Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.05.2012, Az. 4 StR 67/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 6588

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4
StR 67/12

vom
9.
Mai
2012
in der Strafsache
gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 9.
Mai
2012
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 3.
November 2011 mit den Fest-stellungen aufgehoben
a)
in den Fällen
II.
96, II.
98 bis II.
100
der Urteilsgründe,
b)
in den Fällen
II.
101 bis II.
130 der Urteilsgründe in den Aussprüchen über die Einzelstrafen und
c)
im Ausspruch über die Gesamtstrafe
und die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 6.239,50
Euro.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
2.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in 130
Fällen und wegen Verstoßes gegen das 1
-
3
-
Waffengesetz durch unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Schusswaffe nebst Munition und verbotener Gegenstände (vier [X.]) zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von vier
Jahren und drei Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 6.239,50
Euro
angeordnet. Die Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbe-gründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
I.
Soweit der
Angeklagte in den Fällen
II.
1 bis II.
95
sowie II.
97
der
Urteilsgründe jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
sowie wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz
verurteilt worden ist, hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge einen den [X.] [X.] nicht ergeben.
1.
Insbesondere hat die [X.] entgegen der Auffassung der Revi-sion die Voraussetzungen gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten [X.] dargetan. Zwar kann die Gewerbsmäßigkeit im Sinne des §
29 Abs.
3 Satz
2 Nr.
1 BtMG, die sich auch auf die Erzielung bloßer Nebeneinnahmen beziehen kann, dann einer eingehenden Begründung bedürfen, wenn in [X.] der [X.] und der Tatfrequenz nur von einem geringen Gewinn auszugehen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 20.
März 2008

4
StR
63/08, [X.], 212). So liegt der Fall hier aber nicht. Das [X.] hat rechtsfehlerfrei festgestellt,
dass
der Angeklagte
in Gewinnerzielungsabsicht
vom 1.
Januar 2009 bis zum 31.
August 2010 in mindestens 80
Fällen jeweils 1
Gramm
Marihuana für 10
Euro
an den gesondert verfolgten M.

K.

und
in mindestens 15
Fällen jeweils 1
Gramm
Marihuana für 7,50
Euro
sowie
2
3
-
4
-
jeweils
1
Gramm
Amphetamin für 10
Euro an die gesondert verfolgte A.

K.

und zusätzlich an einem nicht näher bestimmbaren Tag Anfang Januar 2010 in einem Fall 1
Gramm
Marihuana für 7,50
Euro
an diese
verkauft hat. Die die An-nahme von Gewerbsmäßigkeit rechtfertigende Nachhaltigkeit der Absicht, sich eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Gewicht zu verschaffen, ist damit auf Grund der Vielzahl der Taten und der zeitlichen Abfolge ausreichend belegt, zumal das abgeurteilte Tatgeschehen lediglich einen Ausschnitt der festgestell-ten Verstöße gegen das [X.] betrifft und bei dem
hochver-schuldeten
Angeklagten, der Sozialleistungen bezog,
ein Geldbetrag in Höhe von 6.239,50
Euro sichergestellt wurde.
2.
Dass die [X.] jeweils von einem Mindeststrafrahmen von sechs Monaten als Regelstrafrahmen des §
29 Abs.
3 Satz
2 Nr.
1 StGB aus-gegangen ist, beschwert den Angeklagten nicht.
II.
Hingegen kann die Verurteilung in den Fällen
II.
96 sowie II.
98 bis II.
100 der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben. Ferner hält die Bemessung der Ein-zelstrafen in den Fällen
II.
101 bis II.
130 rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1.
Nach den Feststellungen kam es im Zeitraum von September 2010 bis Februar 2011 in mindestens 30
Fällen zur Belieferung des Angeklagten mit [X.] durch den gesondert verfolgten [X.]

, wobei die jeweiligen
Einzellieferungen unterschiedliche [X.], nämlich Haschisch, Amphetamin, Marihuana, Kokain und [X.] in unterschiedlichen, im Einzelnen nicht mehr feststellbaren
Mengen umfassten. Diese Betäubungsmittel verkaufte der Angeklagte gewinnbringend an seine Abnehmer, die ihn zu diesem Zweck 4
5
6
-
5
-
an seinem Wohnort aufsuchten. Im Einzelnen handelte es sich von September 2010 bis kurz vor [X.] 2010 um 15
Fälle, in denen der Angeklagte [X.] mindestens 200
g verschiedener Betäubungsmittel zum gewinnbringen-den Weiterverkauf erwarb. Von kurz vor [X.] 2010 bis Februar 2011 erfolgten ebenfalls mindestens 15
Lieferungen an den Angeklagten, wobei in diesen Fällen jeweils mindestens 1
kg unterschiedlicher, im Einzelnen ebenfalls nicht mehr feststellbarer
Betäubungsmittel geliefert wurde;
jede Lieferung ent-hielt einen
Anteil von 100 bis 300
g Amphetamin. Die meisten dieser Lieferun-gen beinhalteten daneben Haschisch und Marihuana, [X.] und Kokain [X.] nur gelegentlich mitgeliefert. Ferner verkaufte der Angeklagte im Zeitraum vom 24.
September bis zum 23.
Oktober 2010 über die gesondert verfolgte
A.

K.

, die den Transport der Betäubungsmittel und den Geldeinzug über-
nahm, an einem nicht näher bestimmbaren Tag 0,4
Gramm
[X.] und an zwei weiteren nicht näher bestimmbaren Tagen jeweils 0,3
Gramm
[X.] gewinn-bringend entweder an den gesondert verfolgten M.

