Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2013, Az. VI ZR 274/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8450

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOL[X.]ES

URTEIL

VI [X.]/12

Verkündet am:

5. Februar 2013

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja

[X.] § 116

§ 116 Abs. 6 Satz 1 [X.] ist analog auch auf Partner einer nichtehelichen [X.] anwendbar (im [X.] an [X.], Urteil vom 22. April 2009 -
IV
ZR 160/07, [X.]Z 180, 272; Aufgabe von [X.], Urteil vom 1. Dezember 1987 -
VI
ZR 50/87, [X.]Z 102, 257).

[X.], Urteil vom 5. Februar 2013 -
VI [X.]/12 -
OLG [X.]öln

LG [X.]öln

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat
des [X.]s hat auf die mündliche Verhandlung vom 5.
Februar 2013 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], Pauge und [X.] und die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 16.
Zivilsenats des Oberlan-desgerichts [X.]öln vom 9.
Mai 2012 wird auf [X.]osten der [X.]lägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die [X.]lägerin begehrt als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung von dem beklagten Haftpflichtversicherer -
soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse
-
aus gemäß §
116 Abs.
1 [X.] übergegangenem Recht die Erstattung von Aufwendungen, die sie für ihre Versicherte [X.] erbracht hat und künftig erbringen muss. Die Versicherte erlitt am 29. Mai 1993 einen Verkehrs-unfall, bei dem sie schwer verletzt wurde. Zu dem Unfall kam es, weil der [X.] der Beklagten mit seinem [X.]fahrzeug, in dem sich die Versicherte als Beifahrerin befand, aufgrund Übermüdung von der Fahrbahn abkam. J. verstarb an der Unfallstelle. Die volle Haftung
der Beklagten steht außer Streit. Die [X.]lägerin gewährte ihrer Versicherten unfallbedingt Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben, die sie in Höhe von 84.976,12

[X.] auf die [X.]lägerin stehe das [X.] (§
116 Abs.
6 1

-

3

-

Satz
1 [X.]) entgegen, denn [X.] und J. seien Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gewesen und hätten in häuslicher [X.] gelebt. Das [X.] hat die [X.]lage, soweit nicht durch [X.], durch Schlussurteil abgewiesen. Die Berufung der [X.]lägerin hatte kei-nen Erfolg. Das [X.] hat die Revision gegen sein Urteil zugelas-sen, weil die analoge Anwendung von §
116 Abs.
6 Satz 1 [X.] auf [X.] Lebensgemeinschaften in der Literatur umstritten sei und diese Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt sei.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in [X.], 570 veröf-fentlicht ist, verneint Ansprüche der [X.]lägerin aus gemäß §
116 Abs.
1 SGB
X übergegangenem Recht. Es ist der Auffassung, der in §
116 Abs.
6 Satz
1 SGB
X normierte Haftungsausschluss, nach dem ein [X.] bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch Familienangehörige, die im [X.]punkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher [X.]
leben, ausgeschlossen ist, sei auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft analog anwendbar. Eine Erstreckung des Schutzbereichs der Vorschrift auch auf Partner einer eheähnlichen Lebensge-meinschaft sei aus denselben Erwägungen heraus geboten, mit
denen der [X.] eine analoge Anwendung von §
67 Abs.
2 [X.] bejaht habe ([X.], Urteil vom 22. April 2009 -
IV
ZR 160/07, [X.]Z 180, 272 Rn.
17). [X.] Recht, insbesondere Art.
6 Abs.
1 GG, stehe einer Einbezie-hung nicht entgegen ([X.] 82, 6, 15; 9, 20, 34 f.). [X.], die für die Entscheidung des [X.]s vom 1. Dezember 2

