unionsrechts. So dient die Richtlinie 79/1072/[X.] nach ihrem zweiten Erwägungsgrund dazu, "zu vermeiden, daß ein in einem Mitgliedst[X.]t ansässiger Steuerpflichtiger die Steuer, die ihm in einem anderen Mitgliedst[X.]t für die Lieferung von Gegenständen oder die Inanspruchnahme von [X.]ienstleistungen in Rechnung gestellt oder für die Einfuhr in diesem anderen Mitgliedst[X.]t entrichtet worden ist, endgültig tragen muß und damit einer [X.]oppelbesteuerung unterliegt". Nach dem fünften Erwägungsgrund zu dieser Richtlinie soll verhindert werden, dass "die Steuerpflichtigen, je nachdem, in welchem Mitgliedst[X.]t sie ansässig sind, unterschiedlich behandelt werden". [X.]er Zweck der Vermeidung einer [X.]oppelbesteuerung rechtfertigt nicht die kumulative Anwendung des [X.] und [X.]s. Zudem stellt die Rechtsprechung des [X.]s die nach der Richtlinie gebotene Gleichbehandlung sicher, so dass jeder Unternehmer, der dem [X.] unterliegt, in diesem auch den Vorsteuerabzug aus abziehbaren [X.] geltend machen kann. [X.]er [X.] schließt sich daher der an seinem Urteil in [X.], 360, [X.], 834 im Schrifttum vereinzelt geübten Kritik (von Streit, [X.]eutsches Steuerrecht 2011, 2233, zustimmend demgegenüber [X.], [X.] 2012, 341 ff., 354) nicht an.

3. Auch die weiteren Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.

a) [X.]er Klägerin entstehen aus der [X.]ualität von [X.] und [X.] im Hinblick auf mögliche Fehlbeurteilungen keine Nachteile.

[X.]) Geht der im Ausland ansässige Unternehmer irrtümlich davon aus, dass das [X.] z.B. im Hinblick auf eine nach § 13b UStG angenommene Steuerschuldnerschaft, die tatsächlich aber nicht besteht, anzuwenden sei, und wird dieser Fehler erst nach Ablauf der Antragsfrist für das [X.] festgestellt, kann die vor Ablauf der Antragsfrist für das [X.] eingereichte Jahressteuererklärung --unter Berücksichtigung der Angaben, die der Unternehmer bei seiner umsatzsteuerrechtlichen Registrierung gemacht hat-- als im Inland gestellter Vergütungsantrag anzusehen sein (vgl. zur Auslegung von Anträgen allgemein z.B. BFH-Urteil vom 23. September 2004 V R 58/03, [X.] 2005, 825). Ist dies nicht möglich, kann dem Unternehmer Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 110 der Abgabenordnung ([X.]) zu gewähren sein. [X.]em steht der [X.]harakter der Antragsfrist als Ausschlussfrist (Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 21. Juni 2012 [X.]-294/11, [X.], [X.] 2012, 1404, und BFH-Urteil vom 18. Januar 2007 V R 23/05, [X.], 32, [X.], 430, unter II.4.) nicht entgegen (BFH-Urteil in [X.], 32, [X.], 430, unter II.4.).

bb) Geht der im Ausland ansässige Unternehmer irrtümlich davon aus, dass das [X.] anzuwenden sei, während der Unternehmer z.B. im Hinblick auf eine nach § 13b UStG bestehende Steuerschuldnerschaft dem [X.] unterliegt, ist --in den Grenzen der Festsetzungsverjährung gemäß §§ 169 ff. [X.]-- das [X.] wiederum --und ggf. unter Beachtung von § 62 USt[X.]V-- nachzuholen.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es auf die Möglichkeit zur Bildung unterjähriger Vergütungszeiträume für einzelne Kalendermonate nicht an. [X.]enn ist für das Kalenderjahr als Besteuerungszeitraum eine Steuererklärung abzugeben (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG), hat diese die in dem Kalenderjahr als abzugsfähig entstandenen Vorsteuerbeträge zu enthalten. Lediglich bereits zuvor erfolgte Vergütungen im [X.] sind gemäß § 62 USt[X.]V gesondert zu erfassen.

c) Schließlich kommt es auch nicht auf die Überlegungen der Klägerin zur Geltendmachung des Vorsteuerabzugs bei innergemeinschaftlichen Erwerben und bei der Besteuerung elektronisch erbrachter [X.]ienstleistungen an. [X.]ie Anwendung des [X.]s --neben dem [X.] und neben dem Verfahren zur Besteuerung elektronisch erbrachter [X.]ienstleistungen (§ 16 Abs. 1a UStG und § 18 Abs. 4c UStG)-- beruht hier auf den ausdrücklichen Anordnungen in § 59 Nr. 1 und Nr. 4 USt[X.]V, über deren Wirksamkeit der [X.] im Streitfall nicht zu entscheiden hat.

Meta

V R 12/12

07.03.2013

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 22. Februar 2012, Az: 2 K 2447/10, Urteil

§ 18 Abs 1 UStG 2005, § 18 Abs 2 UStG 2005, § 18 Abs 9 UStG 2005, Art 1 EWGRL 1072/79, § 59 UStDV 2005, § 16 UStG 2005, § 13b UStG 2005, UStG VZ 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.03.2013, Az. V R 12/12 (REWIS RS 2013, 7570)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7570

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