Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.05.2011, Az. I ZR 215/08

I. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6421

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 215/08
vom
19. Mai 2011
in dem Rechtsstreit
-
2
-
Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 19. Mai 2011
durch [X.]
Dr.
Bornkamm und [X.], Dr.
Schaf-fert, [X.] und Dr. Löffler
beschlossen:
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte und [X.] 69%
und die Klägerin und [X.] 31%
zu tragen.
Der Streitwert des Revisionsverfahrens
und des Berufungsverfah-rens
-
insofern in Abänderung der
Streitwertfestsetzung im Beru-fungsurteil
-
wird auf 176.549,95

tgesetzt.
Gründe:
[X.] Die Klägerin, die staatliche Lotteriegesellschaft des [X.], hat
der Beklagten vorgeworfen, als gewerbliche Spielvermittlerin ge-gen Verhaltenspflichten nach §
14 Abs.
1 Nr.
2 Lotteriestaatsvertrag (LottStV) bzw. §
3 Abs.
6 Nr.
2 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) zu verstoßen.
Die Beklagte ist im Rahmen eines
Geschäftsmodells
tätig, bei dem die auf [X.] ansässige "D.

Ltd." fortlaufend zusammen mit
einer dritten
Person [X.]en
gründet. Zweck dieser
Gesellschaften, die auf eine
Dauer
von
höchstens
einem
Monat angelegt sind, ist
der Erwerb von [X.] Deutschen Toto-
und Lottoblocks.
Nach
Er-werb der
Lottoscheine veräußert die "D.

Ltd." die von ihr gehaltenen Ge-
sellschaftsanteile an Spielinteressierte. Mit der Vermittlung der Anteilskäufe hat sie die Beklagte beauftragt.
1
2
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3
-
Die Klägerin hat
-
soweit für das Revisionsverfahren von Interesse
-
der Sache nach beantragt,
der Beklagten zu verbieten,
die Teilnahme an Lotterie-veranstaltungen zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder zu vermit-teln,
ohne dass die Anforderungen an eine gewerbliche Spielvermittlung
(bis 31.
Dezember 2007
§
14 Abs.
2 Nr.
3 und 5 LottStV, seit 1.
Januar 2008 gleich-lautend §
19 Nr.
1 und 3 GlüStV)
eingehalten werden
(Klageanträge zu
1.1 bis 1.5).
Außerdem hat sie
Auskunft (Klageantrag zu
2) und Feststellung der Scha-densersatzpflicht (Klageantrag zu
3) sowie Erstattung von
Abmahnkosten
([X.] 4) begehrt.

Die Beklagte hat
im Wege der
Widerklage
beantragt,
der Klägerin zu verbieten, Minderjährigen durch den Verkauf von Spielscheinen die Teilnahme an Glücksspielen zu ermöglichen.
Außerdem hat
sie ebenfalls Abmahnkosten
geltend
gemacht.
Die
Beklagte
stützt sich dabei auf Testkäufe,
die ihr Prozessbevollmäch-tigter in der Instanz am 28.
März 2007 durch die am 12.
Mai 1990 geborene Zeugin V.

A.

in acht Kölner Annahmestellen
der Klägerin
durchfüh-
ren ließ. Während in vier Annahmestellen der Verkauf der Spielscheine an die Zeugin unter Hinweis auf einen fehlenden Nachweis der Volljährigkeit abgelehnt worden war, hatten die Verkäufer sich in vier anderen Annahmestellen mit der Angabe der Testkäuferin begnügt, dass
sie
18
Jahre alt sei, den vorgelegten Spielschein registriert, den Einsatz kassiert und die Spielquittung ausgehändigt.

Das [X.] hat der Klage
-
hinsichtlich der Abmahnkosten aller-dings lediglich in Höhe von 850,05

r
1.050,25

-
und der [X.] stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sowohl die
Klage als auch die Widerklage
abgewiesen.

