Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2001, Az. VI ZR 373/99

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 3153

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:20. März 2001Böhringer-Mangold,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: neinBGB § 823 [X.] den Sorgfaltsanforderungen, denen ein Bewachungsunternehmen bei der [X.], dem während des Dienstes eine Waffe ausgehändigtwird, zur Überprüfung der Zuverlässigkeit des Bewerbers genügen muß.[X.], Urteil vom 20. März 2001 - [X.] - [X.] LG Mönchengladbach- 2 -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 20. März 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. [X.] und die [X.]. [X.], [X.], [X.] und [X.]für Recht erkannt:Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.] des[X.]s [X.] vom 22. Oktober 1999 aufgeho-ben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die Klägerin zu 1) und ihr minderjähriger [X.], der Kläger zu 2), [X.] die Beklagte, ein bundesweit tätiges gewerbliches Bewachungsunter[X.], auf Zahlung von Schmerzensgeld, einer monatlichen Rente und auf [X.] weiteren materiellen Schadens wegen des Todes ihres Ehemanns [X.] in Anspruch.Die Beklagte hatte auf der Grundlage eines Vertrages mit der zuständi-gen Standortverwaltung die Bewachung einer Kaserne der [X.] in M.übernommen. Im [X.] 1991 bewarb sich der Bruder der Klägerin zu 1) [X.] des [X.] zu 2), [X.], unter Beifügung eines aktuellen polizeili-- 3 -chen Führungszeugnisses bei der [X.] um den Posten eines Wachman-nes. Die Beklagte führte mit ihm ein eineinhalbstündiges Gespräch, [X.] Ordnungsamt der [X.] M. und die Standortverwaltung zur Sicherheits-und Zuverlässigkeitsprüfung ein und schloß sodann mit [X.] einen Arbeitsver-trag, aufgrund dessen er bei der Bewachung der Kaserne in M. eingesetzt wur-de. Der Dienst fand innerhalb des umzäunten Kasernengeländes statt. [X.] wur-de nur während des Dienstes eine Dienstwaffe ausgehändigt, die er [X.] jeweils wieder abgeben mußte. Ihm war es zudem arbeitsvertrag-lich verboten, sie außerhalb des Dienstes zu tragen.Am 21. Dezember 1993 verließ [X.] während der Dienstzeit das Kaser-nengelände und nahm die ihm ausgehändigte Pistole mit. Dabei benutzte [X.] im Zaun, deren Schlüssel in der Wachstube aufgehängt war, inder sich mindestens ein Wachlokalposten der aus drei Personen bestehendenSchicht aufhielt. [X.] begab sich in die Wohnung der Kläger in M., wo er in [X.] seinen Schwager mit mehreren Schüssen aus der Dienstwaffe tö-tete. Hierbei war er aufgrund einer psychiatrischen Krankheit möglicherweiseschuldunfähig. Der Beginn dieser Erkrankung reicht bis in das [X.]. [X.] war bereits bei seiner Einstellung bei der [X.] als [X.] 1991 für diese Tätigkeit deshalb geistig ungeeignet, was aber zu diesemZeitpunkt nur bei einer Untersuchung durch einen Psychiater hätte [X.] können.Die Kläger werfen der [X.] vor, bei der Auswahl, Schulung [X.] des [X.] Sicherungspflichten verletzt zu haben. Die Charakter-eigenschaften von [X.] hätten in einer medizinisch-psychologischen und psych-iatrischen Untersuchung und durch medizinische Tests überprüft werden [X.]. Zudem hätte die Beklagte sich bei der [X.] nach dem Grund er-- 4 -kundigen müssen, aus dem [X.] vom Wehrdienst befreit worden sei. [X.] die Beklagte eine Nachforschung beim früheren Arbeitgeber von [X.], denbritischen [X.], durchführen müssen. All dies, so behaupten die Kläger,hätte zur Aufdeckung der psychiatrischen Erkrankung des [X.] geführt und damitseine Einstellung als Wachmann verhindert. Auch sei der [X.] vorzu-werfen, daß sie nicht durch organisatorische Vorkehrungen einen Waffenmiß-brauch mit Sicherheit ausgeschlossen habe.Das [X.] hat die Klage zu einem kleinen Teil abgewiesen, sie imübrigen aber dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung der[X.] hat das [X.] die Klage insgesamt abgewiesen. [X.] Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtli-chen Urteils.Entscheidungsgründe:I.Nach Auffassung des [X.] hat die Beklagte ihre [X.] nicht verletzt. Sie habe die ihr möglichen und zumutba-ren Vorkehrungen gegen das Verbringen einer Waffe durch einen Wachmannaus dem Kasernengelände nach draußen getroffen. Es sei jedem [X.] verboten gewesen, die Dienstwaffe außerhalb des Diensteszu tragen, die Rückgabe der Waffe nach Dienstende sei sichergestellt gewe-sen und der Wachmann habe das umzäunte [X.] nicht mit der Waffe verlassen können. Der Schlüssel zu der Fluchttür, die- 5 -[X.] schließlich benutzt habe, sei in der Wachstube aufgehängt gewesen, in [X.] nach dem eigenen Vortrag der Kläger zwei Wachhabende befunden [X.]. Der [X.] sei auch keine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflichtvorzuwerfen, weil sie etwa gebotene Maßnahmen zur Feststellung der Unzu-verlässigkeit des [X.] bei der Einstellung unterlassen hätte. Da die Verordnungüber das Bewachungsgewerbe in der zur maßgeblichen Zeit gültigen [X.] 1. Juni 1976 ([X.] ff.), nach deren § 5 bei der Bewachung nur"zuverlässige" Personen beschäftigt werden dürften, keine näheren Anweisun-gen darüber enthalte, wie die Zuverlässigkeit festzustellen sei, liege eine [X.] an den Bestimmungen des Waffengesetzes nahe. Nach dessen § 30Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 sei entscheidend, ob "Tatsachen die Annahme rechtferti-gen", daß die Zuverlässigkeit nicht gegeben sei. Nach § 5 Abs. 4 Waffengesetzdürfe die Behörde die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses nur verlangen,wenn Tatsachen bekannt seien, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit [X.]. An die Beklagte dürften zum Schutze der Sicherheit des allgemei-nen Verkehrs keine strengeren Maßstäbe angelegt werden. Da ihr keine [X.] bekannt gewesen seien, die die psychische Eignung des [X.] in [X.] hätten, habe sie von ihm keine ärztliche Bescheinigung verlangen [X.]. Die Beklagte habe auch keine zumutbaren Mittel gehabt, um solche [X.] in Erfahrung zu bringen. Damit seien die tatsächlich durchgeführtenMaßnahmen der [X.], nämlich die Einholung eines Führungszeugnisses,die Meldung bei der Ordnungsbehörde, die Anfrage bei der [X.] das eineinhalbstündige persönliche Gespräch bei der Einstellung mitanschließender Ausbildung zum Wachmann ausreichend zur Sicherung [X.] gewesen.- 6 -II.Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht in [X.] stand. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die [X.], denen die Beklagte genügen mußte, zu gering [X.]. Die Aushändigung einer Pistole an einen [X.] schafft eine besondereGefahrenlage, die deren Urheber zu einem Höchstmaß an Schutzvorkehrungenverpflichtet. Je größer die Gefahren für die Sicherheit sind, um so höher [X.] die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten sein. Die Verant-wortungsträger der [X.] hatten diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zutreffen, die sie als verständige, umsichtige, vorsichtige und gewissenhafteFachleute des [X.] für ausreichend halten durften, um [X.] Personen vor Schäden durch den Umgang mit der Pistole zu bewahren, unddie den Umständen nach zumutbar waren (vgl. Senatsurteil vom 10. [X.] - VersR 1978, 1163, 1165). Diesen