Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.03.2012, Az. 2 StR 561/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 8192

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 561/11
vom
14.
März 2012
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 14.
März 2012, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr.
[X.],

[X.] am [X.]
Prof. Dr. [X.],
[X.],
Prof. Dr. [X.],
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],

Bundesanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird
das Urteil des [X.] vom 22.
März 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung in Tateinheit mit Nötigung und Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren [X.] es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Neben der Verletzung formellen Rechts beanstandet die Beschwerdeführerin mit der Sachrüge insbesondere die konkurrenzrechtliche Bewertung des [X.] durch das [X.] und erstrebt eine Verurteilung auch wegen eines Verbrechens des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeu-tung nach
§
232 Abs.
4 Nr.
1 i.V.m. Abs.
3 [X.]. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1
-
4
-
I.
Nach den Feststellungen hielt sich der u.a. wegen Vergewaltigung und Mordes vorbestrafte Angeklagte ab dem Frühjahr 2005 in
den [X.] auf, wo er nach eigener Darstellung
eine [X.] betrieb. In der Folgezeit bot er einer früheren Nachbarin, der in [X.] lebenden Zeugin S.

K.

, an, in den [X.] eine Au-Pair-Stelle für deren Tochter, die am 5.
Februar 1988 gebo-rene Geschädigte E.

K.

, zu organisieren. S.

K.

ging auf die-sen Vorschlag des mit ihr befreundeten Angeklagten ein, da sie sich für ihre Tochter im [X.] an den für ein Jahr vorgesehenen Auslandsaufenthalt eine bessere berufliche Perspektive erhoffte. Nachdem der Angeklagte gegen-über der allein sorgeberechtigten S.

K.

bekundet hatte, er habe
sich nunmehr um alles Erforderliche gekümmert und insbesondere eine Familie in [X.] gefunden, bei der E.

K.

