Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.06.2023, Az. IX ZR 151/22

9. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 4489

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Gegenstand

Gesamtvollstreckung: Rückgewähr eines zu Unrecht aus der Masse entnommenen Vergütungsvorschusses des Gesamtvollstreckungsverwalters


Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 29. Juni 2022 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt als Verwalter in dem [X.] über das Vermögen der [X.] (nachfolgend: Schuldnerin) von dem [X.]n als vormaligem Gesamtvollstreckungsverwalter die Rückzahlung eines Vergütungsvorschusses.

2

Mit Beschluss des [X.] (nachfolgend: Insolvenzgericht) vom 22. September 1994 wurde das [X.] über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der [X.] zum Gesamtvollstreckungsverwalter bestellt. Auf dessen Antrag gestattete das Amtsgericht dem [X.]n mit Beschluss vom 20. April 2005, einen Vorschuss auf seine Vergütung in Höhe von 100.000 € der Masse zu entnehmen. Der [X.] entnahm den Vorschuss am gleichen Tag. Mit Beschluss vom 18. Februar 2010 entließ das Amtsgericht den [X.]n als Gesamtvollstreckungsverwalter vor dem Hintergrund eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Untreue und der Beihilfe zur Untreue zu Lasten verschiedener Insolvenzmassen aus wichtigem Grund und bestellte den Kläger zum neuen Gesamtvollstreckungsverwalter.

3

Am 20. Februar 2013 stellte der [X.] einen Antrag auf Festsetzung seiner endgültigen Vergütung im hiesigen [X.]. Mit Urteil des [X.] vom 24. November 2015 wurde der [X.] wegen Untreue in 33 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, da er in den Jahren 2005 bis 2008 von der    AG in 33 Fällen sogenannte Kick-Back-Zahlungen zu Lasten der ihm anvertrauten Insolvenzmassen entgegengenommen hatte, um sich persönlich zu bereichern. Den Festsetzungsantrag des [X.]n wies das [X.] am 7. August 2017 durch Beschluss zurück, weil er seinen Vergütungsanspruch aufgrund der auch zum Nachteil der verwalteten Vermögensmasse begangenen Straftaten verwirkt habe. Gleichzeitig forderte es den [X.]n zur Rückzahlung des erhaltenen Vorschusses auf. Der Beschluss wurde rechtskräftig.

4

Der Kläger verlangt, den [X.]n zu einer Zahlung in Höhe von 100.000 € nebst Verzugszinsen zu verurteilen. Das [X.] hat die Klage mit Blick auf die durch den [X.]n erhobene Einrede der Verjährung abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] - soweit noch von Interesse - den [X.]n zur Rückzahlung des entnommenen Vorschusses in Höhe von 100.000 € nebst Verzugszinsen verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der [X.] die vollständige Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat gemeint, der Kläger habe gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Herausgabe des aus der Gesamtvollstreckungsmasse entnommenen Vorschusses. Zwar komme der Festsetzung des Vorschusses durch das Amtsgericht mit Blick auf den [X.] im Sinne eines vorläufigen Behaltendürfens des entnommenen Betrags bis zur Festsetzung des endgültigen Vergütungsanspruchs zu. Dieser Rechtsgrund sei indes mit dem rechtskräftigen Beschluss des [X.], mit dem der Festsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen worden sei, im Nachhinein entfallen. Der Beklagte könne sich weder auf Entreicherung noch auf Verjährung berufen. Der bereicherungsrechtliche Rückzahlungsanspruch des [X.] sei erst mit der Zurückweisung des [X.] durch Beschluss vom 7. August 2017 entstanden, so dass die im Jahr 2019 erhobene Klage die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt habe.

II.

7

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Der Beklagte hat den durch ihn entnommenen Vorschuss der Masse zu erstatten.

8

1. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht an, die Rückforderung eines der Masse entnommenen, aber letztlich nicht verdienten Vorschusses richte sich nach § 812 BGB. Die Anspruchsgrundlage für eine Rückforderung überzahlter Vorschüsse folgt vielmehr aus einer entsprechenden Anwendung von § 667 BGB (vgl. [X.], Urteil vom 7. März 2019 - [X.], NJW 2019, 1458 Rn. 6 zur Rückgewähr von nicht verbrauchten Vorschüssen auf die Rechtsanwaltsvergütung). Die Bestellung eines Gesamtvollstreckungsverwalters begründet hinsichtlich der Vergütungsansprüche des Verwalters ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Verwalter und der Masse. Ein neu bestellter Gesamtvollstreckungsverwalter ist daher berechtigt und in der Lage, die dem früheren Gesamtvollstreckungsverwalter gewährten Vorschüsse auf die Vergütung zurückzufordern, soweit eine Überzahlung vorliegt.

9

2. Der Gesamtvollstreckungsverwalter, der Vorschüsse auf seine Vergütung und Auslagen erhalten hat, befindet sich hinsichtlich etwaiger Überzahlungen in einer einem Beauftragten vergleichbaren Lage. Vorschusszahlungen lassen die Abrechnungspflicht des Gesamtvollstreckungsverwalters unberührt. Dies rechtfertigt die entsprechende Anwendung des § 667 BGB.