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-
4
-
Mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen haben
die Parteien ihre Anträge weiterverfolgt. Sie haben
jeweils
beantragt, die gegnerische Revision zurückzuweisen.
Nachdem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten mangels Masse abgewiesen worden ist, haben die Parteien übereinstimmend Klage und Widerklage in der Hauptsache für erledigt erklärt.
I[X.] Der Senat hat nach §
91a Abs.
1 ZPO
unter Berücksichtigung des bis-herigen Sach-
und Streitstands nach billigem Ermessen durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden.
Maßgeblich ist danach, ob und in welchem Umfang die Revisionen beider Parteien voraussichtlich Erfolg gehabt
hätten. Außerdem
ist zu berücksichtigen, dass das [X.] einen weiteren Unterlassungsan-trag (Klageantrag zu 1.6), die darauf rückbezogenen Teile des Auskunfts-
und des Feststellungsantrags (Klageanträge zu
2 und 3) sowie einen Teil der von der
Klägerin
beanspruchten Abmahnkosten (Klageantrag zu
4) rechtskräftig [X.] hat.
Danach ergibt sich für die erste Instanz ein Verhältnis des Ob-siegens und Unterliegens von 62%
zu 38%
und für die Berufungs-
und Revisi-onsinstanz ein Verhältnis von 71% zu 29%, jeweils zugunsten der Klägerin. [X.] Berücksichtigung der in den Instanzen angefallenen Gerichts-
und Anwalts-kosten errechnet sich hieraus eine Kostenlast der Klägerin in Höhe von 31% und eine Kostenlast der Beklagten in Höhe von 69%.
1. Die Revision der Klägerin hätte voraussichtlich
Erfolg
gehabt. Die [X.] ist als gewerbliche Spielvermittlerin im Sinne des Lotterierechts anzuse-hen und unterliegt deshalb den entsprechenden Verhaltensanforderungen.
Es ist davon auszugehen, dass der Klägerin der geltend gemachte [X.] nach §§
8, 3, 4 Nr.
11 [X.] in Verbindung mit §
14 Abs.
2 LottStV bzw. §
19 GlüStV, §
8 Abs.
1, 3 Nr.
1 [X.] zusteht.
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-
a) Die [X.] Vorschriften für die Tätigkeit gewerblicher Spiel-vermittler sind Marktverhaltensregelungen im Sinne des §
4 Nr.
11 [X.]. Nach den von der Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungs-gerichts hält sich die Beklagte bei ihrer Geschäftstätigkeit nicht an diese Vor-schriften.
b) Die Beklagte
ist
gewerbliche Spielvermittlerin im [X.] Sinn.
Nach §
14 Abs.
1 des bis 31.
Dezember 2007 geltenden [X.] betreibt gewerbliche Spielvermittlung, wer im Auftrag des Spielinteres-senten
1.
einzelne [X.] an einen Veranstalter vermittelt oder
2.
[X.] zu Spielgemeinschaften zusammenführt und deren Spiel-beteiligung dem Veranstalter
-
selbst oder über Dritte
-
vermittelt,
sofern dies jeweils in der Absicht geschieht, durch diese Tätigkeit nachhaltig Gewinn
zu erzielen.

§
3 Abs.
6 GlüStV enthält eine gleichlautende Regelung mit der Maßga-be, dass an
die Stelle der Wörter
"im Auftrag der [X.]" die Wörter
"ohne Annahmestelle oder Lotterieeinnehmer zu sein" getreten sind.
Es steht außer Frage, dass die Beklagte mit ihrer Tätigkeit nachhaltig Gewinn erzielen will. Die Beklagte ist auch nicht in die Vertriebsorganisation [X.] als Annahmestelle oder Lotterieeinnehmer eingegliedert, sondern vermittelt ihren Kunden ausweislich ihrer Allgemeinen Geschäftsbedin-gungen, deren Inhalt vom Berufungsgericht festgestellt worden ist, Anteile an Gesellschaften bürgerlichen Rechts, deren Geschäftszweck in der Teilnahme am Samstagslotto des Deutschen Toto-
und Lottoblocks liegt. Sie handelt dabei
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-
jedenfalls auch
-
im Auftrag der Spielinteressierten, für die sie
eine Vermitt-lungsdienstleistung erbringt.
Alle Spielinteressierten, die aufgrund der Vermittlung der [X.] an einer bestimmten [X.] erwerben, bilden miteinander eine Spielgemeinschaft. Sie sind gemeinschaftlich an den Gewinnchancen der von der [X.] erworbenen Lottoscheine beteiligt. Indem die Beklagte
mehreren [X.] Gesellschaftsanteile an einer bestimmten von der D.

Ltd. gegründeten [X.] vermittelt, führt sie selbst die
[X.] zu Spielgemeinschaften zusammen. Sie, nicht die D.

Ltd., beeinflusst die tatsächliche Zusammensetzung des jeweiligen [X.] und damit der Spielgemeinschaft.
Die Spielbeteiligung der Spielgemeinschaft wird der Lottogesellschaft als Veranstalter über den von der D.