arbeiten könne, erklärte die Mutter
ihr Einverständnis zu der Reise und gab ihre Tochter in die Obhut des Angeklag-ten.
1. Am 2.
November 2005 reiste die damals 17 Jahre alte Geschädigte, die zuvor noch nie längere [X.] von ihrer Mutter getrennt gewesen und kaum der [X.] mächtig war, allein in die [X.] zu dem Angeklagten. Dieser verbrachte die Geschädigte
nach [X.], wo sich beide für ca. zwei Wochen aufhielten. Spätestens dort eröffnete ihr der Angeklagte, dass sie die in Aussicht gestellte Au-Pair-Stelle nicht antreten, wohl aber bei einer von ihm
-
angeblich
-
betriebenen [X.] eine Karriere starten könne. Die leicht-gläubige und unerfahrene Geschädigte fühlte sich hierdurch geschmeichelt und stimmte zu. In der Folgezeit unterzeichnete sie ein in [X.] gehal-tenes und vom Angeklagten als Modelvertrag bezeichnetes Schriftstück, des-sen Inhalt sie aufgrund fehlender Sprachkenntnisse jedoch nicht verstand. [X.] erklärte der Angeklagte, dass sie für die angestrebte Modelkarriere 2
3
-
5
-
an den Oberschenkeln abnehmen müsse. Hierzu sei es erforderlich, regelmä-ßig "Entwässerungstabletten"
einzunehmen und einen Blasenkatheter zu legen. Die Geschädigte schenkte auch dieser Erklärung Glauben und bekundete [X.] ihr Einverständnis, sich von dem -
entgegen seinen Behauptungen
-
medi-zinisch nicht aus-
und vorgebildeten Angeklagten einen Dauerkatheter
legen zu lassen. Nachdem der Angeklagte einen -
ersten
-
Katheter
gelegt hatte, fertigte er von der Geschädigten zwei Ganzkörpernacktaufnahmen, was er mit dem Erfordernis begründete, den Abnehmerfolg im Sinne eines "[X.]"
überprüfen zu müssen.
2. In der zweiten Novemberhälfte reiste
der Angeklagte mit der
Geschä-digten
nach [X.], wo er diese Ende November oder Anfang Dezember 2005 aufforderte, sich den in ihre Harnröhre eingebrachten Katheter, den er zwi-schenzeitlich bereits einmal gewechselt hatte, entfernen und einen neuen
-
dritten
-
Dauerkatheter
legen zu lassen. Die Geschädigte verweigerte dies [X.], da sie mittlerweile unter erheblichen Schmerzen im Unterbauchbereich litt. Hierauf äußerte
der Angeklagte, dass eine solche Weigerung
einen Bruch des zuvor geschlossenen Modelvertrages bedeuten würde und sie deshalb eine Vertragsstrafe an ihn zu zahlen habe. Um sie weiter in seiner Abhängigkeit zu halten,
gab er gegenüber der völlig mittellosen Geschädigten ferner wahrheits-widrig an, für sie finanzielle Forderungen eines Erpressers
erfüllt zu haben, der mit der Veröffentlichung der von ihr gefertigten Nacktaufnahmen gedroht habe. Die zu diesem [X.]punkt bereits verängstigte Geschädigte
schenkte diesen Be-hauptungen
Glauben und gestattete es, dass der Angeklagte den einliegenden Katheter
entfernte und einen neuen,
größeren Dauerkatheter
in ihre Harnröhre einbrachte. Das Einlegen und Tragen der
Katheter
verursachte
bei der [X.] u.a. eine
schmerzhafte
Harnblasenentzündung, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen hatte.
4
-
6
-
3. Ferner verlangte der Angeklagte von der Geschädigten, für [X.]"
zu posieren. Dieses
begründete er gegenüber der [X.] damit, dass er
die Aufnahmen
benötige, um geschlossene Verträge abzusichern bzw. um Schulden zu begleichen. Wiederum sah die Geschädigte aufgrund ihrer Unsicherheit und Leichtgläubigkeit keinen anderen Weg, als sich dem Ansinnen des Angeklagten zu beugen. Auf entsprechende Anweisung zog die Geschädigte ihren Slip aus und posierte auf einem Bett sitzend, wobei sie weisungsgemäß
ihren Genitalbereich zur Schau stellte. Der Angeklagte fertigte sechs oder sieben Aufnahmen, die in der Folgezeit zumindest vorübergehend im [X.] eingestellt und mit einem Eintrag
versehen waren, aus dem Adresse und Telefonnummer der Geschädigten und der sinngemäße Zusatz Ich bin für alles zu haben, mit [X.] kann man alles machen"
hervorgingen. Den zugehöri-gen [X.] teilte der Angeklagte in der Folge auch der Mutter der Geschädigten
mit.
4. Ende November/Anfang Dezember 2005
bat die Geschädigte
den [X.]n wegen ihrer anhaltenden und intensiver werdenden Schmerzen, den gelegten Blasenkatheter
wieder zu entfernen. Der Angeklagte redete der [X.] verängstigten Geschädigten ein, dieser könne
nur entfernt werden, wenn er zuvor einen Katheter
in den After
einführe und Analspülungen vornehme. Unter dem Eindruck der fortdauernden Schmerzwirkung des in der Blase einliegenden Katheters erklärte sich die Geschädigte mit dieser Prozedur einverstanden. Der Angeklagte führte darauf einen Katheter
auch in den After der Geschädigten ein und nahm Spülungen mit "Beruhigungsöl"
und Weißwein vor.
Die Geschädigte verharrte
weisungsgemäß und unter Schmerzen 45 Minuten lang mit dem Ka-theter
im After, bevor der Angeklagte diesen wieder entfernte. Den Blasenka-theter
beließ der Angeklagte gleichwohl weiter im Körper der Geschädigten, was er mit der unwahren Behauptung begründete, dieser sei verwachsen und lasse sich nicht entfernen.
5
6
-
7
-
In
einem unbeobachteten Moment gelang der Geschädigten die Flucht zu einer [X.] Familie, durch deren Vermittlung sie am 5. Dezember 2005 nach [X.] zurückkehren konnte.

