Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.09.2022, Az. IV ZR 305/21

4. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6023

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Gegenstand

Betriebsschließungsversicherung: Versicherungsschutz für Betriebsschließung eines Catering-Service im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 2. September 2021 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin gegen die [X.]eklagte Ansprüche aus einer bei dieser seit dem 1. Januar 2020 gehaltenen [X.]etriebsschließungsversicherung wegen der Einstellung des [X.]etriebs eines Catering-Service im Zusammenhang mit der [X.]-Pandemie zustehen.

2

Dem Versicherungsvertrag liegt unter anderem das [X.]edingungswerk "[X.]" (im Folgenden: [X.]) zugrunde. Diese [X.]edingungen lauten auszugsweise:

"1. Gegenstand der Versicherung

1.1 In Erweiterung … gewährt der Versicherer Versicherungsschutz für den Fall, dass von der zuständigen [X.]ehörde

1.1.1 der versicherte [X.]etrieb oder eine [X.]etriebsstätte des versicherten [X.]etriebes zur Verhinderung oder Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern beim Menschen geschlossen wird. Als Schließung ist es auch anzusehen, wenn sämtliche [X.]etriebsangehörige Tätigkeitsverbote erhalten oder für die Fortführung des [X.]etriebes wesentliche [X.]etriebsangehörige mit einem Tätigkeitsverbot belegt werden, so dass die übrigen [X.]etriebsangehörigen tatsächlich oder rechtlich außerstande sind, den [X.]etrieb fortzuführen (faktische [X.]etriebsschließung). Versicherungsschutz besteht auch, wenn nur Teile des [X.]etriebes von der Schließung betroffen sind.

1.3 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser [X.]edingungen sind die im [X.] (Infektionsschutzgesetz - [X.]) in der jeweils zum Schadenzeitpunkt aktuellen Fassung in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und [X.]

…"

3

II. Das [X.] hat die Klage, mit welcher die Klägerin Versicherungsleistungen für den Zeitraum vom 14. März bis 14. April 2020, in dem sie ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hatte, geltend macht, abgewiesen; das [X.] hat die [X.]erufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur [X.]egründung seiner Entscheidung hat das [X.]erufungsgericht ausgeführt: Zum einen fehle es mit [X.]lick auf den [X.]etriebsgegenstand der Klägerin an einer Schließung durch die zuständige [X.]ehörde. Catering falle nicht unter die [X.]etriebsarten, deren Schließung Gegenstand der Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus [X.]-2 in [X.]    vom 14. März 2020 ([X.] - [X.]; GV[X.]l. für [X.]    , 76. Jahrgang, Nr. 10, [X.]; im folgenden [X.]) gewesen sei. Zum anderen scheitere unabhängig davon ein Anspruch der Klägerin daran, dass im streitgegenständlichen Zeitraum vom 14. März bis 14. April 2020 weder [X.] als Krankheit noch [X.] oder [X.] 2 als Krankheitserreger in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung von §§ 6 und 7 [X.] namentlich aufgeführt gewesen seien. Mit der vom [X.]erufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche auf Versicherungsleistungen weiter.

4

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor; der Rechtssache kommt keine grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

5

1. a) Grundsätzliche [X.]edeutung einer Rechtssache im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, die das [X.]erufungsgericht angenommen hat, setzt voraus, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage als im konkreten Fall entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig aufwirft, und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Senatsbeschlüsse vom 24. März 2021 - [X.], [X.], 1068 Rn. 13; vom 28. Februar 2019 - [X.], [X.], 287 Rn. 9; jeweils m.w.N.). [X.] ist eine Rechtfrage dann, wenn sie vom [X.] bisher nicht entschieden ist und von einigen [X.]en unterschiedlich beantwortet wird oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen dazu vertreten werden (Senatsbeschluss vom 24. März 2021 aaO).