Ltd. veranlassten Erwerb der Teilnah-
mescheine durch die [X.]en
-
und damit über Dritte
-
vermittelt.
Damit erfüllt die Beklagte alle Tatbestandsmerkmale, die das Lotterie-recht für eine gewerbliche Spielvermittlung vorsieht.
Die Beklagte ist auch ohne weiteres in der Lage, die [X.] Verhaltenspflichten gewerblicher Spielvermittler entweder selbst zu erfüllen oder
jedenfalls für ihre Erfüllung durch die D.

Ltd. und die von dieser ge-
gründeten [X.]en durch entsprechende Vertragsgestaltung Sorge zu tragen.
Im Übrigen
wäre es mit dem verbraucherschützenden Zweck der für die gewerbliche Spielvermittlung geltenden Vorschriften unvereinbar, wenn sie
-
wie das Berufungsgericht angenommen hat
-
durch Einschaltung eines
"Mak-16
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lers", der
[X.] für [X.]en akquiriert, ohne weiteres umgangen werden könnten. Dem
verbraucherschützenden Zweck
wird es auch
nicht gerecht, die Kunden für die Einhaltung dieser Pflichten an die D.

Ltd. oder die [X.]en zu verweisen.
Die
Klägerin
hätte
danach auch Auskunft
und Schadensersatz sowie Zahlung von Abmahnkosten in der vom [X.] zugesprochenen Höhe be-anspruchen können.
2.
Die Widerklage der Beklagten hätte ebenfalls voraussichtlich Erfolg gehabt.
Als gewerbliche Spielvermittlerin steht die Beklagte mit den [X.] der Klägerin, die in deren Auftrag Spielteilnahmen ermöglichen, in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis.
Nach §
8 Abs.
2 [X.] haftet die Klägerin für Wettbewerbsverstöße ihrer Annahmestellen ohne Entlastungsmöglichkeit. [X.] ist unerheblich, ob sie alles ihr Mögliche getan hat, um den Vertrieb von Glücksspielen an Jugendliche zu verhindern.
Die Widerklage hätte voraussichtlich auch nicht als
rechtsmissbräuchlich angesehen werden können.
Testkäufe
sind
grundsätzlich zulässig. Sie können allenfalls bei Vorliegen besonderer Umstände ihrerseits lauterkeitsrechtlich be-denklich sein -
so etwa, wenn hinreichende Anhaltspunkte für einen bereits [X.] oder bevorstehenden Wettbewerbsverstoß fehlen
und mit ihnen le-diglich die Absicht verfolgt wird, den Mitbewerber "hereinzulegen", um ihn mit einem Wettbewerbsprozess überziehen zu können (vgl. [X.], Urteil vom 15.
Juli 1999
-
I
ZR
204/96, [X.], 1017, 1019 = [X.], 1035
-
Kon-trollnummernbeseitigung, mwN; [X.] in [X.]/Bornkamm, [X.], 29.
Aufl., §
11 Rn.
2.41; [X.].[X.]/[X.], §
11 Rn.
287).
Nach diesen 21
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8
-
Grundsätzen
hätte
im Streitfall
nach summarischer Prüfung keine
Rechtsmiss-bräuchlichkeit der
Testkäufe angenommen werden können. Dass der damalige Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Erhebung der Widerklage davon ab-hängig gemacht hatte, dass
-
entgegen der in seinen Schriftsätzen vertretenen Rechtsauffassung
-
das [X.] in der mündlichen Verhandlung ein Wett-bewerbsverhältnis zwischen den Parteien annehmen würde, entsprach anwalt-licher Sorgfalt, da er sonst mit der Abweisung der Widerklage mangels [X.] hätte rechnen müssen. Auch der Umstand, dass die Testkäufe erst im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens veranlasst und nicht nur solche An-nahmestellen einbezogen worden sind, die
bereits
im Hinblick auf Verstöße ge-gen glücksspielrechtliche Jugendschutzbestimmungen
aufgefallen waren, spricht nicht notwendig für eine Missbräuchlichkeit. Dafür, dass der damalige Prozessbevollmächtigte der
Beklagten
die Widerklage ausschließlich erhoben hat, um Gebühren zu erzielen, ist ebenfalls nichts ersichtlich.
-
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Nachdem das mit der
Widerklage verfolgte Unterlassungsbegehren vor-aussichtlich zulässig und begründet gewesen wäre, hätte die Beklagte auch Er-satz der
Abmahnkosten verlangen können.

Bornkamm
Pokrant
Schaffert

Kirchhoff
Löffler
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.12.2007 -
84 [X.]/06 -

OLG [X.], Entscheidung vom 12.11.2008 -
VI-U ([X.]) 10/08 -

25

Meta

I ZR 215/08

19.05.2011

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.05.2011, Az. I ZR 215/08 (REWIS RS 2011, 6421)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6421

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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