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4

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1987 noch ausschlaggebend gewesen seien ([X.]surteil vom 1. Dezember 1987
-
VI
ZR 50/87, [X.]Z 102, 257, 263 ff.), könnten mit Blick
auf den durch die Rechtsprechung des [X.] herausgearbeiteten Begriff der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ([X.] 87, 234, 264 f.) und dessen weite Akzeptanz (etwa [X.], [X.] in Mietsachen vom 13. Januar 1993 -
VIII
ARZ 6/92, [X.]Z 121, 116, 124; BVerwGE 98, 195, 197 ff.; [X.], 125, 127) als ausgeräumt betrachtet werden. So habe auch der für die Aus-legung des §
116 Abs.
6 [X.] primär zuständige VI. Zivilsenat auf Anfrage des IV.
Zivilsenats erklärt, an seiner diesbezüglichen Rechtsauffassung nicht mehr festhalten zu wollen ([X.], Urteil vom 22. April 2009 -
IV
ZR 160/07, aaO).
Die gegen eine Übernahme dieser Rechtsprechung auf die Sozialversi-cherung in der Literatur und von der [X.]lägerin angeführten Argumente überzeug-ten
nicht. Zum Schutz der in häuslicher [X.] lebenden Familienange-hörigen reiche der nach §
76 Abs.
2 Nr.
3 SGB IV mögliche (Teil-)Erlass von Ansprüchen durch den Versicherungsträger nicht aus. Die für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke liege vor. Der Gesetzgeber habe die Frage inzwischen im Zuge der Reform des [X.]es für die private Versicherung dahin klargestellt, dass er das [X.] in §
86 Abs.
3 [X.] auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft erstreckt habe. [X.] lasse sich indes nicht folgern, dass der Gesetzgeber nunmehr die [X.] und die Sozialversicherung unterschied-lich regeln und die Anwendung des [X.]s auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft auf das Privatversicherungsrecht beschränken wollte. Aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks.
16/3945, [X.]) lasse sich ein solcher Schluss nicht ziehen, denn diese schwiegen zu dieser Frage. Das Sozialversi-cherungsrecht sei nicht Thema der [X.]-Reform gewesen. Es habe daher kein 3

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Anlass bestanden, alle anderen Gesetze an diesen im Zusammenhang mit der gesamten [X.]-Reform unbedeutenden Punkt anzupassen. Angesichts der Tatsache, dass §
67 Abs.
2 [X.] und §
116 Abs.
6 [X.] bisher stets gleich ausgelegt worden seien und auch der Gesetzgeber bei Schaffung des §
116 Abs.
6 Satz 1 [X.] von einer Vergleichbarkeit ausgegangen sei, hätte es näher gelegen, dass er -
wenn er das Problem gesehen hätte
-
hierzu aus-drücklich Stellung bezogen hätte. Einer Analogie könne auch nicht entgegen-gehalten werden, dass eine Einbeziehung der nichtehelichen [X.] in den Schutzbereich des [X.]s Aufgabe des Gesetzge-bers und nicht Aufgabe der Rechtsprechung sei. Eine solche Sichtweise lasse die hinter den gesetzlichen Regelungen stehenden Wertungsgesichtspunkte außer [X.].
Zwar komme das [X.] bei einer Inanspruchnahme durch einen Sozialhilfeträger -
insbesondere wegen des Nachrangs des Sozialhilfe-rechts
-
nicht zur Anwendung, doch gelte dies nach gefestigter Rechtsprechung nicht für das Erstattungsverlangen von Sozialversicherungsträgern. Hier bleibe es bei dem mit dem Direktanspruch (§
3 PflVG a.F., jetzt §
115 [X.] n.F.) ver-bundenen Akzessorietätsgedanken, wonach dieser Anspruch der Sicherung der Forderung des Geschädigten diene und deshalb in seinem Bestand und seinen Wirkungen grundsätzlich von dem Haftpflichtanspruch abhängig sei. Weil es auf den [X.]punkt des [X.]s ankomme, könne die [X.]lägerin auch nicht mit dem Argument durchdringen, dass sich die Frage des potentiellen Rückgriffs gegenüber Familienangehörigen wegen des Todes des Schädigers vorliegend nicht stelle.
Auch das Rückwirkungsverbot stehe der entsprechenden Anwendung des [X.]s nicht entgegen. Zwar habe der [X.] erst im [X.] entschieden, dass das [X.] im Rahmen der 4
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6