II.
Das [X.] hat das Legen der Katheter
als eine Tat der gefährli-chen Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß §§
224 Abs.
1 Nr.
2, 225 Abs.
1 Nr.
3
[X.]
gewertet. Ein von der Geschädigten [X.] anfänglich erklärtes Einverständnis mit dem Anbringen
der Katheter
sei unwirksam, da dieses durch Täuschung im Hinblick auf die suggerierte [X.] erwirkt und spätestens beim dritten Blasenkatheter
wegen der anhal-tenden Schmerzen widerrufen worden sei. Daneben liege
in der Drohung mit hohen Geldforderungen eine Nötigung nach §
240 Abs.
1 [X.], weil
die Ge-schädigte hierdurch zu ihr unangenehmen bzw. ungewollten Handlungen [X.] oder von Abwehrhandlungen gegen solche Handlungen abgehalten [X.] sei. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, namentlich eine [X.] Nötigung nach §
177 Abs.
1 [X.], seien
hingegen nicht nachweisbar, weil ein sexueller Hintergrund für das Handeln des Angeklagten nicht feststell-bar sei. Das Gesamtgeschehen sei als eine einzige materiell-rechtliche Tat zu werten, weil "die mit der [X.] verwirklichte gefährliche Körperverlet-zung als [X.]
die übrigen Delikte klammer(e)".

7
8
-
8
-
III.

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft dringt bereits mit der [X.] durch; auf die daneben erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht an.
1. Das Urteil unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil das [X.] das Konkurrenzverhältnis der abgeurteilten Taten unrichtig bestimmt hat.
a) Entgegen der Ansicht des [X.] kommt der mit dem Legen der Katheter
verwirklichten gefährlichen Körperverletzung eine
Klammerwirkung nicht zu. Zwischen [X.]en und anderen Straftaten, die während des [X.] begangen werden, kann zwar Tateinheit bestehen, wenn sich die Ausführungshandlungen wenigstens in einem für die jeweilige Tatbestands-erfüllung notwendigen Teil decken, also die zur Verwirklichung des einen [X.] beitragende Handlung zugleich der Begründung oder Aufrechterhal-tung des durch das [X.] geschaffenen rechtswidrigen Zustandes dient (BGHSt 18, 29, 31; 29, 184, 186; 31, 29,
30; [X.] in LK 12.
Aufl. §
52 Rn.
23; v. [X.] in [X.]. § 52 Rn. 91 ff. jew.
mwN). Indes handelt es sich bei den Körperverletzungsdelikten der §§
223
ff. [X.] nicht um Dauer-,
sondern um sog. Zustandsdelikte, bei denen es nicht auf die Aufrechterhaltung eines widerrechtlichen Zustandes ankommt. Deren Begehung ist vielmehr bereits mit der Herbeiführung des vom jeweiligen Tatbe-stand umschriebenen Zustandes beendet (vgl. [X.], 1745, 1746; [X.] 59.
Aufl. Vor §
52 Rn. 58; v. [X.] aaO
§ 52 Rn.
28). Auch durch ein Fortwirken ihres tatbestandlichen Erfolges, etwa anhal-tende Schmerzen, wird
die Körperverletzung
nicht zu einem [X.] ([X.]/[X.] in [X.]/[X.] [X.] 28. Aufl. [X.]. §
52
ff. Rn. 82 a.E.).
9
10
11
-
9
-
b)
Die festgestellten Handlungen des Angeklagten
können
auch nicht deshalb als eine Tat bewertet werden, weil "von einem einheitlichen Vorsatz des Angeklagten bezüglich der gefährlichen Körperverletzung auszugehen (war), da der Angeklagte der Geschädigten einen Dauerkatheter
legen wollte und diesen 'lediglich'
erneuerte"
(vgl. [X.]). Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass nach den getroffenen Feststellungen bereits offen bleibt, ob ein solcher Gesamtvorsatz auch das Legen des Analkatheters und das Anfertigen der "[X.]"
umfasste.
Die Annahme von Tateinheit würde
[X.] aber ein Zusammentreffen mehrerer objektiver Tatbestandsverwirklichun-gen in einem einheitlichen Handlungsablauf voraussetzen. Ein Zusammentref-fen nur im subjektiven Bereich genügt demgegenüber nicht (BGHSt 43, 149, 151; [X.] aaO
Vor § 52 Rn. 24; [X.]S/W-[X.] § 52 Rn. 52). An einem solchen Zusammentreffen objektiver Tatbestandsverwirklichungen fehlt es hier. Dabei kann dahinstehen, ob -
wofür einiges spricht
-
nicht schon
das Legen des ersten und zweiten [X.] jeweils eine von der
erschliche-nen Einwilligung
der Geschädigten nicht gedeckte körperliche Misshandlung beinhaltete
(vgl. BGHSt 16, 309, 310; [X.], 442). Nach den ge-troffenen Feststellungen lagen jedenfalls dem schmerzhaften Legen des dritten [X.], der Anfertigung der sog. "[X.]"
sowie dem ebenfalls mit Schmerzen verbundenen Legen des Analkatheters jeweils separa-te
Tathandlungen zugrunde, wovon
im Übrigen auch die Anklage ausgeht. Dass der Angeklagte die Vornahme dieser Handlungen teilweise durch Nötigungsmit-tel ermöglicht hat, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Denn der [X.] nutzte hierbei nicht lediglich die Wirkungen einer früheren, bereits vor der ersten Tathandlung geäußerten Drohung aus, sondern erneuerte diese auf der Grundlage eines jeweils
neu gefassten Tatentschlusses. Während dem Ein-legen des [X.] die Behauptung einer angeblich anfallenden [X.] und zu erstattender Auslagen vorausging, sollten die "[X.]
-
10
-
Nacktbilder"
dazu dienen, angebliche Verträge abzusichern und Schulden zu begleichen. Das Legen des Analkatheters wiederum duldete die Geschädigte lediglich vor dem Hintergrund ihrer
anhaltenden und intensiver werdenden Schmerzen und der Behauptung des Angeklagten, diese
Prozedur sei zur Ent-fernung des einliegenden [X.] unerlässlich.

