Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.12.2010, Az. V B 57/10

5. Senat | REWIS RS 2010, 787

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Gegenstand

Mündliche Verhandlung: Kein Unterbrechung, sondern Neuverhandlung gesetzlicher Richter, Richterwechsel bei Verhandlung an mehreren Sitzungstagen, Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts


Leitsatz

NV: Liegen zwischen dem Tag der mündlichen Verhandlung und einem späteren Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung mehr vier Monate, liegt keine Unterbrechung der mündlichen Verhandlung, sondern die Bestimmung eines neuen Termins vor.

Gründe

1

1. [X.] der Klägerin und [X.]eschwerdeführerin (Klägerin), das Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 119 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), hat keinen Erfolg.

2

a) Die Klägerin macht geltend, dass zwei mündliche Verhandlungen stattgefunden haben (am 14. Dezember 2009 und am 27. April 2010), an denen [X.] teilgenommen hätten.

3

b) Die [X.]esetzungsrüge greift nicht durch.

4

aa) Nach § 119 Nr. 1 [X.]O ist die nicht vorschriftsmäßige [X.]esetzung des Gerichts ein wesentlicher [X.]angel. Gemäß § 103 [X.]O kann das Urteil nur von den Richtern und ehrenamtlichen Richtern gefällt werden, die an der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben.

5

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] --[X.]FH-- (vgl. z.[X.]. [X.]eschluss vom 12. September 2000 [X.]/99, [X.] 2001, 197; Urteil vom 23. Januar 1985 [X.]/81, [X.], 117, [X.] 1985, 305, 306, jeweils m.w.[X.]) bezieht sich dabei das Tatbestandsmerkmal "dem Urteil zugrunde liegende Verhandlung", das nach § 103 [X.]O [X.] bestimmt, nur auf die letzte mündliche Verhandlung, in der das Urteil ergangen ist. Daraus folgt, dass bei einer Verhandlung an mehreren [X.]n ein Richterwechsel nach Vertagung einer mündlichen Verhandlung unschädlich ist und zwar auch dann, wenn in dem früheren Verhandlungstermin eine [X.]eweisaufnahme stattgefunden hat ([X.]FH-Urteil vom 23. April 1996 [X.], [X.] 1997, 31, m.w.[X.]). Etwas anderes gilt in der Regel bei einer bloßen Unterbrechung der mündlichen Verhandlung, wenn sich ein und dieselbe mündliche Verhandlung über mehrere Verhandlungstage ([X.]) hinzieht (vgl. hierzu [X.]FH-Urteile in [X.] 1997, 31; vom 15. [X.]ärz 1977 [X.]/73, [X.], 392, [X.] 1977, 431, 432, und vom 28. August 2006 [X.], [X.] 2006, 2293).

6

bb) Im Streitfall handelt es sich nicht um eine Unterbrechung der mündlichen Verhandlung, sondern um einen neuen Verhandlungstermin.

7

Liegen zwischen dem Tag der mündlichen Verhandlung und einem späteren Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung mehr als vier [X.]onate, liegt keine Unterbrechung der mündlichen Verhandlung, sondern die [X.]estimmung eines neuen Termins vor ([X.] vom 13. Januar 2010 [X.]/09, [X.] 2010, 913). Dementsprechend hatte im Streitfall am 27. April 2010 eine neue mündliche Verhandlung begonnen. [X.]ei diesem neuen Termin ist die vom Präsidium des Finanzgerichts ([X.]) gemäß § 27 [X.]O aufgestellte Liste über die Reihenfolge in der Heranziehung der ehrenamtlichen Finanzrichter zu beachten. Eine dieser Liste nicht entsprechende [X.]esetzung mit den ehrenamtlichen Richtern eines früheren Termins wäre ein absoluter Revisionsgrund i.S. des § 119 [X.]O ([X.] vom 11. Dezember 1968 [X.]/67, [X.], 24, [X.] 1969, 297).

8

cc) Im Übrigen ist die Rüge der Klägerin auch unzulässig. [X.]ird als wesentlicher [X.]angel des Verfahrens i.S. von § 119 Nr. 1 [X.]O gerügt, das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, da an den Terminen zur mündlichen Verhandlung [X.] teilgenommen haben, gehört zur schlüssigen Darlegung dieser Verfahrensrüge auch die Darlegung konkreter Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass im zweiten Termin lediglich die nach dem ersten Termin unterbrochene mündliche Verhandlung fortgesetzt wurde ([X.]FH-Urteil in [X.] 1997, 31; [X.] vom 9. [X.]ärz 1994 II R 41/92, [X.] 1994, 880). Diesen Voraussetzungen genügt die [X.]eschwerdebegründung der Klägerin im Streitfall nicht, da sie sich zur Abgrenzung zwischen Unterbrechung und [X.]eginn einer neuer mündlichen Verhandlung nicht äußert.

9

2. Das [X.] hat auch nicht verfahrensfehlerhaft [X.]eweisangebote der Klägerin übergangen.

a) Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Das Gericht ist dabei zwar an das Vorbringen und an die [X.]eweisanträge der [X.]eteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 [X.]O). Von den Verfahrensbeteiligten angebotene [X.]eweise muss das [X.] aber grundsätzlich erheben, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will. Auf die beantragte [X.]eweiserhebung kann es im Regelfall nur verzichten, wenn das [X.]eweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des [X.]eweisführenden als wahr unterstellt werden kann, wenn das [X.]eweismittel unerreichbar ist oder wenn das [X.]eweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist. Ferner ist das [X.] nicht verpflichtet, unsubstantiierten [X.]eweisanträgen nachzugehen ([X.] vom 1. Februar 2007 [X.]/06, [X.] 2007, 956, m.w.[X.]).

Nach diesen Grundsätzen musste das [X.] den angebotenen Zeugenbeweis nicht erheben. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] hatte die Klägerin beantragt, die [X.], [X.], [X.] sowie die seinerzeitigen Sachbearbeiter, Sachgebietsleiter und Vorsteher der Finanzämter als Zeugen zu den Gründen zu vernehmen, aus denen der Zeuge [X.] im Insolvenzverfahren der Klägerin nicht in Haftung genommen worden ist und wie die für die Klägerin und ihren Lieferanten [X.] zuständigen Steuerbezirke mit Kontrollmitteilungen umgegangen sind.

Hierauf kam es nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des [X.] nicht an, da das [X.] die Klageabweisung darauf gestützt hat, dass sich die Klägerin das [X.]issen ihres Geschäftsführers, des [X.], zurechnen lassen müsse und dieser zumindest hätte wissen können, dass er sich mit dem Erwerben vom Lieferanten [X.] für die Klägerin an Umsätzen beteiligte, die in eine [X.]ehrwertsteuerhinterziehung eingebunden waren. Dass das [X.] dies darauf stützt, dass der ohne Referenzen auftretende [X.] ungewöhnliche Lieferkonditionen angeboten hatte, dass für [X.] erkennbar war, dass [X.] nicht der wirtschaftliche Empfänger der Zahlungen war und dass die von [X.] eingeholten [X.]escheinigungen über [X.] unzutreffende und widersprüchliche Angaben enthielten, ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Danach waren die [X.]eweisanträge der Klägerin auf der Grundlage der Rechtsauffassung des [X.] nicht entscheidungserheblich.

Meta

V B 57/10

03.12.2010

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend FG Hamburg, 27. April 2010, Az: 6 K 263/09, Urteil

§ 103 FGO, § 119 Nr 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.12.2010, Az. V B 57/10 (REWIS RS 2010, 787)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 787

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