Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2016, Az. 5 StR 570/15

5. Strafsenat | REWIS RS 2016, 10344

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:080616U5STR570.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM [X.] [X.]S VOLKES

URTEIL
5 StR 570/15

vom
8. Juni 2016
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen des Vorwurfs des schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsun-

fähigen Person u.a.

-
2
-
Der 5.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 8. Juni 2016, an der teilgenommen haben:
[X.] Dr. [X.]

als Vorsitzender,

[X.],
[X.] Dr. König,
[X.] [X.],
[X.] Bellay

als beisitzende [X.],

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt B.

als Verteidiger
des Angeklagten E.

,

Rechtsanwalt Sc.

als Verteidiger des Angeklagten G.

,

Rechtsanwältin L.

als Vertreterin der Nebenklägerin,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:

Auf die Revisionen der Nebenklägerin wird das Urteil des Land-gerichts [X.] (Oder) vom 31. Juli 2015 aufgehoben, soweit die Angeklagten im Fall 6 der Anklage vom 2. Februar 2015, der Angeklagte G.

darüber hinaus im Fall 8 der Anklage vom 2.
Februar 2015, freigesprochen worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an ei-ne andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision hinsichtlich des Angeklagten E.

wird verworfen.

-
Von Rechts wegen
-

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten E.

wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zehn Fällen unter Strafaussetzung zur [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Von dem Vorwurf verschiedener Sexualstraftaten sowie weiterer Delikte zum Nachteil der Nebenklägerin hat es ihn und den Angeklagten G.

freigesprochen. Gegen die Freisprechungen wendet sich die Nebenklägerin mit ihren auf die Rüge der [X.]
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letzung materiellen Rechts gestützten Revisionen, soweit nebenklagefähige Straftaten betroffen sind. Die Rechtsmittel haben entsprechend dem Antrag des [X.] in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang [X.]. Im Übrigen sind sie unbegründet.
1. Den Angeklagten wird in Punkt 6 der Anklage vom 2. Februar 2015 vorgeworfen, in der Wohnung des Angeklagten E.

an der ihnen schutzlos ausgelieferten,
stark bewusstseinsgetrübten Nebenklägerin [X.] eine Reihe sexueller Handlungen vorgenommen zu haben, wobei einer von ihnen Teile einer Hand oder seinen Penis in deren [X.] eingeführt ha-be. Der sich wehrenden Nebenklägerin habe der Angeklagte G.

einen kräfti-gen Schlag ins Gesicht versetzt, so dass sie zu Boden gegangen sei und sich schmerzhafte Hämatome an den Knien zugezogen habe. Dem Angeklagten G.

liegt nach Punkt 8 der Anklage vom 2. Februar 2015 darüber hinaus zur Last, die Nebenklägerin während einer Autofahrt gewaltsam zum Oralverkehr gezwungen oder die widerstandsunfähige Nebenklägerin in dieser Weise schwer sexuell missbraucht zu haben.
2. Das [X.] hat zu diesen Vorwürfen im Wesentlichen Folgendes festgestellt (Fall III.7 und III.8 der Urteilsgründe):
a) Am Abend des 27. Januar 2013 teilte der Angeklagte E.

der Nebenklägerin per [X.] mit, dass sie Amphetamin erhalte, wenn sie sich

wie schon am frühen Morgen desselben Tages

eine Bierflasche in die [X.] einführe. Die Angeklagten sowie der Zeuge R.

holten die Nebenklägerin ab und fuhren mit ihr in die Wohnung des Angeklagten E.

. Die Neben-klägerin verlangte das Amphetamin. Der Angeklagte E.

forderte sie
Nebenklägerin erneut das versprochene Rauschgift haben. Der Zeuge R.

