Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2014, Az. XII ZB 511/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6956

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 511/13
vom

19. März 2014

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO §
580 Nr.
8; [X.]ZPO §
35; FamFG §
48 Abs.
2; [X.] §
1685 Abs.
2;
MRK Art.
46
Auf ein Umgangsrechtsverfahren, das vor dem 31.
Dezember 2006 formell rechts-kräftig abgeschlossen worden ist, ist §
580 Nr.
8 ZPO in Verbindung mit §
48 Abs.
2 FamFG nicht anzuwenden (§
35 [X.]ZPO), so dass eine später ergangene Entschei-dung des [X.] die Wiederaufnahme eines solchen Verfahrens nicht zu begründen vermag (im [X.] an [X.], 726).
BGH, Beschluss vom 19. März 2014 -
XII ZB 511/13 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 19. März 2014
durch
den
Vorsitzenden Richter Dose,
die Richterin [X.] und [X.], Dr.
Nedden-Boeger und [X.]
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des 2.
Familiensenats in Kassel des [X.]s [X.] vom 22.
August 2013 aufgehoben.
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Umgangsrechtsverfahrens wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Die Kosten des [X.] werden dem An-tragsteller auferlegt.
[X.]: 3.000

Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt Umgang mit dem im Jahr 2004 geborenen [X.] der Antragsgegner.
Der Antragsteller und die verheiratete Antragsgegnerin unterhielten von Mai 2002 bis Oktober 2003 eine außereheliche Beziehung. Im Juni 2003 wurde die Antragsgegnerin schwanger; im Dezember 2003 zog sie nach [X.] zu ihrem Ehemann (im Folgenden: Beteiligter zu 3). Im März 2004 wurde ihr [X.] Francis in [X.] geboren.
1
2
-
3
-
Der Antragsteller hat mit der Behauptung, er sei der biologische Vater des Kindes,
im August 2004 in [X.] ein Umgangsrechtsverfahren an-hängig gemacht. Nachdem die Beteiligten
keine Einwände gegen die internati-onale Zuständigkeit der [X.] Gerichte erhoben hatten, hat das Amtsge-richt u.a. den Antrag auf Regelung des Umgangs mit dem

die [X.] St[X.]tsangehörigkeit innehabenden

Kind zurückgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers hat das [X.] mit Beschluss vom 9.
Februar 2006 zurückgewiesen
und auf die damalige Gesetzeslage (§
1685 Abs.
2 [X.]) verwiesen. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Verfas-sungsbeschwerde mit Beschluss vom 20.
September 2006 nicht zur Entschei-dung angenommen
([X.] FamRZ 2006, 1661).
Auf die Individualbeschwerde des Antragstellers hat der [X.] für
Menschenrechte mit Ur-teil vom 15.
September 2011 festgestellt, dass Art. 8 [X.] verletzt sei. Er
hat [X.] zur Zahlung von 5.000

10.000

([X.]MR FamRZ
2011, 1715). Das Beschwerdegericht hat dem
hierauf vom Antragsteller gestellten Restitutionsantrag mit
einem Zwischenbeschluss stattgegeben, sei-nen Beschluss vom 9.
Februar 2006 aufgehoben und das Verfahren wieder aufgenommen. Hiergegen wenden sich die Antragsgegner mit der zugelasse-nen Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefoch-tenen Entscheidung und zur Zurückweisung des [X.] des [X.].

