Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2008, Az. 1 StR 449/08

1. Strafsenat | REWIS RS 2008, 2093

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[X.] vom 9. September 2008 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 9. September 2008 beschlos-sen: Die Revision des Angeklagten gegen das [X.]eil des [X.] vom 22. Februar 2008 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen not-wendigen Auslagen zu tragen. Gründe: Der Angeklagte wurde wegen einer Reihe schwerwiegender [X.] zum Nachteil von Kindern (Strafe wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zweimal je [X.]) oder Jugendlichen (Strafe für drei versuchte Vergewaltigungen eines Jugendlichen jeweils drei Jahre) sowie wegen wieder-holten Verstoßes gegen ein Berufsverbot (im Rahmen einer Vorverurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von [X.] ausgesprochenes Verbot der Ausbildung, Betreuung und Beaufsichtigung von Jugendlichen bis 15 Jah-ren; drei Strafen von jeweils zehn Monaten) zu sieben Jahren Gesamtfreiheits-strafe verurteilt. Die Anordnung von Sicherungsverwahrung blieb vorbehalten (§ 66a StGB), Führungsaufsicht wurde angeordnet. Außerdem wurde der An-geklagte verurteilt, dem Nebenkläger
F. , dem Opfer der Vergewalti-gungsversuche, 6.000,-- • Schmerzensgeld zu zahlen. 1 - 3 - Gegen dieses [X.]eil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachrü-ge gestützte Revision des Angeklagten, die erfolglos bleibt (§ 349 Abs. 2 StPO). 2 Der Senat verweist in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen des [X.], die auch durch die Erwiderung der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO; Schriftsatz vom 4. September 2008) nicht entkräftet wer-den. 3 Ergänzend bemerkt der Senat zur vorbehaltenen Sicherungsverwahrung (1.) und zur Zulässigkeit der Adhäsionsentscheidung (2.): 4 1. Der Angeklagte ist immer wieder wegen pädophiler Straftaten in [X.] und im Ausland in Erscheinung getreten; er ist deshalb wiederholt rechtskräftig verurteilt worden und hat auch mehrfach Strafen verbüßt. Nach sachverständiger Beratung bejaht die [X.] rechtsfehlerfrei einen Hang zu sexuellem Missbrauch von Minderjährigen. 5 Die formellen Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungsver-wahrung liegen, ohne dass es auf Weiteres ankäme, schon allein im Hinblick auf die hier abgeurteilten Taten vor (§ 66 Abs. 3 Satz 2 StGB sowie - von der [X.] nicht angesprochen - § 66 Abs. 2 StGB). 6 Von einer Anordnung von Sicherungsverwahrung hat die [X.] dennoch abgesehen. Der Angeklagte weigere sich nämlich, sich psychiatrisch explorieren oder beobachten zu lassen. Deshalb sei trotz beachtlicher Anhalts-punkte für diese Annahme nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, dass der Angeklagte im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB wegen seines Hanges für 7 - 4 - die Allgemeinheit gefährlich sei. Daher könne die Anordnung von Sicherungs-verwahrung nur gemäß § 66a StGB vorbehalten werden. Diese Erwägungen sind nicht rechtsfehlerfrei, beschweren den Ange-klagten aber nicht. 8 a) Zwar folgt aus dem Grundsatz der [X.] ohne [X.], dass ein Angeklagter nicht aktiv an der Schaffung von Grundlagen für seine Verurteilung mitwirken muss (vgl. speziell zur Explorierung durch einen Sachverständigen [X.], 157), jedoch bedarf es zur Feststel-lung der Gefährlichkeit eines Hangtäters keiner Erkenntnisse, die nur mit [X.] Zustimmung gewonnen werden können. Andernfalls stünde es letztlich im Belieben des Angeklagten, ob gegen ihn eine zum Schutz der Allgemeinheit erforderliche Maßregel angeordnet werden kann oder nicht. Vielmehr ergibt sich die Gefährlichkeit i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB regelmäßig schon allein aus der hier getroffenen Feststellung eines Hangs ([X.], 464; [X.]St 50, 188, 196; [X.]R StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1, 3 jew. m.w.[X.]). Anderes kann - von hier nicht vorliegenden Besonderheiten hinsichtlich der drohenden Taten (vgl. [X.]R StGB § 66 Abs. 1 Hang 4) abgesehen - nur dann gelten, wenn zwischen der letzten Hangtat und dem [X.]eilszeitpunkt neue Umstände eingetreten sind, die die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten entfallen las-sen. Dabei müssen die Umstände als solche feststehen ([X.], 464; [X.]R StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1). Sind nach der letzten Hangtat Um-stände eingetreten, die zwar möglicherweise die künftige Gefährlichkeit in [X.] stellen können, die aber noch keine eindeutige Beurteilung der Frage zulas-sen, ob deshalb die Gefährlichkeit entfallen ist oder nicht, so ist Raum für eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung gemäß § 66a StGB (vgl. [X.], [X.]