D.

oder an den ge-
sondert verfolgten S.

E.

.
2.
Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen
II.
96 sowie II.
98 bis II.
100 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Insoweit liegt nach den Feststellungen die Annahme einer Bewertungseinheit nahe.
Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbe-nen Betäubungsmittel beziehen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] als eine Tat des unerlaubten Handeltreibens anzusehen, weil bereits ihr
Erwerb und Besitz zum Zweck des gewinnbringenden Weiter-verkaufs den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllen; die späteren, diese Betäubungsmittel betreffenden Veräußerungsge-7
8
-
6
-
schäfte gehören als unselbständige Teilakte zu dieser Tat (vgl. nur Senatsurteil vom 24.
Juli 1997

4
StR
222/97, [X.], 89;
Senatsbeschluss vom 8.
Mai 2001

4
StR
114/01). Zwar ist es nicht geboten, festgestellte Einzelverkäufe zu Bewertungseinheiten zusammenzufassen, weil nur die nicht näher [X.] Möglichkeit einer solchen Bewertungseinheit besteht; liegen konkrete [X.] für eine Bewertungseinheit vor, darf der Tatrichter darüber nicht ohne Erörterung hinweggehen (Senatsurteil aaO). So liegt es hier.
Das [X.] hat festgestellt,
dass der Angeklagte seit
Anfang Sep-tember 2010 ein-
bis zweimal wöchentlich
durch den gesondert verfolgten [X.]

mit Haschisch, Amphetamin, Marihuana, Kokain und [X.] beliefert
wurde. Der Weiterverkauf von Marihuana und Amphetamin an die gesondert verfolgte A.

K.

erfolgte am 4.
September 2010, die Verkäufe von [X.] an
den gesondert verfolgten M.

D.

oder den gesondert verfolgten S.

E.

zwischen dem 24.
September und dem 23.
Oktober 2010. Danach
liegt es nahe, dass die vom Angeklagten weiterverkauften Portionen aus den Lieferungen des gesondert verfolgten [X.]

stammten und somit eine
Be-
wertungseinheit
vorliegt.
3.
a)
In den Fällen
II.
101 bis II.
130 der Urteilsgründe ist der Schuld-spruch frei von [X.]. Dass der Angeklagte mit Betäubungsmitteln im Sinne des §
1 Abs.
1 BtMG in Verbindung mit den Anlagen
I bis III zum BtMG Handel getrieben hat, vermag der Senat dem Gesamtzusammenhang der
Urteilsgründe eben noch ausreichend deutlich zu entnehmen. Zwar
wird im an-gefochtenen Urteil mehrfach ohne nähere Spezifizierung ausgeführt, der Ange-klagte habe von dem gesondert verfolgten [X.]

-
genden Weiterverkauf erworben. Das [X.] hat indes an anderer Stelle auch festgestellt,
es habe sich um unterschiedliche Mengen Haschisch, Amphe-9
10
-
7
-
tamin, Marihuana, Kokain und [X.] gehandelt; bei Durchsuchungen in den Wohnräumen des Angeklagten wurden verschiedene Mengen unterschiedlicher Betäubungsmittel sichergestellt.
Ferner hat sich der
Angeklagte auch zu diesen Fällen im Wesentlichen geständig eingelassen; eine Verurteilung wegen [X.] mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§
29a Abs.
1 Nr.
2 BtMG) ist nicht erfolgt.
b)
Hingegen halten die [X.] in den Fällen
II.
101 bis II.
130 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Der Schuldumfang der einzelnen Taten ist nicht hinreichend bestimmt. Zwar hat das [X.] insoweit die Gesamtmenge der vom Angeklagten für den Weiterverkauf erworbenen Betäubungsmittel (jeweils 200
Gramm bis [X.], danach jeweils mindestens 1
kg) festgestellt. Nähere Feststellun-gen zu Qualität und Wirkstoffmenge der einzelnen [X.] feh-len
jedoch. Damit wird ein für die Bestimmung des Schuldumfangs wesentlicher Umstand (st.
Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 15.
Dezember 2005

5
StR
439/05, [X.], 184) außer Betracht gelassen, ohne dessen [X.] das Revisionsgericht nicht zu prüfen vermag, ob die Einzelstrafen rechts-fehlerfrei bemessen worden sind. Auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffge-halt
durfte hier umso weniger verzichtet werden, als verschiedene Betäu-bungsmittelarten
beim Angeklagten sichergestellt werden konnten. Für die nicht sichergestellten Mengen hat der neue Tatrichter neben dem bislang geständi-gen Angeklagten alle zur Verfügung stehenden weiteren Aufklärungsmöglich-keiten auszuschöpfen und wird sodann unter Beachtung des Zweifelsgrundsat-zes von Mindestfeststellungen ausgehen müssen ([X.] aaO; [X.], BtMG, 3.
Aufl.,
Vor §§
29
ff. Rn.
810
ff.).
11
12
-
8
-
4.
Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des [X.] sowie der
Anordnung über den Verfall von Wertersatz. Im Hinblick auf den betreffenden, bei dem Angeklagten sichergestellten Geldbetrag wird der neue Tatrichter vorrangig die Voraussetzungen des §
73d
StGB zu [X.] haben.
Ernemann
Roggenbuck
Franke

Mutzbauer
Quentin
13

Meta

4 StR 67/12

09.05.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.05.2012, Az. 4 StR 67/12 (REWIS RS 2012, 6588)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6588

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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46 KLs 3/21 (Landgericht Hagen)


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