Anforderungen isthier nicht genügt.1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, das Berufungsgericht habezu geringe Anforderungen an die Sorgfaltspflichten der [X.] gestellt, so-weit es um die Möglichkeit geht, unbemerkt mit einer Dienstwaffe das Kaser-nengelände zu verlassen. Nach den Feststellungen des [X.] [X.] einen Wachmann die Entfernung vom Gelände unter Mitnahme einer Waffenur vorsätzlich pflichtwidrig während der Dauer einer Schicht unter Überwin-dung des Zaunes möglich, wobei eine Entdeckung des Vorgangs spätestensnach rund eineinhalb Stunden (Wechsel der [X.]) drohte. [X.] die Beklagte dadurch Vorsorge getroffen, daß der Schlüssel zur Fluchttürin der ständig besetzten Wachstube aufgehängt war. Diese Sicherung [X.] ihrer Art nach nur bedingt zuverlässig, weil ihre Wirksamkeit von der Auf-- 7 -merksamkeit des Personals in der Wachstube abhängig war. Es ist jedochnicht ersichtlich, daß der [X.] eine zumutbare weitergehende [X.] gewesen wäre.Zu Recht geht das Berufungsgericht auch davon aus, daß die [X.]icht routinemäßig ohne besondere Anhaltspunkte bei der Einstellung [X.] eine psychiatrische Untersuchung oder vergleichbare Testsveranlassen oder entsprechende Bescheinigungen verlangen mußte. Eine sol-che Forderung würde die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten. Dem kannentgegen der Auffassung der Revision nicht entgegen gehalten werden, daßauch Bewerber zum mit der Waffe ausgestatteten Polizeidienst umfassendenärztlichen und testpsychologischen Untersuchungen unterzogen würden. [X.] ist nicht vergleichbar. [X.] erhielt lediglich innerhalb eines abge-schlossenen Geländes während seines Dienstes eine Waffe, während sich [X.] im Dienst uneingeschränkt mit der Waffe in der Öffentlichkeit bewegen.Dabei kommt hinzu, daß für Polizisten eine wesentlich höhere Wahrscheinlich-keit des Auftretens schwieriger Konfliktsituationen besteht, in denen eine be-sondere psychische und charakterliche Eignung für einen sachgerechten Um-gang mit einer Waffe erforderlich ist.2. Gleichwohl vermag der Senat nicht die Auffassung des Berufungsge-richts zu teilen, daß die Beklagte der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichtin ausreichendem Maß gerecht geworden ist. Da die Gefahr einer [X.] Waffe durch einen Wachmann aus dem Kasernengelände nach [X.] der getroffenen Vorkehrungen nicht mit letzter Sicherheit auszuschließenwar, mußte die Beklagte die ihr zumutbaren Möglichkeiten ausschöpfen, umsicherzustellen, daß die zum Wachdienst erforderlichen Waffen nur in dieHand von Personen gelangen konnten, die einen [X.] mit der Waffe gewährleisteten. Dies war nicht zuletzt auch mit [X.] auf das innerhalb des Kasernengeländes beschäftigte Personal geboten.Die Kenntnisnahme vom (offenbar unauffälligen) Führungszeugnis unddie Meldung bei der Ordnungsbehörde sowie die Einschaltung der Standort-verwaltung waren im wesentlichen formale Maßnahmen, die zwar unter [X.] ein nachteiliges Ergebnis erbringen konnten, jedoch keine umfassen-de Auskunft über Auffälligkeiten erwarten ließen. Sie reichten daher nicht aus,um [X.] eines Bewerbers aufzudecken. Auch das- sicherlich erforderliche - persönliche Gespräch mit dem Bewerber konnte na-turgemäß allenfalls einen kleinen Ausschnitt möglicher Besonderheiten [X.].Erforderlich ist - wie die Revision zu Recht geltend macht - darüber hin-aus jedenfalls, daß sich ein Bewachungsunternehmen vor der Einstellung vomBewerber einen lückenlosen Lebenslauf mit entsprechenden Belegen, Be-scheinigungen und Zeugnissen vorlegen läßt. Das ist ohne