c) Das festgestellte
Gesamtgeschehen wird
auch nicht im Sinne einer
natürlichen
Handlungseinheit zu einer einheitlichen Tat verbunden. Der Begriff der natürlichen Handlungseinheit setzt voraus, dass der Handelnde den auf die Erzielung eines Erfolges in der Außenwelt gerichteten
einheitlichen Willen durch eine Mehrheit gleichgearteter Akte betätigt
und diese einzelnen Betätigungsakte aufgrund ihres räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs objektiv erkennbar derart zusammengehören, dass sie nach der Auffassung des Lebens eine Handlung bilden (st.
Rspr. vgl. BGHSt 41, 368; 43, 312, 315; BGHR [X.] vor §
1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 4, 6, 12 sowie [X.] aaO Vor § 52 Rn. 3; [X.]
aaO
Vor § 52 Rn. 10; v. [X.] aaO
§ 52 Rn. 55). Wie bereits ausgeführt fehlt es hierfür bereits an der Feststellung
eines einheitlich
gefassten
Willens bezogen auf das Legen der Blasenkatheter
einerseits und das
Anfertigen der "[X.]"
bzw. das
Legen des Analkatheters andererseits. Zudem mangelt es auch an einem hinreichend engen räumlichen und zeitlichen
Zusammenhang der
im Ab-stand von mehreren Tagen an unterschiedlichen Orten
vorgenommenen [X.]. Aus diesen Gründen kommt auch bei Verwirklichung des §
225 [X.] die Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit zwischen dem Le-gen des dritten [X.] einerseits und dem Einbringen des [X.] andererseits nicht in Betracht (vgl. [X.], 304, 306; [X.] aaO §
225 Rn.
8a).