-

Privatversicherung auch auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft Anwendung finde. Ein mit den Fällen der unechten Rückwirkung von [X.] zu gewährender Vertrauensschutz sei der [X.]lägerin im Streitfall jedoch nicht zuzubilligen. Zum einen bestünden bereits erhebliche Zweifel daran, ob überhaupt eine Situation vorgelegen habe, in der ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand einer Rechtsprechung habe entstehen können. Der [X.] habe nämlich bereits in seiner Entscheidung aus dem [X.] aus-geführt, dass sich der [X.] nicht aus grundsätzlichen Erwägungen an der Rechtsfortbildung und der analogen Anwendung des §
116 Abs.
6 [X.] auf die eheähnliche Lebensgemeinschaft gehindert sehe ([X.], Urteil vom [X.] -
VI ZR 50/87, aaO, S.
262). In den dieser Entscheidung folgen-den Jahren habe insbesondere das [X.] wiederholt zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften Stellung genommen und dabei bestätigt, dass insbesondere Art.
6 Abs.
1 GG einer Einbeziehung der Partner in den Schutzbereich von Vorschriften, die den Schutz der "Familie" bezwecken, nicht entgegenstehe. Zum anderen habe die [X.]lägerin aber auch keine schützenswer-ten Dispositionen getroffen, denn zur Leistung an die Versicherte S. sei sie un-abhängig von der Regressmöglichkeit verpflichtet. [X.] der [X.]lägerin im Vertrauen auf den Bestand der Rechtsprechung seien nicht erkennbar.
Zutreffend habe das [X.] vorliegend die Voraussetzungen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sowie einer häuslichen und Wirtschaftsge-meinschaft angenommen. Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft liege vor, wenn es sich um eine Lebensgemeinschaft im Sinne einer Verantwortungsge-meinschaft zwischen [X.] und einer Frau handele, die auf Dauer ange-legt sei, daneben keine weiteren Lebensgemeinschaften gleicher Art zulasse und sich durch Bindungen auszeichne, die ein gegenseitiges Einstehen der
Partner füreinander begründeten, also über die Beziehung in einer reinen 6

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7

-

Haushalts-
und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgingen. Nach dem Ergebnis der vom [X.] durchgeführten Beweisaufnahme seien diese Voraussetzun-gen im Streitfall gegeben gewesen.

II.
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass §
116 Abs.
6 Satz 1 [X.] analog auch auf Partner einer nichtehelichen [X.] anwendbar ist. Sie stehen insoweit "Familienangehörigen" im Sinne die-ser Vorschrift gleich. An der gegenteiligen Auffassung ([X.]surteil vom [X.] -
VI
ZR 50/87, [X.]Z 102, 257, 263 ff.)
wird nicht mehr festgehal-ten.
a) Die Anwendung des [X.]s bei der Geltendmachung von Regressansprüchen aufgrund erbrachter Versicherungsleistungen oder der Leistungen sonstiger Drittleistungsträger beruht auf einem allgemeinen Rechts-gedanken (vgl. [X.]surteile vom 28. Juni 2011 -
VI
ZR 194/10, [X.]Z 190, 131 Rn.
10 und vom 21. September 1976 -
VI
ZR 210/75, VersR 1977,
149, 150; [X.], Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4.
Aufl., §
32 Rn.
73; vgl. auch Verkehrsgerichtstag 2007 in [X.], [X.], Empfehlung 1). Dieser fand seinen Ausdruck zunächst nur in §
67 Abs.
2 des Gesetzes vom 30.
Mai 1908 über den Versicherungsvertrag ([X.] S.
263; [X.]). Eine entsprechende Regelung fehlte im Sozialversicherungsrecht, solange der den Regress ermög-lichende Forderungsübergang in §
1542 [X.] geregelt war. Gleichwohl hat der erkennende [X.] entschieden, dass dieser Forderungsübergang bei Schädi-gungen unter Familienangehörigen, die in häuslicher [X.] mit dem 7
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9

