Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.07.2013, Az. 2 StR 38/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 3710

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BUNDESGERIC[X.]TS[X.]OF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 38/13
vom
31. Juli 2013
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 31.
Juli 2013, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Fischer,

[X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],
[X.] am [X.]
[X.],

Oberstaatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger
des Angeklagten,

der Angeklagte

P.

in Person,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
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-
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 1. August 2012 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat gegen den Angeklagten wegen gefährlicher Körper-verletzung eine Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. [X.]iergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklag-ten. Das Rechtsmittel ist unbegründet.
I.
Der Angeklagte und sein Freund I.

-L.

fuhren am 15.
Februar 2012 zu einem Garagengelände, wo sich der Angeklagte nach der Möglichkeit eines Ölwechsels für sein Fahrzeug erkundigte. Aus unbekannten Gründen kam es zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und dem dort anwesenden

[X.].

. [X.]ierauf begaben sich der Angeklagte und sein Freund zurück zum Fahrzeug, während [X.].

ihnen folgte, auf den Angeklagten einredete und
bei dessen Versuch, ins Auto einzusteigen, die Tür zudrückte, so dass ein Fuß des Angeklagten für kurze Zeit eingeklemmt war. Deshalb wurde der Angeklagte 1
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wütend. Er versetzte [X.].

mit erheblicher Wucht einen kräftigen Faustschlag an die Schläfe. Anschließend trat der 1,85
m große Angeklagte den mit 1,65
m Körperlänge kleineren Geschädigten mit erheblicher Wucht gegen die rechte obere Brustseite, so dass der Geschädigte umfiel und mit dem [X.]interkopf auf den Boden aufschlug, wo er bewusstlos liegen blieb.
Dem Angeklagten war bekannt und bewusst, dass ein solch massiver Schlag in das Gesicht und ein derart wuchtiger Fußtritt gegen den Oberkörper geeignet waren, das Leben des Geschädigten zu gefährden, zumal ihm seine besondere [X.] als [X.] bekannt war.
Aufgrund des Schlags erlitt der Geschädigte eine Felsenbein-
und Kalot-tenfraktur, ferner Kontusionsblutungen und eine Blutung zwischen Schädeldach und harter [X.]irnhaut aufgrund der Zerreißung einer Schlagader. Die [X.] mussten chirurgisch versorgt werden. Der Geschädigte leidet auch danach unter erheblichen Konzentrations-
und Sehstörungen sowie Kopfschmerzen und Schlafstörungen und einer Sprachfindungsstörung.
II.
Die Revision ist unbegründet.
1. Dies gilt zunächst für den Rechtsmittelangriff gegen den Schuld-spruch.
Das [X.] hat die rechtsfehlerfrei festgestellte Tat zu Recht als ge-fährliche Körperverletzung im Sinne von §
224 Abs.
1 Nr.
5 StGB bewertet. Sowohl der heftige Faustschlag gegen die Schläfe des Opfers als auch der wuchtige Tritt gegen den Oberkörper, der den Geschädigten zu Fall brachte und mit dem [X.]interkopf hart auf den Boden aufschlagen ließ, waren jeweils le-bensgefährliche [X.]andlungen, die in natürlicher [X.]andlungseinheit zusammenge-3
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troffen sind.
Für eine Bewertung nach §
224 Abs. 1 Nr.
5 StGB erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Art der Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls generell dazu geeignet ist, das Leben des [X.] zu gefährden (vgl. Senat, Beschluss vom 16.
Januar 2013

2 StR 520/12). Tritte oder heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers können eine das Leben gefährdende Behandlung darstellen (vgl. Senat, Beschluss
vom 11.
Juli 2012

2 StR 60/12). Dabei ist aber die konkrete Schädlichkeit der Einwirkung auf den Körper des jeweiligen
Verletzten im Einzelfall zu berücksichtigen. Die [X.] zwischen Täter und Opfer, die Wucht des aus Wut ausgeführ-ten Schlags und des Tritts, sowie die Zielrichtung begründen hier die Bewer-tung als lebensgefährliche [X.]andlungen. Mit dem Faustschlag gegen den Kopf und mit dem Tritt, der mittelbar durch Sturz und Aufprall des Geschädigten mit dem Kopf auf den Boden jeweils gegen eine vitale Körperregion gewirkt haben, wurde eine zumindest potenzielle Lebensgefährdung verursacht.
Subjektiv muss der Täter einer Tat nach §
224 Abs.
1 Nr.
5 StGB die Umstände der Tat erkennen, aus denen sich die Lebensgefährlichkeit ergibt
(vgl. BG[X.], Beschluss
vom 5.
September 2001