6

b) Soweit das [X.]erufungsgericht die Zurückweisung der [X.]erufung damit begründet hat, einem Anspruch der Klägerin stehe schon entgegen, dass die zuständige [X.]ehörde den [X.]etrieb der Klägerin nicht geschlossen habe und allein das Eintreten eines Umsatzeinbruchs nicht versichert sei, fehlt es an einer grundsätzlichen [X.]edeutung.

7

Insoweit ist nicht ersichtlich, dass in den beteiligten Verkehrskreisen über den hiesigen Einzelfall hinaus Streit darüber besteht, ob die Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts zutreffend ist, eine ausschließlich mittelbare [X.]eeinträchtigung der Umsatzsituation eines [X.]etriebes ohne eine diesen [X.]etrieb selbst betreffende behördliche Anordnung reiche nicht aus, um bei der hier vereinbarten [X.]edingungslage Versicherungsschutz in der [X.]etriebsschließungsversicherung zu erhalten. Von der Rechtsauffassung des hiesigen [X.]erufungsgerichts abweichende Entscheidungen sind nicht ersichtlich; gleiches gilt für die [X.] (vgl. [X.]/[X.], [X.], 242, 245; [X.], [X.], 513, 516).

8

2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das [X.]erufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin gegen die [X.]eklagte keine Ansprüche zustehen.

9

a) Der Gewerbebetrieb der Klägerin unterfiel nicht der Aufzählung der von der Schließung ab 14. März 2020 in [X.]    betroffenen [X.]etriebe nach §§ 2 bis 4 der [X.]. Damit fehlt es an einer bedingungsgemäßen Schließung des [X.]etriebs der Klägerin durch die zuständige [X.]ehörde (Ziff. 1.1 und 1.1.1 [X.]).

Unzutreffend ist die Auffassung der Revision, es bestehe auch ohne behördliche Schließung des konkreten [X.]etriebs der Klägerin ein Anspruch auf die vereinbarte Versicherungsleistung, weil auch für eine solche faktische [X.]etriebsschließung Versicherungsschutz in der [X.]etriebsschließungsversicherung gegeben sei. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird nämlich schon aus dem eindeutigen Wortlaut von Ziff. 1.1 und 1.1.1 [X.] ohne weiteres erkennen, dass allein das Ausbleiben von Kunden und sich hieraus ergebende [X.] und Umsatzeinbußen nicht versichert sind. Denn Ziff. 1.1 und 1.1.1 [X.] machen die Gewährung von Versicherungsschutz ausdrücklich von der Schließung des versicherten [X.]etriebs durch die zuständige [X.]ehörde abhängig. Dies lässt entgegen der Auffassung der Revision keinen Raum für eine Ausdehnung des [X.] des Versicherers auf eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage eines [X.]etriebes durch [X.]etriebsschließungen im Kundenkreis des Versicherungsnehmers.

Dass die bloß mittelbare [X.]eeinträchtigung eines [X.]etriebes nicht versichert ist, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer bei der hier vereinbarten [X.]edingungslage zudem daraus entnehmen, dass die "faktische [X.]etriebsschließung" in Ziff. 1.1.1 [X.] ausdrücklich definiert ist. Dort ist als Voraussetzung für die Annahme einer faktischen [X.]etriebsschließung in Ziff. 1.1.1 Satz 2 [X.] die Anordnung von [X.] gegen [X.]etriebsangehörige genannt; diese können aber nur durch eine [X.]ehörde ausgesprochen werden. Die Erstreckung auf "Teile des [X.]etriebes" nach Ziff. 1.1.1 Satz 3 [X.] schließt erkennbar an diese unbedingte Erforderlichkeit behördlicher Maßnahmen bezogen auf den versicherten [X.]etrieb an. Damit wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass ohne ein unmittelbar auf den versicherten [X.]etrieb bezogenes Handeln der zuständigen [X.]ehörde - sei es im Wege einer Schließung, sei es im Wege der Anordnung von [X.] für Mitarbeiter - die Gewährung von Versicherungsschutz nicht in [X.]etracht kommt (vgl. allgemein hierzu [X.]/[X.], [X.], 242, 245; [X.], [X.], 513, 516).