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8

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Versicherten leben, durch den Schutzzweck der Versicherungsleistung in der Art des §
67 Abs.
2 [X.] ausgeschlossen ist und dass dieser Ausschluss für alle Zweige der Sozialversicherung gilt ([X.]surteile vom 11. Februar 1964
-
VI
ZR 271/62, [X.]Z 41, 79, 82 ff.; vom 14. Juli 1970 -
VI
ZR 179/68, [X.]Z 54, 256, 257 f.; vom 5. Dezember 1978 -
VI
ZR 233/77, [X.], 256, 257; vom 15. Januar 1980 -
VI
ZR 270/78, [X.], 644 und vom 15. Januar 1980 -
VI
ZR 181/78, [X.], 526, 527). Sinn und Zweck des §
67 Abs.
2 [X.] war zu verhindern, dass der Versicherungsnehmer durch einen Rück-griff gegen einen in seiner häuslichen [X.] lebenden Familienangehö-rigen selbst in Mitleidenschaft gezogen wird. Dabei ist davon auszugehen, dass die in häuslicher [X.] zusammenlebenden Familienangehörigen meist eine gewisse wirtschaftliche Einheit bilden und dass bei der Durchführung des Rückgriffs der Versicherte im praktischen Ergebnis das, was er mit der einen Hand erhalten hat, mit der anderen wieder herausgeben müsste. Zugleich soll im Interesse der Erhaltung des häuslichen Familienfriedens verhindert werden, dass Streitigkeiten über die Verantwortung von [X.] gegen Familienangehörige ausgetragen werden (vgl. [X.]surteile vom 11. Februar 1964 -
VI
ZR 271/62, [X.]Z 41, 79, 83; vom 12.
November 1985 -
VI
ZR 223/84, [X.], 333, 334; vom 1. Dezember 1987 -
VI
ZR 50/87, [X.]Z 102, 257, 259 f.
und vom 28. Juni 2011 -
VI
ZR 194/10, aaO; [X.], Urteile vom 30. April 1959 -
II
ZR 126/57, [X.]Z 30, 40, 45 [unter Hinweis auf die amtl. [X.] zu §
67, [X.]., 11. Legislaturperiode, II. Session Nr.
22, S.
127, abgedruckt bei [X.], [X.], 1908,
S.
312] und vom 22. April 2009
-
IV
ZR 160/07, aaO Rn.
10; [X.] 127, 263, 281
ff.).
b) §
116 Abs.
6 [X.], der erst für Schadensfälle ab dem 30. Juni 1983 gilt, normiert diese Rechtsprechung für den Bereich des Sozialgesetzbuchs. Die Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass es dem Gesetzgeber darauf ankam, in dieser Vorschrift die in der Rechtsprechung des [X.]s entwi-10

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-

ckelten Rechtsgrundsätze zur Geltung zu bringen, nach denen der [X.] gemäß §
1542 [X.] a.F. bei fahrlässigen Schädigungen durch Fami-lienangehörige, die mit dem Versicherten in häuslicher [X.] leben, entsprechend der Regelung des §
67 Abs.
2 [X.] ausgeschlossen ist (Se-natsurteil vom 1. Dezember 1987 -
VI
ZR 50/87, [X.]Z 102, 257, 259 mit Hin-weis auf
BT-Drucks. 9/95 S.
28; vgl. ferner [X.], Zentralblatt für Sozialversiche-rung, Sozialhilfe und Versorgung 1983, 107, 112
f.).
c) Die Interessenlage, die beim [X.] nach §
67 Abs.
2 [X.] (§
86 Abs.
3 [X.] n.F.) die Anwendung des [X.]s rechtfer-tigt, besteht in vergleichbarer Weise bei dem [X.] gemäß §
116 Abs.
1 Satz 1 [X.].
aa) Die Vorschrift des §
116 Abs.
6 Satz 1 [X.] ist insofern inhalts-gleich mit §
67 Abs.
2 [X.] (vgl. [X.]surteile vom 1. Dezember 1987
-
VI
ZR 50/87, aaO S.
259 und vom 15. Januar 1980 -
VI
ZR 181/78, [X.], 526). Die Legalzession des §
116 Abs.
1 Satz 1 [X.] knüpft ebenso wie die des §
67 [X.] (jetzt §
86 Abs.
1 Satz 1 und Abs.
3 [X.]) an die Verpflichtung des [X.] bzw. des Versicherers an, auf-grund eines Schadensereignisses Leistungen erbringen zu müssen, die mit dem vom Schädiger zu leistenden Schadensersatz sachlich und zeitlich kon-gruent sind (vgl. [X.]surteil vom 24. Januar 1989 -
VI
ZR 130/88, [X.]Z
106, 284, 287
f.). Die Zession soll bewirken, dass der Sozialversicherungsträger, durch dessen Leistungen der Geschädigte schadensfrei gestellt wird, Rückgriff nehmen kann; der Schädiger soll durch die Versicherungsleistungen nicht [X.] entlastet werden, zugleich soll eine doppelte Entschädigung des [X.] vermieden werden ([X.]surteile vom 24. Januar 1989 -
VI
ZR 130/88, [X.]Z 106, 284, 288 und vom 8. Juli 2003 -
VI
[X.]/02, [X.]Z 155, 342, 349
f.). Von dieser Regel besteht gemäß §
116 Abs.
6
Satz 1 [X.] und 11
12