großen Aufwandrealisierbar. Die Vorlage eines lückenlosen Lebenslaufs bietet zudem (andersals die von der [X.] allein durchgeführten Maßnahmen) eine gewisseGewähr, einen umfassenden Überblick über die Person des Bewerbers zu er-langen. Belege erschweren die Abgabe eines unzutreffenden ("geschönten")Lebenslaufes. Dabei ist das Bewachungsunternehmen aus seiner Verkehrssi-cherungspflicht zu einer sorgfältigen Überprüfung der vorgelegten Unterlagenverpflichtet. Insbesondere ist es gehalten, Auffälligkeiten nachzugehen. DieVorlage eines lückenlosen Lebenslaufs ist in weiten Arbeitsbereichen üblich.Erst recht muß diese Absicherung verlangt werden, wenn es um die [X.] Dritter geht. Deshalb spielt es keineRolle, daß für die Tätigkeit als Wachmann keine spezielle Aus- oder [X.] 9 -dung erforderlich sein mag. An ihre Stelle tritt als überragend wichtiges [X.] die Zuverlässigkeit. Sie kann gerade nur aufgrund eines möglichst umfas-senden Bildes vom Bewerber beurteilt werden.Daß die Beklagte es versäumt hat, sich dies in der dargestellten [X.] verschaffen, gereicht ihr zum Verschulden. Auf dem Boden der bisherigenFeststellungen des [X.] ist nicht auszuschließen, daß bei Anfor-derung und kritischer Durchsicht eines Lebenslaufes des [X.] Umstände zu Tagegetreten wären, die weitere Ermittlungen erfordert hätten, die schließlich aucheine Einstellung des [X.] wegen seiner psychischen Erkrankung verhindert [X.]. Hierzu haben die Kläger unter Beweisantritt vorgetragen, daß eine Anfragebei der [X.] nach den Gründen der Befreiung des [X.] vom Wehrdienstzu Hinweisen auf erhebliche gesundheitliche Bedenken geführt hätte; weiterhätte eine Nachforschung bei dem vorherigen Arbeitgeber des [X.], den briti-schen [X.], ergeben, daß [X.] dort bereits nicht als Wachmann einge-setzt bzw. versetzt worden sei; diese Auskunft hätte Anlaß für weitere Über-prüfung gegeben. Entgegen der Auffassung der Revision obliegt den [X.] aber die volle Darlegungs- und Beweislast. Die Verletzung der [X.] durch die Beklagte liegt im Unterlassen der bei der Ein-stellung des [X.] gebotenen Maßnahmen zur Überprüfung der Zuverlässigkeit.Ob dies für den geltend gemachten Schaden ursächlich geworden ist, [X.] den allgemeinen Regeln der Beweislastverteilung die [X.] darzulegen und zu beweisen.[X.] war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur ander-weiten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit diesesFeststellungen zur noch ungeklärten Kausalität der dargelegten [X.] [X.] für die Tötung durch [X.] treffen kann. Die Kläger erhalten Gele-genheit, näheres zur Ursächlichkeit des dargestellten pflichtwidrigen Verhal-tens- 11 -der [X.] für die Einstellung des [X.] und damit die Tötung ihres Eheman-nes und [X.] vorzutragen und gegebenenfalls unter Beweis zu stellen.Dr. [X.] Dr. [X.] [X.] [X.] [X.]

Meta

VI ZR 373/99

20.03.2001

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2001, Az. VI ZR 373/99 (REWIS RS 2001, 3153)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3153

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

19 U 2/96 (Oberlandesgericht Köln)


M 7 K 20.3265 (VG München)

Erteilung einer Waffenbesitzkarte für Bewachungsunternehmen, Bedürfnis nicht glaubhaft gemacht


4 Ca 1110/17 (Arbeitsgericht Paderborn)


5 AZR 148/20 (Bundesarbeitsgericht)

Auslegung TV-L (Wege- und Rüstzeiten eines Wachpolizisten)


6 C 67/14 (Bundesverwaltungsgericht)

Voraussetzungen zur Erteilung von Waffenscheinen; Bewachungsunternehmen; sog. Firmenwaffenschein


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.