b) Ohne Relevanz für die Entscheidung des Rechtsstreits ist entgegen der Auffassung der Revision, dass die [X.]eklagte ihre [X.]edingungen für die [X.]etriebsschließungsversicherung ab Mai 2020 geändert hat; für nach diesem Zeitpunkt liegende Zeiträume hat die Klägerin keine Leistungen geltend gemacht.

c) Der Revisionsgrund des § 547 Nr. 6 ZPO kommt hier entgegen der Auffassung der Revision nicht zum Tragen. Zwar hat sich das [X.]erufungsgericht mit dem Klageantrag zu 2, mit dem die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten geltend gemacht hat, nicht auseinandergesetzt. Aus prozesswirtschaftlichen Gründen ist aber § 547 Nr. 6 ZPO dann nicht heranzuziehen, wenn - wie hier - mangels Erfolgsaussicht der Revision zum [X.] die nicht erörterte Nebenforderung schon mit [X.]lick auf ihre Abhängigkeit vom [X.]estehen der Hauptforderung ohne Erfolg bleiben muss (Senatsbeschluss vom 18. Mai 2022 - [X.]/21 juris Rn. 7, zum eingeschränkten Anwendungsbereich des § 547 Nr. 6 ZPO vgl. auch Versäumnisurteil des Senats vom 10. April 2019 - [X.], [X.], 811 Rn. 15).

3. Der Zurückweisung der Revision auf der Grundlage von § 552a Satz 1 ZPO steht die weitere, die Entscheidung ebenfalls allein tragende Erwägung des [X.]erufungsgerichts nicht entgegen, ein Versicherungsfall liege schon deshalb nicht vor, weil es sich für den streitgegenständlichen Zeitraum bei [X.] nicht um eine meldepflichtige Krankheit im Sinne der dem Vertrag zugrundeliegenden [X.]edingungen handele. Mit den [X.] Erwägungen des [X.]erufungsgerichts, es fehle an einer Schließung des [X.]etriebs durch eine [X.]ehörde im Sinne von Ziff. 1.1 und 1.1.1 [X.], enthält die angefochtene Entscheidung eine andere allein tragende [X.]egründung, für die - wie aufgezeigt - kein Zulassungsgrund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO gegeben ist. Dies führt dazu, für weitere die Entscheidung tragende [X.]egründungen die für die Annahme einer grundsätzlichen [X.]edeutung erforderliche Entscheidungserheblichkeit zu verneinen, weil in diesem Fall eine Klärung der gegebenenfalls zulassungsrelevanten Frage nicht zu erwarten ist (vgl. zur Rechtslage bei der Nichtzulassungsbeschwerde [X.]GH, [X.]eschlüsse vom 24. Juni 2021 - [X.], [X.], 1764 Rn. 4; vom 7. Juli 2011 - [X.], juris Rn. 5; vgl. zur Rechtslage bei der Rechtsbeschwerde [X.]GH, [X.]eschluss vom 2. Oktober 2003 - V Z[X.] 72/02, [X.], 72 [juris Rn. 7]; MüKoZPO/[X.], 6. Aufl. § 543 Rn. 26 m.w.N.; vgl. ferner [X.]AG, [X.]AGE 91, 93 [juris Rn. 14] sowie [X.]VerwG, NJ 1995, 382 [juris Rn. 6]).

Prof. Dr. Karczewski     

      

Dr. [X.]rockmöller     

      

Dr. [X.]ußmann

      

Dr. [X.]ommel     

      

[X.]     

      

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurücknahme der Revision erledigt worden.

Meta

IV ZR 305/21

21.09.2022

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 2. September 2021, Az: 8 U 119/21, Urteil

§ 2 CoronaVV BE, § 3 CoronaVV BE, § 4 CoronaVV BE, § 543 Abs 2 S 1 Nr 1 ZPO, § 6 IfSG, § 7 IfSG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.09.2022, Az. IV ZR 305/21 (REWIS RS 2022, 6023)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6023

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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