-

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-

§
86 Abs.
3 [X.] (früher §
67 Abs.
2 [X.]) bei der Schädigung eines Familien-
bzw. Haushaltsangehörigen aus den oben angesprochenen Gründen eine Aus-nahme. Die Störung des Familienfriedens durch Streitigkeiten mit Familien-
bzw. Haushaltsangehörigen über die Verantwortung für nicht vorsätzliche [X.] und der Rückgriff des Versicherers bei dem [X.] in Wi[X.]pruch zu der wirtschaftlichen Zweckbestimmung seiner Leistun-gen an den Geschädigten sollen vermieden werden ([X.]surteil vom 28. Juni 2011 -
VI
ZR 194/10, aaO Rn.
21).
bb) Für den Bereich des Versicherungsvertragsrechts ist das [X.] inzwischen erweitert worden; es erfasst nunmehr insbesondere auch nichteheliche Lebenspartner, sofern diese bei Eintritt des Schadens in häusli-cher [X.] leben.
[X.] Mit der am 1. Januar
2008 in [X.] getretenen Neufassung des [X.] über den Versicherungsvertrag ([X.], [X.]) vom 23. November 2007 ([X.]) wurde das ehemals in §
67 [X.] geregelte Haftungsprivileg dahin geändert, dass der Ersatzanspruch, den der geschädigte Versicherungsnehmer gegen einen Dritten hat, gemäß §
86 Abs.
1 [X.] n.F. stets auf den Versicherer übergeht, soweit dieser den Schaden er-setzt ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 28.
Aufl., §
86 Rn.
46). Gleichzeitig wurde jedoch bestimmt, dass der Übergang nicht geltend gemacht werden kann, wenn sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person richtet, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher [X.] lebt, es sei denn, diese Person hat den Schaden vorsätzlich verursacht (§
86 Abs.
3 [X.]). Mit dieser Gesetzesreform hat sich das [X.] zu einem [X.] gewandelt ([X.], Unfalltod und Schadener-satz, 2.
Aufl., §
2 Rn.
431). Für diese Neuregelung war ausschlaggebend, dass nach Auffassung des Gesetzgebers eine Beschränkung des Regressaus-13
14

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11

-

schlusses auf Familienangehörige (in häuslicher [X.]) nicht mehr den heutigen Verhältnissen entspreche und die für die Sonderregelung maßgebli-chen Gesichtspunkte für alle Personen gelten, die in einer häuslichen Gemein-schaft miteinander leben (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 20. [X.] zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des [X.], BT-Drucks.
16/3945, S.
82). Mit der damit verbundenen Einbezie-hung nichtehelicher Lebensgemeinschaften hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass deren Zahl in den zurückliegenden Jahren deutlich zugenommen hat (vgl. [X.], [X.] 2008,
57, 60
f. [X.]; [X.], [X.] 2009, 425
f.) und diese Form des Zusammenlebens, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, gesellschaftlich zunehmend Akzeptanz findet [X.], [X.], 337, 340; [X.], [X.], 668, 669; dazu auch Münch[X.]omm
[X.]-[X.]/[X.], 1.
Aufl., §
86 Rn.
177 ff. [X.]).
[X.] Nach Inkrafttreten der [X.]-Reform hat der [X.] dem vom Gesetzgeber erkannten und berücksichtigten gesellschaftlichen Wandel rechtsfortbildend im Bereich des Versicherungsvertragsrechts auch für diejeni-gen Schadensereignisse Rechnung getragen, die sich vor dem 1. Januar
2009
(vgl. Art. 1 Abs. 2 EG[X.]) ereignet haben. Er ist der in einigen Entscheidungen der ober-
und landgerichtlichen Rechtsprechung aus jüngerer [X.] vertretenen und auch im Schrifttum zunehmend geäußerten Auffassung gefolgt, dass die Einbeziehung von Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaften in den Schutzbereich des §
67 Abs.
2 [X.] geboten sei ([X.], Urteil vom 22. April 2009 -
IV
ZR 160/07, aaO Rn.
9 ff.). Dabei hat der [X.] offen ge-lassen, ob Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft als Familienange-hörige im Sinne dieser Vorschrift begriffen werden können, und entschieden, dass die Vergleichbarkeit der Schutzwürdigkeit zumindest ihre analoge Anwen-dung erfordere. In einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, für die [X.] und -verwendung prägende Merkmale seien, treffe die 15