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G.

gab ihr Alkohol und kniff ihr in die Brüste. Sie trank und führte sich danach eine Bierflasche in die [X.] ein. Das Amphetamin erhielt sie nicht, weswe-gen ein Gerangel entstand, in dessen Verlauf der Angeklagte G.

ihr mit der flachen Hand ins Gesicht schlug.
b) Die Angeklagten und der Zeuge R.

fuhren die Nebenklägerin nach Hause. Der Angeklagte G.

und die Nebenklägerin saßen auf der Rückbank des Autos. Die Nebenklägerin führte am Angeklagten G.

fünf bis zehn [X.] lang den Oralverkehr durch. Dann biss sie in dessen Geschlechtsteil und ließ zunächst nicht los. Der Schmerzen verspürende Angeklagte G.

dachte daran, die Nebenklägerin von sich wegzuschieben, verwarf dies aber, weil er fürchtete, das an seinem Penis befindliche Piercing könne sonst in ihrem Mund verbleiben. Um den schmerzhaften Biss abzuwehren, versetzte er ihr zwei Faustschläge ins Gesicht.
c) Die Angeklagten und der Zeuge R.

setzten die Nebenklägerin in den frühen Morgenstunden des 28. Januar 2013 an der Wohnung ihres Bruders ab. Gegen 8:30 Uhr wurde sie im Bereich des Domplatzes hilflos, unterkühlt sowie mit stark eingetrübtem Bewusstsein gefunden und in ein [X.]. Zur behandelnden Ärztin sagte sie, sie sei am Vortag ab 20:00 Uhr bei einem Bekannten gewesen, wo sie Alkohol getrunken habe. Erst seit 11:30 Uhr des 28. Januar 2013 setze ihre Erinnerung wieder ein. Auf die Ärztin wirkte sie verstört und unter dem Einfluss von Drogen stehend. Sie klagte über Unter-bauchschmerzen, Schmerzen im Vaginalbereich sowie an den Knien und konn-te nicht sagen, was passiert war. Bei ihrer körperlichen Untersuchung wurden eine Rötung mit leichter Schürfung am Eingang der [X.], ein Hämatom am rechten Oberlid, eine Schwellung sowie eine Rötung an der linken [X.] und 5
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Hämatome an der linken Oberlippe, an der Brust sowie an den
Oberarmen, Rö-tungen am linken Oberschenkel und an beiden Knien festgestellt. In ihrem Slip fanden sich spermaverdächtige Anhaftungen, die DNA-Merkmale des Ange-klagten E.

aufwiesen.
3. Das [X.] hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass die Angeklagten die ihnen vorgeworfenen Straftaten begangen haben. Die [X.] der Nebenklägerin sei so inkonstant und inkonsistent gewesen, dass ein Handlungsablauf im Sinne der Anklage nicht habe festgestellt werden können. Der Zeuge R.

, auf
dessen Bekundungen die Anklage gestützt sei, habe in der Hauptverhandlung von seinem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch gemacht. Die [X.] hat den Feststellungen von ihr als gten zugrunde gelegt, die von den Verteidigern in der Hauptverhandlung verlesen worden sind. Die Faustschläge des Angeklagten G.

im Auto hat sie auf dieser Basis in Verbin-dung mit einer ergänzenden Äußerung dieses Angeklagten als durch Notwehr gerechtfertigt angesehen.
4. [X.] halten in den bezeichneten [X.] revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Die durch das [X.] vorge-nommene Beweiswürdigung ist insoweit lückenhaft und begegnet daher auch eingedenk des hierbei beschränkten [X.] (vgl. etwa [X.], Urteil vom 18. August 2015

5 [X.], [X.], 349, 350 mwN) [X.] rechtlichen Bedenken. Sie leidet insgesamt daran, dass die Aussagen der Nebenklägerin bei ihren drei polizeilichen Vernehmungen nicht in einer Weise mitgeteilt werden, die dem Senat eine Nachprüfung auf Rechtsfehler er-möglichen würde. Im Übrigen ist Folgendes zu bemerken:

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a) Zu den Vorgängen in der Wohnung des Angeklagten E.

weist der [X.]
richtig darauf hin, dass sich die [X.] weder mit den bei der Nebenklägerin festgestellten Verletzungen noch mit den in ihrem Slip gefundenen Spermaspuren hinreichend auseinandergesetzt hat. Die vorformulierten und ersichtlich aufeinander abgestimmten Erklärungen der Angeklagten, die das [X.] trotz ihres allenfalls geringen Beweiswerts (vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 21. Oktober 2014