3
4
-
4
-
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung, die in juris veröffent-licht ist,
wie folgt begründet:
Der zulässige Restitutionsantrag sei statthaft, weil der Antragsteller das Vorliegen eines Restitutionsgrundes nach §
580 Nr.
8 ZPO schlüssig behauptet habe. Zwar sei diese Norm gemäß §
35 [X.]ZPO auf Verfahren, die vor dem 31.
Dezember 2006 rechtskräftig abgeschlossen worden seien, seinem Wort-laut nach nicht anzuwenden. Das Gesetz stelle insoweit -
jedenfalls im unmit-telbaren Anwendungsbereich der Zivilprozessordnung
-
auf den Zeitpunkt ab, zu dem die Entscheidung im Ausgangsverfahren formelle Rechtskraft erlangt habe. Dies gelte jedoch nicht für [X.], wenn und soweit [X.] ansonsten seiner völkerrechtlichen Verpflichtung, die Konventionsbestim-mungen
in der Auslegung des [X.] zur Kenntnis zu nehmen und auf den Fall anzuwenden, nicht nachkommen könne. So liege der Fall hier, weshalb der Anwendungsbereich des §
35 [X.]-ZPO im Rahmen der Gesetzesauslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion einzuschränken sei.
Allerdings führe die Wortlautauslegung zu der Annahme, dass der ge-nannte Stichtag (31.
Dezember 2006)
auf das inländische Ausgangsverfahren zu beziehen sei und nicht auf das sich gemäß Art.
35 Abs.
1 [X.] erst nach Eintritt der Rechtskraft anschließende Verfahren der Individualbeschwerde vor dem [X.]. Auch eine systematische Auslegung des §
35 [X.]ZPO spreche dafür, hinsichtlich des Stichtags auf das wiederaufzunehmende Ausgangsverfahren abzustellen. Entsprechendes gelte für den Willen des Gesetzgebers. Nach den
Gesetzesmaterialien sei klar, dass der Gesetzgeber mit dem "Verfahren"
im Sinne des §
35 [X.]ZPO das Aus-gangsverfahren gemeint habe. Ein anderes Auslegungsergebnis lasse sich auch nicht daraus herleiten, dass §
580 Nr.
8 ZPO vorliegend nicht unmittelbar 5
6
7
-
5
-
gelte, sondern nur über die Verweisung in §
48 Abs.
2 FamFG zur Anwendung gelange.
Diese Auslegung entspreche jedoch in [X.] nicht Sinn und Zweck des Gesetzes, die darin bestünden, einerseits mit der Ergänzung des §
580 ZPO im Interesse derjenigen [X.]en, deren Rechte aus der [X.] nach den Feststellungen des [X.] verletzt worden seien, einen spezifischen Wiederaufnahmegrund vorzusehen, andererseits aber auch das grundsätzlich schutzwürdige Interesse derjenigen [X.] im Auge zu behalten, die als Gegner im Ausgangsverfahren in die Rechtskraft der nationalen Entscheidung vertraue. Denn Beschlüsse in [X.] mit Dauerwirkung [X.] nicht in materielle Rechtskraft, sondern seien unter den Voraussetzungen der
§§
166 Abs.
1 FamFG, 1696 [X.] abänderbar. Daher sei in [X.] für den Einwand der Rechtskraft grundsätzlich kein Raum. Vielmehr habe die Fürsorge gegenüber den Minderjährigen stets Vorrang vor der Endgültigkeit einer einmal getroffenen Entscheidung. Aus diesem Grund erscheine im vorliegenden Fall lediglich der durch die Entscheidung vom 9.