3 [X.]). Da der Ange-klagte wusste, dass er massive Gewalt gegen den Kopf des Opfers ausübte, was er auch wollte, hat er die Tat mit dem Vorsatz einer das Leben des [X.] gefährdenden [X.]andlung begangen.
2. Entgegen der Ansicht des [X.] begegnet auch die Bemessung der Jugendstrafe keinen rechtlichen Bedenken.
a) Nach § 18 Abs. 2 JGG ist die Jugendstrafe so zuzumessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist. Dies bedeutet nicht, dass die
Erziehungswirkung als einziger Gesichtspunkt heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben andere Strafzwecke zu beachten, insbesondere bei Gewaltdelikten 8
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mit erheblichen Folgen für das Opfer auch das Erfordernis gerechten [X.]. Das Gewicht des Tatunrechts muss gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung
des Verurteilten abgewogen werden. Erzie-hungsgedanke und Schuldausgleich stehen dabei regelmäßig nicht im [X.]. [X.]ier stehen sie miteinander im Einklang, weil die charakterliche [X.]altung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, für das Erziehungsbedürfnis und für die Bewertung der Schuld gleichermaßen von Bedeutung sind.
b) Die [X.] hat nach Aufzählung der [X.] betont, sie habe unter "Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände und un-ter zentraler Berücksichtigung des [X.]" die verhängte Ju-gendstrafe "für angemessen und notwendig erachtet". Danach ist, anders als in Fällen, in denen das Tatgericht die Jugendstrafe in ihrer [X.]öhe ausschließlich als "tat-
und schuldangemessen" bezeichnet (vgl. Senat, Urteil vom 19. Juni 2013

2 StR 498/12), nicht zu besorgen, das Tatgericht könne diesen Maßstab des Jugendstrafrechts übersehen haben.
Eine lediglich formelhafte Erwähnung des [X.] in den Urteilsgründen würde zwar nicht den Anforderungen genügen (vgl. BG[X.], [X.] vom 28.
Februar 2012

3 StR 14/12, [X.], 241). Ein solcher Fall liegt aber nicht vor. Bei der Erläuterung der Strafbemessungskriterien hat die [X.] nicht nur Gesichtspunkte verwendet, die ausschließlich gemäß §
46 Abs.
1 StGB von Bedeutung wären. Sie hat vielmehr einer "positi-ven Entwicklung" des Angeklagten Rechnung getragen, der in der Untersu-chungshaft über "seinen bisherigen persönlichen und schulischen Werdegang sowie insbesondere über die Tat reflektiert und sich damit auseinandergesetzt hat." Dies sind Aspekte, die für die Bewertung des erzieherischen [X.] sind.
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Wenn die Strafhöhe ferner mit den schweren Folgen der Tat für den [X.] und den einschlägigen Vorbelastungen sowie der lediglich fünf [X.] vor der vorliegenden Tat erfolgten Verhängung eines einwöchigen Dauer-arrests gegen den Angeklagten
begründet wurde, lässt dies auch als Mitbewer-tung von Unrecht und Schuld nicht besorgen, dass das [X.] den Erzie-hungsgedanken aus dem Blick verloren hat. Diese Aspekte, insbesondere die Erwägung, dass sich der Angeklagte durch den gegen ihn verhängten [X.] nicht ausreichend hat beeindrucken lassen, enthalten auch Kriterien, die für die Einschätzung der notwendigen erzieherischen Einwirkung von [X.] sind.
c) Es stellt entgegen der Annahme der Revision ferner keinen Rechts-fehler dar, dass das [X.] bei der Bemessung der Jugendstrafe den Rechtsgedanken des §
213 1.
Alt. StGB nicht ausdrücklich erwähnt hat. Dabei kann offen bleiben, ob der Nebenkläger den Angeklagten durch Einklemmen eines Fußes in die Autotür im Sinne von §
213 1.
Alt. StGB erheblich [X.] und dies den Angeklagten auf der Stelle zur Tat hingerissen hat.
Der Rechtsgedanke des §
213 1.
Alt.

StGB in Verbindung mit §
224 Abs. 1 [X.]albsatz
2 StGB kann in Fällen einer gefährlichen Körperverletzung schon bei Anwendung von allgemeinem Strafrecht nur mittelbar Bedeutung er-langen (vgl. BG[X.], Beschluss vom 19.
Juni 2012

3 [X.], [X.], 308). Ein eigener gesetzlicher Strafrahmen wird dadurch bei der Anwen-dung von Jugendstrafrecht nicht eröffnet. Das [X.] hat aber bei der
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Bemessung der Jugendstrafe innerhalb des Strafrahmens aus den §§
18 Abs.
1 Satz
1, 105 Abs.
3 Satz 1 JGG auch berücksichtigt, dass es sich "um eine Spontantat aus einer besonderen Situation heraus" gehandelt hat.

Fischer

[X.]

Eschelbach

[X.]

[X.]

Meta

2 StR 38/13

31.07.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.07.2013, Az. 2 StR 38/13 (REWIS RS 2013, 3710)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3710

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 38/13

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