5 StR 296/14, NJW 2015, 360, 361, insoweit in [X.]St 60, 50 nicht abgedruckt; vom 30. Oktober 2007

3 [X.], [X.], 476, 477; [X.]/[X.], 26. Aufl., § 243 Rn. 77 n-satzweise kritisch zu hinterfragen (vgl. [X.], Urteil vom 8. April 2009

5 StR 65/09; [X.]/[X.], 26. Aufl., §
261 Rn. 73), bieten für die Befunde keine genügende Erklärung. Darüber hinaus hat der Angeklagte G.

die Ne-benklägerin nach den Feststellungen grundlos in die Brust gekniffen (UA S.
15), was wohl ein Hämatom zur Folge hatte ([X.]). Eine Würdigung zumindest unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen Körperverletzung nimmt das [X.] nicht vor.
b) Die vorstehenden Erwägungen gelten für den Vorwurf eines während der Autofahrt durch den Angeklagten G.

erzwungenen bzw. mit der wider-standsunfähigen Nebenklägerin vollführten [X.] im Fall III.8 der
Urteilsgründe entsprechend. Speziell zur Frage der Rechtfertigung der durch diesen Angeklagten verübten Faustschläge hat der [X.] aus-geführt:

ch, wieso es dem Angeklagten nicht möglich war, die Nebenklägerin von seinem Geschlechtsteil wegzuschieben. Die Faustschläge waren eher geeignet, die Verletzungsgefahr für ihn zu erhöhen. Er musste dadurch zwangsläufig mit ruckartigen, unkontrollierten Bewegungen der 9
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Nebenklägerin rechnen, die er angeblich im Hinblick auf sein

Mit diesem Aspekt hätte sich das [X.] auseinandersetzen müs-sen. Die Einlassung des Angeklagten hätte dabei umso mehr besonders sor[X.] Würdigung bedurft, als sich die darin geltend gemachte Notwehrlage in dessen zunächst abgegebener schriftlicher Erklärung nicht widergespiegelt [X.]. Ausweislich der Urteilsgründe erfolgte sie erst nach einem rechtlichen Hin-weis auf ein in Betracht kommendes
Körperverletzungsdelikt ([X.]). Sofern das neue Tatgericht abermals zur Annahme einer Notwehrlage gelangen sollte, wird es sich angesichts des Vorverhaltens des Angeklagten G.

und des [X.] der Nebenklägerin im Zeitpunkt der Tat mit dem Gebotensein und der [X.] auseinanderzusetzen haben, als dies im angefochtenen Urteil gesche-hen ist.
c) [X.] ist auch darin zu sehen, dass das [X.] auf die Anklage stützende Angaben des Zeugen R.

hinweist ([X.]), ohne sie inhaltlich wiederzugeben und sich damit auseinanderzusetzen.
5. Der Senat schließt nicht aus, dass das [X.] in den genannten Fällen bei [X.] Beweiswürdigung zu anderen Ergebnissen gelangt wäre und dass noch Feststellungen getroffen werden können, die eine [X.] der Angeklagten ermöglichen. Die Sache bedarf deshalb insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Hinsichtlich einer Verwertbarkeit der Aussage des Zeugen R.

wird auf die Antragsschrift des [X.] vom 17. Dezember 2015 (dort [X.]) hingewiesen.
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6. Demgegenüber weist das Urteil zu [X.] (sexueller Miss-brauch oder Vergewaltigung der Nebenklägerin durch den Angeklagten E.

am Morgen des 27. Januar 2013 im Auto) jedenfalls keinen durch-greifenden Rechtsfehler zum Vorteil dieses Angeklagten auf, weswegen die gegen seine Freisprechung in diesem Fall gerichtete Revision zu verwerfen
war.
7. Der Gesamtstrafausspruch gegen den Angeklagten E.

hat Bestand. Nur im Falle einer weiteren Verurteilung wird die festgesetzte Ge-samtstrafe aufzulösen und unter Einbeziehung sämtlicher Einzelstrafen eine neue Gesamtstrafe festzusetzen sein.

[X.]

[X.] König

[X.] Bellay

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Meta

5 StR 570/15

08.06.2016

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2016, Az. 5 StR 570/15 (REWIS RS 2016, 10344)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10344

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