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12

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Inanspruchnahme des Partners den Versicherungsnehmer wirtschaftlich nicht minder als in einer Ehe. Der häusliche
Friede zwischen Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaften könne durch zwischen diesen auszutragende [X.] über die Verantwortung für [X.] in gleicher Weise ge-stört werden wie bei Ehegatten. Der Gesetzgeber des [X.] in [X.] getretenen [X.] habe durch die Streichung des Erfordernisses der [X.] in §
86 Abs.
3 [X.] n.F. zum Ausdruck gebracht, dass insoweit eine Änderung geboten gewesen sei; die Beschränkung auf Familienangehörige in häuslicher [X.] entspreche nicht mehr den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen. Dieses Urteil hat im Schrifttum überwiegend Zustimmung gefun-den (vgl. [X.] in [X.], [X.], 9.
Aufl. §
86 Rn.
167; [X.], jurisPR-[X.]ZivilR 12/2009, [X.].
2; [X.], [X.] 11/2009, [X.].
3; [X.]
in Burmann/[X.]/[X.]/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22.
Aufl., §
86 [X.] Rn.
105; Armbrüster, [X.], 284055; [X.], Unfalltod und Schadener-satz, aaO Rn.
437 ff.; [X.], [X.] 2009, 425, 427; ablehnend: [X.], [X.], 816; zweifelnd: Münch[X.]omm[X.]/[X.]/[X.], aaO Rn.
183).
cc) Zutreffend und mit überzeugender Begründung hat das Berufungsge-richt entschieden, dass Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften grund-sätzlich auch in den Schutzbereich des §
116 Abs.
6 Satz
1 [X.] einzubezie-hen sind.
[X.] Der erkennende [X.] hat bereits in seinem Urteil vom 1. Dezember 1987 im Hinblick auf den zu verzeichnenden gesellschaftlichen Wandel und die zunehmende Zahl und Bedeutung eheähnlicher Lebensgemeinschaften erwo-gen, diese in den Schutzbereich des §
116 Abs.
6 Satz 1 [X.], weil [X.]onfliktsituationen, die diese Vorschrift verhindern wolle, dort ebenso wie in einer Familiengemeinschaft auftreten könnten, wenn der Schädiger ei-nem Regress ausgesetzt sei. Er hat dazu ausgeführt, dass mit einer erweitern-16
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-

den Anwendung dieser Vorschrift bei eheähnlichen Lebensgemeinschaften gleichfalls eine Befriedigung zu erreichen wäre. Ob dies mit dem Gesetzesver-ständnis, insbesondere dem objektivierten Willen des Gesetzgebers, den [X.]materialien und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift vereinbar sei, könne offen bleiben, denn gegen eine analoge Anwendung sprächen damit ein-hergehende Unsicherheiten in der praktischen Rechtsanwendung, die wegen des nicht nur in der Privatversicherung, sondern auch in der Sozialversicherung beson[X.] großen Bedürfnisses nach Berechenbarkeit und leicht feststellbaren typisierenden und pauschalierenden Tatbeständen hier nicht hinnehmbar [X.] ([X.]surteil vom 1. Dezember 1987 -
VI
ZR 50/87, aaO S.
259
ff., 263
ff.). Diese seinerzeit geäußerten Zweifel haben angesichts des seitdem weiter fortgeschrittenen gesellschaftlichen Wandels und der diesen tatsächli-chen Veränderungen Rechnung tragenden rechtlichen Fortentwicklung (vgl. [X.] 82, 6, 12) inzwischen an Gewicht verloren und können nach heutiger Beurteilung der Einbeziehung von Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaf-ten in den Schutzbereich des §
116 Abs.
6 Satz 1 [X.] nicht länger entge-genstehen.
[X.] [X.] kann, ob Partner einer nichtehelichen [X.] nach heutiger Sicht schon im Wortsinne als Familienangehörige begriffen werden können.
Die Vergleichbarkeit der Schutzwürdigkeit erfordert im Bereich des Sozialversicherungsrechts ebenso wie im Versicherungsvertragsrecht [X.] eine analoge Anwendung des [X.]. Der erkennende Se-nat teilt die Auffassung des [X.] zur gebotenen analogen Anwendung von §
67 Abs.
2 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 22. April 2009 -
IV
ZR 160/07, aaO Rn.
18 [X.]) und erachtet aus denselben Erwägungen heraus die analoge Anwendung auch von §
116 Abs.
6 Satz 1 [X.] für zulässig und geboten. Die dagegen von der Revision vorgebrachten Bedenken sind nicht begründet. Der Gesetzgeber der [X.] in [X.] getretenen Neufassung des [X.]

