Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.10.2023, Az. VIa ZR 1139/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7587

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 24. Zivilsenats des [X.] vom 26. Juli 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Urteil der 29. Zivilkammer des [X.] vom 18. Februar 2022 abgeändert und die Klage mit Ausnahme der auf die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gewährten Zinsen abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte im März 2017 von einem Dritten einen gebrauchten [X.] CDI, der mit einem Dieselmotor der Baureihe [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgestattet ist. In dem Fahrzeug kommt eine temperaturgesteuerte Abgasrückführung ([X.]) zur Anwendung ([X.]). Zudem verfügt das Fahrzeug über eine [X.] (KSR).

3

Das [X.] hat die Beklagte - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - unter Abzug des Werts der gezogenen Nutzungen zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5.342,83 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie zur Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 627,13 € nebst Zinsen verurteilt und den Annahmeverzug feststellt. Es hat außerdem festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe von 1.013,59 € erledigt ist. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat überwiegend Erfolg. Sie führt im tenorierten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Die Beklagte hafte nicht gemäß §§ 826, 31 BGB. Der Kläger habe die Voraussetzungen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung - das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterstellt - nicht schlüssig behauptet. Es fehle an berücksichtigungsfähigem, auf tatsächliche Anhaltspunkte gestütztem Vortrag zu einem vorsätzlichen Verhalten von Repräsentanten der Beklagten. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV oder Vorschriften der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 oder der Durchführungsverordnung ([X.]) Nr. 692/2008 scheitere bereits daran, dass es sich bei diesen Normen nicht um Schutzgesetze handele.

II.

7

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

8

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB mangels vorsätzlichen (und sittenwidrigen) Verhaltens der für sie handelnden Repräsentanten verneint hat. Das Berufungsgericht hat zu Recht erwogen, dass eine arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde und ein entsprechendes Unrechtsbewusstsein der für die Beklagte handelnden Repräsentanten indiziert wäre, wenn eine im Fahrzeug der Klägerin verbaute Einrichtung ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung verstärkt aktivierte (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Februar 2022 - VII ZR 602/21, juris Rn. 15 und 25; Beschluss vom 20. April 2022 - VII ZR 720/21, juris Rn. 25; Beschluss vom 21. September 2022 - [X.], [X.], 1340 Rn. 10). Es hat jedoch greifbare Anhaltspunkte für eine solche vom Kläger behauptete Funktionsweise nicht festzustellen vermocht. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der [X.] geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

9

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023  III ZR 267/20, ZIP 2023, 1903 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines [X.]s gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Das Berufungsurteil hat gleichwohl Bestand, soweit der Kläger Zinsen auf die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt stellt sich das angefochtene Urteil Auf den vom Kläger geltend gemachten Befreiungsanspruch findet die eine Geldschuld betreffende Regelung des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung (vgl. Urteil vom 12. Oktober 2017  IX ZR 267/16, NJW 2018, 1006 Rn. 28).

IV.

Im Übrigen ist das Berufungsurteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine deliktische Haftung der Beklagten wegen einer jedenfalls fahrlässigen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verneint werden könnte. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. die erforderlichen

Menges                            Möhring                             Götz

                   Rensen                          [X.]

Meta

VIa ZR 1139/22

16.10.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 26. Juli 2022, Az: 24 U 915/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.10.2023, Az. VIa ZR 1139/22 (REWIS RS 2023, 7587)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7587

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 267/16

XI ZR 508/15

III ZR 303/20

III ZR 267/20

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