13
-
11
-
d) Der demnach gebotenen eigenständigen Betrachtung und Bewertung der verschiedenen Handlungsakte war die [X.] auch nicht aufgrund einer wirksamen Verfahrensbeschränkung nach §
154 Abs. 2 StPO enthoben. Dem liegt folgendes prozessuale Geschehen zu Grunde:

Das [X.] hat in der Hauptverhandlung am 22. März 2011 folgen-den rechtlichen Hinweis erteilt:
"1) Es kommt eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverlet-zung (§ 224 Abs. 1
Nr. 2 [X.]) -
Setzen bzw. [X.] von Kathetern
-
in Tateinheit mit Nötigung (§ 240 Abs. 1
[X.])
-
"[X.]"
-
und mit Misshandlung von Schutzbefohlenen (§
225 Abs. 1
Nr. 3 [X.]) in Betracht.
2) Es wird angeregt, das Verfahren gemäß Nr. 1 zu beschrän-ken..."
Daraufhin
beantragte die Sitzungsvertreterin der Staatsanwalt-schaft, "das Verfahren entsprechend dem Hinweis zu Punkt 1 zu [X.]", worauf die Kammer nach Beratung einen Beschluss mit dem Inhalt verkündete:
"Entsprechend soll verfahren werden".
Selbst wenn
-
was aufgrund des insoweit unklaren Beschlussinhalts höchst zweifelhaft ist
-
die [X.] hierdurch
eine Einstellung von materiell
rechtlich selbständigen
Taten nach §
154 Abs. 2 StPO beabsichtigt haben
sollte, liefe
eine solche Beschränkung ins Leere. Zutreffend weist der [X.] darauf hin, dass eine Verfahrensbeschränkung nach §
154 Abs.
2 StPO schon aufgrund
der
fehlenden
Konkretisierung der
eingestellten
Tatvorwürfe unwirksam wäre
(vgl. [X.] in LR
StPO
26. Aufl. § 154 Rn. 43; [X.] in [X.] 4. Aufl.
§ 154 Rn. 33), weil völlig offen
bliebe, welche der 14
15
16
17
-
12
-
von der Anklage bezeichneten Taten das [X.] bei seiner Einstellungs-entscheidung im Blick gehabt hätte. Soweit das [X.] eine Beschränkung nach §
154a Abs. 2 StPO vornehmen wollte, wogegen bereits spricht, dass es sich in den Urteilsgründen mit möglicherweise tateinheitlich verwirklichten [X.] des 13.
Abschnitts des [X.] inhaltlich auseinandergesetzt hat, wäre eine solche aufgrund der unklaren Formulierung und inhaltlichen Unbestimmt-heit ebenfalls unwirksam (vgl. [X.], 489 sowie Beschluss vom 7.
Februar 2001 -
3 [X.]; [X.] aaO
§
154a Rn. 8; [X.] in [X.] 46. EL April 2007 §
154a Rn.
13).
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen daneben
die [X.], mit denen das [X.] das Vorliegen von Straftaten gegen die [X.] Selbstbestimmung verneint hat.

a) Das [X.] hat bei der
Prüfung
der Sexualbezogenheit der vom Angeklagten vorgenommenen Handlungen einen falschen rechtlichen Maßstab zu Grunde gelegt. Es hat gemeint, sexuelle Handlungen bzw. ein sexueller [X.] seien nicht nachweisbar, weil der Angeklagte "vehement bestritten"
habe, dass das Legen der Katheter
sexuell intendiert war oder ihn erregt habe,
und die Hauptverhandlung gegenteilige
Indizien und Beweise nicht erbracht habe.
Jedoch kommt es bei objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, eindeutig sexualbezogenen Handlungen auf die Motivation des [X.] nicht an. Gleichgültig ist deshalb, ob er die Handlung etwa aus Wut, Sadismus, Scherz oder Aberglaube vornimmt. Auch eine sexuelle Absicht des [X.] ist bei solchen Handlungen -
im Unterschied zu äußerlich ambivalenten Handlungen
-
nicht erforderlich. Insoweit reicht es aus, wenn sich der Täter der Sexualbezogenheit seines Handelns bewusst ist
(BGHR [X.] §
178 Abs. 1 18
19
20
-
13
-
Sexuelle Handlung 6; [X.], 339, 340; [X.]/Roggenbuck in LK 12. Aufl. §
184g Rn. 8).