-

14

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rungsvertragsgesetzes hat durch die Streichung des Erfordernisses der [X.] in §
86 Abs.
3 [X.] n.F. die Notwendigkeit der Erweiterung des [X.] verdeutlicht. Aus dem Umstand, dass er dabei von einer Än-derung der mit §
67 Abs.
2 [X.] inhaltsgleichen Vorschrift des §
116 Abs.
6 Satz 1 [X.] abgesehen hat, kann entgegen der Auffassung der Revision nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber den bis dahin anerkannten Gleichlauf beider Vorschriften (vgl. [X.] 127, 263,
266
f.
[X.]) nunmehr [X.] wollte. Ein dahingehender Wille lässt sich den Gesetzesmaterialien, die sich mit §
116 Abs.
6 [X.] in keiner Weise befassen (vgl. BT-Drucks. 16/3945), nicht entnehmen. Ein unterschiedliches Verständnis des [X.] im Bereich des Versicherungsvertragsrechts einerseits und des Sozialversicherungsrechts an[X.]eits ist auch weder geboten noch gerechtfer-tigt (vgl. [X.], [X.] 2009, 287
f.; [X.]/[X.]ater, [X.], Bd.
2, §
116 [X.] Rn.
246
[Stand: Dezember 2011]; [X.]/
[X.], [X.], [X.], [X.] §
116 Rn.
46
[Stand: Dezember 2012]; [X.]SW/Waltermann, §
116 [X.] Rn.
77; [X.] in von [X.], [X.], 7.
Aufl., §
116 Rn.
35; [X.], Unfalltod und Schadenersatz, aaO Rn.
437 ff.; [X.]., [X.] 2008, 57,
59 f.; [X.], [X.] 2008, 280, 281; [X.], [X.] 2009, 425, 429; [X.]., [X.] 19/2012 [X.]. 1; [X.], [X.] 2012, 360; a.[X.]/[X.], [X.], 26.
Aufl., [X.]ap.
30, Rn.
78; [X.], [X.] 2009, 218; zweifelnd: Münch[X.]omm[X.]-[X.]/[X.], aaO Rn.
185; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.]alb, Arbeitsrecht, 5.
Aufl. §
116 [X.] Rn.
69).
2. Die Revision wendet sich nicht dagegen, dass das Berufungsgericht die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme einer die analoge Anwen-dung
des [X.]s rechtfertigenden nichtehelichen [X.] im Sinne der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] 87, 234, 264 f.) bejaht hat. Diese tatrichterliche Beurteilung lässt auch 19

-

15

-

keinen Rechtsfehler erkennen. Da der [X.]lägerin danach der Regress gemäß §
116 Abs. 1 [X.] verwehrt ist, hat die [X.]lageabweisung Bestand.
3. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.
Galke

Zoll

Pauge

[X.]
von Pentz
Vorinstanzen:
LG [X.]öln, Entscheidung vom 17.03.2011 -
24 [X.]/10 -

OLG [X.]öln, Entscheidung vom 09.05.2012 -
16 U 48/11 -

20

Meta

VI ZR 274/12

05.02.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2013, Az. VI ZR 274/12 (REWIS RS 2013, 8450)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8450

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

9 U 64/21

Zitiert

VI ZR 274/12

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