Februar 2006 in seinen Rechten verletzte Antragsteller schutzbedürftig, der allerdings ohne Wiederaufnahme des Ausgangsverfahrens mangels internationaler Zuständigkeit der [X.] Gerichte im Inland kein neues erstinstanzliches Abänderungsverfahren [X.] könne, während die Antragsgegner durch die genannte Entscheidung nach dem System des Gesetzes über das Verfahren
in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
ohnehin keine schutzwür-dige Rechtsposition erlangt hätten, zumal Änderungen der Rechtsprechung und der Gesetzeslage Abänderungsgründe im Sinne des §
1696 [X.] seien. Für diese Sachlage liege demnach, ausgehend von der in der Gesetzesbegründung niedergelegten gesetzgeberischen Absicht, eine planwidrige Regelungslücke vor, die eine teleologische Reduktion des §
35 [X.]ZPO rechtfertige.
8
-
6
-
Diese sei erforderlich, weil [X.] völkerrechtlich gemäß Art.
46 Abs.
1 [X.] verpflichtet sei, das endgültige Urteil des [X.] zu [X.]. Die Bindungswirkung einer Entscheidung des [X.] erstrecke sich auf alle st[X.]tlichen Organe und verpflichte diese grundsätzlich, im Rahmen ih-rer Zuständigkeit und ohne Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht einen fortdauernden Konventionsverstoß zu beenden und einen konventions-gemäßen Zustand herzustellen. Innerhalb der [X.] Rechtsordnung stün-den
die [X.] und ihre Zusatzprotokolle im Rang eines [X.]gesetzes, was dazu führe, dass [X.] Gerichte die [X.] wie anderes Gesetzesrecht des [X.] im Rahmen methodisch ver-tretbarer Auslegung des nationalen Rechts zu beachten und anzuwenden [X.].
2. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Im Ansatz zutreffend hat das Beschwerdegericht darauf abgestellt, dass §
35 [X.]ZPO nach seiner auf den Wortlaut, die systematische Stellung und den
Willen des Gesetzgebers bezogenen Auslegung die
Wiederaufnahme eines
bereits vor Ablauf des Jahres 2006 formell rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ausschließt
(im Ergebnis ebenso [X.], 726; BVerwG
NVwZ 2010, 652 Rn.
17; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 34.
Aufl.
§
580 Rn.
23 und [X.]/[X.]/[X.] ZPO 34.
Aufl.
§
35 [X.]ZPO Rn.
1; [X.]/[X.] ZPO 30.
Aufl.
§
35 [X.]ZPO Rn.
2).
[X.]) Gemäß §
580 Nr.
8 ZPO in der seit dem 31.
Dezember 2006 gelten-den Fassung (vom 22.
Dezember 2006, [X.]l.
I S.
3416) findet die [X.] statt, wenn der [X.] für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser 9
10
11
12
-
7
-
Verletzung beruht. Nach §
35 [X.]ZPO ist §
580 Nr.
8 ZPO
auf
Verfahren, die vor dem 31.
Dezember 2006 rechtskräftig abgeschlossen worden sind, nicht anzuwenden. Gemäß §
48 Abs.
2 FamFG gilt §
580 Nr.
8 ZPO in Verbindung mit §
35 [X.]ZPO ebenso für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
mithin auch für Umgangsrechtsverfahren (s. auch
BT-Drucks. 16/3038 S.
39).
Auch wenn [X.] wegen der jederzeitigen Abänderbarkeit nicht in materielle Rechtskraft erwachsen (vgl. [X.]sbeschluss vom 1.
Februar 2012