Dies zugrunde gelegt drängt sich aufgrund der festgestellten Gesamtum-stände jedenfalls für das Anfertigen
der sog. "[X.]"
die Annahme einer eindeutig sexualbezogenen
Handlung auf, was jedenfalls den Tatbestand
eines besonders schweren Falls der Nötigung im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz
2 Nr. 1 [X.]
erfüllt. Dass der Angeklagte die Sexualbezogenheit seines [X.] auch erkannt hat, kann hier schon im Hinblick auf das spätere Einstellen der Bilder in das [X.] nicht zweifelhaft sein.
b) Ob -
was nahe liegt
-
auch dem
Legen der Blasen-
und des [X.] nach den [X.] bereits objektiv ein
eindeutiger Sexualbe-zug beizumessen ist, kann im Ergebnis dahinstehen.
Selbst wenn man insoweit lediglich von sexuell ambivalenten Handlungen ausgehen und deshalb eine [X.] Absicht des [X.] verlangen würde
([X.], 339, 340; vgl. auch [X.] aaO
§ 184g Rn. 4a; [X.] in [X.]. § 184g Rn. 4; [X.] in [X.]/[X.] [X.]
28. Aufl. § 184g Rn. 9 jew. mwN
auch zur Gegenansicht), trägt die Begründung des [X.] nicht. So sind die
Ausführungen zur Motivlage des Angeklagten lückenhaft und lassen wesentliche, für eine sexuelle Tatmotivation sprechende Gesichtspunkte un-erörtert.
Insbesondere hat sich das [X.] nicht mit der Frage auseinan-dergesetzt, welchem anderen Zweck als der sexuellen Bedürfnisbefriedigung das -
medizinisch augenscheinlich sinnlose
-
Legen der Katheter
hätte dienen sollen. Dies gilt vor allem vor
dem Hintergrund, dass der Angeklagte bereits unmittelbar nach dem Legen des ersten [X.] zwei Ganzkörper-nacktaufnahmen von der Geschädigten angefertigt und die später von der [X.] angefertigten "[X.]"
ins [X.] eingestellt und mit dem eindeutig sexualbezogenen Zusatz: "Ich bin für alles zu haben, mit [X.] 21
22
-
14
-
kann man alles machen"
versehen hat. Für eine sexuelle Absicht bereits bei der Tatbegehung sprechen zudem die Feststellungen zu den Vorverurteilungen des Angeklagten, mit denen sich das [X.] nicht erkennbar auseinander ge-setzt hat. Der Angeklagte hat wiederholt aus sexueller Intention schlauchähnli-che Gegenstände verwendet bzw. sich verschafft. So hatte der Angeklagte bei zwei früher begangenen Vergewaltigungen einem Tatopfer einen Plastik-Kühlschlauch in die Scheide eingeführt
und nach den hier angeklagten Taten bei einem "[X.]"
u.a. mehrere Ballonkatheter
bestellt und erhalten.
c)
Das [X.] hat sich hierdurch den Blick darauf verstellt, dass
die Analspülung unter der Drohung, ansonsten den schmerzhaften Blasenkatheter
nicht zu entfernen, geeignet sein kann, den Tatbestand des §
177 [X.] zu er-füllen. [X.] gelassen hat das [X.]
zudem den sich im Hinblick auf das Legen der Blasen-
bzw. des Analkatheters ebenfalls aufdrängenden Tatbe-stand des §
182 Abs. 1 Nr. 1 [X.].
3. Die Sache bedarf somit
insgesamt neuer Verhandlung und Entschei-dung.
Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird gegebenenfalls die
23
24
-
15
-
Voraussetzungen für die
Anwendbarkeit [X.] Strafrechts zu prüfen und zudem zu beachten haben, dass für durch Zahlung erledigte, ursprünglich
ge-samtstrafenfähige Geldstrafen kein Härteausgleich zu gewähren ist (vgl. [X.], 436; [X.] aaO
§
55 Rn. 21a).

[X.]

[X.]

Appl

[X.]

[X.]

Meta

2 StR 561/11

14.03.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.03.2012, Az. 2 StR 561/11 (REWIS RS 2012, 8192)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8192

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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