Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.11.2010, Az. III R 79/09

3. Senat | REWIS RS 2010, 1026

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Gegenstand

Zurechnung von Kinderbetreuungskosten - Abgekürzter Zahlungs- und Vertragsweg


Leitsatz

1. Kinderbetreuungskosten können nur von demjenigen abgezogen werden, der sie getragen hat; § 4f a.F. EStG enthält insoweit weder besondere Zuordnungsregeln noch ein Zuordnungswahlrecht .

2. Wenn von den zusammen lebenden, nicht miteinander verheirateten Eltern nur ein Elternteil den Vertrag mit der Kindertagesstätte abschließt und das Entgelt von seinem Konto zahlt, dann kann dieses weder vollständig noch anteilig dem anderen Elternteil unter dem Gesichtspunkt des abgekürzten Zahlungs- oder Vertragswegs als von ihm getragener Aufwand zugerechnet werden .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr (2006) Einkünfte aus [X.]er Arbeit. Er lebt mit seiner ebenfalls [X.] tätigen Lebensgefährtin und dem im April 2004 geborenen gemeinsamen Kind in einem Haushalt zusammen. Der Bruttoarbeitslohn des [X.] betrug knapp 26.000 €, der seiner Lebensgefährtin knapp 13.000 €. Beide tragen zu den Aufwendungen des Haushaltes bei; so teilen sie sich die Miete für die gemeinsame Wohnung, der Kläger zahlt die gesamten Strom- und Telefonkosten und die Eltern des [X.] übernehmen die Kosten des von der Lebensgefährtin genutzten PKW. Das Finanzgericht ([X.]) hat dies als "Wirtschaften aus einem Topf" beschrieben.

2

Das gemeinsame Kind wurde im Streitjahr 2006 in einer Kindertagesstätte betreut. Die Lebensgefährtin hatte den Betreuungsvertrag mit der Kindertagesstätte unterschrieben und das Entgelt von 990 € von ihrem Konto gezahlt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) lehnte es ab, zwei Drittel dieser Aufwendungen als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten des [X.] wie Werbungskosten gemäß § 4f [X.]. § 9 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen, weil die Kinderbetreuungskosten nicht vom Kläger, sondern von der Kindesmutter getragen worden seien.

3

Die Klage hatte Erfolg. Das [X.] entschied mit Urteil vom 27. Mai 2009  2 K 211/08 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1376), die Eltern könnten über die Aufteilung der Aufwendungen entscheiden. Da beide Elternteile in eheähnlicher Lebensgemeinschaft "aus einem Topf gewirtschaftet" hätten, sei der Kläger mit den Aufwendungen zur Kinderbetreuung wirtschaftlich belastet, obwohl diese vom Konto der Lebensgefährtin abgeflossen seien.

4

Das [X.] trägt zur Begründung der Revision vor, die Aufwendungen könnten von jedem Elternteil nur bis zur Höhe des hälftigen [X.] abgezogen werden. Wegen des Grundsatzes der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit könnten Aufwendungen aber nur abgezogen werden, wenn der Steuerpflichtige sie selbst getragen habe (Beschluss des [X.] --BFH-- vom 23. August 1999 GrS 2/97, [X.], 160, [X.] 1999, 782). Dies treffe beim Kläger nicht zu. Es handele sich auch nicht um einen sog. abgekürzten Zahlungsweg, da der Kläger seiner Lebensgefährtin deren Aufwendungen nicht zu ersetzen brauche und durch ihre Zahlung auch nicht von einer eigenen Schuld befreit worden sei. Ein abgekürzter [X.] sei ebenfalls nicht gegeben, da die Lebensgefährtin bei der Betreuung des Kindes ein Eigeninteresse verfolgt und mit der Zahlung eine eigene Schuld getilgt habe. Die gemeinsame Haushaltsführung erlaube keine Zurechnung nicht getragenen Aufwandes; jedenfalls wäre die Aufwandszurechnung auf die "anteilige Höhe des Einspeisungsanteils" zu begrenzen. In Massenverfahren praktikabel sei nur die Zuordnung der Aufwendungen danach, wer sie getragen habe.

5

Das [X.] beantragt, das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten, hat aber keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision führt zur Aufhebung des [X.] und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger hat selbst keine Kinderbetreuungskosten getragen, und die Zahlung vom Konto der Lebensgefährtin kann ihm weder vollständig noch anteilig zugerechnet werden.

8

1. Steuerpflichtige, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen, können zwei Drittel der wegen ihrer Erwerbstätigkeit anfallenden Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zu ihrem Haushalt gehörenden und noch nicht 14 Jahre alten Kindes i.S. des § 32 Abs. 1 EStG nach § 4f EStG [X.]. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG in der Fassung des Streitjahres 2006 --jetzt § 9c Abs. 1 EStG-- wie Werbungskosten abziehen, sofern die Aufwendungen durch Vorlage einer Rechnung und die Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers nachgewiesen werden (§ 4f Satz 5 EStG).

9

Das EStG wird durch die Grundsätze des objektiven und des subjektiven Nettoprinzips sowie der Individualbesteuerung geprägt. Eine Zurechnung von Einnahmen und Ausgaben setzt voraus, dass der Steuerpflichtige den entsprechenden Tatbestand des EStG selbst verwirklicht hat. Ausgaben, die Dritte geleistet haben (sog. [X.]), können grundsätzlich nur beim [X.] berücksichtigt werden, nicht aber bei dem insoweit nicht belasteten Steuerpflichtigen.