XII
ZB
188/11

FamRZ 2012, 533 Rn.
22), sind sie gleichwohl der for-mellen Rechtskraft fähig.
[X.]) Die in §
35 [X.]ZPO enthaltene Stichtagsregelung stellt nach ihrem Wortlaut auf den Zeitpunkt ab, zu dem das Verfahren "rechtskräftig"
abge-schlossen ist. Mangels entgegenstehender Hinweise ist davon auszugehen, dass der Begriff der "Rechtskraft"
im Einführungsgesetz zur Zivilprozessord-nung einheitlich gebraucht wird, weshalb §
19 [X.]ZPO gilt. "Ordentliche Rechtsmittel"
im Sinne dieser Norm stellen weder die Verfassungsbeschwerde noch die Individualbeschwerde im Sinne des Art.
34 [X.] dar. Durch diese besonderen Rechtsbehelfe zum Schutz
der Grundrechte
und individueller Men-schenrechte wird die Rechtskraft der angegriffenen Entscheidung nicht ge-hemmt, der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens also nicht verzögert. Die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung ist vielmehr grundsätzlich [X.] der Verfassungsbeschwerde und der [X.] beim [X.] ([X.], 726 Rn.
22 mwN). Das Verfahren vor dem Gerichtshof stellt sich zudem nicht als Fortsetzung des innerst[X.]tlichen Verfahrens dar; die [X.] richtet sich nicht gegen die im Zivilprozess obsiegende [X.], [X.] gegen die [X.]republik [X.]. Schließlich verwendet die [X.] nicht den Begriff
der "Rechtskraft", sondern 13
-
8
-
spricht von der "endgültigen"
Entscheidung, wenn es um den Abschluss des Verfahrens vor dem Gerichtshof geht ([X.], 726 Rn.
22 mwN).
[X.]) Für die Anknüpfung
an die formelle Rechtskraft des [X.] sprechen überdies systematische Erwägungen. Der Begriff "Verfahren"
wird sowohl in der Überschrift des 4.
Buchs der Zivilprozessordnung als auch in der Grundnorm des §
578 Abs.
1 ZPO verwandt, nach der
die Wiederaufnahme eines durch "rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens"
durch Nich-tigkeitsklage oder durch Restitutionsklage erfolgen kann. Beide Klagen sind auf die Überwindung der Rechtskraft des Ausgangsverfahrens gerichtet ([X.], 726 Rn.
23).
dd) Zu Recht hat das Beschwerdegericht insoweit auch auf den Willen des Gesetzgebers
verwiesen. In der Gesetzesbegründung zu §
35 [X.]ZPO heißt es unter Hinweis auf §
578 Abs.
1 ZPO
ausdrücklich, die Übergangsrege-lung stelle sicher, dass eine Anwendung des neuen Restitutionsgrundes nach §
580 Nr.
8 ZPO erst für diejenigen Entscheidungen in Betracht komme, die nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung rechtskräftig abgeschlossen würden. Ohne diese Regelung bestünde die Gefahr einer unzulässigen rückwir-kenden Anwendung der Neuregelung. Ein Gesetz, das rückwirkend einen [X.] normiere, greife in einen
abgeschlossenen Sachverhalt ein. Eine solche echte Rückwirkung sei aber grundsätzlich unzulässig (BT-Drucks. 16/3038 S.
36). Mit
dem Verweis auf §
578 ZPO
in der Gesetzesbe-gründung hat der Gesetzgeber mithin erkennbar den Willen zum Ausdruck ge-bracht, mit der Stichtagsregelung an die Rechtskraft des Ausgangsrechtsstreits und nicht an die Beendigung des Beschwerdeverfahrens vor dem Gerichtshof anzuknüpfen ([X.], 726 Rn.
23).