. vom 9 - 5 - 10. Januar 2007 - 1 [X.], insoweit in [X.], 464 f. nicht abge-druckt). b) Anhaltspunkte für nach den Taten eingetretene Umstände, die die hangbedingte Gefährlichkeit des Angeklagten, sei es auch nur möglicherweise, in Frage stellen könnten, sind nicht ansatzweise zu erkennen. Die [X.] geht vielmehr in eingehender Würdigung aller zum Angeklagten und seinen Ta-ten angefallener Erkenntnisse davon aus, dass - unbeschadet der von ihr zu Unrecht noch für erforderlich gehaltenen weiteren psychiatrischen Erkenntnis-se - —beachtliche Anhaltspunktefi für eine Gefährlichkeit des Angeklagten [X.]. Der Angeklagte —gibt der [X.], dass entsprechende Taten zu Straftaten werdenfi. [X.] legt auch, so die [X.] —die er-hebliche Anzahl von rechtskräftig festgestellten Taten über wesentliche [X.] weitere Taten nahe. —Mit einer erheblichen Wahrscheinlichkeit liegt eine ungünstige Prognose vorfi. 10 c) Da somit die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 und § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB vorliegen, hätte die [X.] zu entscheiden gehabt, wie sie das ihr danach eingeräumte Ermessen ausübt, ge-gen den Angeklagten Sicherungsverwahrung anzuordnen oder nicht. Für eine Anordnung vorbehaltener Sicherungsverwahrung war dagegen kein Raum ([X.]St 50, 188, 193). 11 d) Die von der [X.] vorgenommene Würdigung von Taten und Täter ergibt in ihrer Gesamtheit mit genügender Klarheit, dass sie sich letztlich nur durch das Fehlen der von ihr rechtsfehlerhaft für erforderlich gehaltenen zusätzlichen Erkenntnisse an der Anordnung von Sicherungsverwahrung ge-hindert gesehen hat. Unter diesen Umständen ist der Angeklagte durch die nur 12 - 6 - vorbehaltene Anordnung von Sicherungsverwahrung hier nicht beschwert (vgl. [X.], [X.]. vom 6. Dezember 2005 - 1 StR 347/05). 2. Der Vertreter des Nebenklägers hatte in seinen [X.] beantragt, den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an den [X.] zu verurteilen. Nach dem letzten Wort des Angeklagten wurde die Beweisaufnahme nochmals eröffnet. Nach zunächst anderweitigem [X.] erfolgte der Hinweis, dass ein Adhäsionsantrag gemäß § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO bis zum Beginn der Schlussvorträge gestellt werden muss. Der [X.] wiederholte den genannten Antrag. Die übrigen [X.] (Staatsanwalt, Verteidiger, Angeklagter), so die Niederschrift der Hauptverhandlung, —wollten zu diesem Antrag keine Stellungnahme [X.] Sodann wurde die Beweisaufnahme wieder geschlossen. Bei den an-schließenden [X.] nahm der Staatsanwalt lediglich Bezug auf sein früheres Plädoyer und wiederholte seine früheren Anträge. 13 Auf der Grundlage dieses Verfahrensgeschehens meint die Revision, die [X.] hätte dem Nebenkläger schon deshalb kein Schmerzensgeld zu-erkennen dürfen, weil der hierauf gerichtete Antrag des [X.]s zu spät gestellt worden sei. Es reiche nicht aus, wenn dieser Antrag erst nach einem ersten Schlussvortrag des Staatsanwalts gestellt werde und dieser in seinem zweiten Schlussvortrag, ohne auf den Antrag einzugehen, nur auf sei-nen ersten Schlussvortrag verweise. 14 Dies trifft nicht zu. 15 - 7 - Ein Adhäsionsantrag ist deshalb gemäß § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO vor Beginn der Schlussvorträge zu stellen, weil (auch) der Staatsanwalt Gelegen-heit haben muss, auch zu Schadensersatzansprüchen Stellung zu beziehen ([X.]R StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 1). Deshalb reicht es aus, wenn in Fällen, in denen nach den [X.] die Beweisaufnahme wieder eröffnet wurde, der Antrag vor den erneuten (letzten) [X.] ge-stellt wird (vgl. [X.] in [X.] § 404 Rdn. 4; [X.] in [X.] <47. EL> § 404 Rdn. 5; [X.] in [X.][X.], [X.]. § 404 Rdn. 4). Auch bei einer solchen Fallgestaltung ist die Möglichkeit zu einer Stellungnahme [X.]. Ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, oder - wie hier - nicht, ist demgegenüber ohne Bedeutung. 16 [X.]Wahl Kolz Graf [X.]

Meta

1 StR 449/08

09.09.2008

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2008, Az. 1 StR 449/08 (REWIS RS 2008, 2093)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 2093

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