Dem Wortlaut des § 4f EStG sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die es rechtfertigen könnten, davon abzuweichen; die Vorschrift bezieht sich auf Aufwendungen des Steuerpflichtigen und enthält insbesondere weder Zuordnungsregeln noch ein Zuordnungswahlrecht.

a) Der Kläger hat das Entgelt für die Betreuung seines Kindes in der Kindertagesstätte nicht unmittelbar selbst gezahlt; die Entgelte für die Kindertagesstätte sind vielmehr ausschließlich vom Konto der Lebensgefährtin überwiesen worden.

b) Der Kläger hat seiner Lebensgefährtin die von ihr an die Kindertagesstätte geleisteten Zahlungen auch nicht nachträglich --freiwillig oder als geschuldeten Aufwendungsersatz infolge eines Auftragsverhältnisses oder einer Geschäftsführung ohne Auftrag-- erstattet.

c) Soweit der Kläger und seine Lebensgefährtin "aus einem Topf" gewirtschaftet haben, erlaubt dies es nicht, ihm das gesamte Entgelt oder einen Teil des Entgeltes als eigenen Aufwand zuzurechnen. Denn die Einnahmen des [X.] und seiner Lebensgefährtin sind nicht auf ein gemeinschaftliches Konto geflossen, von dem sodann die anfallenden Ausgaben bezahlt wurden; vielmehr haben der Kläger und die Lebensgefährtin ihre Vermögenssphären getrennt gehalten.

Ob die von einem Gemeinschaftskonto gezahlten Entgelte teilweise dem Kläger zuzurechnen wären, obwohl nur die Lebensgefährtin der Kindertagesstätte zivilrechtlich verpflichtet war, und nach welchem Maßstab dies zu geschehen hätte [X.] Hälfte, entsprechend dem Verhältnis der Bruttoarbeitslöhne zu zwei Drittel oder nach dem konkreten Verhältnis der Einzahlungen auf das [X.] braucht nicht entschieden zu werden.

2. Dem Kläger können die von der Lebensgefährtin gezahlten Beträge nicht teilweise als eigener Aufwand zugerechnet werden.

Die Rechtsgrundsätze zum abgekürzten Zahlungs- oder [X.] erlauben es, dem Steuerpflichtigen Kosten als eigenen Aufwand zuzurechnen, die ein Dritter in seinem --des [X.] Interesse trägt.

a) In Fällen der sog. Abkürzung des [X.] tilgt der Dritte im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen dessen Schuld (§ 267 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), statt dem Steuerpflichtigen den Geldbetrag unmittelbar zu geben und ihn die Zahlung vornehmen zu lassen ([X.] in [X.], 160, [X.] 1999, 782, unter [X.] 1. c aa; [X.] in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 4 Rz 178). Ein derartiger Fall ist vorliegend schon deshalb nicht gegeben, weil die Lebensgefährtin allein auf ihre eigene Verbindlichkeit geleistet hatte, denn nur sie hatte den Vertrag mit der Kindertagesstätte unterzeichnet.

b) Die Aufwendungen eines [X.], der im eigenen Namen für den Steuerpflichtigen einen Vertrag schließt und auch selbst die geschuldeten Zahlungen leistet, können nach den Grundsätzen der Abkürzung des [X.]es beim Steuerpflichtigen abgezogen werden (z.B. BFH-Urteile vom 15. November 2005 [X.], [X.], 318, [X.] 2006, 623, m.w.N., betr. einen vom Vater abgeschlossenen Werkvertrag über Erhaltungsarbeiten am vermieteten Grundstück des Steuerpflichtigen; vom 28. September 2010 [X.], [X.], 567). Denn auch in diesem Fall wendet der Dritte dem Steuerpflichtigen --wie beim abgekürzten [X.] zu und bewirkt dadurch zugleich seine Entreicherung.

Die Anwendung der Grundsätze des abgekürzten [X.]es zugunsten des [X.] kommt jedoch nicht in Betracht. Denn die Lebensgefährtin wahrte mit dem Abschluss des [X.] für ihr Kind eigene Interessen, da die Kindertagesstätte sie von der ihr als Mutter obliegenden Personensorge entlastete und ihr die Erwerbstätigkeit ermöglichte. Zwar nützte die Unterbringung des Kindes in der Kindertagesstätte auch dem Kläger, der als Vater --rechtlich oder zumindest tatsächlich-- ebenfalls zur Betreuung verpflichtet war. Eine Zurechnung von Aufwendungen nach den Grundsätzen der Abkürzung des [X.]es setzt aber voraus, dass die aufgrund des Vertrages zu erbringenden Leistungen eindeutig der Erwerbssphäre des Steuerpflichtigen und nicht der/des [X.] zuzuordnen sind oder, im Falle des hier einschlägigen § 4f EStG a.F., dass sie wegen der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen und nicht des [X.] anfallen.

Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob eine Zurechnung von [X.] nach den Grundsätzen des abgekürzten [X.]es bei Verträgen über die Betreuung von Kleinkindern in einer Kindertagesstätte ohnehin ausgeschlossen ist, weil diese zu den Dauerschuldverhältnissen gehören, bei denen die Rechtsprechung die Anwendung der Grundsätze des abgekürzten [X.]es bisher abgelehnt hat (BFH-Urteile vom 24. Februar 2000 IV R 75/98, [X.], 301, [X.] 2000, 314; vom 3. Dezember 2002 [X.]/00, [X.] 2003, 468).

Meta

III R 79/09

25.11.2010

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Thüringer Finanzgericht, 27. Mai 2009, Az: 2 K 211/08, Urteil

§ 4f EStG 2002, § 9 Abs 5 EStG 2002, § 267 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.11.2010, Az. III R 79/09 (REWIS RS 2010, 1026)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1026

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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