14
15
-
9
-
b) Entgegen der Auffassung des [X.] steht dem vorste-hend gefundenen Auslegungsergebnis für [X.] Sinn und Zweck der Norm nicht entgegen; einer teleologischen Reduktion des §
35 [X.]ZPO [X.] es daher nicht.
Weder die [X.] und die hierzu er-gangene Rechtsprechung des [X.] noch die Besonderheiten
des vorliegenden Umgangsrechtsverfahrens als ein "Kindschaftsverfahren mit Dauerwirkung"
gebieten es, den
Restitutionsgrund des §
580 Nr.
8 ZPO auch auf Verfahren anzuwenden, die im Zeitpunkt seiner Einführung bereits formell rechtskräftig abgeschlossen waren.
[X.]) Der Gesetzgeber war schon im Ausgangspunkt weder durch die Vor-gaben der Europäischen Konvention für Menschenrechte noch durch die hierzu ergangene Rechtsprechung des Europäischen [X.] für Menschenrech-te zur Einführung des Restitutionsgrundes des §
580 Nr.
8 ZPO verpflichtet
([X.] NJW 2013, 3714, 3715; BT-Drucks. 16/3038 S.
39).
Ist die Möglichkeit zur Restitution aber nicht zwingend, ist es dem [X.] Gesetzgeber nicht verwehrt, den Restitutionsgrund des §
580 Nr.
8 ZPO nur für solche Verfahren zu eröffnen, die nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung, also nach dem 31.
Dezember 2006, rechtskräftig abgeschlossen werden.
Auch wenn sich die Vertragsparteien der [X.] nach Art.
46 Abs.
1 [X.] verpflichten, in allen Rechtssa-chen, in denen sie [X.] sind, das endgültige Urteil des [X.] zu befolgen, ändert dies nichts daran, dass die Beseitigung einer Konventionsverletzung grundsätzlich den Vertragsparteien überlassen bleibt, die dieser Pflicht im Rahmen des nach der innerst[X.]tlichen Rechtsordnung Möglichen nachzukommen haben.
16
17
18
19
-
10
-
Demgemäß haben die Gerichte ein Urteil des [X.], das einen von ihnen bereits entschiedenen Fall betrifft, nur insoweit zu berücksichtigen, als sie in verfahrensrechtlich zulässiger Weise er-neut über den Gegenstand entscheiden und dem Urteil ohne Gesetzesverstoß Rechnung tragen können ([X.] FamRZ 2004, 1857, 1858
f.; vgl. auch [X.], 464, 465). Folgerichtig hat die Rechtsbeschwerde gegen die angefochtene Entscheidung eingewandt, dass das geltende [X.], hier der
§
35 [X.]ZPO,
der vom Antragsteller begehrten Restitution entge-genstehe.
[X.]) Zu Recht wendet die Rechtsbeschwerde zudem ein, dass auch die Besonderheiten des hier gegenständlichen Umgangsrechtsverfahrens als Kind-schaftssache mit Dauerwirkung keine von den vorstehenden Grundsätzen ab-weichende Beurteilung erfordert.
In Umgangsrechts-
ebenso wie in Sorgerechtsverfahren
ist für den [X.] der rechtskräftig entschiedenen Sache kein Raum. §
1696 Abs.
1 [X.] enthält eine materiell-rechtliche Änderungsbefugnis, die nicht nur der Anpas-sung der getroffenen Regelung an eine Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse dient, sondern auch eine Berücksich-tigung solcher Tatsachen erlaubt, die bei der Entscheidungsfindung zwar schon vorlagen, dem Gericht aber nicht bekannt waren ([X.] FamRZ
2005, 783, 784
f.; siehe auch OLG Bremen
OLGR 2006, 464, 466).
Der hieraus vom Beschwerdegericht gezogene Schluss, wonach der in einer Kindschaftssache obsiegende Beteiligte wegen der möglichen Abänder-barkeit der Entscheidung mangels eines entsprechenden Vertrauens in die ma-terielle Rechtskraft nicht schutzbedürftig sei, wohingegen der Antragsteller we-gen des mittlerweile eingetretenen Verlustes der internationalen Zuständigkeit 20
21
22
23
-
11
-
besonders schutzbedürftig sei, geht fehl.
Dieses Argument zeigt vielmehr, dass in solchen Fällen der vor dem Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte obsiegende Beteiligte an sich einer Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne des §
580 ZPO iVm §
48 Abs.
2 FamFG gar nicht bedarf, um eine menschen-rechtskonforme Entscheidung für die Zukunft zu erreichen.
(1)
Zwar vermag der
Antragsteller vor den [X.] Gerichten auf Grund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls keine Änderung der Ausgangsentscheidung zu erlangen.
Der Grund hierfür
liegt indes nicht im materiellen Recht, sondern allein im Verfahrensrecht.
Gemäß Art.
8 Abs.
1 der Verordnung Nr.
2201/2003 des Rates vom 27.
November 2003 über die Zu-ständigkeit
und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr.
1347/2000 ([X.] II
a-VO =
[X.]) sind für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, wozu gemäß
Art.
2 Nr.
7 [X.] II
a-VO auch das Umgangsrecht
gehört, die Gerich-te des Mitgliedst[X.]tes zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstel-lung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, hier also die Gerichte
Großbritanni-ens. Hinsichtlich der Zuständigkeit geht die [X.] II
a-VO nach ihrem Art.
61 dem Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterli-chen Verantwortung und Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.
Oktober 1996 (ABl.
2003 Nr.
L
48 S.
3; [X.]l.
II 2009 S.
602, 603; 2010, 1527
Kinderschutzübereinkommen/[X.]) vor ([X.]sbeschluss vom 16.
März 2011 -
XII
ZB
407/10
-
FamRZ 2011, 796 Rn.
12).