Dies hat der [X.] mit Urteilen vom 29. Juni 2023 ([X.]/22 und [X.] für [X.] an einen Insolvenzverwalter entschieden und näher begründet. Für [X.] an einen Gesamtvollstreckungsverwalter gilt Entsprechendes. Die Gesamtvollstreckungsverordnung enthält ebenfalls keine Regelungen zu einem Vorschuss. Erst § 7 der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des [X.] ([X.]) bestimmt, dass der Gesamtvollstreckungsverwalter aus der Masse einen Vorschuss unter anderem auf seine Vergütung entnehmen kann, wenn das Konkursgericht es genehmigt. Nach § 7 Satz 2 [X.] soll die Genehmigung erteilt werden, wenn das Konkursverfahren ungewöhnlich lange dauert oder besonders hohe Auslagen erforderlich werden. Ebenso wie beim Insolvenzverwalter fehlt es auch in der Vergütungsordnung an einer Regelung für die Rückgewähr eines von einem Gesamtvollstreckungsverwalter zu viel vereinnahmten Vorschusses.

3. Die Einwände des Beklagten gegen die Höhe des Anspruchs sind unbegründet.

a) [X.] hat den Antrag des Beklagten auf Festsetzung seiner Vergütung mit Beschluss vom 7. August 2017 rechtskräftig zurückgewiesen, weil er seinen Vergütungsanspruch aufgrund der auch zum Nachteil der verwalteten Vermögensmasse begangenen Straftaten verwirkt hat. Damit steht rechtskräftig fest, dass dem Beklagten für seine Tätigkeit als Verwalter in dem [X.] über das Vermögen der Schuldnerin weder eine Vergütung noch eine Auslagenpauschale zusteht. Diese Entscheidung hat für die Frage, ob erhaltene Vorschüsse zurückzuzahlen sind, präjudizielle Wirkung. Der Beklagte kann daher für seine Tätigkeiten - auch vor dem inkriminierten Zeitraum 2005 bis 2008 - weder eine Vergütung noch eine Auslagenpauschale verlangen (vgl. [X.], Beschluss vom 22. November 2018 - [X.], [X.], 139 Rn. 30). Mithin ist der Beklagte verpflichtet, den vereinnahmten, aber letztlich nicht verdienten Vorschuss in entsprechender Anwendung des § 667 BGB an die Masse zurückzugewähren.

b) Der Rückforderungsanspruch ist nicht durch eine Aufrechnung seitens des Beklagten erloschen. Es fehlt bereits an einer Aufrechnungserklärung des Beklagten.

aa) Der Auffassung der Revision, dem Beklagten habe ein aufrechenbarer Bereicherungsanspruch zugestanden, mit dem zumindest konkludent die Aufrechnung erklärt worden sei, ist nicht zu folgen. Der Beklagte hat dem vom Kläger geltend gemachten Rückforderungsanspruch lediglich die Einrede der Entreicherung entgegengehalten. Dass der Beklagte damit konkludent die Aufrechnung mit ihm zustehenden Ansprüchen aus einer Bereicherung der Masse erklärt hat, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich.

bb) Ohnehin hat der darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, inwieweit und in welcher Höhe die durch ihn entfalteten Tätigkeiten zu einem Vermögenszuwachs der Masse und damit einer Bereicherung geführt haben sollen. Ebenso wenig zeigt der Beklagte auf, welche konkreten Auslagen ihm tatsächlich entstanden sind. Damit kann dahinstehen, ob und inwieweit bei einer Verwirkung der Vergütung entsprechend § 654 BGB Ansprüche des entlassenen Verwalters aus ungerechtfertigter Bereicherung oder auf Ersatz tatsächlich entstandener Auslagen in Betracht kommen (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Mai 2004 - [X.] 349/02, [X.]Z 159, 122, 133 f; vom 22. November 2018 - [X.], [X.], 139 Rn. 28, 30).

c) Ferner verfängt der Einwand des Beklagten nicht, er sei inzwischen entreichert im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB. Gegenüber einem Anspruch auf Rückforderung eines Vorschusses entsprechend § 667 BGB kann sich der Gesamtvollstreckungsverwalter nicht auf Entreicherung berufen.

4. Das Berufungsgericht nimmt zutreffend an, dass der Anspruch auf Herausgabe des durch den Beklagten vereinnahmten Vorschusses nicht verjährt ist. Mit Urteilen vom 29. Juni 2023 ([X.]/22 und [X.]) hat der [X.] entschieden und näher begründet, dass die Verjährung eines Anspruchs auf Rückzahlung eines dem Insolvenzverwalter gewährten Vorschusses grundsätzlich erst mit dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss des [X.] zu laufen beginnt. Dies gilt in gleicher Weise für den Anspruch auf Rückforderung eines einem Gesamtvollstreckungsverwalter gewährten Vorschusses.

Im Streitfall erfolgte die Festsetzung mit Beschluss des [X.] vom 7. August 2017. Die Klage wurde dem Beklagten noch im Jahr 2019 und damit in [X.] zugestellt. Die Zustellung der Klage hemmte die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

Schoppmeyer     

  

Lohmann     

  

Röhl

  

Schultz     

  

Weinland     

  

Meta

IX ZR 151/22

29.06.2023

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 29. Juni 2022, Az: 9 U 139/21

§ 667 BGB, § 7 KonkVwVergV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.06.2023, Az. IX ZR 151/22 (REWIS RS 2023, 4489)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4489

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 153/22

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