Dass die [X.] Gerichte demgegenüber in dem rechtskräftig abgeschlossenen Umgangsrechtsverfahren zuständig waren, obgleich das Kind seinen
gewöhnlichen Aufenthalt von [X.] an in [X.] hatte, liegt an einer entsprechenden Vereinbarung der [X.]. Art.
12 Abs.
3
[X.] II
a-VO (vgl. dazu OLG Düsseldorf FamRZ 24
-
12
-
2010, 915). Diese Zuständigkeitsvereinbarung beschränkt sich indes auf das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren (vgl. Art.
12 Abs.
2
Buchst.
b [X.] II
a-VO), gilt also nicht auch für ein sich anschließendes Abänderungsverfahren.
(2) Die fehlende Zuständigkeit [X.]r Gerichte macht
den [X.] entgegen der Auffassung des [X.] jedoch nicht besonders schutzwürdig, zumindest nicht in einem Maße, das eine Auslegung des §
35 [X.]ZPO entgegen dem
klaren Wortlaut, seiner systematischen Stellung und dem
Willen des Gesetzgebers rechtfertigen könnte. Die [X.] der [X.] II
a-VO, wonach
für die Zuständigkeit der gewöhnliche Aufent-halt des Kindes maßgeblich ist, dienen vor allem der Wahrung des [X.].
Dem Kind soll nicht zugemutet werden, in ein anderes Land zu reisen, um an einer

regelmäßig erforderlichen

gerichtlichen Anhörung teilzunehmen. Auch im Übrigen erscheint es sachgerecht, alle weiteren Ermittlungen

wie [X.] die Einholung eines Sachverständigengutachtens

am Aufenthaltsort des Kindes durchzuführen.
[X.]) Schließlich wird der Antragsteller durch die Verweisung auf die nun-mehr zuständigen Gerichte des [X.] auch nicht rechtlos ge-stellt. Es bleibt ihm unbenommen, in [X.]
einen Umgangsrechtsantrag
zu
stellen.
Zwar unterliegt das nach Art.
15 Abs.
1 iVm Art.
5 Abs.
1 [X.] anzu-wendende [X.] Recht hinsichtlich des Umgangsrechts
des biologischen Vaters ähnlichen Beschränkungen wie das [X.] (vgl. dazu das Gutachten des [X.] Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht vom 11.
März 2010 S.
63
f.
-
http://www.dijuf.de/tl_files/downloads/2011/DIJuF-Gutachten_Rechts-vergleich_Umgang_biologischer_Vater_03_2010.pdf
-
Stand 12.
März 2014). Da aber auch das Vereinigte Königreich Vertragsst[X.]t der Europäischen Men-schenrechtskonvention ist, wird das angerufene Gericht bei seiner Entschei-dung Art.
8 [X.] in der vom [X.] 25
26
-
13
-
gefundenen Auslegung
gemäß Art.
46 [X.] ebenso zu berücksichtigen haben
wie ein [X.]s Gericht.
3. Gemäß §
74 Abs.
5 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuhe-ben. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, konnte der [X.] selbst ab-schließend entscheiden, §
74 Abs.
6 Satz
1 FamFG.
Dose [X.] Schilling

Nedden-Boeger

[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom [X.] -
42 [X.]/04 UG -

OLG [X.], Entscheidung vom 22.08.2013 -
2 UF 23/12 -

27

Meta

XII ZB 511/13

19.03.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2014, Az. XII ZB 511/13 (REWIS RS 2014, 6956)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6956

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 511/13 (Bundesgerichtshof)

Umgangsrecht des biologischen Vaters: Wiederaufnahme vor dem 31. Dezember 2006 rechtskräftig abgeschlossener Umgangsrechtsverfahren bei später …


2 BvR 1170/14 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Keine Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten durch Anwendung der Stichtagsregelung des § 35 …


2 AZR 570/11 (Bundesarbeitsgericht)

Restitutionsklage - festgestellter Konventionsverstoß


2 BvR 1488/14 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Stichtagsregelung des § 35 EGZPO (juris: ZPOEG) - Ausschluss des …


7 Sa 1427/10 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 511/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.